Europas Zukunft liegt in der Schuldenbremse – bei Gabriel ist Hopfen und Malz verloren
Sigmar Gabriel hat auch noch einen Essay für die FAZ geschrieben.
Titel: „Was wir Europa wirklich schulden“. Siegmar Gabriel beruft sich ausgerechnet auf den Bundesbankpräsidenten Weidmann und meint, es müssten „bislang rein nationale Souveränitätsrechte in der Europäischen Union gebündelt, um in einer gemeinsamen Währungszone auch eine gemeinsame Strategie des Schuldenabbaus, der Sanierung der Staatshaushalte und der Investition in die Wettbewerbsfähigkeit sowie die wirtschaftliche und soziale Entwicklung zu verfolgen.“ Damit lässt sich der Vorsitzende der SPD auf die gängige Forderung einer europäischen Sparunion ein. Von der notwendigen Korrektur der auseinanderdriftenden Entwicklung der Löhne, Lohnstückkosten und der Preise ist im ganzen Text keine Rede. Albrecht Müller.
Dieser Essay von Gabriel zeigt, dass die SPD unter seiner Führung nicht zu eigenständigen und aus der Sache entwickelten Antworten auf die Probleme unserer Zeit kommt. Dort wird nicht gefragt, was wichtig wäre, um die unterschiedliche Entwicklung der Wettbewerbsfähigkeiten der einzelnen Volkswirtschaften zu korrigieren – stärkere Lohnerhöhungen bei uns zum Beispiel und verhaltene Entwicklung bei den Volkswirtschaften mit Leistungsbilanzdefiziten, kompatiblere Entwicklung der Preisniveaus.
Typisch für diesen Essay ist folgender Satz:
„Der Drogenabhängige bekommt billige Drogen – ohne Therapieangebot.“
Gemeint sind die Länder mit Schwierigkeiten, ihre Haushalte zu finanzieren. Spanien, Portugal… „drogenabhängig“?
Der SPD-Vorsitzende hat keine Ahnung davon, dass zum Beispiel diese Länder weniger drogenabhängig waren als Deutschland.
Gabriel nennt Deutschland Musterknabe. Er suggeriert, dass es hierzulande wirtschaftlich rund um gut geht. Er spricht von sehr gutem Wirtschaftswachstum. Grotesk Sein Horizont reicht offenbar nicht über Wolfsburg und die Auftragslage bei VW hinaus. Gabriel schreibt, „ausgerechnet Deutschland“ halte es nicht für nötig, durch den Abbau der Staatsverschuldung in guten wirtschaftlichen Zeiten die Spielräume zu schaffen, die das Land, aber auch Europa bitter nötig haben wird, wenn es zu einem beschleunigten wirtschaftlichen Abschwung kommen sollte“.
Der Vorsitzende der größten Oppositionspartei, die einmal federführend für eine vernünftige Makropolitik in Deutschland war, glaubt wirklich, wir hätten jetzt einen Boom, obwohl wir bei der Wirtschaftstätigkeit gerade mal das Niveau von 2008 erreicht haben und dies war auch nicht gut. Gabriel glaubt, es würde jetzt im Angesicht einer weltweiten Rezession Sinn machen zu sparen. Davon, dass konjunkturpolitische Maßnahmen Zeit brauchen, dass also wegen der weltweit kritischen Entwicklung expansive Maßnahmen jetzt angesagt wären, hat dieser Parteivorsitzende keine Ahnung. Wie die SPD ihre makroökonomische Kernkompetenz verspielt hat, ist schon bedrückend.
Man muss leider davon ausgehen, dass es gar nicht das Bemühen um Kompetenz gibt. Gabriel oder seine Artikelschreiber plappern einfach nach, was gängiges Gerede ist: „Sparen, in guten Zeiten besonders, Fiskalunion“ usw.
Ebenfalls nachgeplappert ist das große Vertrauen in die Brüsseler Kompetenz.
Langsam müsste sich doch auch bis zum Willy-Brandt-Haus rum gesprochen haben, dass die Dichte an neoliberalem Glauben, an Kompetenz und Charakterlosigkeit in Brüssel vermutlich größer ist als in vielen Hauptstädten der Mitgliedsstaaten. Die europäische Kommission war immer auch eine treibende Kraft dessen, was Griechenland und anderen Ländern an prozyklischen Sparvorgaben aufgenötigt worden ist. Brüssel ist ein Matador der Privatisierungen auf allen Ebenen und Gegner öffentlicher Verantwortung. Und Brüssel ist übrigens auch ein Musterbeispiel an Charakterlosigkeit. Hier bei uns würden sich sogar CSU Gremien kritisch überlegen, ob sie dem Herrn von und zu Guttenberg eine staatliche Aufgabe zueignen, in Brüssel nicht, wie wir in den letzten Tagen staunend erleben durften.
Damit wende ich mich nicht prinzipiell gegen in Brüssel konzentrierte Kompetenzen. Ich wende mich gegen die Blauäugigkeit, die bei Gabriels Einlassungen durch scheint.
Eine Fiskalunion ist makroökonomisch nicht nötig und sie würde die Entwicklung der europäischen Länder in Vielfalt auch unnötig einengen.
Es ist in einer gemeinsamen Währungsunion durchaus möglich, dass in den einzelnen Volkswirtschaften von den einzelnen Völkern verschiedene Akzente gesetzt werden. Die Dänen zum Beispiel haben sich dafür entschieden, soziale Sicherungssysteme für Alter und Krankheit über Steuern zu finanzieren. Deshalb wird die Steuerquote Dänemarks höher liegen. Die Schweden haben immer noch einen vergleichsweise großen öffentlichen Sektor, usw.
Auch andere Völker könnten sich dafür entscheiden, wie bisher oder mehr als bisher Dienstleistungen in öffentlicher Verantwortung zu erstellen. Wenn man eine Fiskalunion eingeht, dann wird der gebündelte ideologische Druck auf Privatisierung öffentlicher Leistungen zunehmen. Das können einzelne Völker so für sich entscheiden. Es gibt jedoch keinen Grund, die Pfade der Entwicklung in diesem Bereich wie in vielen anderen zu vereinheitlichen. Das gilt übrigens auch nicht für die Bildungspolitik, wo die Vereinheitlichung unter Anleitung der OECD unnötigerweise betrieben worden ist.
Es wäre eine genuin sozialdemokratische Aufgabe, angesichts der erkennbaren neoliberalen Ausrichtung in Brüssel und angesichts des Lobby-Einflusses in Brüssel dafür zu streiten, dass den einzelnen Völkern sozialstaatlichere Wege möglich sind.
Gerade wenn man der Meinung ist, was auch bei Gabriel aufscheint, dass Europas Anziehungskraft auch aus der Vielfalt wächst, muss man diese Möglichkeit der verschiedenen Entwicklungen offen halten.
Wirklich wichtig ist in einer gemeinsamen Währungsraum die schon erwähnte Abstimmung von Lohn- und Preisentwicklung, damit die Wettbewerbsfähigkeit der einzelnen Volkswirtschaften nicht so aufeinander klafft, wie dies in den letzten zehn Jahren geschehen ist.