Wiederholt haben die NachDenkSeiten darüber berichtet, dass dem international bekannten und anerkannten Arzt Dr. Ghassan Abu Sittah, der auch Rektor der Universität von Glasgow ist, mehrfach die Einreise von Großbritannien in die EU verboten wurde. Hintergrund war ein von Deutschland verhängtes Einreiseverbot für den gesamten Schengen-Raum. Ein deutsches Gericht kippte nun das Einreiseverbot. Von Karin Leukefeld.
Die deutsche Bundespolizei stoppte Abu Sittah am 12. April 2024 am Flughafen von Berlin, hielt ihn mehr als drei Stunden fest, „befragte“ ihn, um ihn dann abzuschieben. Der Arzt hatte auf dem Berliner Palästina-Kongress über seine freiwillige Arbeit im Oktober/November 2023 nach Beginn des Gaza-Krieges berichten sollen, wo er 43 Tage lang geholfen hatte. (Die NachDenkSeiten berichteten.)
Am 4. Mai 2024 wurde Abu Sittah die Einreise am Pariser Flughafen Charles de Gaulle unter Berufung auf die deutsche Einreiseanordnung in den Schengen-Raum verweigert. Die deutsche Bundesregierung erklärte auf Nachfrage der NachDenkSeiten auf der Bundespressekonferenz, weder wisse sie von dem Fall, noch sei sie dafür rechtlich verantwortlich:
Nur wenige Tage später, am 9. Mai 2024, wurde Abu Sittah an der Einreise in die Niederlande gehindert, wo er an der Universität von Amsterdam sprechen sollte. Abu Sittah klagte und erhielt nun Recht, wie das Europäische Zentrum für rechtliche Unterstützung mitteilte.
Demnach hat das Verwaltungsgericht Potsdam das von der deutschen Bundespolizei verhängte Einreiseverbot für den palästinensisch-britischen Arzt Ghassan Abu Sittah in den Schengenraum aufgehoben. Das Verbot entbehre jeder rechtlichen Grundlage und sei sofort zu widerrufen, hieß es in dem Beschluss, der am 15. Mai 2024 bekannt wurde.
Das Urteil folgte auf einen Eilantrag des Berliner Rechtsanwalts Alexander Gorski vom Europäischen Zentrum für rechtliche Unterstützung (European Legal Support Centre) mit Unterstützung von Anwälten des International Centre of Justice for Palestinians (ICJP). Damit ist das von den deutschen Behörden gegen Prof. Dr. Abu Sittah verhängte EU-Einreiseverbot nichtig. Zuvor war er an der Einreise nach Deutschland, Frankreich und zuletzt in die Niederlande gehindert worden.
Das Gericht folgte den Argumenten des ELSC-Anwalts Alexander Gorski in allen Punkten und erkannte die Dringlichkeit des Falles angesichts der Entwicklungen in Gaza an. Das Gericht wies alle Vorwürfe der deutschen Bundespolizei gegen Prof. Dr. Abu Sittah zurück und stellte fest, dass die Bundespolizei keinerlei Begründung gemäß der Rechtsgrundlage des Art. 24 EU-Verordnung 2018/1861 und § 30 Abs. 5 BundespolizeiG vorweisen konnte.
„Dieser Erfolg kann nicht hoch genug geschätzt werden“
Alexander Gorski erklärte, dass „die Bundespolizei vor Gericht eine überraschend schwache Begründung für das gegen Prof. Dr. Ghassan Abu Sittah erlassene Einreiseverbot geliefert“ habe:
„Indem das Gericht sie als nicht stichhaltig zurückweist, bekräftigt es unser Anliegen und stellt die gesamten polizeilichen Ermittlungen in Frage. Professor Ghassan hat Palästinenser in Gaza unter schrecklichsten Bedingungen unermüdlich geholfen, und dennoch wurde er nach seiner Rückkehr so ungerecht behandelt.“
Der vollständige Text der ELSC-Erklärung ist in englischer und deutscher Sprache hier nachzulesen.
Titelbild: Shutterstock / ErenMotion