Attentat auf Robert Fico – bitte keine Täter-Opfer-Umkehr

Attentat auf Robert Fico – bitte keine Täter-Opfer-Umkehr

Attentat auf Robert Fico – bitte keine Täter-Opfer-Umkehr

Jens Berger
Ein Artikel von: Jens Berger

Keine vier Stunden nachdem der slowakische Premier Robert Fico von einem Attentäter niedergeschossen wurde, hatte der SPIEGEL bereits seine Erklärung für die Tat – das Opfer selbst habe „zur Polarisierung erheblich beigetragen“ und „das Klima in seinem Land vergiftet“. Kurze Zeit später änderte man nach massivem Protest in den sozialen Netzwerken zumindest die Überschrift. Man stelle sich nur einmal vor, ein deutsches Medium hätte auch nur im Ansatz im Kontext des Angriffs auf den Dresdner SPD-Politiker Matthias Ecke eine derartige Täter-Opfer-Umkehr betrieben. Der Aufschrei wäre groß und das vollkommen zu Recht. Fico selbst hat übrigens erst im letzten Monat in einer Ansprache vor den Kampagnen der „progressiven Medien“ gewarnt, die – aus seiner Sicht – die Gesellschaft radikalisieren und schon bald in der „Ermordung eines der führenden Regierungspolitiker münden“ werden. Er schloss sein Statement mit „Ich übertreibe keinen Millimeter“. Damit hatte er wohl recht. Zurzeit ringen die Ärzte um sein Leben. Von Jens Berger.

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Profan ausgedrückt gehören zu einer Spaltung der Gesellschaft immer zwei Seiten. Dass in Deutschland die AfD eine Spaltung der Gesellschaft vorantreibt, ist nicht von der Hand zu weisen. Dass auf der anderen Seite aber auch die Ampel und vor allem die großen Medien ebenfalls die Gesellschaft spalten, muss auch gesagt werden. Jede Münze hat zwei Seiten. Politiker der Grünen sind häufig Opfer von Angriffen politischer Gegner. Aber auch Politiker der AfD sind mindestens genau so häufig Opfer von Angriffen politischer Gegner. Bei der medialen Rezeption und Kommentierung dieser Vorfälle gibt es jedoch einige Unterschiede. Während Angriffe auf Grünen-Politiker in der rechten Bubble der sozialen Netzwerke oft mit Häme und klammheimlicher Freude kommentiert werden, werden auf der anderen Seite Angriffe auf AfD-Politiker nicht nur in der linken Social-Media-Bubble, sondern auch von – als progressiv geltenden – Medien zwischen den Zeilen hämisch kommentiert. Da heißt es dann – wer Hass sät, wird Hass ernten. Das Gleiche behaupten aber auch die rechten Kommentatoren auf Facebook, X und Telegram bei Angriffen auf Ampel-Politiker.

Ein ähnliches Phänomen konnten wir gestern bei der Berichterstattung zum Attentat auf Robert Fico erleben. Der SPIEGEL suchte nach Gründen und fand sie dann auch. Die „liberale Opposition“ in der Slowakei wird dabei als mustergültig beschrieben. Schuld an der Spaltung der Gesellschaft habe nur Fico, der links-nationalistische Populist, der das Verhältnis zum Nachbarland Ukraine „erschüttert“ hätte, da „er sich nicht an Waffenlieferungen für das bedrängte Land beteiligen will“. Letzteres ist zumindest tatsächlich so. Verschwiegen wird hingegen, dass die Slowakei während der Regierungszeit der heute „liberalen Opposition“ zu den – im Verhältnis zur Wirtschaftskraft – größten Unterstützern der Ukraine gehörte, während die Stimmung in der Bevölkerung in diesem Punkt mehrheitlich pro-russisch war und ist. Auch das hat maßgeblich zur Spaltung und Radikalisierung und nicht zuletzt zum Regierungswechsel im Oktober letzten Jahres beigetragen. Die Münze hat halt immer zwei Seiten, nur dass Medien wie der SPIEGEL die andere Seite nicht sehen wollen.

Wer die Spaltung – egal ob in Deutschland, der Slowakei oder jedem anderen Land – überwinden will, darf nicht immer nur die eine Seite betrachten. Das mag zwar zur ideologischen Festigung des eigenen Standpunkts beitragen, führt aber nur zu einer weiteren Spaltung. In der Slowakei ist die Versöhnung misslungen. Welche Seite nun dafür in welchem Maß mitverantwortlich ist, erschließt sich Außenstehenden nicht immer. Von außen ist es auch schwer zu sagen, was hinter Ficos Prophezeiung aus dem letzten Monat steckt, dass die Kampagnen der „progressiven Medien“ dazu führen würden, dass bald ein Regierungspolitiker erschossen wird. Vorsichtig ausgedrückt könnte man jedoch zumindest in Betracht ziehen, dass die slowakischen Medien eine Mitverantwortung und vielleicht sogar Blut an ihren Händen kleben haben.

Fest steht, dass es keine klare binäre Trennung in „gut“ und „böse“ gibt und ein gegenseitiges Befeuern der Eskalationsspirale nun dazu geführt hat, dass sich ein 71-jähriger Schriftsteller dazu berufen gefühlt hat, den Premier zu erschießen. Die konkreten Hintergründe dazu sind diffus. Es gibt Medienberichte, dass der Täter Juraj Cintula von Weggefährten als „radikalisierter linker und ultra-liberaler Denker“ beschrieben wird und Gründer einer Partei war, die sich gegen Gewalt gegen Migranten eingesetzt hat. In anderen Berichten wird indes behauptet, er sei Mitglied einer pro-russischen paramilitärischen Gruppe und habe selbst fremdenfeindliche Texte verfasst. Was stimmt, ist wie so oft unklar, und jede Seite wird sich ihre eigene Wahrheit heraussuchen.

Das Attentat auf Robert Fico sollte von uns in Deutschland vor allem als – vielleicht letzte – Warnung verstanden werden. Ursache und Wirkung. Die fortlaufende Spaltung der Gesellschaft kann auch in Deutschland schon morgen zu solchen Eskalationen der Gewalt führen und das gilt auch hier für beide Seiten. Wer nun einmal mehr die Schuld einseitig verteilt, eine Täter-Opfer-Umkehr betreibt und instinktiv die Spaltung stets ausschließlich dem politischen Gegner in die Schuhe schiebt, leistet dieser Eskalation am Ende des Tages nur Vorschub.

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Titelbild: Screenshot Facebook

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