Wieso ist die Bundesregierung gegen UN-geführte Ermittlungen zum Nord-Stream-Anschlag?

Wieso ist die Bundesregierung gegen UN-geführte Ermittlungen zum Nord-Stream-Anschlag?

Wieso ist die Bundesregierung gegen UN-geführte Ermittlungen zum Nord-Stream-Anschlag?

Florian Warweg
Ein Artikel von: Florian Warweg

Anderthalb Jahre sind seit dem Terroranschlag auf die zivile Energie-Infrastruktur Nord Stream vergangen. Schweden und Dänemark haben ihre Ermittlungen mittlerweile ergebnislos eingestellt. Ähnlich zeigt sich die Situation in Deutschland. Der weisungsgebundene Generalbundesanwalt hat bisher keinerlei Ergebnisse präsentieren können oder dürfen. Anfragen an die Bundesregierung bleiben mit Verweis auf „Staatswohl“ unbeantwortet. Vor diesem Hintergrund hatte die Chinesische Volksrepublik kürzlich im UN-Sicherheitsrat den Antrag eingebracht, die Ermittlungen unter Führerschaft der Vereinten Nationen international weiterzuführen. Die NachDenkSeiten stellten auf der Bundespressekonferenz die eigentlich recht einfach zu beantwortende Frage, ob Deutschland diesen Vorschlag der Chinesen unterstützt. Von Florian Warweg.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

USA und EU-Staaten zeigen keinerlei Interesse an internationaler Ermittlung

Als der UN-Sicherheitsrat vor mehr als einem Jahr, im Februar 2023, über die schleppenden Ermittlungen zur Sprengung der Nord-Stream-Pipelines debattierte, forderten Russland, China und Brasilien bereits eine internationale Untersuchung des Anschlags unter Leitung der Vereinten Nationen. Diese Forderung wurde aber vehement sowohl von den EU-Staaten als auch den USA mit der Begründung abgelehnt, dass die laufenden Untersuchungen der Anrainerstaaten Deutschland, Dänemark und Schweden (mittlerweile alles NATO-Mitglieder) bereits ausreichend seien und sicherlich bald zu abschließenden Ergebnissen führen würden. Doch dem war nicht so. Die Untersuchungen Dänemarks und Schwedens sind im Februar 2024 wie bereits erwähnt ergebnislos eingestellt worden. Im Falle Deutschlands sieht es nicht viel besser aus.

Zwar dauern, im Gegensatz zu Dänemark und Schweden, die Ermittlungen zumindest offiziell noch an, allerdings wurde auch nach 18 Monaten noch kein einziges Ermittlungsergebnis von der Bundesanwaltschaft offiziell präsentiert. Was es gab, war das Durchstechen von Informationen an bestimmte Medien wie ZDF und SPIEGEL, die dann in „Exklusiv“-Stories davon berichten durften, dass nach bisherigem Ermittlungsstand die Nord-Stream-Pipelines angeblich von ein paar ukrainischen Hobbytauchern an Bord eines Segelschiffchens (15 Meter Länge, 4 Meter Breite) gesprengt wurden. In diesem Zusammenhang wurde dann nochmal betont, dass es weder einen staatlichen Auftraggeber noch eine Mittäterschaft von staatlichen Akteuren gegeben hätte. Beim ZDF liest sich das unter dem Titel „Nord-Stream-Anschläge: Fahnder vermuten “Andromeda”-Crew in Ukraine“ beispielsweise so:

„Die Hinweise verdichten sich: Hinter den Anschlägen auf die Nord-Stream-Pipelines könnten Täter mit Verbindungen in die Ukraine stecken. Offiziell ermittelt die Bundesanwaltschaft weiter gegen Unbekannt. Doch nach Informationen von ZDF frontal und “Spiegel” halten mit Ermittlungen Vertraute vor allem die Spuren in die Ukraine für überzeugend. Zu Tatverdächtigen aus Russland gebe es keine belastbaren Belege.

Die bisher vorliegenden Erkenntnisse der Ermittler wiesen klar in Richtung Ukraine, hieß es. Im Fokus der Fahnder steht weiter ein sechsköpfiges Kommando an Bord der Segeljacht “Andromeda”. Vor und nach den Explosionen in der Ostsee soll sich die Gruppe in der Ukraine aufgehalten haben. Darauf deuteten technische Daten hin, die die Fahnder auswerten konnten. Das erfuhren “Spiegel” und ZDF aus Sicherheitskreisen.“

Angesichts dieses ernüchternden Ermittlungsstandes hatte der stellvertretende chinesische UN-Botschafter Gen Shuang am 26. April vor dem UN-Sicherheitsrat erklärt, man könne „keine konkreten Fortschritte bei den Ermittlungen erkennen“ und den beteiligten Ländern eine „versteckte Absicht“ unterstellt:

„In dieser Situation kann man nur vermuten, dass sich hinter dem Widerstand gegen eine internationale Untersuchung eine versteckte Absicht verbirgt, während man gleichzeitig die mögliche Vertuschung und den Verlust einer großen Menge zwingender Beweise beklagt.“

China forderte in Folge „die betroffenen Länder auf, aktiv mit Russland zu kommunizieren und mit ihm bei der gemeinsamen Untersuchung zusammenzuarbeiten“, und gab der Hoffnung Ausdruck, „dass eine baldige Einigung über den Entwurf erzielt werden kann, so dass der Rat sich so bald wie möglich zu diesem Thema äußern kann“. Abschließend erklärte der chinesische UN-Vertreter:

„Wir bekräftigen unsere Forderung nach der baldigen Einleitung einer internationalen Untersuchung unter der Leitung der UNO, um die Wahrheit für die internationale Gemeinschaft ans Licht zu bringen.“

Angesichts des geschilderten Status Quo beim bisherigen Ermittlungsstand ist die schlussendlich von der AA-Vertreterin gelieferte Antwort, dass aus Sicht der Bundesregierung keine Notwendigkeit bestände, „entsprechende Ermittlungen zu duplizieren“, an Zynismus kaum zu übertreffen.

Auszug aus dem Wortprotokoll der Regierungspressekonferenz zum Thema Nord-Stream-Anschlag

Frage Warweg

Bezüglich Nord Stream: Jetzt sind weit mehr als 18 Monate seit diesem Terroranschlag auf die zivile Infrastruktur vergangen. Schweden und Dänemark haben ihre Ermittlungen ergebnislos eingestellt. Die deutschen Ermittler haben bisher auch noch nichts präsentiert. Ende April hat die chinesische Volksrepublik den Antrag eingebracht, die Ermittlungen unter Führerschaft der Vereinten Nationen international weiterzuführen. Mich würde nur interessieren, Frau Deschauer: Unterstützt denn die Bundesregierung diesen Antrag und diesen Vorschlag der Chinesen?

Deschauer (AA)

Herr Warweg, auch da würde ich Sie zunächst einmal an die zuständigen Ansprechpartner verweisen, und das ist für diesen konkreten Fall ‑ das hatten wir hier, glaube ich, schon ein paarmal gesagt ‑ der Generalbundesanwalt.

Zusatzfrage Warweg

Aber meine Frage war, ob die Bundesregierung, und dafür ist die Bundesregierung zuständig, Frau Deschauer, den Vorschlag der Chinesen, diese Ermittlungen jetzt vor dem UN-Sicherheitsrat unter Leitung der Vereinten Nationen international durchführen zu lassen, unterstützt. Meine Frage hat mit dem Generalbundesanwalt relativ wenig zu tun.

Deschauer (AA)

Laufende Ermittlungen hinsichtlich eines laufenden Verfahrens, die durch eine zuständige Behörde durchgeführt werden, haben schon etwas damit zu tun, und an diese Adresse würde ich Sie verweisen. Sie haben ja just nach 18-monatigen Ermittlungen und dem Erkenntnisstand gefragt, und dafür würde ich Sie darauf verweisen.

Zuruf Warweg

(ohne Mikrofon, akustisch unverständlich)

Vorsitzende Wolf

Das war jetzt schon eine Nachfrage.

Zuruf Warweg

Ja, aber das ist ja unverschämt! Ich habe nachgefragt nach einer UN-Initiative …

Vorsitzende Wolf

Aber, Herr Warweg, es bedarf jetzt keiner Kommentierung der Antwort.

Vize-Regierungssprecherin Hoffmann

Vor allem nicht in dieser Tonlage. Das ist hier wirklich nicht angebracht. Die Sprecherin zu beschimpfen, das geht einfach nicht.

Zusatz Warweg

Ich habe Sie nicht beschimpft. Ich habe gesagt …

Vorsitzende Wolf

Ihr Mikrofon ist jetzt ausgestellt. Sie hatten die Möglichkeit einer Nachfrage. Wenn Ihnen die Antwort nicht passt, dann ist das Ihre Sache, und das muss man …

Zuruf Warweg

(ohne Mikrofon, akustisch unverständlich)

Deschauer (AA)

Ich kann gerne, obwohl ich diesen Ton wie auch die Kolleginnen und Kollegen auf dieser Bank eigentlich nicht akzeptiere, dennoch, um den Bogen zu schließen, Ihnen sagen, dass es laufende Ermittlungen gibt. Auf die verweise ich Sie, wie das auch die Regierungssprecherin und auch die Kollegen der anderen Häuser bereits in der Vergangenheit getan haben. Aus Sicht der Bundesregierung besteht angesichts laufender Ermittlungen, die der Generalbundesanwalt durchführt, keine Notwendigkeit, entsprechende Ermittlungen zu duplizieren.

Titelbild: Screenshot NachDenkSeiten, Bundespressekonferenz 06.05.2024

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