Kein frischer Luftzug in Österreich – „Viele trauen sich nicht mehr, was zu sagen“

Kein frischer Luftzug in Österreich – „Viele trauen sich nicht mehr, was zu sagen“

Kein frischer Luftzug in Österreich – „Viele trauen sich nicht mehr, was zu sagen“

Ein Artikel von Frank Blenz

Im vergangenen Sommer 2023 hatten in Österreich zahlreiche bekannte Persönlichkeiten des Landes an einer Kampagne mit dem Titel „Jeder wird jemanden kennen“ mitgewirkt. Diese hatte zum Ziel, die seinerzeit in Österreich (wie in Deutschland) ausgebliebene Aufarbeitung der Coronazeit in der Bevölkerung und bei den Verantwortlichen anzuschieben. Die NachDenkSeiten hatten mit einer Kampagnen-Teilnehmerin, der Schauspielerin Eva Herzig, gesprochen und erfahren, wie heftig man als einzelne Person Schaden nehmen kann. Jetzt, im Frühling 2024, hat sich Frank Blenz für die NachDenkSeiten erneut mit der Künstlerin unterhalten, die berichtet, dass in ihrer Heimat in vielen Bereichen der Gesellschaft weiter bleierne Zeiten herrschen und eine Aufarbeitung oder gar eine Rehabilitation auf sich warten lassen.

Noch immer kein neuer Film

Nach einem halben Jahr wurde es ja auch wieder mal Zeit für ein neuerliches Gespräch, stellten Eva Herzig (lachend) und ich unisono fest, als wir in den vergangenen Tagen mehrfach via Internet in Kontakt kamen, um ihre Geschichte wiederaufzunehmen. Ist Eva Herzig wieder im Geschäft (Film, Fernsehen, Bühne)? Wie ist die Lage in Österreich aus Sicht einer Künstlerin, deren Karriere 2021 (vorläufig?) beendet wurde? Was ist aus der Kampagne geworden, hat es etwas gebracht? Wie erlebt sie die unfriedlichen Zeiten von Spaltung, Ausgrenzung, Aufrüstung?

Die österreichische Schauspielerin verriet gut gelaunt, dass es ihr gut gehe – trotz aller weniger angenehmen Seiten des Alltags, trotz ihrer persönlichen Betroffenheit, trotz der gesellschaftlich angespannten Umstände in ihrer Heimat und anderswo, trotz der Sorgen und der symbolisch dunklen Wolken darüber. „Ich hab ein Urvertrauen ins Leben, trotz und wegen allem“, sagte sie zunächst tapfer. Ihrer Stimme entnahm ich einerseits Freude, Humor und Leichtigkeit, doch andererseits schwang eine Art Schwere, eine Spur Wut und etwas Kämpferisches mit, was Wunder: Bis heute bekam Eva Herzig keinen Anruf von Produzenten oder TV-Sendern, um sie wieder für einen Film zu besetzen. Der letzte Film hieß passenderweise „Letzte Bootsfahrt“ (2021).

An Eva Herzigs persönlicher, beruflicher Laufbahn, wie sie behandelt wurde und wird, erkenne ich auf erschreckende Art, wie drastisch das Denken und Handeln der Coronajahre und selbst bis ins Heute einzelnen Menschen Schaden zufügt und wie zynisch es ist, dies in Kauf zu nehmen. Halt Pech gehabt, oder?

Hörbuchgeschichte, Manifeste für bessere Medien

Künstlerisch tätig ist Eva Herzig dennoch. Gerade arbeitet sie an einer Hörbuchgeschichte – „Der Waldkönig“, ein Werk für Kinder ab drei Jahren. Eva Herzig gab und gibt nicht auf, sie hat sich gerade einer neuen Agentur für Schauspieler angeschlossen: Courage Management. Eine ihrer Kolleginnen in dieser Agentur ist die Schauspielerin Philine Conrad. „Die Philine ist eine starke und mutige Frau, eine vielseitige Künstlerin, ich bewundere ihre Klarheit sehr. Ich denke gerade an das Manifest, dass sie mit erstgezeichnet hat.“ Das Manifest für einen neuen Öffentlich-Rechtlichen-Rundfunk in Deutschland nennt Eva Herzig eine wundervolle, längst überfällige Aktion – eine, die auch für Österreich überaus wichtig sei. „Wir Österreicher schauen ja gern zu Euch herüber, stimmt, wir sind ein wenig wie ein Anhängsel. Und na klar habe ich die Petition zum Manifest unterschrieben.“

Dass in Deutschland mit der Veröffentlichung von RKI-Files die Aufarbeitung der Coronazeit einen Schub erhalten könnte, auch für Österreich, baut sie auf. „Ich kenne Menschen, die Opfer dieser Zeit geworden sind, die in Wien gerade einen Verein gründen wollten und dies verhindert wurde.“ Von wegen Aufarbeitung. Dass statt der Öffentlich-Rechtlichen gerade alternative Medien den Mut aufbrachten gegenzuhalten und nachhakten, bestätigt für sie umso deutlicher die Notwendigkeit des Manifests für Neue Öffentlich-Rechtliche. „Und überhaupt: Warum müssen für uns alle wichtigen Informationen erst enthüllt werden, frage ich mich – eine Selbstverständlichkeit, ein Recht wurde wie so vieles in dieser Zeit außer Kraft gesetzt. Und ja: Die geschwärzten Stellen müssen lesbar sein.“

Sind die Wogen geglättet? Von wegen. Manches ist lediglich eingeschlafen

Österreich im Frühling. Oberflächlich scheint es, als würde „alles“ wie früher seinen Gang gehen, erzählte die in Graz lebende Künstlerin, die sich in einem wohltuenden Umfeld von Familie und Freunden weiß.

Und sonst, alles wieder gut? Sind die Wogen geglättet? Von wegen, es sei lediglich so, dass manches einschläft – Empörung, Widerspruch, Streit verebben. Die Spaltung durch die Gesellschaft ist aber immer noch zu spüren, bis in die Familien hinein. „Es hilft nichts, bei aller Verärgerung müssen wir aufeinander zugehen und Brücken bauen.“ Doch beherrscht nicht nur Ärger die gesellschaftliche Atmosphäre.

Es geht um die Angst. „Ich sehe das auch und gerade in meiner Branche, in den Medien, beim Film, in der Kultur. Angst – es ist ein Skandal. Das Gefühl erfasst einen, weil es um die Jobs geht, um die berufliche, wirtschaftliche Existenz, um die Akzeptanz in der Gesellschaft. Wer nicht dabei ist, gehört zu der einen, der abgehängten Seite dieser Spaltung. Wer dazugehört, macht mit in dem Einerlei und Es-ist-ja-alles-wieder-gut-Spiel oder sagt: Schwamm drüber.“ Noch immer werden wie zu Coronazeiten Menschen ausgegrenzt oder gecancelt. „Still ruht der See. Viele trauen sich nicht mehr, was zu sagen. Man schaut, dass man die Schäfchen ins Trockene bringt – wegen der, wie gesagt, existenziellen Angst. Dieser Druck ist gewaltig und mächtig – und ungerecht und falsch.“

Krieg und Frieden

Eva Herzigs Heimatland ist ein neutrales Land. „Naja, halbneutral, politisch sind wir gerade nah an Deutschland, laufen hinten nach und machen alles brav mit“, kommentiert sie und meint die unfriedlichen Töne des Establishments, das Fehlen von Vorschlägen, Kriege zu beenden. „Mit Krieg, mit Rüstung wird viel Geld gemacht.“ Fernsehen schauen, Zeitungen lesen oder Nachrichten im Rundfunk verfolgen – überall wird getrommelt, Säbelrasseln laut und bedrohlich. „Es ist ein Wahnsinn. Man schaue sich die Kriege an, die gerade geschehen: Man könnte sie beenden. Könnte …“ Die Schauspielerin zeigt sich dankbar, wenn Künstlerkollegen sich engagieren und mutig sind in Zeiten von Angst. Gerade hat Dieter Hallervorden einen Aufruf gestartet, viel beachtet, gelobt und schlimmerweise viel geschmäht und angefeindet: ein Friedensaufruf! „Man muss Leuten wie Hallervorden danken und sich auch dazu positionieren, man muss sich trauen.“

Rückblick

Schauspielerin Eva Herzig erlebte 2021, wie sie für zwei abendfüllende Filme ausgeladen und die auf ihre Person konzipierte Filmrolle auf einen anderen Darsteller umgeschrieben wurde. Das alles wurde von den Verantwortlichen durchgezogen, weil sie nicht „mitmachte“? Nicht mitmachte bei der Impfkampagne, nicht mitmachte beim Maßnahmen-Regime am Filmset. „Im Sommer wurde ich angerufen, der Drehbeginn für zwei neue Filme stand an. Ich sagte zu, es waren ja Fortsetzungen der Serie aus einer ORF-Landkrimireihe, in der ich bisher auch mitgewirkt hatte. Schließlich aber – so ziemlich am Ende des Telefonats, wurde mir gesagt: Ach, noch was, Du weißt, dass alle in der Zone I am Filmset geimpft sind.“ Herzig war und ist bis heute nicht geimpft, sagte sie im Telefonat. Die sofortige Folge war: Sie wurde ausgeladen. „Meine umgeschriebene Rolle spielt fortan ein Mann“, so Herzig. Ihre Laufbahn beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen war beendet.

Ich will wieder spielen – viel, und die verschiedensten Charaktere

Eva Herzig, die Frohnatur, legt sich einen hoffnungsvollen Optimismus zurecht. „Ich will wieder spielen, mal sehen, wann mein Eintrag in der neuen Agentur fruchtet.“ Zweifel kommt dennoch auf, dass sie bislang nicht wieder „besetzt“ wird, und die Frage: „Inwieweit liegt es an mir, dass ich keine Angebote bekomme? Liegt es an einer Art „Schwarzen Liste? Oder passt die Chemie zwischen mir und einigen Menschen aus der Branche einfach nicht mehr? Vielleicht ist es an der Zeit, neue Wege zu gehen, meine eigenen Geschichten zu kreieren, Menschen mit meiner Stimme Mut machen, ihr Leben selbst zu gestalten, auch wenn man dafür manchmal die sogenannte Komfortzone verlassen muss. Ich kann mir auch vorstellen, wieder als Schauspielerin verschiedene Rollen mit Leben zu erfüllen, Filme zu drehen … aber ohne mein Rückgrat verbiegen zu müssen.“

Die Schauspielerin Eva Herzig habe ich weiter sehr aufmerksam auf dem Schirm. Ich erinnere mich an ihre Rollen: SOKO Wien, Kitzbühel, Landkrimi, Schnell ermittelt, ein Film über Falco. Ich gestehe, ich mag den österreichischen Film, den Schmäh, den Humor, den feinen Spott, die kleine latente Arroganz.

Wann endet die bleierne Zeit, der Ausschluss? Wann werden sich die Verantwortlichen bei ihr entschuldigen und sie rehabilitieren?

Es braucht Aufarbeitung, eine kritische, ehrliche Rückschau

„Ich bin keine Politikerin, aber ich mache mir Gedanken, wie man sich beteiligt, um Politik zu ändern, zu beeinflussen. Politik steuert ja Gesellschaften und hat enormen Einfluss. Beteiligen fängt an bei Manifestationen und Petitionen unterschreiben, Parteien und Politiker anschreiben, Leserbriefe an Medien schicken, nicht still sein – diskutieren, seine Meinung äußern. Frei!“ Eva Herzig sagt in Dankbarkeit und Bewunderung, dass ihre Freundin Philine Conrad für Zeitungen wichtige Artikel geschrieben hat. In einem aktuellen Beitrag betonte sie die Bedeutung und Wichtigkeit von Kunst, Kultur, Musik, das Wundervolle des gemeinsamen Erlebens für das gesellschaftliche Miteinander, für Verbundenheit, für Freuden, auch für Trost in womöglich schweren Zeiten. Conrad erinnerte auch, dass der Trost, ihn in der Kunst und Kultur zu finden, verboten war. Und ja, feige haben viele Künstler sich weggeduckt. Angst hat vieles beherrscht.

Eva Herzig: „Doch alles Große beginnt im Kleinen beziehungsweise in uns selbst. Wir selbst sind es, die diese Welt zu einem lebenswerten Ort machen. Jeder Einzelne von uns hat den Schlüssel dafür in der Hand beziehungsweise im Herzen. Fragen wir einfach danach, was dem Leben dient und was gegen das Leben ist. Die Antwort darauf kann uns ein wundervoller Wegweiser sein in diesen herausfordernden Zeiten.“

Titelbild: © Ulrik Hölzel via evaherzig.com

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