Drei aktuelle Studien vermitteln eine ungefähre Vorstellung davon, welche Verwüstungen und menschliches Leid Washington und seine europäischen Verbündeten in Venezuela verursachen: Die Sanktionen gegen das südamerikanische Lande haben zu einer schweren Ernährungsunsicherheit geführt, die nur durch jahrelange Bemühungen der Bevölkerung überwunden werden konnte. Sanktionen sind politische, nicht rechtliche Instrumente. Ihr Ziel ist es, Schmerz und Leid zu verursachen, um Bevölkerungen zu zwingen, ihre eigene Regierung zu stürzen und ihre Souveränität aufzugeben. Von Andreína Chávez Alava.
Nach dem Tod des venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez am 5. März 2013 begann Washington mit einer wirtschaftlichen Belagerung, um die Fortsetzung des Bolivarischen Prozesses und die neu gewählte Regierung von Nicolás Maduro zu behindern. Die erste kriegsähnliche Maßnahme war die von Präsident Barack Obama am 8. März 2015 unterzeichnete Executive Order 13692, die Venezuela zu einer „ungewöhnlichen und außerordentliche Bedrohung für die nationale Sicherheit und die Außenpolitik der Vereinigten Staaten” erklärte.
Obwohl von den Konzernmedien als unbedeutend heruntergespielt, begann mit Obamas Dekret die „Vergiftung” Venezuelas. In der Folge schreckten internationale Investoren und Unternehmen davor zurück, mit einer Nation Geschäfte zu machen, die von der größten Finanz- und Militärmacht der Welt ins Visier genommen wurde.
Im Jahr 2016 war die Citibank das erste Institut, das dies tat. Nach Überprüfung des Risikomanagements schloss sie Konten der venezolanischen Zentralbank und der Bank von Venezuela. Obwohl Caracas hartnäckig seine Auslandsschulden bediente, sah es sich auch mit steigenden Kreditkosten konfrontiert.
Die Fiktion, Venezuela sei eine „Bedrohung”, war jedoch nur die Grundlage für die bevorstehende vollständige Kriegserklärung, die einseitig und illegal war. EO 13692 lieferte die „legale” Grundlage für das US-Finanzministerium, ein weitreichendes Sanktionsprogramm gegen das Land, seine Wirtschaft und seine Bevölkerung zu verhängen. Da das Obama-Dekret kein Ablaufdatum hat, kann die Belagerung immer aufs Neue angeordnet und auf unbestimmte Zeit fortgesetzt werden.
Maximaler Druck
Im Jahr 2017 kündigte Präsident Donald Trump eine Kampagne des „maximalen Drucks” an, um jede Chance auf eine wirtschaftliche Erholung zu blockieren und den sozialen Kollaps Venezuelas zu beschleunigen. Trump begann ebenfalls, damit zu drohen, dass „alle Optionen auf dem Tisch” lägen.
Die Belagerung richtete sich insbesondere gegen die Haupteinnahmequelle des Landes: die Ölindustrie. Im August 2017 verhängte das Office of Foreign Assets Control des US-Finanzministeriums Finanzsanktionen gegen die staatliche Ölgesellschaft PDVSA, gefolgt von einem Exportembargo im Januar 2019.
Mit einem Rückgang der Rohölproduktion von 1,9 Millionen Barrel pro Tag (bpd) im Jahr 2017 auf 350.000 bpd im Jahr 2020 schrumpfte das BIP zwischen 2014 und 2019 um mehr als 65 Prozent, was die lebenswichtigen Importe beeinträchtigte. Das Land geriet in eine Hyperinflation.
Die Kombination aus primären und sekundären Sanktionen führte auch zu einer schweren Kraftstoffknappheit. Ohne Dieselkraftstoff für den Betrieb thermischer Generatoren war das Land zu sehr auf die Stromerzeugung aus Wasserkraft angewiesen, die ebenfalls unter dem fehlenden Zugang zu importierter Ausrüstung litt. Infolgedessen brach im März 2019 eine massive Stromkrise aus.
Da Venezuela über die zweitgrößten zertifizierten Goldreserven der Welt verfügt, war der Bergbausektor das nächste große Ziel. Im März 2019 verhängte das US-Finanzministerium Sanktionen gegen das venezolanische Goldminenunternehmen Minerven und untersagte den Handel mit US-Personen und -Unternehmen.
Caracas verwendete seine Goldreserven, um Lebensmittel, Treibstoff, Medikamente und andere Importe zu bezahlen.
Auf das Verbot des Goldhandels folgten Embargos gegen das öffentliche Bankensystem Venezuelas. Im April desselben Jahres setzte das US-Finanzministerium die venezolanische Zentralbank (BCV) auf die schwarze Liste, um Transaktionen zu beschränken und ihr den Zugang zu US-Dollar zu verwehren. Weitere Dekrete führten zur Schließung mehrerer venezolanischer Bankkonten bei internationalen Finanzinstituten und zum Verlust des Zugangs zu Krediten.
Nach Angaben der Regierung von Nicolás Maduro wurden seit 2019 venezolanische Vermögenswerte und Gelder im Wert von mehr als acht Milliarden US-Dollar von Banken in den USA, Portugal, Spanien, Großbritannien, Frankreich und Belgien eingefroren oder blockiert, darunter fast zwei Milliarden US-Dollar in Gold bei der Bank of England. Allein Washington hat 342 Millionen Dollar von Konten der BCV gesperrt.
Das gesamte Sanktionsprogramm wurde durch Mitteilungen des Financial Crimes Enforcement Network vom September 2017 und Mai 2019 verschärft, in denen Institutionen davor gewarnt wurden, mit dem venezolanischen Staat Geschäfte zu machen, selbst wenn es um unbedingt notwendige Importe ging.
Die neue Exekutivanordnung verbot alle Transaktionen mit staatlichen venezolanischen Einrichtungen und sperrte staatliche Vermögenswerte auf dem Territorium der USA, sodass sie nicht mehr „transferiert, bezahlt, exportiert, abgehoben oder anderweitig gehandelt” werden durften. Im Februar 2020 wurde auch Venezuelas staatliche Fluggesellschaft Conviasa auf die schwarze Liste gesetzt.
Die wirtschaftliche Belagerung ging einher mit einem aberwitzigen politischen Schachzug, als die Trump-Administration im Januar 2019 die Selbstausrufung des venezolanischen Oppositionspolitikers Juan Guaidó zum „Interimspräsidenten” unterstützte. Diese „Parallelregierung” dauerte bis Anfang 2023 an. Guaidó erhielt die Kontrolle über venezolanische Bankkonten und staatliche Vermögenswerte, die von Washington und Verbündeten beschlagnahmt worden waren, um seine Putschversuche zu finanzieren – darunter auch die US-Öltochter von PDVSA, Citgo, im Wert von zehn Milliarden Dollar und der kolumbianische Düngerhersteller Monómeros im Wert von 269 Millionen Dollar.
Im Jahr 2021 übernahm Präsident Joe Biden die Zügel der mittelalterlich anmutenden Belagerung gegen Venezuela und behielt sie im Wesentlichen bei, einschließlich eines besonders perversen Aspekts: der „Hungersanktionen”.
Hunger als Außenpolitik
Der Kauf von Lebensmitteln wurde zu einem Hindernislauf, als Venezuelas öffentlicher und privater Sektor den Zugang zum internationalen Zahlungsverkehrssystem verlor und Banken ihre Dienstleistungen einstellten, weil sie befürchteten, mit den US-Sanktionen in Konflikt zu geraten. So schloss etwa die Italbank in Puerto Rico im November 2017 ein Konto bei der venezolanischen Zentralbank wegen „Bedenken hinsichtlich des Reputationsrisikos”. Die kleine Bank wurde von Caracas genutzt, um Zahlungen für Lebensmittel und Medikamente abzuwickeln.
Im Juli 2019 machte Washington das Aushungern zu einem seiner wichtigsten außenpolitischen Ziele, indem es eine Reihe von Personen und Unternehmen ins Visier nahm, die angeblich mit Venezuelas Lokalen Lebensmittelversorgungs- und -produktionskomitees (Comités Locales de Abastecimiento y Producción, Clap) in Verbindung stehen. Diese wurden 2016 von der Maduro-Regierung gegründet, um kostengünstige Lebensmittelpakete an Arbeiterfamilien zu verteilen. Ein berüchtigter Fall war der in Kolumbien geborene Geschäftsmann Alex Saab, der zur Zielscheibe wurde, weil er angeblich von überbewerteten staatlichen Aufträgen profitierte.
Im September 2019 und Januar 2021 kündigte das US-Finanzministerium weitere Sanktionen gegen drei Einzelpersonen und fast 30 Unternehmen an, die das Clap-Programm belieferten. Die Aushungerungstaktik wurde im Juni 2020 noch verschärft, als Trump die Öl-für-Lebensmittel-Swapgeschäfte sanktionierte. Infolgedessen litten schätzungsweise sechs bis sieben Millionen Arbeiterfamilien unter den Folgen von weniger und minderwertigeren Clap-Produkten, und die Ernährungsunsicherheit war angesichts von Knappheit und steigenden Preisen weit verbreitet.
Die menschlichen Kosten
Der Hunger ging einher mit einem eingeschränkten Zugang zur Gesundheitsversorgung und anderen grundlegenden Menschenrechten, während die venezolanische Bevölkerung von diesen unsichtbaren Bomben, den Sanktionen, getroffen wurde. Bis heute gibt es keine systematische Methode, um die Verluste zu erfassen. Es gibt jedoch drei Studien, die eine ungefähre Vorstellung von den durch Washington und seine Verbündeten verursachten Verwüstungen vermitteln.
Ein Bericht des Center for Economic and Policy Research (Cepr) vom April 2019, der von den Ökonomen Mark Weisbrot und Jeffrey Sachs verfasst wurde, schätzt, dass die US-Wirtschaftssanktionen zwischen 2017 und 2018 für 40.000 Todesfälle verantwortlich waren und Hunderttausende chronisch Kranke gefährdeten, weil es in den kommenden Jahren nicht möglich war, Medikamente oder Behandlungen zu erhalten.
Im September 2021 berichtete die Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen zu den negativen Auswirkungen einseitiger Zwangsmaßnahmen, Alena Douhan, nach einem Besuch in Venezuela, dass mehr als 2,5 Millionen Venezolaner unter Ernährungsunsicherheit leiden, nachdem die Importe zwischen 2015 und 2019 um 73 Prozent zurückgegangen waren. Zugleich gefährdete die Kraftstoff- und Dieselknappheit die Nahrungsmittelproduktion und den -transport.
Douhan warnte auch, dass der Mangel an Basismedikamenten und deren steigende Preise rund 300.000 Menschen gefährdeten, während Tausende von Krebs-, HIV/AIDS- und Tuberkulosepatienten dringend eine Behandlung benötigten. Chirurgische Eingriffe wurden aus Mangel an Anästhetika und Antibiotika sowie aufgrund der Tatsache, dass nur 20 Prozent der Krankenhausausrüstung funktionstüchtig sind, reduziert. Darüber hinaus stellte die UN-Sachverständige eine Zunahme von Schwangerschaften im Teenageralter und HIV/Aids-Fällen fest. 2,6 Millionen Kinder konnten nicht geimpft werden, weil es keine Impfstoffe gab.
Laut dem Bericht haben die Auswirkungen der Sanktionen auf die Wirtschaft zu einer beispiellosen Migrationswelle geführt, die auch eine Abwanderung von „Ärzten, Krankenschwestern, Lehrern, Ingenieuren, Technikern und anderen” zur Folge hatte. Nach Angaben der UN sind zwischen 2015 und 2023 7,1 Millionen Venezolaner aufgrund der Krise ausgewandert.
Die venezolanische Menschenrechtsorganisation Sures berichtete, dass die Citibank und Euroclear Transaktionen zum Kauf von Insulindosen und Dialysebehandlungen ablehnten. Pharmaunternehmen wie Baxter, Abbot und Pfizer weigerten sich wiederholt, Exportzertifikate für Krebsbehandlungen für venezolanische Patienten auszustellen.
Sures wies auf den Fall mehrerer Kinder hin, die seit Anfang 2019 starben, nachdem sie im Ausland keine Leber-, Nieren- und Knochenmarktransplantationen erhalten hatten, weil Banken und Privatunternehmen bei Geschäften mit Venezuela übermäßig vorsichtig waren. Die venezolanischen Kinder waren Nutznießer eines humanitären Programms gewesen, das von der von Washington beschlagnahmten Öltochter Citgo finanziert wurde.
Schließlich stellte Sures fest, dass Frauen, Kinder, indigene Gemeinschaften und Menschen mit Behinderungen am stärksten von der durch die US-Sanktionen noch verschärften Wirtschaftskrise betroffen sind. Für die letztgenannte Gruppe sind die Spenden von Prothesen zurückgegangen, da Nichtregierungsorganisationen und staatliche Sozialprogramme diese nicht mehr einführen können.
Die drei Studien stimmen darin überein, dass es nicht möglich ist, den durch die Sanktionen am venezolanischen Volk verursachten Schaden vollständig zu erfassen, aber alle Beweise zeigen eine einfache Wahrheit auf: Sanktionen töten und werden dies auch weiterhin tun.
Gekürzte und bearbeitete Fassung eines Artikels, der im Buch „Ein Krieg ohne Bomben: Die sozialen, politischen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Sanktionen gegen Venezuela” erschienen ist.
Übersetzung: Vilma Guzmán, Amerika21
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