SPD-Chefin Saskia Esken hat einen direkten Vergleich zwischen AfD und Joseph Goebbels gezogen und gesagt, dass die AfD eine „Nazi-Partei“ sei. Solche Zuspitzungen gehören sich nicht und sie sind politisch kontraproduktiv. Hier soll nicht die AfD verteidigt werden, sondern eine gesittete politische Debatte. Der Verweis auf verbale Ausfälle von AfD-Personal gilt hier nicht als Rechtfertigung: Schließlich sehen sich die Kritiker als „die Guten“ – und damit entstehen andere Verpflichtungen zur Versachlichung der Diskussionen. Ein Kommentar von Tobias Riegel.
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SPD-Chefin Saskia Esken hat in einer österreichischen Nachrichtensendung einen Vergleich zwischen der AfD und NS-Propagandaminister Joseph Goebbels gezogen, wie Medien berichten. „Goebbels hat 1935 eine Rede gehalten über die Dummheit der Demokratie, denn die habe der NSDAP damals alle Mittel an die Hand gegeben, um sie selbst abzuschaffen“, sagte Esken einem Interview mit der österreichischen Nachrichtensendung ZIB 2. „Wir werden nicht bereit sein, der AfD die Mittel an die Hand zu geben, die Demokratie abzuschaffen.“
Laut den Berichten hakte Moderator Armin Wolf nach: „Da vergleichen Sie jetzt die AfD mit Goebbels?“ Esken antwortete ohne Zögern: „Ja. Das ist eine Nazi-Partei.“ Wolf: „Finden Sie das nicht maßlos übertrieben?“ Esken: „Nein.“ Das völkische Denken sei vergleichbar, ebenso die Bestrebung, die Demokratie zu untergraben. In der AfD seien zudem „menschenfeindliche Haltungen gegenüber allen möglichen Gruppen in unserer Gesellschaft“ vorhanden, so Esken. „Das sind ernsthafte Gefahren für unsere Demokratie, die wir abzuwimmeln haben.“ Hier gibt es einen kurzen Ausschnitt aus der Szene:
„Vergleichen Sie jetzt die AfD mit Goebbels?“
Saskia Esken: „Ja!“ pic.twitter.com/XO19RWOuV2
— Argo Nerd (@argonerd) May 2, 2024
Esken stellt mit diesem Auftritt zahlreiche Bürger direkt in eine Reihe mit Joseph Goebbels. Die Äußerung rutscht ihr auch nicht raus, sie kommt mit voller Überzeugung. Ist dieses Vorgehen ein Akt der Verzweiflung, um der SPD wenigstens irgendeine Aufmerksamkeit zu sichern? Dann wäre die Partei meiner Meinung nach schlecht beraten, denn Auftritte mit solcher moralischer Arroganz schaden der SPD, vor allem wenn gleichzeitig das eigene Erbe der Entspannungspolitik über Bord geworfen wird.
Es ist auch ein Phänomen, dass immer wieder (zu Recht!) eine „sachliche Auseinandersetzung“ mit der AfD eingefordert wird, dass dann jedoch diese Sachlichkeit unter Emotionen und völlig übertriebenen Vergleichen begraben wird.
Erst „Covidioten“ und jetzt „Goebbels“
Die AfD ist für mich keine politische Alternative, das haben die NachDenkSeiten in zahlreichen Artikeln beschrieben. Darum wird mit diesem Artikel auch nicht die AfD verteidigt, sondern ein gesitteter Diskurs, der nicht durch sprachliche Tabubrüche zugespitzt werden sollte. Der Verweis auf verbale Ausfälle von AfD-Politikern oder -Anhängern gilt hier nicht als Rechtfertigung: Man sieht sich selber schließlich als „die Guten“, daraus erwachsen dann natürlich andere Verpflichtungen, den Diskurs nicht „von oben“ zu vergiften.
Esken ist schon öfter aufgefallen mit Bürgerbeschimpfung. So hatte sie etwa in einem skandalösen Tweet Andersdenkende bezüglich der Corona-Politik als „Covidioten“, also indirekt als Schwachsinnige, bezeichnet, um die Argumente dieser Gruppe zu entwerten. Juristisch hatte das kein Nachspiel für die SPD-Chefin.
Gleichzeitig wurden aber Bürger juristisch verfolgt, weil sie die in ihren Augen totalitären Tendenzen der Corona-Politik mit den Anfängen eines neuen Faschismus verglichen hatten. Ich finde beide Vergleiche nicht gut. Gleichzeitig finde ich, dass die Justiz vielleicht zurückhaltender auf den Vorwurf der Nazi-Relativierung reagieren könnte (kommt auf den Einzelfall an). Wiederum gleichzeitig ist aber das Messen mit zweierlei Maß bei den Corona-Kritikern einerseits und bei der SPD-Vorsitzenden andererseits völlig inakzeptabel.
Es ist immer wieder zu betonen: „Hasssprache von oben“ richtet meiner Meinung nach viel mehr Schaden an als radikale Bürgerkommentare im Internet oder rüpelhaftes Bürgerverhalten bei Demos. Ich lehne im Sinne einer sachlichen Debatte zwar beides ab, aber Politiker und Journalisten großer Medien haben eine erheblich größere Verpflichtung, zu einem zurückhaltenden Diskurs beizutragen.
Titelbild: Screenshot/ZIB2