Immer neue Begriffe sollen den „erlaubten“ Debattenraum weiter einschränken. Mit extra unscharfen Vokabeln wird zusätzlich die Grenze zwischen „legaler“ und „legitimer“ Meinung vernebelt. Das neueste Beispiel liefert die Berliner Justizsenatorin Felor Badenberg, die fordert, dass die „Sabotage der Meinungsbildung“ eine Straftat werden soll. Ein Kommentar von Tobias Riegel.
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
Podcast: Play in new window | Download
Berlins Justizsenatorin Felor Badenberg hat im Interview mit der Berliner Zeitung kürzlich gesagt (Hervorhebung von mir):
„Wir müssen darüber sprechen, ob unsere Gesetze Deutschland noch ausreichend vor diesen Gefahren schützen und die Berliner Strafverfolgungsbehörden die rechtlichen Instrumente dafür haben. Das Strafrecht schützt vor Sabotagemaßnahmen aus der Zeit des Kalten Krieges. Heute ist aber nicht mehr nur das Abgreifen von Informationen, sondern auch das Einbringen von Desinformationen und Propaganda gefährlich. Die Sabotage des Meinungsbildungsprozesses muss unter Strafe gestellt werden. Andere Länder, wie beispielsweise Frankreich, haben dies erkannt, und auch die Europäische Kommission hat einen Regelungsvorschlag erarbeitet. Ich sehe hier die Bundesregierung in der Verantwortung, eine entsprechende Regelung vorzulegen. Es geht um nicht weniger als um unsere Demokratie. In einem Staat, in dem die Macht vom Volke in freien Wahlen ausgeübt wird, ist der freie Willensbildungsprozess der erste Angriffspunkt für autokratische Regime.“
Man müsste natürlich die konkrete Formulierung eines solchen Gesetzes vor einem Urteil darüber prüfen. Einerseits hat der Staat das Recht und die Pflicht, massive Einmischungen von außen möglichst zu unterbinden – dabei müssten aber alle Einmischungen von allen Seiten thematisiert werden. Momentan wird alarmistisch vor einer mutmaßlichen Einmischung etwa von China gewarnt. Diese chinesischen Versuche fände ich nicht überraschend. Aber die viel massivere Einmischung erfolgt sehr wahrscheinlich von privater und staatlicher US-Seite.
Außerdem liegt die Vermutung nahe, dass das Gesetz selektiv gegen die Gegner der jeweiligen Regierungen genutzt werden könnte und eben nicht allgemein zum Schutz des „Meinungsbildungsprozesses“. Eine wichtige Frage wird auch hier sein: Wer definiert, was nützliche Informationen sind und was als „Sabotage“ verboten werden darf?
Bedenklich wäre es auch, wenn deutsche Journalisten juristisch wegen Beihilfe belangt werden könnten, weil sie Informationen verbreiten, die irgendwo politisch als „Sabotage des Meinungsbildungsprozesses“ definiert und verboten wurden.
Wenn das Gesetz und seine Ausführung nicht sehr strengen und in der Praxis kaum zu gewährleistenden Kriterien der Neutralität unterworfen würde, dann würde es genau das sabotieren, was es zu schützen vorgibt.
Die Wortschöpfung „Sabotage der Meinungsbildung“ reiht sich jedenfalls ein in eine Reihe von neuen und dubiosen Begriffen wie „Verächter der Demokratie“, „Gefährdungspotenzial“ oder „verfassungsfeindliche Delegitimierung des Staates“. Diese Vokabeln sind teils extra unscharf gehalten und könnten bei Missbrauch dazu dienen, unbequeme Meinungen entweder durch die Verwischung eindeutiger Grenzen als „zwar legal, aber nicht legitim“ anzugreifen, oder ihre Verbreitung – wie im hier besprochenen Fall – ganz zu verbieten.
Leserbriefe zu diesem Beitrag finden Sie hier.
Titelbild: metamorworks / Shutterstock