Der Iran hat am 13./14. April gegen Israel die „Operation True Promise“ durchgeführt und dabei nach israelischen Angaben bis zu 300 Drohnen und Raketen eingesetzt. Wie in jeder militärischen Auseinandersetzung ist die Berichterstattung der beteiligten Parteien widersprüchlich, und jeder reklamiert den Erfolg für sich. Deshalb ist es ausgesprochen schwierig, den Ablauf wahrheitsgemäß darzustellen. Trotzdem wird im Folgenden versucht, die wesentlichen Aspekte des iranischen Angriffs und der israelischen Abwehr darzustellen, wobei es entscheidend darauf ankommt, wie man das Ergebnis beurteilt und die zukünftige Lageentwicklung einschätzt. Von Jürgen Hübschen.
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Die iranischen Luftoperationen und ihre Abwehr
Nach vorliegenden Meldungen hat Iran in der Nacht vom 13. auf den 14. April Israel mit ca. 300 Drohnen, Raketen und Marschflugkörpern angegriffen. Teheran hatte Israel ausdrücklich vor einem Vergeltungsschlag für den israelischen Luftangriff auf das iranische Konsulat in Damaskus gewarnt, bei dem u.a. zwei Generäle und weitere hohe Offiziere der Revolutionsgarden getötet worden waren. An den Luftangriffen waren vermutlich außer dem Iran auch die Huthi-Rebellen im Jemen, schiitische Milizen im Irak und auch die libanesische Hisbollah mit im Einzelnen nicht bekannten Waffen beteiligt.
Der Iran selbst hatte „Shahed“-Drohnen eingesetzt, von denen aber nicht genau bekannt ist, ob es sich um den Typ „Shahed 136“ oder um die weiterentwickelte „Shahed 238“ oder um beide Typen gehandelt hat, wobei es von der „Shahed 238“ drei verschiedene Baumuster gibt. Bei den eingesetzten Raketen und Marschflugkörpern gibt es Hinweise für folgende Typen: „Abu Mahdi Missile“, „Shahab-3“, „Sejjil“, „Ghadr-110“, „Dezful“ oder „Kheybar Shekan“. Nach aktuellen offiziellen Aussagen des Iran wurden Raketen vom Typ „Cheibarschekan“ und „Emad“ sowie Marschflugkörper vom Typ „Paveh“ eingesetzt. (Einzelheiten über die Charakteristika dieser Flugkörper und Raketen findet man bei Wikipedia).
Ein iranischer Wissenschaftler hat zu den vom Iran eingesetzten Waffen gesagt:
„Iran has not fired its hypersonic missiles. In fact, most of the drones and missiles that were fired were older drones and missiles. They were very inexpensive and were used as decoys. So Iran spent a couple of million dollars to force the Israelis to spend $1.3 billion in anti-missile missiles, which was itself a big achievement by the Iranians. And then a number of other missiles that the Iranians fired … cut through and struck their targets.”
„Iran hat keine hypersonischen Raketen eingesetzt. (Hinweis: Das sind Raketen, die mit mindestens fünffacher Schallgeschwindigkeit fliegen) Tatsächlich handelte es sich bei den meisten eingesetzten Drohnen und Raketen um ältere Modelle. Diese waren sehr kostengünstig und wurden als quasi Lockmittel genutzt. Der Iran hat ein paar Millionen Dollar investiert, um die Israelis zu zwingen, 1,3 Milliarden Dollar für die Abwehr der iranischen Waffen auszugeben, was der Iran genau beabsichtigt hatte. Danach konnte eine Anzahl anderer iranischer Raketen … die israelische Luftabwehr überwinden und ihre Ziele treffen.“
Die Aussage des iranischen Wissenschaftlers ist nach vorliegenden Erkenntnissen grundsätzlich zutreffend. Iran hatte offensichtlich zunächst einen riesigen Schwarm an Drohnen in Richtung Israel fliegen lassen, um die Luftverteidigung möglichst zu saturieren und danach mit Raketen die im Süden Israels gelegenen Militärflugplätze „Nevatim Airbase“ und „Ramon Airbase“ und die Geheimdienst-Einrichtung „Jabal al-Sheik“ (Mount Hermon) im Norden der Golanhöhen angegriffen. Über den Umfang der Schäden gibt es widersprüchliche Meldungen, aber es steht fest, dass die Ziele getroffen wurden, obwohl Israel und seine Verbündeten erklärt haben, 99 Prozent aller Drohnen und Raketen wären abgeschossen worden, und zwar zu einem großen Teil bereits außerhalb des israelischen Staatsgebietes.
Besonders an diesen Abwehroperationen waren die USA, Frankreich und auch Großbritannien mit Kampfflugzeugen beteiligt. Die USA haben außerdem nach einer Meldung des „US-Central Command“ auf X mehr als 80 Drohnen und mindestens sechs ballistische Raketen, die aus dem Iran und aus dem Jemen abgefeuert wurden, durch die Zerstörer „USS Carney“ und die „USS Arleigh Burke“ abgeschossen. Im Jemen wurden wohl auch Abschusseinrichtungen zerstört. Von wo die amerikanischen F-15E-Kampfflugzeuge und die Luftstreitkräfte Frankreichs gestartet sind, ist unklar. Es kommen Flugplätze in Bahrain, Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten ebenso in Frage wie Stützpunkte in Jordanien. Das Königreich war selbst auch an der Abwehr des iranischen Angriffs beteiligt.
Der jordanische Außenminister Ayman Safadi sagte dazu in einem Interview mit dem Kanal „Al-Mamlaka“: „We will intercept every drone or missile that violates Jordan’s airspace to avert any danger. Anything posing a threat to Jordan and the security of Jordanians, we will confront it with all our capabilities and resources.” („Wir werden jede Drohne oder Rakete abfangen, die den jordanischen Luftraum verletzt, um jede Gefahr abzuwenden. Allen Bedrohungen für Jordanien oder die jordanische Bevölkerung werden wir mit all unsere Möglichkeiten und Mitteln begegnen.“)
Was die britische Luftwaffe angeht, so gibt es Hinweise, dass diese von Flugplätzen auf Zypern operiert hat. Welchen prozentualen Anteil die Verbündeten Israels an der Abwehr der iranischen Drohnen und Raketen gehabt haben, lässt sich zwar nicht genau sagen, aber er dürfte erheblich gewesen sein, vor allem in der Phase, in der sich die Drohnen und auch einige Raketen auf dem Flug in Richtung Israel befunden haben. Das gilt im besonderen Maße für die „Shahed 136“-Drohne, die lediglich ca. 250 Kilometer pro Stunde fliegt und deshalb einige Stunden vom Iran bis nach Israel braucht. Das Abschießen einer solchen Drohne ist z.B. für eine amerikanische F-15E praktisch „wie ein Tontauben-Schießen“, weil eine „Shahed 136“ vorprogrammiert ist und keinerlei Abwehrmöglichkeiten hat.
Zusammenfassende Bewertung
Bei Militäroperationen muss man grundsätzlich zurückhaltend sein mit einer Bewertung, weil die beteiligten Parteien eine subjektive Sicht der Wahrheit haben. Ein wünschenswertes Mehr an Fakten muss deshalb kompensiert werden durch logische Schlussfolgerungen aus zur Verfügung stehenden Informationen. Dabei ist es wichtig, sauber zwischen Wissen und Annahmen zu unterscheiden. In Kenntnis dieser Problematik ist trotzdem folgende Bewertung der gesamten Operation möglich:
- Durch die Militäroperationen der Hamas vom 7. Oktober 2023 und des Irans vom 13./14. April 2024 ist die bis dahin funktionierende israelische Strategie der Abschreckung obsolet geworden.
- Die israelische Bevölkerung musste innerhalb eines halben Jahres zum zweiten Mal zur Kenntnis nehmen, dass ihre Heimat nicht mehr sicher ist.
- Israel ist angreifbar geworden und kann sich, wenn ein solcher Angriff massiv vorgetragen wird, nicht mehr allein verteidigen.
- Nicht nur die USA, sondern auch Frankreich und Großbritannien haben Israel mit allen verfügbaren militärischen Mitteln unterstützt. Dazu gehören nicht nur Flugzeuge, Schiffe und die bodengestützte Luftverteidigung, sondern auch Aufklärung, u.a. mit Satelliten, Luftraumüberwachung, Frühwarnung, Zieldatenübermittlung und elektronischen Kampfmitteln. Außerdem dürften sich wegen der iranischen Vorwarnung schon viele Kampfflugzeuge in der Luft befunden haben, als der Angriff begann.
- Die Abwehr des iranischen Angriffs hat bei allen beteiligten Nationen erhebliche Kosten verursacht und eine umfassende Nachbeschaffung von allen Systemen und Mitteln der Luftabwehr erforderlich gemacht. Diese dürften kurzfristig nicht im notwendigen Umfang verfügbar sein.
- Iran ist an einer militärischen Eskalation nicht interessiert, sondern reagiert ganz gezielt auf Einrichtungen – im konkreten Fall israelische Flugplätze und eine nachrichtendienstliche Einrichtung –, die für vorangehende israelische Angriffe verantwortlich waren.
- Iran hat seine militärischen Möglichkeiten bei diesen Angriffen nicht annähernd ausgeschöpft und zudem vorab konkret vor dem Angriff gewarnt.
- Israels durch das Vorgehen in Gaza weltweit erheblich geschädigtes Image wurde durch den iranischen Angriff – für Teheran sicherlich ungewollt – wieder verbessert. Das könnte sich jedoch – je nach Art der israelischen Reaktion – sehr schnell wieder ändern.
- „Der Westen“ legt bei israelischen Militäroperationen einen völlig anderen Maßstab an als bei iranischen Angriffen. Bei der politischen und medialen Bewertung des israelischen Angriffs auf das Konsulat der iranischen Botschaft in Damaskus, also eine diplomatische Einrichtung, die nach dem Wiener Übereinkommen immun ist, und dem iranischen Angriff auf israelische Militäreinrichtungen wurden Doppelstandard und auch Doppelmoral „des Westens“ einmal mehr offensichtlich.
Insgesamt kann man konstatieren, dass die iranische Militäroperation nicht nur eine Vergeltung für den israelischen Angriff auf das iranische Konsulat in Damaskus war, sondern gleichzeitig eine Warnung an Israel, noch einmal vergleichbare Operationen zu planen oder durchzuführen. Darüber hinaus war es sicherlich für Israel auch eine Lehre, dass man bei zukünftigen Angriffen des Irans auf die militärische Unterstützung durch Verbündete zwingend angewiesen ist. Das gilt besonders vor dem Hintergrund, dass Iran im konkreten Fall vor seinem Angriff gewarnt hat und in der Hauptsache Waffensysteme mit einer sehr geringen Fluggeschwindigkeit eingesetzt wurden, sodass es eine Vorwarnzeit von mehreren Stunden gegeben hat, um sich militärisch und auch die Bevölkerung darauf vorzubereiten.
Sollte sich Israel, gegen die Warnung der USA, zu einem direkten Militärschlag gegen den Iran entscheiden, könnten iranische Raketen Israel ohne jede Vorwarnung innerhalb weniger Minuten erreichen. Der iranische Brigadegeneral Mohammed Bagheri erklärte in diesem Zusammenhang: „The operation yielded its complete result and there is no intention to continue it.” Aber, so ergänzte er: „If Israel attacked Iran on its own soil, or elsewhere, our next operation will be much bigger than this.” („Die Operation hat das gewünschte Ergebnis vollständig erreicht, und es besteht keine Absicht, sie fortzusetzen. Sollte Israel den Iran auf dessen eigenem Territorium oder anderswo angreifen, wird unsere nächste Operation viel größer sein als die bisherige.“)
Titelbild: Hamara/shutterstock.com