Interview mit einem der anonymen Unterzeichner des Manifests für einen neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR): „Die Ansage von Ex-RKI-Chef Dr. Wieler, ‚Diese Regeln dürfen überhaupt nie hinterfragt werden‘, wurde praktisch zum Programm im ÖRR. Den Kritikern der Corona-Maßnahmen, den Gegnern der Covid-Impfung wurde keine ernstzunehmende Meinung zugebilligt, in den Programmen von ARD und ZDF kamen sie praktisch nicht vor.“ Das sind die Worte eines langjährigen Mitarbeiters des ÖRR im Interview mit den NachDenkSeiten. Aus Angst vor Repression bis hin zu einem drohenden Jobverlust spricht der Mitarbeiter „X“ nur unter dem Schutz der Anonymität. Von Marcus Klöckner.
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Das Manifest für einen neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk schlägt hohe Wellen in der Öffentlichkeit. Gerade hat sich auch der Deutsche Journalistenverband (DJV) geäußert. Der Pressesprecher des Verbandes, Hendrik Zörner, hat einen Kommentar geschrieben, der dazu geführt hat, dass der DJV eine Gegendarstellung veröffentlichen musste. Bitte sagen Sie unseren Lesern: Worum geht es? Warum die Gegendarstellung?
Nun, dem Kollegen Zörner ging unser Manifest offenbar so gegen den Strich, dass er beschlossen hat, sich nicht groß mit dem Inhalt auseinanderzusetzen, sondern lieber die Autoren und Unterzeichner zu diffamieren. Unter anderem behauptete Herr Zörner in seinem Kommentar, dass im Impressum unserer Webseite – meinungsvielfalt.jetzt – zeitweise ein AfD-naher Verein gestanden hätte. Dies war eine freie Erfindung von Herrn Zörner und darauf hat ihn Ole Skambraks, der allein seit Gründung der Webseite bis heute im Impressum steht, in einer Gegendarstellung hingewiesen. Kurz danach hat Zörner den Passus mit der Falschbehauptung still und leise aus seinem Kommentar entfernt. Daher steht die Gegendarstellung von Ole Skambraks nun wie im luftleeren Raum auf der DJV-Seite und erschließt sich dem Leser nicht mehr. Das wird vom DJV auch nicht erklärt.
Wie erklären Sie sich, dass der Pressesprecher des DJV solch einen Kommentar veröffentlicht?
Da ich nicht in den Kopf von Herrn Zörner schauen kann, kann ich nur vermuten, dass er sich durch das Manifest massiv gestört fühlt. Der DJV ist ja praktisch fester Bestandteil der relativ geschlossenen Welt der Mainstream-Medien, zu denen ja auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk gehört. Viele Journalisten, die in diesen Medien ihre Arbeit verrichten, sehen sich selbst als die „Guten“ an und meinen, immer auf der richtigen Seite der Gesellschaft zu stehen. Dass Journalisten auf gar keiner Seite stehen sollten, ist bei vielen, so scheint es, in Vergessenheit geraten. Auf die Journalisten der Alternativmedien schaut man herab, diffamiert sie als rechts und unseriös. Herr Zörner führt genau das ja in seinem Kommentar vor, wenn er über Tichys Einblick spricht.
Das ist also die heile Welt der Mainstream-Journalisten. Und die bekommt nun durch unser Manifest quasi, öffentlich sichtbar, Risse verpasst. Das kann der DJV-Pressesprecher natürlich nicht zulassen, deshalb der Angriff auf die eigenen Kollegen. Wie gesagt, ich kenne Herrn Zörner nicht, das sind nur meine Vermutungen.
Gestatten Sie mir eine Zwischenfrage an dieser Stelle. Am Dienstagabend ging es bei Markus Lanz um das Thema Aufarbeitung der Coronamaßnahmen und die RKI-Protokolle. Mit keinem Satz wurde erwähnt, dass das Online-Magazin Multipolar die Protokolle freigeklagt hat. Normalerweise wäre es angebracht gewesen, etwa einen der Herausgeber des Magazins einzuladen. Weder war das der Fall noch wurde überhaupt der Name des Magazins erwähnt. Ist das ein sauberer journalistischer Umgang mit der Sache?
Natürlich nicht. Aber was soll die Lanz-Redaktion tun? Seit Jahren wird im gesamten ÖRR so getan, als gäbe es bei den Alternativmedien nichts Interessantes zu lesen, als wären diese Blogger keine ernstzunehmenden Journalisten oder eben Rechte. Und nun hat blöderweise genau so eine Webseite diese Dokumente freigeklagt. Das ist natürlich hochnotpeinlich. Also tut man einfach so, als wäre dieser Umstand völlig unwichtig. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass die meisten ÖRR-Journalisten, die ich kenne, gar keine Alternativmedien lesen oder schauen, sie kennen sie gar nicht. Sie kennen keinen Reitschuster, keine Achse des Guten, keine NachDenkSeiten, keinen Kontrafunk. Und sie wollen sie auch gar nicht kennen.
Nochmal zum DJV. Die Buchstaben des DJV sind seit geraumer Zeit in die Farben der ukrainischen Flagge getaucht. Können Sie das nachvollziehen?
Da der Mainstream-Journalismus beim Thema Ukrainekrieg von Anfang an nicht versucht hat, eine neutrale Position einzunehmen, sondern die Positionen der Ampelregierung – Aufrüstung, Waffen liefern, Ukraine verteidigen bis zum Sieg über Russland, egal wie – praktisch eins zu eins übernommen hat, ist die Einfärbung der DJV-Buchstaben nur konsequent. Man zeigt eben Haltung.
Wie fallen denn die weiteren Reaktionen auf Ihr Manifest aus? Auf der Plattform „X“ melden sich auch Redakteure des ÖRR zu Wort und kritisieren Sie. Tenor: Kritik in Ordnung, aber nicht so. Wie erklären Sie sich diese Reaktionen? Spiegeln diese Reaktionen letztlich nicht genau den Grund für das Manifest?
Wie soll man denn sonst Kritik üben? Soll man sich etwa mit Namen und Adresse hinstellen? Als Freier Mitarbeiter wird man dann vermutlich ganz schnell „abgesägt“, es gibt keine Aufträge mehr. Wer kann sich das leisten? Oder soll man sich etwa an die Redakteursräte wenden, in denen, nach allem, was man hört, vor allem Redakteure sitzen, die selbst noch nie mit einer kritischen Meinung aufgefallen sind?
Dass es Gegenwind gibt von Mitarbeitern, die sich im ÖRR, so wie er ist, pudelwohl fühlen, das war zu erwarten. Aber es gibt auch viele, die mit ihrem Arbeitsalltag nicht zufrieden sind und vielleicht fühlen die sich durch unser Manifest ermutigt, bei nächster Gelegenheit auch mal den Mund aufzumachen. Und dann richtet sich das Manifest natürlich auch an unser Publikum, die Beitragszahler der öffentlich-rechtlichen Sender. Und wir bekommen übrigens auch Mails von Kollegen, die noch unterschreiben wollen und fragen, wie sie uns unterstützen können.
Sagen Sie unseren Lesern bitte: Was genau ist Ihre Kernkritik am ÖRR?
Es gibt, grob gesagt, zwei Bereiche. Das eine ist das Inhaltliche, also die Art der Berichterstattung, das andere sind Geldverschwendung und intransparentes Finanzgebaren.
Sagen Sie etwas zur Kritik an der Berichterstattung, bitte!
An der Berichterstattung kritisieren wir, dass sie zu einseitig ist und sich zu wenig traut, dass es oft eine zu devote Haltung gegenüber den Regierenden gibt. Dass die Aufgabe von öffentlich-rechtlichem Journalismus, neutral und ausgewogen zu berichten, Missstände aufzudecken, den Regierenden auf die Finger zu schauen und ihre Behauptungen einer Prüfung zu unterziehen, zu lasch wahrgenommen wird.
Gerade in der Coronazeit glich die Berichterstattung oft dem Vorlesen von Regierungspamphleten. Kritisches Nachfragen war praktisch über Nacht unmodern geworden. Die Ansage von Ex-RKI-Chef Dr. Wieler, „Diese Regeln dürfen überhaupt nie hinterfragt werden“, wurde praktisch zum Programm im ÖRR. Den Kritikern der Corona-Maßnahmen, den Gegnern der Covid-Impfung wurde keine ernstzunehmende Meinung zugebilligt, in den Programmen von ARD und ZDF kamen sie praktisch nicht vor. Dieser Teil der Bevölkerung, der in manchen Gegenden Deutschlands nicht gerade klein war, wurde einfach ausgegrenzt.
Sehen Sie eine politische Färbung in der Berichterstattung?
Generell erscheint die Berichterstattung oft linksgrün eingefärbt, das ist kein Wunder. Die überwiegende Mehrheit der redaktionellen Mitarbeiter ist politisch links und/oder grün eingestellt. Das erleben wir jeden Tag in unseren jeweiligen Anstalten. Die Kritik an der Ampelregierung fällt deshalb oft sehr milde aus oder findet gar nicht erst statt. Stattdessen arbeiten sich die Redaktionen an der AfD ab, Woche für Woche.
Wobei es wohl zu hinterfragen gilt, ob das „Linke“, was da zum Vorschein kommt, überhaupt „links“ ist, oder?
Stimmt, es ist eher Gehorsam. Beim Ukrainekrieg und beim Klimawandel wiederholte sich dann das Spiel von Corona. Wieder wurde der Debattenraum ganz schnell auf Briefmarkenformat eingeengt. Mag sein, dass mancher sich privat noch eine andere Meinung erlaubt, auf dem Sender sind wir alle „Team Ukraine“ und „Team Klimaschutz“. Und das hat mit Journalismus dann nicht mehr viel zu tun. Es ist Aktivismus.
Sie sprachen auch den Umgang mit den Gebührengeldern an.
Ja, das ist der andere große Kritikpunkt. Da wollen wir mehr Transparenz reinbringen und eine wirkliche Mitbestimmung der Bürger. Auch die Zusammensetzung und Arbeitsweise der Rundfunkräte muss überdacht werden.
Wie lange sind Sie beim ÖRR?
Seit über 10 Jahren.
Haben Sie persönlich negative Erfahrungen beim ÖRR im Sinne des Binnenpluralismus bzw. der inneren Meinungsfreiheit Sie als Journalist betreffend gemacht?
Ja, das habe ich erlebt. Anfeindungen wegen bestimmter Aussagen in einem Beitrag. Die Produktion von Beiträgen wurde verhindert oder ein produzierter Beitrag nicht gesendet, weil ein Protagonist nicht passte.
Wie sieht es mit Kollegen aus? Haben Sie da auch negative Beispiele beobachtet?
Ja, mir haben Kollegen erzählt, dass sie rüde zur Rede gestellt wurden, weil sie in einem Beitrag Aussagen von Menschen gesendet hatten, die so offenbar nicht gewollt waren. Oder dass fertige Beiträge gar nicht gesendet wurden, weil das Thema erst bewilligt, dann aber doch nicht mehr gewollt war. Und ich kenne einige Kollegen, die inzwischen den Anspruch an die eigene Arbeit aufgegeben haben, sie winken nur noch ab und sagen, ich reibe mich hier nicht mehr auf und ich sage auch nichts mehr.
Für das Manifest wurden viele bekannte Erstunterzeichner gewonnen. War das schwer?
Es war monatelange Arbeit des Teams von „meinungsvielfalt.jetzt“. Mögliche Unterstützer identifizieren, also wer könnte zu uns passen und das Manifest gut finden? Dann anschreiben, anrufen, manchmal auch mehrmals nachhaken, weil bekannte Persönlichkeiten oft viele Mails kriegen und nicht immer gleich alles lesen. Bei manchen Unterzeichnern ging es aber auch ganz schnell.
Wie kann denn überhaupt der ÖRR reformiert werden? Im Netz gab es auch sehr schnell Stimmen, die vom Tenor sagten, der ÖRR sei nicht mehr reformierbar.
Die Aussage kenne ich und ich kann sie verstehen. Dennoch denke ich, wir haben mit dem Manifest schon etwas angestoßen, das Kreise ziehen kann. Das Medien-Echo war viel größer als erhofft. Nicht nur die Alternativmedien, auch viele etablierte Zeitungen und ÖRR-Sendungen haben über das Manifest berichtet, oft sogar sachlich. Auch wenn es offiziell von den Sendern nur Reaktionen gibt nach dem Motto: Bei uns ist alles in Ordnung, wir haben doch eine große Meinungsvielfalt.
Im stillen Kämmerlein wird bei dem einen oder anderen Abteilungsleiter vielleicht doch im Kopf die Frage auftauchen: Erfüllen wir hier wirklich den Programmauftrag, bilden wir alle relevanten Meinungen ab oder ist an der Kritik der Manifestschreiber vielleicht doch was dran? Und so könnte es passieren, dass dieser Abteilungsleiter fortan die Leine etwas lockerer lässt und dass es Redakteure und Moderatoren gibt, die diese neue Freiheit nutzen. So könnte ein neues Arbeitsklima entstehen, in dem die Diskussionen wieder freier geführt werden, in dem es wieder normal wird, eine andere Meinung zu vertreten als die Regierung, in dem Kollegen mit konträren Ansichten auf Augenhöhe miteinander sprechen. Und das wäre dann vielleicht auch im Programm zu sehen. So etwas kann schnell gehen, warten wir es ab.
Dem ÖRR wird immer wieder im negativsten Sinne Regierungsnähe vorgeworfen, sprich: zu eng mit der Politik verbandelt. In einem Tweet eines Redakteurs heißt es:
„In allen Redaktionen, in denen ich gearbeitet habe, wurde diskutiert. Nichts wurde von oben vorgegeben. Und wenn es jemals jemand versucht hat, haben sich starke Kolleginnen und Kollegen gewehrt. Das #Manifest zum #ÖRR überzeugt mich nicht vom Gegenteil.“
Was entgegnen Sie einer solchen Aussage?
Regierungsnähe stellen sich viele wahrscheinlich so vor, dass das Kanzleramt oder die jeweilige Staatskanzlei einer Landesregierung in einem Sender anruft und Themenvorgaben macht oder sagt, was möglichst nicht im Programm erwähnt werden sollte. Das ist aber in der Praxis gar nicht nötig. Viele ÖRR-Journalisten haben die entsprechende Schere längst im Kopf. Sie ticken (zufällig) genauso wie die Regierung oder wissen genau, was von ihnen erwartet wird. Sie sind konform, sie sind auf Linie, meist ohne es zu merken. Denn der Redakteur am Nachbarschreibtisch ist ja genauso.
Für mich ist es im Arbeitsalltag immer wieder frappierend, wie wenig interessiert die Kollegen an den Themen sind, sie arbeiten ab, was anliegt. Eine innere Beteiligung, Neugier, das Bedürfnis, mehr wissen zu wollen, als die offiziellen Stellen von selbst mitteilen, erlebe ich selten.
Dazu vielleicht noch ein Zitat des berühmten amerikanischen Linguisten Noam Chomsky:
„Der schlaueste Weg, Menschen passiv und folgsam zu halten, ist, das Spektrum akzeptierter Meinungen strikt zu limitieren, aber innerhalb dieses Spektrums sehr lebhafte Debatten zu erlauben.“
Das ist es, was stattfindet in den Redaktionen.
Anmerkung Redaktion: Auf der Seite des kritischen Manifests im Hinblick auf den ÖRR heißt es:
„Die Tatsache, dass die meisten dieser Statements anonym sind, zeigt, wie groß die Sorge vor beruflichen Konsequenzen ist. Nur wenige trauen sich, ihre Statements mit Namen zu veröffentlichen. Einige von ihnen arbeiten inzwischen nicht mehr im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Das haben wir entsprechend gekennzeichnet.“
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