Gestern Nachmittag wurde kurzfristig bekannt gegeben, dass heute um 11:30 MEZ die Vorsitzende Richterin Victoria Sharp und ihr Beisitzer Jeremy Johnson am Londoner High Court die Entscheidung verkünden, ob Julian Assange am High Court Berufung gegen seine Auslieferung an die USA einlegen kann. Am 20. und 21. Februar hatte es eine Anhörung mit den beiden Richtern gegeben. Die Richter hatten die Entscheidung vertagt und Anklage und Verteidigung aufgefordert, bis zum 4. März Dokumente nachzureichen. Von Moritz Müller.
Nach allem, was wir im Februar vor Gericht hören konnten, fände ich es sehr erstaunlich, wenn die Richter eine Berufung ablehnen würden. Die aufgeworfenen Fragen waren zu gravierend. Die Anklagevertreter konnten auf Nachfrage nicht glaubhaft versichern, dass im Falle einer Auslieferung Julian Assange nicht die Todesstrafe droht. Außerdem mussten sie zugeben, dass nicht klar ist, ob Julian Assange als Nicht-US-Bürger Schutz durch den Ersten Verfassungszusatz, der die freie Meinungsäußerung garantiert, genießen würde. Sein Fall könnte zu einer Art Testfall dafür werden. Das ihm angedrohte Strafmaß ist zu drakonisch und sein Gesundheitszustand nach über 13 Jahren Freiheitsentzug zu schlecht, als dass es angemessen erscheint, diese Frage an Julian Assange zu testen.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Frage, ob es sich beim Fall Assange um einen politischen Fall handelt und ob die Auslieferung vom Vereinigten Königreich an die USA, wie im Auslieferungsabkommen festgelegt, in politischen Fällen ausgeschlossen ist. Der diesbezügliche Paragraf 4 hatte es nämlich nicht vom Abkommen zwischen den beiden Staaten in das entsprechende britische Gesetz geschafft.
Die Richterin und der Richter zeigten sich an diesen Dingen wirklich interessiert und stellten vor allem der Anklage sehr robuste Fragen. Das war so in diesem Verfahren, das sich seit dem 11. April 2019 hinzieht, noch nicht vorgekommen. Seitdem ist Julian Assange unter menschenunwürdigen Bedingungen im Londoner Belmarsh-Gefängnis inhaftiert.
Eine weitere Komponente ist, dass wahrscheinlich keiner der potenziellen Kandidaten bei den US-Präsidentschaftswahlen Julian Assange vor der Wahl im November in den USA vor Gericht haben will. Zu unübersichtlich sind die Fragen bezüglich Presse- und Meinungsfreiheit. Es gibt nicht nur in den USA lagerübergreifend Unterstützer und Gegner von Julian Assange.
Falls eine Berufung am High Court in London zugelassen wird, könnte es viele Monate dauern, bis es zu diesem Verfahren kommt. Weitere Monate der Isolation im Gefängnis für Julian Assange.
Für den Fall, dass die Richter ablehnend entscheiden, haben Assanges Anwälte angekündigt, den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) anzurufen. Dies ist ein riskantes Unterfangen, da die Fristen recht kurz sind, und Julian Assange in einem Flugzeug in die USA sitzen könnte, bevor der EGMR möglicherweise eingreift. Außerdem ist unklar, ob die Behörden im Vereinigten Königreich den EGMR in diesem Fall anerkennen.
Meiner Meinung nach gehört er sofort freigelassen, denn Journalismus und die Berichterstattung über Verbrechen darf nicht zum Verbrechen gemacht werden.
Wir werden über den Schiedsspruch an dieser Stelle berichten. Außerdem wird Stella Assange wohl auf ihrem X-Kanal sofort die Entscheidung bekanntgeben.
Anmerkung: In einer früheren Fassung stand an zwei Stellen „Supreme Court“, wo es nicht hingehörte.
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