Steht die deutsche Gesellschaft tatsächlich mehrheitlich hinter dem Vorhaben „Kriegstüchtigkeit“?

Steht die deutsche Gesellschaft tatsächlich mehrheitlich hinter dem Vorhaben „Kriegstüchtigkeit“?

Steht die deutsche Gesellschaft tatsächlich mehrheitlich hinter dem Vorhaben „Kriegstüchtigkeit“?

Florian Warweg
Ein Artikel von: Florian Warweg

Der Generalinspekteur der Bundeswehr, Carsten Breuer, hatte kürzlich erklärt, dass man „mittendrin“ und mit „hohem Tempo“ dabei sei, die Bundeswehr kriegstüchtig zu machen, und dass die Gesellschaft hinter diesem Vorhaben stehe. Die NachDenkSeiten wollten auf der Bundespressekonferenz wissen, ob der Verteidigungsminister und der Kanzler diese Einschätzung teilen, und wenn Ja, auf welcher konkreten Datengrundlage diese Einschätzung erfolgt, dass die bundesdeutsche Gesellschaft diesen Plan angeblich mit großer Mehrheit unterstützt. Von Florian Warweg.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Hintergrund

Am 17. März hatte der Generalinspekteur der Bundeswehr, Carsten Breuer, zuvor bis Mai 2022 Leiter des Corona-Krisenstabs im Bundeskanzleramt, erklärt:

„Wir sind mitten drin (sic!), die Bundeswehr kriegstüchtig zu machen. Die Richtung stimmt. Das Tempo ist hoch. Die Gesellschaft steht hinter uns. Ich bin stolz auf unsere Frauen und Männer! Wir dienen Deutschland.“

Breuer, als Generalinspekteur der Bundeswehr der höchste militärische Repräsentant und in dieser Funktion Hauptberater des Bundesministers der Verteidigung sowie der Bundesregierung, behauptet öffentlich, dass die bundesdeutsche Gesellschaft hinter dem Vorhaben stehe, die Bundeswehr „kriegstüchtig“ zu machen. Er spricht dabei mutmaßlich bewusst von kriegs- und nicht von verteidigungstauglich. Der ranghöchste Vertreter der Bundeswehr hat in seiner offiziellen Äußerung keinerlei Versuch unternommen, den von ihm genutzten „kriegs…“-Terminus näher zu definieren und im Sinne von Verteidigungsbereitschaft zu definieren. Seine Behauptung, dass die bundesdeutsche Gesellschaft hinter diesem Vorhaben steht, konnte weder er noch seine Sprecherin auf der BPK vom 20. März statistisch belegen. Es war, zumindest zum Zeitpunkt der Äußerung, eine als Faktum „die Gesellschaft steht hinter uns“ dargestellte Wunschvorstellung. Die vorliegenden Umfragen (siehe z.B. Taurus-Umfrage) deuten mitnichten auf eine gesellschaftliche Mehrheit für „Kriegstüchtigkeit“ hin, ganz im Gegenteil.

Die Tatsache, dass Breuer den Begriff „kriegstüchtig“ statt „verteidigungstauglich“ in der Öffentlichkeit lanciert und darauf verzichtet, diesen Begriff einzugrenzen, wirft einige beunruhigende Fragen auf. Das deutsche Grundgesetz, das sollte nochmal in Erinnerung gerufen werden, erlaubt bis heute den Einsatz von militärischer Gewalt durch die Bundeswehr, von wenigen und streng definierten Ausnahmen abgesehen, ausschließlich zur Verteidigung (Artikel 87a, GG):

„Außer zur Verteidigung dürfen die Streitkräfte nur eingesetzt werden, soweit dieses Grundgesetz es ausdrücklich zulässt.“

Einen Angriffskrieg, und den schließt Breuer mit seiner Art der Nutzung des Terminus „kriegstüchtig“ nicht explizit aus, verbietet das Grundgesetz in Artikel 26 Absatz 1 und fordert darüber hinaus in Satz 2 sogar dazu auf, die Führung eines Angriffskrieges unter Strafe zu stellen.

„Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen.“

Auszug aus dem Wortprotokoll der Regierungspressekonferenz vom 20. März 2024

Frage Warweg

Der Generalinspekteur der Bundeswehr Carsten Breuer hat am 17. März erklärt, dass man mittendrin sei, die Bundeswehr kriegstauglich zu machen, und dass die bundesdeutsche Gesellschaft hinter diesem Vorhaben stehe. „Mittendrin“ hat er übrigens falsch geschrieben. Das könnte man vielleicht noch an sein Social-Media-Team zurückmelden.

Aber meine eigentliche Frage ist, ob denn der Kanzler und der Verteidigungsminister hinter dieser Einschätzung stehen oder diese teilen, dass die bundesdeutsche Gesellschaft tatsächlich hinter diesem Vorhaben steht, die Bundeswehr kriegstüchtig zu machen.

Routsi (BMVg)

Ich finde es sehr interessant, wenn ich das sagen darf, dass Sie hier auf Rechtschreibung Bezug nehmen, während wir uns teilweise auf Ihren Kanälen wiederfinden. Da könnte man auch einmal darüber sprechen, ob das so die feine englische Art ist, wenn ich mir diese persönliche Aussage hier einmal erlauben darf.

Was das Thema Kriegstüchtigkeit angeht, hat sich nicht nur der Generalinspekteur dazu eingelassen, sondern auch der Verteidigungsminister. Die Aussagen sind alle öffentlich zugänglich. Darüber haben wir hier mehrfach gesprochen. Dazu habe ich keine Ergänzungen vorzunehmen.

Zusatzfrage Warweg

Der Kanzler?

Regierungssprecher Hebestreit

Der hat sich dazu auch mehrfach geäußert, und dazu habe ich hier auch keine Ergänzung vorzunehmen.

Zusatzfrage Warweg

Entschuldigung? Ich habe ja trotzdem noch eine Nachfrage! – Er hat ja sehr bewusst „kriegstauglich“ und nicht „verteidigungstauglich“ geschrieben und davon gesprochen und halt behauptet, die bundesdeutsche Gesellschaft stehe dahinter. Da würde mich die Datenlage interessieren. Auf welcher Grundlage kommt er zu dieser Schlussfolgerung, dass die bundesdeutsche Gesellschaft hinter diesem Vorhaben der Kriegstauglichkeit steht?

Routsi (BMVg)

Die Aussagen des Generalinspekteurs der Bundeswehr stehen für sich. Die habe ich nicht zu kommentieren.

Titelbild: Screenshot NachDenkSeiten, Bundespressekonferenz 20.03.2024

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