Professoren von Privatunis flüchten an Staats-Unis
Mit diesem reißerischen Titel berichtet SPIEGEL ONLINE über den Wechsel von bis zu 5 Professoren für das Fach „Science in Real Estate“ (Immobilienwirtschaft) von der privaten rhein-hessischen European Business School in Oestrich-Winkel an die staatliche Uni Regensburg.
Diese „Flucht“ belegt mindestens dreierlei:
- Dass die staatlichen Hochschulen inzwischen soweit kommerzialisiert sind, dass private daneben nicht mehr konkurrenzfähig sind.
- Dass private Hochschule zunehmend Probleme haben mit ihrer Akkreditierung, d.h. wissenschaftlichen Anerkennung.
- Dass inzwischen an unseren staatlichen Hochschulen nicht mehr umfassend gebildete Ökonomen ausgebildet werden, sondern zunehmend Fachidioten, die sich nahtlos den Verwertungsinteressen etwa der Banken unterordnen lassen.
Staatlich Hochschulen wurden deshalb von der Allgemeinheit finanziert, weil sie dem allgemeinen Erkenntnisfortschritt dienen und gleichzeitig Nachwuchskräfte ausbilden sollten, die den Fortschritt in der wissenschaftlichen Erkenntnis in die gesellschaftliche (auch wirtschaftliche) Praxis übertragen. Aufgabe der staatlichen Hochschulen war es, die Studierenden zu einer wissenschaftliche Kenntnisse erfordernden Berufsbefähigung heranzubilden, ihre Aufgabe war es nicht Qualifikationen für ganz spezifische Wirtschaftsinteressen anzubieten. Sofern etwa die Banken Immobilienwirtschaftsspezialisten benötigen, dann können sie das gerne machen, aber nicht auf Kosten der Allgemeinheit.
Insofern ist es hinzunehmen, wenn bestimmte Unternehmen private Hochschulen einrichten und finanzieren, um ihren Bedürfnissen entsprechende Fachkräfte zu trimmen. Und wenn Studierende dafür immense Studiengebühren bezahlen oder von Firmen bezahlen lassen, geschieht das auf ihr privates Risiko.
Das Problem, das solche private Hochschulen haben, ist dann meistens die Frage, betreiben sie Wissenschaft und eine wissenschaftliche Ausbildung oder sind es schlicht Kaderschmieden für angepasste Jungmanager? Und da genau haben bisher fast alle privaten Hochschulen ihr Problem. So eben auch die in Wirtschaftskreisen und den ihr hörigen Medien hochgejubelte European Business School in Oestrich-Winkel. Denn defacto war diese Hochschule weder in der Breite des Fächerangebots, noch – bis auf einzelne betriebswirtschaftliche Fächer – in ihrer wissenschaftlichen Qualität einer staatlichen Hochschule – welcher auch immer – vergleichbar.
Das merken natürlich auch die „Professoren“ die an private Hochschulen berufen werden, weil sie dort (wenn sie entsprechend angepasst sind) leichter als an einer staatlichen Uni Hochschullehrer werden können. Deshalb wechseln sie dann gerne, wie etwa der Zeitgeisthistoriker Paul Nolte von der privaten International University Bremen (IUB) an eine staatliche Universittät, wie die Freie Universität Berlin.
Im Falle des Gründers des „Departments for Real Estate“ an der Business School im Rheingau lässt sich jedoch noch ein anderer Grund für die Abwanderung von Professoren von Privatunis an staatliche Hochschulen erkennen. Der Gründer dieses Departments für Immobilienwirtschaft, Karl-Werner Schulte, offenbar in seinem Fach anerkannt, wechselt mit mehreren anderen Kollegen an die staatliche Uni Regensburg, weil dort der Unternehmer Hans Vielberth vor drei Jahren zusammen mit der Commerzbank-Tochter Eurohypo rund zehn Millionen Euro für ein “Institut für Immobilienwirtschaft” spendiert hat und das Land Bayern dort die Chance sieht, die „Immobilienökonomie“ zu konzentrieren.
Mit anderen Worten: Die fünf Privathochschulprofessoren können also an der staatlichen Hochschule Regensburg in ein gemachtes Nest flüchten. Der Gründer der EBS Immobilien-Akademie in Oestrich-Winkel Karl-Wener Schulte braucht so künftig sich nicht mehr „selbst zu verdienen und noch jedes Jahr vier- bis fünfhunderttausend Euro“ an seine private Hochschule abführen. Die halbe Million kann er an der staatlichen Uni in Regensburg wahrscheinlich weitgehend selbst behalten.
Dieser Vorgang macht deutlich, dass viele staatliche Hochschulen sich inzwischen den kommerziellen Bedürfnissen so angepasst haben, dass sie privaten Hochschulen den Rang ablaufen.
Das hat vermutlich schon früher auch der Bertelsmann-Patriarch Reinhard Mohn erkannt, der zunächst die private Universität Witten-Herdecke (PIW)als Stachel im Fleisch der staatlichen Hochschulen im Wesentlichen finanzierte, und als er dann erkannte, dass er über sein von der Bertelsmann-Stiftung finanziertes „Centrum für Hochschulentwicklung“ (CHE) den staatlichen Hochschulen eine Unternehmensstruktur und eine Unternehmensausrichtung verpassen konnte, hat er sein Engagement für die PIW von heute auf morgen eingestellt.
Dass es in Deutschland über die staatlichen Hochschulen keinen wirklichen Bedarf an privaten Hochschulen gibt, beweist nicht zuletzt der bisherige Flop der European School of Management and Technology (ESMT) im ehemaligen Staatsratsgebäude der DDR in Berlin. Dazu sind und waren die staatlichen Hochschulen – bei allen Klagen, die über sie geführt wurden – einfach zu gut. Bis über einige „billige“ Buchfächer wie „Business Administration“ oder „Law“ (Bucerius Law School in Hamburg) hat es noch keine dieser privaten Hochschulen geschafft einer staatlichen Universität in der fachlichen Breite auch nur das Wasser zu reichen. Außer vielleicht Witten-Herdecke – und da steht gerade die Medizin auf der wissenschaftlichen Abschussliste.
Die Flucht der Professoren von einer privaten in eine staatliche Hochschule ist ein Beleg dafür, dass die Hochschul-„Reformen“ an den staatlichen Hochschulen inzwischen so weit Früchte getragen zu haben, dass wir zunehmend staatlich finanzierte Hochschulen haben, die nicht mehr der Allgemeinheit und der unabhängigen Forschung im allgemeinen Interesse verpflichtet sind, sondern spezifischen gesellschaftlichen Teilinteressen. Und der Praxisbezug eines Studiums scheint inzwischen soweit gelungen zu sein, dass die staatlichen Hochschulen zur Ausbildungsstätten von aktuell gerade nachgefragten Berufsfertigkeiten geworden sind.
Einige Jungkarrieristen werden von solchen Studienangeboten profitieren, was passiert aber mit unseren „Masters of Science in Real Estate“, wenn die Banken ihren doch überschaubaren Bedarf an Nachwuchskräften befriedigt haben? Wer bezahlt die Professoren weiter, wenn die Sättigung für ihr Spezialfach eingetreten und die Nachfrage nach ihrem Angebot schwindet?
Nichts gegen einen Lehrstuhl in Sachen „Real Estate“ und nichts gegen eine Spezialisierung einzelner Betriebswirte für die Immobilienwirtschaft nach ihrem Grundstudium, aber können wir es wirklich verantworten mit Steuergeldern junge Menschen in ein fachlich so eng begrenztes Studium zu locken, wo sie dann, wenn der Immobilienboom zu Ende ist, entweder auf der Straße sitzen oder gleich das nächste Spezialstudium antreten können.
Das ist ganz typisch für die Verlagerung des Risikos der Employability (der Beschäftigungsfähigkeit) auf den Rücken der Generation Praktikum. Das mag die Wirtschaft nicht weiter interessieren, wie sie auch bisher das Schicksal, der von ihr Entlassenen nicht weiter interessiert, die öffentlich verantworteten und finanzierten Hochschulen und damit die Hochschulpolitik sollte das allerdings schon interessieren.