Im Einsatz für Israel

Im Einsatz für Israel

Im Einsatz für Israel

Karin Leukefeld
Ein Artikel von Karin Leukefeld

Seit mehr als fünf Monaten – mit Unterbrechung durch eine knapp einwöchige Feuerpause zum Austausch von Gefangenen Ende November 2023 – bombardieren die israelischen Streitkräfte aus der Luft, vom Meer und vom Land den palästinensischen Küstenstreifen rund um die Uhr. Unterstützt werden sie dabei von den USA, Großbritannien, Deutschland, Frankreich und vermutlich von weiteren westlichen NATO-Staaten, die Waffen, Munition, Aufklärungsdaten, politische und mediale Hilfe leisten. Von Karin Leukefeld.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Nun sollen neben Bomben und Raketen auch Hilfsgüter die Bevölkerung in Gaza erreichen. Aus der Luft und vom Mittelmeer her sollen Mehl und Reis abgeworfen bzw. angelandet werden, um den Menschen „den Zugang zu Nahrungsmitteln und Medikamenten“ zu ermöglichen, wie der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius sagt.

Denn auch die deutsche Luftwaffe soll Hilfspakete über dem Kriegsgebiet abwerfen. Im Gespräch ist darüber hinaus, dass die deutsche Marine den geplanten „humanitären Seekorridor“ schützen könnte, durch den von Zypern (EU) Schiffe mit Hilfsgütern in Richtung des palästinensischen Küstenstreifens fahren sollen. Die USA haben Spezialkräfte angewiesen, zunächst einen schwimmenden Pier vor der Küste von Gaza zu bauen, dann soll ein provisorischer Hafen errichtet werden. Man werde es „begrüßen“, wenn Israel den Hafen Aschdod zur Verfügung stellen und weitere Grenzübergänge nach Gaza – auch im Norden – öffnen würde. Von einem Waffenstillstand spricht niemand. Israel kann den Krieg fortsetzen.

Humanitäre Airdrops

Zwei Transportflugzeuge der deutschen Luftwaffe des Typs Hercules C-130J werden in den nächsten Tagen damit beginnen, Hilfsgüter über dem Kriegsgebiet im palästinensischen Gazastreifen abzuwerfen. Auf Anfrage von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hat ihr Kollege Boris Pistorius vom Bundesverteidigungsministerium zwei Transportflugzeuge für den Einsatz im Rahmen der von den USA geführten „Joint Airdrop Operation“ bewilligt, die vom jordanischen Militärflughafen Al Azraq geleitet wird. Vorab wurde vom Luftwaffeninspekteur eine Sondergenehmigung erteilt, da die deutschen Maschinen mit Crew „zwar die Ausbildung, formal aber noch nicht die Zertifizierung für die Lastenabwürfe mit ihren C-130“ hätten, berichtet die Informationsplattform Augen geradeaus. Ohne diese Sondergenehmigung dürften sie an einer solchen Mission nicht teilnehmen.

Minister Pistorius teilte in einer Erklärung mit, den Menschen in Gaza fehle es „am Nötigsten.“ Die Bundeswehr wolle ihren „Teil dazu beitragen, dass sie Zugang zu Nahrung und Medikamenten bekommen“. Die beiden Hercules-Maschinen könnten jeweils „bis zu 18 Tonnen Last“ transportieren. Der Abwurf sei „nicht ungefährlich“, doch die Crews seien „ausgebildet und sehr erfahren“, so Pistorius. Die Soldaten sind bereits in Al Azraq, einem jordanischen Luftwaffenstützpunkt, im Einsatz für die US-geführte „Anti-IS-Mission“.

Die militärischen „Airdrops“ gibt es seit 1997 und gehen auf Operationen der US-Armee zurück, um Nachschub für die eigenen und verbündete Truppen aus der Luft zu koordinieren. Es gab gemeinsame Einsätze in Afghanistan (seit 2001), im Irak (2003) und Libyen (2011). An der aktuellen Operation über dem Gazastreifen beteiligen sich neben den USA auch die NATO-Staaten Frankreich, Großbritannien, Dänemark und Deutschland.

Jordanien, das militärisch seit Jahrzehnten eng mit den USA und Großbritannien kooperiert, hatte bereits im Oktober 2023 mit Hilfslieferungen aus der Luft für Gaza begonnen. Auslöser war, dass die israelische Armee ein von Jordanien geführtes Militärkrankenhaus in Gaza angegriffen und das Gebäude und Zubringerstraßen ganz oder teilweise zerstört hatte. Das jordanische Feldlazarett war 2009 errichtet worden und versorgte täglich bis zu 1.200 Patienten. Nach weiteren Angriffen auf die Klinik begann die jordanische Luftwaffe damit, Nachschub für die Klinik – Medikamente, Wasseraufbereitungsanlagen, Nahrungsmittel – aus der Luft abzuwerfen.

Ägypten, Katar, Oman und Bahrain folgten dem Beispiel und flogen seit Dezember 2023 Dutzende Einsätze, bei denen Hilfsgüter für Kliniken und für die Bevölkerung abgeworfen wurden. Alle Länder hatten die Erfahrung gemacht, dass ihre Hilfslieferungen zu Land von Israel behindert und blockiert wurden.

„Airdrops“ sind aus humanitärer Perspektive zu teuer, zu unpräzise, nicht ausreichend und zu gefährlich. Verhungernden und vor allem Kindern helfen sie nicht, da sie spezielle Nahrung und vor allem sauberes Wasser benötigen. Die Abwürfe waren eine Notlösung und eine Antwort auf die Blockadehaltung Israels, das Hilfsgüter an den Grenzübergängen Rafah, Kerem Schalom und Erez nur schleppend abfertigte oder zurückschickte. Die israelischen Grenz- und Zollbehörden wurden dabei von extremistischen Siedlern unterstützt, die singend, tanzend und betend die Lastwagen mit den Hilfsgütern für Gaza an der Weiterfahrt hinderten.

Humanitäre Seebrücke“

Parallel zu den „humanitären Airdrops“ haben die USA angekündigt, einen provisorischen Hafen vor der Küste des umkämpften Gazastreifens bauen zu wollen. Als Erstes solle ein „schwimmender Pier“ errichtet werden, er könnte in zwei Monaten fertig sein. Dort sollen dann Schiffe mit Hilfsgütern ihre Fracht abladen können – wie sie von dort an Land gelangen und wer sie verteilen soll, ist allerdings unklar. Die Schiffe sollen in Larnaca (EU-Zypern) starten, die Operation ist mit Israel abgestimmt. Nach dem Pier soll dann eine Hafenanlage entstehen, hat US-Präsident Joe Biden angekündigt. Ganz vorne mit dabei ist EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die gleich selbst nach Larnaca (EU-Zypern) gereist war, wo das auserwählte Schiff „Open Arms“ allerdings wegen technischer Probleme nicht auslaufen konnte.

Sowohl Biden als auch von der Leyen stehen vor wichtigen Wahlen in diesem Jahr und müssen fürchten, insbesondere von der jeweiligen arabisch-stämmigen Wählerschaft wegen der einseitigen Unterstützung für Israel gegen die Palästinenser abgestraft zu werden. Die humanitäre Katastrophe und der Völkermord an den Palästinensern – der von Südafrika beim Internationalen Gerichtshof (Den Haag) angezeigt wurde – entfalten sich vor den Augen der Welt, ohne dass Biden oder von der Leyen dem Spuk ein Ende bereiten. Selbst jetzt, mit „Airdrops“ und einem „humanitären Seekorridor“ in Vorbereitung, enden die Waffenlieferungen an Israel nicht.

Den Krieg stoppen

Palästinenser außerhalb von Gaza reagieren mit Misstrauen auf den humanitären Aktivismus, den die US-Administration und die EU-Kommission an den Tag legen. Israel habe seit 2007 alles getan, um Gaza von der Welt abzuschneiden: die Blockade, die Zerstörung des kleinen Hafens und des Flughafens von Gaza, der 1998 von US-Präsident Bill Clinton eröffnet und dessen Bau von der EU finanziert worden war.

Die USA und die EU haben jahrzehntelang nichts unternommen, um Israel an seinem Vorgehen gegen die Palästinenser zu hindern. Die Missachtung des internationalen Rechts und des humanitären internationalen Rechts prägen die israelische Politik und die Jugend, die in einem Schulsystem aufgewachsen ist, das Respekt vor dem Recht und der Geschichte der Palästinenser nicht vermittelt.

Die „humanitäre Intervention“ in den Gazakrieg könnte ganz andere Ziele haben, so ein palästinensischer Gesprächspartner der Autorin, der namentlich nicht genannt werden möchte. Die USA wolle einen militärischen Stützpunkt in Gaza errichten, um die Öl- und Gasvorkommen vor der Küste Palästinas im östlichen Mittelmeer zu kontrollieren, meint der Gesprächspartner. Das werde nicht gesagt, sondern es werde eine humanitäre Argumentation vorgeschoben. Über den Seekorridor könnten „so viele Leute wie möglich“ aus Gaza abtransportiert werden, man werde das als „Auswanderung“ deklarieren. Damit werde Israel unterstützt, das die Palästinenser aus Gaza und auch aus dem Westjordanland vertreiben wolle.

In Gaza selbst sind Menschen, die befragt wurden, einhellig der Meinung, dass die Abwürfe von Hilfsgütern aus der Luft und auch ein „Seekorridor“ sinnlos seien. In Rafah lebten 1,5 Millionen Menschen, die Hunger hätten, wem würden die 38.000 Fertigmahlzeiten helfen, fragt Mohammed al-Hams aus Rafah. Ein anderer Mann, Ahmed al-Salehi, sagt, die Menschen im Norden von Gaza benötigten Nahrungsmittel am dringendsten. „Alle Menschen hier sind hungrig, aber die Menschen im Norden brauchen etwas zu essen.“ Israel müsse gezwungen werden, den Krieg zu stoppen und die Hilfslieferungen über die Grenzen zu lassen, sind die Befragten sich einig. Niemand im Gazastreifen hat vergessen, dass die USA der stärkste Partner und Unterstützer von Israel in diesem Gazakrieg ist“, sagt Shadi Dasht dem Palestine Chronicle. „Die Leute hier in Gaza wollen, dass die USA keine Militärhilfe mehr an die Besatzer geben, das ist viel wichtiger, als die paar Essenspakete abzuwerfen.“

Die Welt stehe vor einer echten „Bewährungsprobe für ihre Menschlichkeit“, sagt ein Mann namens Abu Hamda: „Entweder sie arbeitet daran, den Krieg zu beenden, oder sie unterstützt Israel weiterhin bei dem Völkermord, dem wir in Gaza ausgesetzt sind. Wir wollen, dass der Krieg aufhört. Wir wollen, dass unsere Kinder zu essen haben. Wir wollen in Sicherheit und Frieden leben. Wir träumen davon, einen unabhängigen Staat zu haben. Wir träumen von einer schönen Zukunft für unsere Kinder.“

Hintergrund

Israel ist als Besatzungsmacht zuständig für den Schutz und die Versorgung der Zivilbevölkerung in dem Kriegsgebiet. Doch Hilfslieferungen erreichen die Menschen nur selten und viel zu wenig, wie alle in dem Gebiet aktiven internationalen Hilfsorganisationen angeben. Die Lastwagen, die in langen Schlangen vor den Grenzübergängen von Rafah (Ägypten) und Kerem Schalom (Israel) warten, werden schleppend abgefertigt. Viele Waren – darunter Sauerstoff für Krankenhäuser, Betäubungsmittel für Operationen, Zelte, Schlafsäcke, Krebsmedikamente, Rollstühle und Gehhilfen (Krücken) – werden von Israel nicht durchgelassen.

Die mehr als zwei Million Menschen waren schon vor dem Krieg auf die Lieferung von Grundnahrungsmitteln und Medikamenten von außen angewiesen, weil Israel Gaza seit 2007 komplett von der Außenwelt abgeriegelt hat. 500 Lastwagen mit Hilfsgütern erreichten täglich den Küstenstreifen. Sowohl der Flughafen (gebaut von der EU) als auch der kleine Hafen von Gaza wurden bei militärischen Angriffen Israels zerbombt.

Die Hilfsgüter lieferte das UN-Hilfswerk für Arbeit für die palästinensischen Flüchtlinge (UNRWA), dem Israel seit der Gründung des Hilfswerks (1949) feindselig gegenübersteht. Mit Vorwürfen und Anschuldigungen versuchte Israel, die UNRWA zu diskreditieren und die internationale Hilfe für die palästinensischen Flüchtlinge und ihre Nachfahren zu stoppen. Seit dem 7. Oktober 2023, dem Beginn des jüngsten Krieges gegen den Gazastreifen, wurden 165 UNRWA-Mitarbeiter durch israelische Angriffe getötet, manche mit ihren Familien. Mehr als 150 Einrichtungen von UNRWA wurden ganz oder teilweise zerstört, darunter viele Schulen, und mehr als 400 Menschen wurden getötet, die unter der UN-Fahne Schutz vor Angriffen gesucht hatten.

Am Mittwoch (13. März 2024) wurde eines der wenigen verbliebenen Verteilzentren der UNRWA in Rafah von Israel angegriffen. Die Organisation gab an, dass einer ihrer Mitarbeiter getötet worden sei und viele Menschen verletzt wurden. Das palästinensische Gesundheitsministerium sprach von fünf Toten. Israel erklärte, man habe einen hochrangigen Hamas-Kommandeur getötet, der Hilfsgüter für die Hamas unterschlagen und Informationen über israelische Stellungen an die Hamas weitergegeben habe.

Schlimmer als im Zweiten Weltkrieg

Anfang März konnte eine Mission der Weltgesundheitsbehörde mit medizinischen Partnerorganisationen drei Kliniken im Norden von Gaza erreichen. Im Shifa-Krankenhaus konnten Treibstoff, Impfstoff und lebensrettende Hilfsgüter übergeben werden, um die Versorgung von 150 Patienten und 50 Kindern zu gewährleisten, die an schwerer akuter Unterernährung leiden. Erstmals seit dem 7. Oktober 2023 konnte die WHO das Kamal Adwan Krankenhaus erreichen, das weiter im Norden liegt. Die Klinik sei mit Patienten überfüllt, hieß es in dem WHO-Bericht. Auf der Kinderstation des Krankenhauses waren zehn Kinder verhungert und verdurstet. Als „entsetzlich“ beschrieb die Delegation die Situation im Al Awda Krankenhaus.

Der UN-Sonderbeauftragte für das Recht auf Wohnen sagte in Genf vor Journalisten, dass seit dem 7. Oktober 2023 bis zu 80 Prozent der Wohnungen und Häuser im Norden von Gaza ganz oder teilweise zerstört seien. „Arbeitsplätze, Kulturstätten, Schulen, religiöse Stätten, Universitäten, Krankenhäuser – alles ist dem Erdboden gleichgemacht“, so Balakrishnan Rajagopal. Das Ausmaß der Zerstörung sei weit schlimmer als „in Aleppo, Mariupol oder auch Dresden und Rotterdam während des Zweiten Weltkrieges.“

Geopolitik gegen die Menschen

Kriege sind gut fürs Geschäft, denn sie beflügeln die Umsätze des militärisch-industriellen Komplexes. Die verwüsteten Landstriche – zu besichtigen in Afghanistan, Irak, Syrien, Jemen, Libyen, Sudan und aktuell in Gaza – eignen sich nach Meinung einiger gut für den Bau von Parkplätzen.

Tatsächlich eignen sie sich gut für Militärbasen, von denen die USA nie genug bekommen kann. Nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums gibt es 4.790 US-Militärbasen weltweit (einschließlich USA).

Besonders im östlichen Mittelmeerraum und Westasien können die USA – die eng mit der EU und NATO kooperieren – mehr Stützpunkte gebrauchen. Mit Israel als Partner sollen China, Russland, Iran und der Rest der nichtwestlichen Welt – die sich u.a. in BRICS und in der Schanghai Koordination für Kooperation zusammengefunden haben – aus dem ressourcenreichen Gebiet und von den wichtigen Transportwegen ferngehalten werden. Der verwüstete Gazastreifen eignet sich aus dieser Sicht gut als Militärbasis, um westliche Interessen gegen Staaten und nichtstaatliche Akteure in der Region, die sich der US-geführten westlichen Vorherrschaft nicht unterordnen wollen – verteidigen zu können.

Die Palästinenser bezahlen mit ihrem Leben dafür, dass sie das Recht auf ihr Land, ihre Geschichte und ihre Zukunft nicht aufgeben.

Titelfoto: Andy.LIU/shutterstock.com

Die NachDenkSeiten sind für eine kritische Meinungsbildung wichtig, das sagen uns sehr, sehr viele - aber sie kosten auch Geld und deshalb bitten wir Sie, liebe Leser, um Ihre Unterstützung.
Herzlichen Dank!