Im Juni beginnt die Fußball-Europameisterschaft in Deutschland und wie gestern bekannt wurde, wird der Gastgeber auch in pink auflaufen – oder nicht, das wird sich noch zeigen. Man muss kein homophober Rechter sein, um diese Farbauswahl auch abseits ästhetischer Kritikpunkte fragwürdig zu finden. Fußball lebt nun einmal von der Tradition. Warum legt es der DFB derart darauf an, mit seiner ja durchaus ruhmvollen Tradition zu brechen? Fußball soll auch zusammenführen. Warum tut der DFB alles in seiner Macht Stehende, um ein politisches Statement zu setzen und zu spalten, anstatt zu vereinen? Am Ende wird die Welt – wieder einmal – über Deutschland und seinen Fußball lachen. Aber was soll’s, Dabeisein ist ja schließlich alles und Fremdschämen kann ja auch Spaß machen. Ein Kommentar von Jens Berger.
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
Podcast: Play in new window | Download
Früher war nicht alles besser, aber zumindest im Fußball gab es noch Traditionen. Die deutsche Fußballmannschaft spielte in Weiß und wenn sie auswärts mal auf einen Gastgeber mit hellen Trikots traf, trugen die Spieler zur besseren Unterscheidung ein grünes Leibchen. Those were the days, my friend. We thought they’d never end. Doch mit dem Einzug des Kommerzwahns endete diese Tradition. Zwar wagte sich der DFB nicht an die weißen Heimtrikots, die als Markenzeichen auch heute noch sakrosankt sind, aber beim Auswärtstrikot zeigte man sich nun experimentierfreudig. 2004 lief man in lebensfrohem Schwarz auf, 2008 wich das Schwarz einem völlig DFB-untypischen Rot, 2012 kehrte das gute alte Grün zurück, nur um 2021 abermals gegen ein zur Performance passendes Schwarz eingetauscht zu werden. Und nun, bei der Heim-EM 2024, gibt es den kompletten Bruch mit dem traditionellen Farbschema – Rosa-Pink-Lila soll nun die Farbe sein, mit der Julian Nagelsmanns Jungs in das Turnier gehen.
Rosa? Pink? Lila? Mir persönlich ist nur der amerikanische Retortenclub Inter Miami bekannt, der in dieser Farbkombination aufläuft. Und das hat natürlich nicht nur ästhetische, sondern auch traditionelle Gründe. Pink ist ja vom Klischee her eher eine weibliche Farbe; und das sehen neben alten weißen Männern ja offenbar auch LGBTQ-Aktivisten so, die sich gerne in pink kleiden. Völlig klar – das rosa Leibchen ist eine politische Entscheidung, die gewollt mit alten Traditionen und männlichen Stereotypen brechen soll. Wer identitätspolitisch unterwegs ist, mag das nun mutig finden. Ich finde es einfach nur dumm. Und das ganz sicher nicht, weil ich homophob oder ewiggestrig bin; sondern weil ich der festen Überzeugung bin, dass Sport möglichst frei von politischer Einflussnahme sein sollte und die Menschen nicht trennen, sondern zusammenbringen sollte.
Das rosa Leibchen soll aber gar nicht die Menschen zusammenbringen. Es soll ein Zeichen setzen und nicht vereinen, sondern trennen. Die Nationalmannschaft soll also mal wieder als Botschafter eines woken Lebensgefühls missbraucht werden. Vereinzelte Linksliberale werden jubeln, Rechte und Konservative werden vor Wut im Karree springen und der Großteil der Bevölkerung, dem dieser Kulturkampf herzlich schnuppe ist, wird wohl einfach nur verständnislos den Kopf schütteln und sich mehr und mehr vom Fußball abwenden. Der angestrebte progressive Impact bleibt ohnehin aus. Oder glaubt irgendein DFB-Funktionär ernsthaft, dass der homophobe Nazi aus Dortmund oder Zwickau nun sich selbst und seinen Hass hinterfragt, weil „seine“ Mannschaft in pink aufläuft? Sicher nicht. Aber es geht hier ja auch nicht um Randgruppen, sondern um Image und Marketing. Der DFB will nicht mehr als Verband piefiger alter weißer Männer wahrgenommen werden und sich seinen Werbepartnern möglichst modern und weltoffen präsentieren. Dagegen ist ja auch nichts einzuwenden, aber mit der Holzhammermethode wird das ganz sicher nichts.
Passend zur Vorstellung des neuen Trikots hat Ausrüster Adidas zusammen mit dem DFB auch gleich das passende Imagevideo gelauncht … interessant ist, dass man sich hier auf das traditionelle weiße Heimtrikot beschränkt hat. Offenbar will man beim DFB und bei Adidas den absehbaren kommerziellen Flop in Grenzen halten. Im Video geht es dann auch nicht wirklich um Fußball, sondern um die fast schon philosophische Frage „Was ist typisch deutsch“?
Auch hier soll mittels Selbstironie mit alten Klischees gebrochen und Deutschland irgendwie hip, multikulturell und modern geframt werden. Albern. Dass der Döner heute „deutscher“ als Eisbein mit Sauerkraut ist, wissen wir selbst. Das müssen Adidas und der DFB uns nicht in einem Imagevideo sagen. Wer sich selbst in einem Imagevideo als hip und modern darstellen will, ist weder hip noch modern. Dass das moderne Deutschland wenig mit alten Klischees zu tun hat, sollte eigentlich selbstverständlich sein. Wenn etwas typisch deutsch ist, dann ist es wohl eher die Unfähigkeit zu Ironie und Coolness. Uns fehlt halt das Leichte. Sowohl das rosa Leibchen als auch das peinliche Imagevideo stehen mehr in der Tradition der Pickelhauben und röhrenden Hirsche, als es den verantwortlichen Marketingstrategen lieb sein kann.
Entweder man ist weltoffen und modern oder man stellt sich selbst permanent als weltoffen und modern dar. Beides gleichzeitig macht keinen Sinn. Und dass ausgerechnet die sportlich desolate Nationalmannschaft sich in Selbstironie versucht, lädt ebenfalls zum Fremdschämen ein. „Grau is’ im Leben alle Theorie – aber entscheidend is’ auf’m Platz“, wusste schon Fußballlegende Alfred Preißler.
Aber zurück zur EM. Ein Gutes hat das rosa Leibchen ja. Wir werden es aller Voraussicht nach bei der EM niemals zu Gesicht zu bekommen. Bekanntlich trifft die deutsche Mannschaft in der Vorrunde auf Schottland (blau), Ungarn (rot) und die Schweiz (rot) und wird in allen Spielen ohnehin mit dem weißen Heimtrikot auflaufen dürfen. Und dass das deutsche Team die Vorrunde nicht übersteht, ist ja eine jüngere Tradition, an die sich die DFB-Kicker sicher auch diesmal halten werden. „Viel Lärm um nichts“ könnte man also sagen. Dies wird aber sicher nicht der letzte Grund zum Fremdschämen über das DFB-Team und das Marketing der kommenden EM sein.
Wer will, kann das rosa Leibchen übrigens ab jetzt zum Spottpreis von 160 Euro beim DFB käuflich erwerben. Als Outfit, um „gekonnt“ selbstironisch gegen die AfD zu demonstrieren, taugt es sicher. Aber wer kauft sowas sonst? Man kann für den DFB und Adidas nur hoffen, dass sie nicht zu viele Trikots vorproduziert haben. Früher hätte man das Trikot wohl nach dem Ausscheiden in der Vorrunde als kostenlose Dreingabe beim Kauf einer Kiste Bier der DFB-Sponsoren Bitburger und Krombacher dazugegeben. Das geht nun nicht mehr, da der DFB noch nicht einmal deutschen Brauern mehr als Werbepartner attraktiv genug ist.
Leserbriefe zu diesem Beitrag finden Sie hier.
Titelbild: DFB