Die Isla Gorgona im kolumbianischen Pazifik war im Laufe ihrer Geschichte immer wieder von nationalem Interesse. Lange Zeit hat sie als Gefängnisinsel gedient, 1983 wurde sie wegen ihrer Bedeutung für die Erhaltung der Artenvielfalt im Wasser und an Land zum Nationalen Naturpark (PNN) erklärt. Heute ist Gorgona durch Pläne für den Bau eines Küstenüberwachungskomplexes der US-Marine bedroht, zu dem auch eine Landungsbrücke und ein Radarsystem der US-Marine gehören sollen. Trotz Protesten der Anwohner treibt die kolumbianische Regierung das Projekt voran. Von Juan Manuel Quintero Serna.
28 Kilometer westlich der kolumbianischen Pazifikküste liegt die Insel Gorgona. Ihren mythologischen Namen, der auf die drei Schlangenmonster anspielt, zu denen der berühmte Seefahrerschrecken Medusa zählte, verdankt sie der Vielzahl von Schlangen, die sie bevölkern. Mit einer Fläche von nur 26 Quadratkilometern war Gorgona bereits Standort eines Gefängnisses, eines Nationalparks und ist heute die Basis eines Küstenwachenpostens, der ein von den Vereinigten Staaten finanziertes und installiertes Radarsystem beschützen soll. Das von der Regierung Juan Manuel Santos’ begonnene Projekt wird von der Regierung Petro fortgeführt.
Gorgona hat einen einzigartigen ökologischen Wert, nicht nur für Kolumbien, sondern für die gesamte Region. Manuel Rodríguez Becerra, Professor an der Universidad de los Andes, der die Gründung des kolumbianischen Umweltministeriums vorangetrieben hat, bezeichnet Gorgona als „ein Juwel des Nationalparksystems und der Inseln der Welt” mit einer besonders hohen biologischen Vielfalt und einer Vielzahl an Fisch-, Amphibien-, Reptilien- und Blumenarten. Darüber hinaus beherbergt die Insel eines der größten Korallenriffe im kolumbianischen Pazifik.
Ihre Lage an der Westküste Kolumbiens macht Gorgona zu einem wichtigen Durchgangsort für Meerestiere wie Buckelwale. Während der Saison zwischen Juni und Oktober/November können diese Wale zusammen mit ihren Kälbern gesichtet werden. Die Walbeobachtung in dem Gebiet ist zudem zu einer wichtigen Einnahmequelle für die Einwohner der Küstenstadt Guapi und ihrer umliegenden Ortschaften geworden. Die Gemeinden an der Pazifikküste, die das Militärprojekt ablehnen, haben – wie sie es in einem Rundbrief vom 14. Februar ausdrücken – auf diese Weise „in einer harmonischen Beziehung zu Gorgona gelebt und das einzigartige Ökosystem, das Teil unseres kollektiven und ethnischen Territoriums ist, respektiert und geschützt”.
Die biologische Vielfalt der Insel ist immer widerstandsfähig gegenüber politischen Ereignissen und Entscheidungen wie etwa der Einrichtung des Hochsicherheitsgefängnisses im Jahr 1960 gewesen.
Beschwerden über die ständigen Misshandlungen und unmenschlichen Bedingungen, unter denen die Gefangenen auf der Insel festgehalten wurden, sowie die Anerkennung der umweltpolitischen Bedeutung der Insel führten 1983 zur Schließung des Gefängnisses. Die Künstlerin und Aktivistin Cecilia Castillo aus der Stadt Ibagué hatte dafür jahrelang unermüdlich gekämpft. Bei einem Besuch war sie Zeugin der Bedingungen in dem Gefängnis geworden, ein Erlebnis, das sie dazu veranlasste, eine Kampagne für seine Schließung zu initiieren. Castillo war in den darauffolgenden Jahren entscheidend am Protest gegen das Gefängnis und für die Umwandlung der Insel in einen Nationalen Naturpark beteiligt.
Für die US-Regierung ist die Insel vor allem wegen ihrer Lage inmitten der Drogenhandelsroute nach Norden interessant. Die US-Initiative für die Installation des Radarsystems ist Teil der von der Leiterin des US-Südkommandos Laura Richardson vorgeschlagenen Strategie, den US-Einfluss in der Region zu verstärken.
Das Projekt wurde bereits während der Regierung von Juan Manuel Santos (2010 bis 2018) begonnen. Der Vorschlag, der der Nationalen Umweltbehörde (ANLA) vorgelegt wurde, sah unter anderem einen 50 Meter hohen Turm für ein Radar, den Bau einer Küstenwachstation und einen 163 Meter langen Kai vor.
Der Bau sollte durch ein Budget von zwölf Millionen US-Dollar aus den USA finanziert werden. Eine Umweltgenehmigung wurde am 31. Dezember 2015 erteilt, nur 29 Tage, nachdem das Projekt vorgeschlagen worden war – eine auffällig kurze Zeit, um die notwendigen Studien zur Einschätzung der tatsächlichen sozioökologischen Auswirkungen des Projekts durchzuführen.
Die Auswirkungen, die der Bau des Kais auf die Reise der Wale haben würde, oder die Risiken, die mit der Installation von Benzintanks nahe der Insel verbunden sind, wurden nicht berücksichtigt. Nach Erteilung der Genehmigung wurde dann schnell mit der Umsetzung des Projektes begonnen.
Die Zivilgesellschaft hat der Durchsetzung des US-Projektes auf der Insel jedoch nicht tatenlos zugesehen.
Aus Gemeindeverbänden der Ortschaften an der Pazifikküste und aus akademischen und Umweltgruppen sind Organisationen wie das Komitee Salvemos Gorgona (Lasst uns Gorgona retten) hervorgegangen, die sich von Anfang an gegen die Versuche der verschiedenen Regierungen gewehrt haben, das Projekt zu verwirklichen. Die Organisation betont, wie wichtig es ist, sowohl die biologische Vielfalt der Insel als auch die Souveränität über das Territorium zu schützen.
Mit den Wahlen im Jahr 2022 und dem Amtsantritt von Gustavo Petro als Präsidenten ging die Erwartung einher, dass die selbsternannte „Regierung des Wandels” das Projekt stoppen würde.
Nachdem Salvemos Gorgona verschiedene Forderungen vorgetragen hatte und eine öffentliche Anhörung im Kongress, den die Abgeordnete Jennifer Pedraza initiierte und an der auch die Umweltministerin Susanna Muhammad teilnahm, stattgefunden hatte, wurde das Projekt vorübergehend ausgesetzt. Trotzdem versuchte die Regierung weiterhin, die Gemeinden von den angeblichen Vorteilen des Projekts zu überzeugen, indem sie in der Region Bürgerforen durchführte, an denen auch die Vizepräsidentin Francia Márquez teilnahm.
Bei einem Besuch der Regierung in Guapi, inmitten von Bannern, die die Absage des Projektes forderten und von Ausrufen, der Präsident möge sich zu dem Thema positionieren, beschloss dieser, die Gemeinden zu ignorieren und die Veranstaltung zu beenden. Die Entscheidung war bereits getroffen worden.
US-Militärpräsenz in Kolumbien verfestigt sich auch unter Petro
Am 12. Februar 2024 gab die Regierung auf einer Pressekonferenz in Anwesenheit von Umweltministerin Muhammad und Verteidigungsminister Iván Velásquez bekannt, dass sie mit dem Bau des Projekts in Gorgona beginnen werde. Sowohl die Minister als auch der Präsident haben sich darum bemüht, das Ganze als ein Projekt für Forschung und Tourismusförderung darzustellen. Es wurde versichert, dass die Bauarbeiten nicht während der Walbeobachtungssaison stattfinden und unter großer Rücksicht auf die Umwelt durchgeführt werden würden.
Die Wahrscheinlichkeit, dass dies wirklich so umgesetzt wird, ist allerdings gering. Außerdem blieben die Pläne für das Radar und die militärischen Elemente der Küstenwachstation unverändert, wie der Kommandeur der Küstenwache, Javier Bermudez, erklärte.
Bezüglich der US-Finanzierung des Projektes gab Verteidigungsminister Velásquez bekannt, dass das Geld nach Gesprächen mit der US-Botschaft nun nicht für die Küstenwache oder das Radar, sondern für ein geplantes Forschungszentrum verwendet werden würde.
Andrés Pachón, Sprecher von Salvemos Gorgona, hält diese Ankündigung für irreführend, da „die Umweltlizenz, alle durchgeführten Beratungsstudien und die früheren Umweltverträglichkeitsstudien bereits mit US-Geldern bezahlt worden sind”. Außerdem wurde nicht nur das Radar schon 2019 gekauft. Die bestehende Baulizenz sieht auch keine der von der Regierung erwähnten wissenschaftlichen Konstruktionen vor, sondern nur militärische Einrichtungen.
Die US-Militärpräsenz in Kolumbien hat sich während der aktuellen Regierungsperiode entgegen allen Erwartungen weiter verfestigt.
Die US-Generalin Laura Richardson hat das Land regelmäßig besucht und hochrangige Treffen mit Militärchefs, Präsident Petro und Vizepräsidentin Márquez abgehalten. Diese wurden von Ankündigungen, etwa über Pläne zur Militarisierung des Amazonasschutzes und der grundsätzlichen Stärkung der militärischen Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern, begleitet.
Die Fortführung geostrategischer Interessensprojekte der USA wie auf Gorgona und des alten „Kriegs gegen die Drogen” hat Richardson selbst zu der Bemerkung veranlasst, die Beziehungen zwischen den Ländern „könnten nicht besser sein”.
Trotz mangelnden Interesses in der Regierung setzen die Organisationen ihre Protestaktionen gegen das Projekt fort. Neben nationalen Aufrufen zur Mobilisierung zur Verteidigung der Insel und der Souveränität gründete sich im Parlament die Bancada en Defensa de Gorgona (Fraktion zur Verteidigung von Gorgona) mit mehr als 15 Abgeordneten verschiedener Parteien, die versuchen wird, die Debatte auf die legislative Ebene zu bringen.
Die Basisorganisation und Mobilisierung sind das Einzige, was La Gorgona vor dem Schwert des Perseus retten kann.
Titelbild: Wandbild in der Calle 26 in Bogotá: „SOS Gorgona. Petro stopp’ die Militärbasis” – COMITÉ SALVEMOS GORGONA
Dieser Artikel erschien zuerst in den Lateinamerika Nachrichten Nr. 597 und Amerika21.
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