Der Kampf gegen rechts und die Liebe zu Faschisten

Der Kampf gegen rechts und die Liebe zu Faschisten

Der Kampf gegen rechts und die Liebe zu Faschisten

Oskar Lafontaine
Ein Artikel von Oskar Lafontaine

In Deutschland gehen Hunderttausende auf die Straße, um gegen das Aufkommen von Nationalismus und Faschismus zu demonstrieren. Gleichzeitig arbeitet die Regierung skrupellos mit Nationalisten und Faschisten zusammen. So wird das Vertrauen in die Institutionen verspielt. Von Oskar Lafontaine.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Von meinem Griechischlehrer habe ich gelernt, dass man Begriffe, die man benutzt, auch erklären können muss. Er fragte uns: „Was versteht ihr unter Demokratie? Was versteht ihr unter Freiheit?“ Und peinlich berührt mussten wir feststellen, dass unsere Antworten oft sehr unvollkommen waren und wir ins Stottern gerieten.

Daher folgende Klarstellung: Faschisten sind für mich Menschen, die andere Menschen als Tiere bezeichnen und sie vernichten wollen. Es geht selbstverständlich nicht darum, dass man einen anderen im Zorn schon mal als Esel oder Rindvieh bezeichnet. Denn dann wäre ich selbst wie viele andere auch ein Faschist. Die Absicht, Menschen zu töten und zu vernichten, ist ausschlaggebend.

Nach obiger Definition ist der im Westen als Held gefeierte und verehrte, kürzlich verstorbene russische Regimegegner Alexei Nawalny ein Faschist. Er sagte beispielsweise:

„Tiflis, die Hauptstadt der Nagetiere, gehört mit Marschflugkörpern zerstört.“

Oder:

„Alles, was uns stört, muss man mit Vorsicht, aber unbeirrt per Deportation entfernen.“

Man muss sich einen Moment vorstellen, in Deutschland hätte ein AfD-Politiker sich so geäußert. In großer Zahl wären die „Guten“ auf die Straße gegangen und hätten gefordert, diesem Faschisten die Bürgerrechte abzuerkennen.

Wer weist Israel in die Schranken?

Angesichts des tragischen Todes Nawalnys in einem sibirischen Gefängnis hätte man nach dem alten römischen Grundsatz „de mortuis nihil nisi bene“ auf die Erwähnung seiner radikalen menschenverachtenden Parolen verzichten können. Aber nachdem die westliche Kriegspropaganda jetzt dazu übergegangen ist, seine Ehefrau als seine Nachfolgerin und Kämpferin für Freiheit und Demokratie aufzubauen, bleibt nichts anderes übrig, als der westlichen Heuchelei und Verlogenheit durch die Benennung der Wahrheit entgegenzutreten.

Nach der obigen Definition ist auch der israelische Verteidigungsminister Yoav Gallant ein Faschist. Er sagte im Blick auf die Palästinenser: „Kein Strom, kein Essen, kein Sprit. Alles wird abgeriegelt. Wir kämpfen gegen menschliche Tiere und handeln dementsprechend.“

Mittlerweile kommt es im Gazastreifen zum Kampf um Lebensmittel. Zahlreiche Palästinenser verloren dabei ihr Leben. Die öffentliche Ordnung droht zusammenzubrechen. Gallants Kabinettskollege Bezalel Smotrich bezeichnet sich selbst als „homophoben Faschisten“.

Das Massaker der Hamas am 7. Oktober war ein grausames Verbrechen. Aber die Antwort der Regierung Netanjahu, die dazu führte, dass mittlerweile über 30.000 Palästinenser ermordet wurden und der Gazastreifen zerstört und praktisch unbewohnbar ist, ist ein abscheuliches Kriegsverbrechen und hat zur Folge, dass Völkerrechtler Israel einen Genozid vorwerfen.

Der Internationale Gerichtshof (IGH) spricht von der unmittelbaren Gefahr eines Völkermords, und Amnesty International wirft Israel vor, dass es wiederholt versäumt habe, die von humanitären Organisationen verzweifelt geforderten Mindestmaßnahmen einzuleiten, um das Leiden der Bevölkerung zu lindern. Die Weltgemeinschaft darf nicht länger tatenlos zusehen. Die USA müssen ihre fatale Unterstützung dieses verbrecherischen Vorgehens einstellen, und der UNO-Sicherheitsrat muss Israel in die Schranken weisen und auf eine UNO-Friedenstruppe im Gazastreifen drängen.

Es ist auch durch nichts zu rechtfertigen, dass die Regierung Scholz ebenso wie CDU und AfD die Faschisten in der Regierung Netanjahu unterstützt und Waffen liefert. Der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete Jürgen Todenhöfer hat die einzig richtige Antwort gegeben und gegen die Bundesregierung eine Strafanzeige wegen Beihilfe zum Kriegsverbrechen gestellt.

Auch im Ukraine-Krieg arbeitet die Ampelregierung ohne Skrupel mit Nationalisten und Faschisten zusammen. Der Nazikollaborateur Stepan Bandera stieg zum Nationalhelden der Ukraine auf. Nach ihm werden Straßen und Plätze benannt. Er ist für den Tod von vielen Tausend Juden, Polen und Russen verantwortlich. Arno Klarsfeld, der Sohn der Nazijäger Beate und Serge Klarsfeld, hat zu Recht gesagt:

„Ein Land, in dem ein Mann verehrt wird, der viele Tausend Juden ermorden ließ, gehört nicht in die EU und nicht in die NATO.“

Brennt in der Hölle, ihr Schweine“

Der Höhepunkt dieser geistigen Verwirrung war die Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels an den ukrainischen Schriftsteller Zhadan, der ebenfalls ein Faschist ist, weil er die Russen als Unrat, Tiere und Schweine bezeichnet hat und seiner Vernichtungsfantasie freien Lauf ließ: „Brennt in der Hölle, ihr Schweine“.

Wie passt das eigentlich zusammen? In Deutschland gehen Hunderttausende auf die Straße, um gegen das Aufkommen von Nationalismus und Faschismus zu demonstrieren. In anderen Ländern arbeitet die Bundesregierung, deren Mitglieder sich an den Demonstrationen beteiligen, skrupellos mit Nationalisten und Faschisten zusammen, ja, beliefert sie sogar mit Waffen. Und die deutschen Propagandamedien spielen mit. So wird das Vertrauen der Wähler in die staatlichen Institutionen verspielt.

Schon der chinesische Philosoph und Politiker Konfuzius wusste:

„Wenn das Volk kein Vertrauen hat, so ist Regierung überhaupt unmöglich.“

Titelbild: PhotoBatta/shutterstock.com

Dieser Artikel erschien zuerst am 6. März 2024 in Die Weltwoche.