Eine neue Partei mit allem Drum und Dran in kurzer Zeit auf die Beine zu stellen, ist eine Herausforderung, noch dazu, da bald Wahlen anstehen. Dem nicht genug, die neuen Mitglieder sollten den Erfordernissen und Ansprüchen der politischen, inhaltlichen, atmosphärischen Ausrichtung der neuen Partei entsprechen. Neben bekannten Gesichtern werden Menschen an der Basis gesucht. Kritiker wenden voller Inbrunst ein, Sahra Wagenknecht und Gefolge wählten für das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) nur „Erlesene“ aus. Derlei geschieht also auch in der sächsischen Provinz: Der Plauener Maik Schwarz ist solch ein Erlesener, seit Kurzem Mitglied des Bündnisses Sahra Wagenknecht, der als Erlesener bodenständig, zurückhaltend, schlicht, ein ganz normaler Bürger ist, der für seine Mitbürger einstehen will. Von Frank Blenz.
Der Plauener Maik Schwarz, 38 Jahre alt, war Mitglied der Partei Die Linke und ist bis heute engagiert im Stadtrat seiner Heimatstadt Plauen im Vogtland. Schwarz trat vor einiger Zeit enttäuscht vom Zustand seiner alten Partei und von deren inhaltlicher Zerstrittenheit und Ausrichtung aus. Resigniert hat er trotzdem nicht. Jetzt will Schwarz mithelfen, eine neue Partei aufzubauen – das BSW, und das an der Basis, berichtet er bei einem …
Gespräch an einem wichtigen Ort
Der neue BSWler Maik Schwarz lächelt bei unserem Treffen in einem Kaffeehaus in der Altstadt von Plauen zurückhaltend. Das schöne Lokal ist die Konditorei von Rico Wagner, der, während wir reden, an uns vorbei eine kleine Transportkarre frischer Zutaten in die Küche zieht und uns beim Diskutieren gutes Gelingen wünscht und, auf dass die Zeiten mal wieder besser werden. Das wird unsererseits erwidert, tatsächlich verdient der Meister in den aktuellen Krisenzeiten Zuspruch, denn er braucht über die Maßen Energie, unternehmerisches Geschick, Geduld und Durchhaltevermögen. In einem Beitrag für die NachDenkSeiten hatte Wagner über die Auswirkungen der Politik auf seine Arbeit, auf sein Geschäft, auf seine Mitarbeiter, auf seine Kunden berichtet, und dass es um so unerlässlicher sei, dem Volk aufs Maul zu schauen und danach zu handeln. Das müsste Pflichtaufgabe aller Entscheidungsträger im Wirken für die sein, die den Laden am Laufen halten. Als Bäckermeister und Kaffeehausbesitzer erlebe er jedoch bis heute inakzeptable, skandalöse Zumutungen und Anmaßungen der Politik, die sogar existenzgefährdend seien – es muss am Weghören der Politiker liegen.
Darum fühlt sich umso wichtiger an, in seinem Kaffeehaus zu sitzen, es fühlt sich wichtig und richtig an, dass Menschen wie der Kommunalpolitiker Maik Schwarz mit den Verhältnissen hadern, die Menschen wie dem Bäcker und Konditor Rico Wagner schaden. Schwarz will seinen Teil dazu beitragen, der verantwortlichen desaströsen Politik Einhalt zu gebieten, sagt er. Dazu gehöre unbedingt das „dem Volk aufs Maul schauen“ und, als politisch tätiger Mensch die notwendigen Schlussfolgerungen zu ziehen, wobei Maik Schwarz, wie er sagt, ja selbst dazu gehört – zum Volk.
Jetzt sei es nötig, dass neue Strukturen geschaffen werden, eine feste Konstruktion einer neuen Partei, mit der Führungsriege in der Hauptstadt, der Präsenz im Parlament, wie nun als Gruppe im Bundestag und den vielen Mitstreitern in der Breite wie zum Beispiel er im Vogtland. Das alles brauche Zeit, ja. Aber doch sei eine gewisse Eile geboten – im Sommer sind Kommunalwahlen, im Herbst Landtagswahlen, weiß der Vogtländer.
Berlin
Zurückhaltend, bestimmt und ruhig ist Maik Schwarz’ Stil zu erzählen, von seinem politischen Alltag, von seinen Ansichten, von seiner Fahrt nach Berlin – zum ersten Parteitag seiner nun neuen politischen Heimat, der Partei BSW. „Die Reise in die Hauptstadt war ein Abenteuer, für mich auch ein Aufbruch. Ich habe in Berlin viel davon gehört, dass wir, also das BSW, die gegenwärtigen politischen Entwicklungen nicht hinnehmen. Es stimmt, die unsoziale, ja verheerende Politik der Regierung muss beendet werden, finde ich.“ Sahra Wagenknechts Rede hat Schwarz’ Ansichten und Beweggründe bestätigt, dass er aus der Linkspartei ausgetreten ist, dass man etwas unternehmen muss, um aus der Verfahrenheit, dem Schwarz-Weiß-Denken herauszukommen. Dazu gehörte, einen Schlussstrich zu ziehen. Man sieht es Maik Schwarz an, dass ihm der Austritt nicht leichtfiel, denn seine Linkspartei war ihm lange Jahre politische Heimat, viele inhaltliche Punkte vertrat er an deren Basis. Und innerlich ist und bleibt er ein linker Humanist.
Das mit dem Parteiaustritt habe er sich lang überlegt, er sei keiner für eine schnelle Entscheidung. Bis heute wirkt Maik Schwarz, von Beruf Verwaltungsfachwirt, sogar noch in der Fraktion Die Linke im Plauener Stadtrat mit, sitzt fraktionslos im Finanzausschuss und praktiziert mit seinen parlamentarischen Kollegen ehrliche, den Bürgern dienende Kommunalpolitik, wie er betont. Die einfache, geduldige, mitunter zähe Arbeit im Alltag, im Stadtparlament im Rathaus, im Kleinen sei es, die ihn ausmacht: zuverlässig, sachlich, den Menschen zugewandt. Gut finde er auch das: „Meine Kollegen haben mir das nicht übel genommen, dass ich ausgetreten bin, ganz pragmatisch darf ich weiter im Stadtrat mitwirken – vorerst.“ Weniger gut sei, dass auf die neue Partei draufgedroschen werde, von mächtigen Medien, vom politischen Gegner, von ehemaligen prominenten Parteikollegen an der Spitze.
Die Ansprecherin
Dass er jetzt einer vom BSW ist, habe einerseits mit seiner bekundeten Bereitschaft zu tun, andererseits wurde Schwarz auch ein wenig „angeworben“. „Sabine Zimmermann, eine langjährige Parteikollegin, hat mich angesprochen und ich habe zugesagt.“ Seine Ansprecherin Sabine Zimmermann, ebenso Ex-Linke, ist Politprofi durch und durch, schwärmt Schwarz. Sie sitzt seit 16 Jahren im Deutschen Bundestag, sie war Gewerkschafterin, sie ist bis heute in sozial engagierten Vereinen tätig, zählt zu den engeren Vertrauten von Sahra Wagenknecht und ackert seit längerer Zeit mit einem kleinen Team intensiv daran, die neue Partei in Sachsen auf feste Beine zu stellen – personell, strukturell, in den Abläufen, bei den Terminen, in Sachen Öffentlichkeit. Verbände sind zu bilden, kommunale, regionale, Landesebene. Leute werden angesprochen, Mails mit Aufnahmegesuchen gelesen, sondiert. Für Maik Schwarz ist es eine Ehre, angesprochen worden zu sein. Er werde also vom BSW zu den „fähigen Leuten“ gezählt, also zu solchen, die das Programm der neuen Partei ehrlich vertreten, nach innen, nach außen, interpretiert der Plauener. Das muss weit über das Enttäuschtsein hinausgehen.
Klar ist die Frage schnell im Raum: „Eintritt nur für Auserlesene?“ Wie erwähnt, schon tobt die politische Konkurrenz. Eine Grünen-Politikerin kritisiert den Aufnahmeprozess der Wagenknecht-Partei blumig und polemisch, auf das Wort-Konstrukt „Anführerinnenpartei mit Gefolgschaft“ muss man erstmal kommen. Schwarz sagt: „Wenn man aber ganz neu anfängt, dann ist eben Zurückhaltung beim Personal geboten, auch wenn wir nicht viel Zeit haben.“ Schwarz erlebte auch in Berlin, dass die Partei keine Linke 2.0 sein will, dass Menschen mit verschiedenen Wurzeln eingebunden würden und Gefolgschaft nicht heißt, dass Sahra spricht und alle hinterhertrotten. Er habe in Berlin Dialoge voller Offenheit und Zuversicht erlebt, und dieses Miteinander, der Optimismus müssen sich nun zu Hause fortsetzen. Neben dem Blick nach vorn gibt es auch viel aufzuarbeiten, zu tun für das Jetzt und die Zukunft noch mehr. Das müsse alles gar nicht spektakulär ablaufen, die Alltagsarbeit gehöre dazu und Schwarz sei bereit.
An einem Strang ziehen
Schwarz versteht die Zurückhaltung der Parteispitze, der Organisatoren und Planer: Einfach die Türe aufhalten und reinlassen, wer möchte? Nein, das brächte sofort Leute ins Boot, die ihr Süppchen kochen, die oberflächlich betrachtet mitzögen, doch beizeiten einen Teil von womöglich bremsenden Flügeln innerhalb der Partei bilden würden. Er möchte aber, dass in der neuen Partei alle an einem Strang ziehen. Er habe gesehen, wie das über die vergangenen Jahre in Berlin falsch gelaufen ist, wie eine der Ikonen der Linkspartei – Sahra Wagenknecht – von eitlen, machtbesessenen Leuten an der Spitze demontiert und diskreditiert wurde, kritisiert er. Dass sie die Reißleine zog und nun mutig und optimistisch einen Neuanfang wagt, beeindruckt den vogtländischen Kommunalpolitiker und ermutigt ihn, mitzuwirken an einem Projekt, das, wie er einschätzt, in unserem Land bisher einmalig und wichtig sei.
Schwarz’ Befund ist auch der vom BSW
Sozial ist die Bundespolitik verheerend. Es erdrückt einen, wenn man den Verlust von Lebensqualität sieht, der so einfach von den Verursachern und sogar von Leuten hingenommen werde, die selbst davon betroffen sind. Das Einzige, was bei all diesem Drama bedauert werde, gerade in den führenden Medien und seitens des Spitzenpersonals der verantwortlichen Parteien, sei, dass man „das alles nicht so gut kommuniziert“ – also verkauft. Ist Politik also lediglich PR? Schwarz erhebt beinahe seine Stimme, als er sagt, dass die deutsche Außenpolitik Kriege befördere statt diplomatische Wege einzuschlagen. Der Weltfrieden sei gerade gar keiner, so viele Konflikte sind offen ausgebrochen oder schwelen, so viel Leid geschieht. Das mache ihm Angst. Inakzeptabel ist für den Plauener, dass Kritik an den politischen Entwicklungen in der öffentlichen Debatte zunehmend diskreditiert, in Zweifel gezogen, ja sogar bestraft würde. Auch der Ausdruck Cancel Culture fällt. Das erinnere ihn an die noch immer nicht verarbeitete und fortwährend weggeschobene Corona-Zeit, in der er, ein Linker, dann schon mal ein Nazi genannt wurde. Aber eine Demokratie brauche Meinungsvielfalt und durchlüftete Streitgespräche, mehr noch, ohne sie ist es keine Demokratie. „Und das mit Corona, das muss aufgearbeitet werden“, findet Schwarz, „so wie seine Parteichefin es in Berlin formuliert hat.“
„Das Wichtigste aktuell für mich: Frieden und Schluss mit den Waffenexporten“
„Das BSW hat nicht nur Sahra. Es gibt viele wichtige, gute Leute, auch eine Sevim Dağdelen“, nennt Schwarz eine Frau als Beispiel, die gerade einen Aufruf für eine sofortige Waffenruhe in Gaza und die Freilassung aller israelischen Geiseln veröffentlichte. Für die Ukraine fordert das BSW die Einstellung der Waffenlieferungen, einen Waffenstillstand. „Diplomatie statt Fortsetzung des Krieges – das ist es“, sagt Schwarz ebenfalls, und weiter: „Das Wichtigste aktuell für mich: Frieden und Schluss mit den Waffenexporten. Und am besten fangen wir bei der Abrüstung daheim an. Warum müssen wir so enorm viel Geld in die Armee stecken? Ja, das ist große Politik.“
Die kleine Politik findet in der Provinz statt. Im Sommer sind Kommunalwahlen. Maik Schwarz will sich, wenn es klappt, gern einer Kandidatur stellen, an der Basis mitwirken und das Projekt BSW voranbringen.