Pablo Iglesias: „Putschgefahr in Kolumbien nicht auf die leichte Schulter nehmen”
Träumen sie davon, die Regierung zu stürzen? Träumen sie von einer Rückkehr zum alten Regime: Sollen sie es versuchen! Die Mehrheit der traditionellen Medien in Kolumbien und Kreise von der extremen Rechten bis zur politischen Mitte belächeln derzeit die Warnungen von Präsident Gustavo Petro vor der Gefahr eines sanften Putsches. Sie stellen ihn als Panikmacher dar. Hintergrund ist unter anderem die derzeitige Führung der Generalstaatsanwaltschaft (FGN), die aktiv gegen die progressive Regierung agitiert und agiert, während sie zugleich laut journalistischen Enthüllungen Drogenbosse deckt. Von Pablo Iglesias.
Der Oberste Gerichtshof (CSJ) verzögert seit vier Monaten grundlos die Wahl der neuen Generalstaatsanwältin. Dies hat in progressiven Kreisen und sozialen Bewegungen für Empörung gesorgt, denn es besteht – auch in der politischen Mitte – Konsens über die hervorragende ethische und fachliche Eignung der drei Kandidatinnen, die Petro in seiner Pflicht als Präsident zur Wahl vorgeschlagen hat.
Die Forderung eines Teils der Gesellschaft und der Regierungsparteien an den CSJ, möglichst schnell eine Nachfolgerin für die derzeitige, mutmaßlich korrupte Führung der FGN zu benennen, wird von den traditionellen Medien als Affront gegen den Gerichtshof dargestellt. In den Medienkampagnen heißt es, die Regierung und die Protestierenden gegen die Wahlverzögerung seien eine Bedrohung für die Autonomie der demokratischen Institutionen. Sie hätten keinen Respekt vor ihnen, seien ihre Feinde.
Der progressive spanische Publizist und ehemalige Podemos-Politiker Pablo Iglesias kommentiert im Folgenden diese Situation.
Wieder einmal ist von einem Putsch in Kolumbien die Rede. Das sind weder Gerüchte, noch können sie leichtfertig abgetan werden. Seit 2022 ist das die große Fantasie der nationalen Oligarchie. Die Wirtschaftsmacht befiehlt, das alte Regime plant, die Medien machen Stimmung und die Justiz führt aus. Kommt Ihnen das bekannt vor?
Einmal mehr zeigt sich der Machtunterschied zwischen der Linken, dem Widerstand des Volkes gegen die alte Ordnung, der Verteidigung des Gemeinwesens und dem Kult der Privilegien und der Ungleichheit, der die kolumbianische Rechte ausmacht. Die Linke hat nur eine gewisse Macht in der sozialen Mobilisierung und im Wahlsieg. Die Rechten hingegen haben die Banken, die großen Vermögen, die Lust an der Gewalt, die territoriale und mafiöse Macht, die Medien und eine antidemokratische Verankerung im Staat. Sie ziehen sich nie zurück und werden nicht strukturell besiegt.
Ihr Axiom ist, dass ihnen alles gehört. Einige Richter der obersten Gerichte und die Leitung der Staatsanwaltschaft sind heute diese antidemokratische Verankerung im Staat, die gewohnt sind, alle Formen des Kampfes zu kombinieren, und die es als ihre Aufgabe ansehen, die erste populäre und linke Regierung in der Geschichte Kolumbiens zu stürzen.
Haben Sie die immer wiederkehrenden Reden über den Respekt vor den Institutionen gehört? Es ist das Mantra ehemaliger Minister, Meinungsmacher, Experten, Techniker und anderer Opportunisten der Nation. Aber gemeint ist der Respekt als Unterwerfung unter den Status quo. Aus diesem Grund halten sie Petro, auch wenn er Präsident ist, nicht für respektabel. Er ist schließlich keiner von ihnen. Aber wenn Petro die Korruption der Justiz anprangert, sind die Medien und das „göttliche Zentrum” empört über den Angriff auf die Institutionen.
Sie sorgen sich nicht um die Institutionen, sondern darum, in wessen Händen sich die Institutionen befinden. Die Familiennamen von immer haben eine Aura der Unfehlbarkeit, aber die Beamten dieser Regierung, das heißt, vielfältige Leute aus dem Volk, werden immer als Hochstapler angesehen werden. Das hat etwas von Kolonialismus.
Die Putschdrohungen müssen ernst genommen werden. In einem Land der Ermordung von Führungspersönlichkeiten, der Vernichtung, der oligarchischen Gewalt, der Medienoligopole, die immer Komplizen aller Massaker waren, können wir die Möglichkeit eines Putsches gegen die Regierung Petro nicht leichtfertig ausschließen.
Die Antwort liegt auf der Hand. Diese Regierung existiert dank der Mobilisierung des Volkes, die 2011 begann und bis 2022 andauerte. Was Petro bisher gerettet hat, ist auch, dass er trotz aller Angriffe der Medien immer noch eine Ikone der gesellschaftlichen Mehrheiten ist. Deshalb ist Petros Antwort auf die Bedrohungen richtig, nämlich der Aufruf zur Mobilisierung. Nicht nur, weil sie das Herzstück des demokratischen Projekts ist, sondern auch, weil sie unsere wahre Macht ist.
Man darf die Mobilisierung nicht fürchten, sie ist die Quelle des Wandels und seine größte Garantie.
Und ein letzter Punkt. Im Jahr 2013 glaubte der Chef der Disziplinarbehörde, Alejandro Ordóñez, mit der Absetzung des damaligen Bürgermeisters von Bogotá, Gustavo Petro, diesen politisch vernichten zu können. Die massiven Mobilisierungen Ende 2013 und Anfang 2014 hatten allerdings den gegenteiligen Effekt: Sie stärkten die Stimme und das politische Projekt von Gustavo Petro.
Wenn es unter den Putschisten noch jemanden mit klarem Verstand gibt, sollte er das zur Kenntnis nehmen: Jede Verletzung der Volkssouveränität wird vom Volk angefochten werden. Kolumbien unterwirft sich nicht mehr drei Bankiers aus Bogotá. Träumen sie davon, die Regierung zu stürzen? Träumen sie von einer Rückkehr zum alten Regime: Sollen sie es versuchen!
Lawfare contra el presidente @petrogustavo , así funciona, lo explica @PabloIglesias 👇🏻 pic.twitter.com/aFI3CvKmYm
— María Paula Fonseca Gómez (@MaPaulaFonseca) February 10, 2024
Übersetzung: Hans Weber, Amerika21
Titelbild: Screenshot / twitter