Unseren öffentlich-rechtlichen Rundfunk, konkret den Deutschlandfunk, zu hören, gerät zunehmend zu einer Herausforderung. Sofern man nicht selbst zu den Einpeitschern einer geradezu hysterischen Kriegstüchtigkeitslust gehört, fühlen sich die Auswahl, die Formulierungen und die Kommentierungen zahlreicher Nachrichten und redaktioneller Beiträge des DLF an, als sei der Ernstfall eingetreten. Tatsächlich ist offenbar ein Ernstfall eingetreten – und zwar der der Aufgabe eines ausgewogenen Rundfunks. Beim Deutschlandfunk Moderator zu sein bedeutet, so der Hörereindruck, dass Freude über alles, was wie Heimatfront klingt, zum Berufsbild gehören muss. Ein Zwischenruf von Frank Blenz.
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Einpeitscher im Rundfunkhaus
Wer beim Kriegsfitmachen nicht mitmacht, wer statt Jubel und Begeisterung differenziert, vielleicht das sogar kritisiert, der bekommt beim DLF sicher gerade keinen Job. Auf Wiedersehen Vielfalt und Ausgewogenheit. Die Folge ist, dass ausschließlich Akteure, die wie Einpeitscher klingen, zu hören sind und Texte, die dem Publikum wie selbstverständlich zugemutet werden, als gäbe es nur die eine Richtung – Aufrüstung in allen Bereichen unserer Gesellschaft. Wie jüngst beim DLF zum Thema Abschreckung. Den Machern sei gesagt, dass das Durchwinken all dieser Projekte nicht die breite Zustimmung der Bevölkerung findet. Anmaßend ist es, so zu tun, als verträte man die Menschen, die Zuhörer da draußen. Allein die Aussage „wir“, die Moderatoren gern in ihren Worten verwenden, ist eine Zumutung, finde ich.
Vor allem dauerhaft, wirklich?
Zahlreich sind die Nachrichten und Beiträge des DLF über Rüstung, Rüstungspolitik. Die Befürworter der Eskalationen kommen massiv zu Wort, keiner der Redakteure fällt ihnen ins Wort. Die Nachrichten zu Beginn der Woche klingen, als müsse sich Bürger Otto Normalverbraucher über das Engagement der Rüstungsindustrie und vor allem über das weitsichtige Handeln unseres Kanzlers freuen, der Nägel mit Köpfen macht. Eskalation statt Friedenspolitik, Dividende für die Waffenschmieden statt Abrüstung, und das auf lange Sicht, lautet der Plan:
Im niedersächsischen Unterlüß ist der Grundstein für ein neues Werk des Rüstungskonzerns Rheinmetall gelegt worden.
In der Fabrik sollen ab dem kommenden Jahr Artilleriemunition, Sprengstoff und Komponenten für Raketenartillerie gefertigt werden. Die Kapazität soll bei rund 200.000 Granaten pro Jahr liegen. Bundeskanzler Scholz sagte, Ziel sei es, die Bundeswehr und die Partner in Europa eigenständig und vor allem dauerhaft mit Artilleriemunition zu versorgen.
Die Meldung des DLF ist noch nicht zu Ende. Geradezu ausgewogen scheint der zweite Abschnitt der Nachricht zu sein, doch tönt anderes heraus:
In Unterlüß protestierten mehrere hundert Menschen gegen die, wie es hieß, „Rüstungs- und Kriegspolitik“ der Bundesregierung. Auch Landwirte demonstrierten, allerdings wandten sie sich gegen die Agrar-Politik der Koalition.
DLF schreibt also „wie es hieß“. Und sogar Landwirte waren vor Ort, „allerdings“ aus anderen Gründen als die Menschen, die, „wie es hieß“, usw. … Zwei Fragen stellen sich beim Betrachten dieses medialen Produkts:
1. Warum wird so eine Überschrift gewählt?
Rüstungspolitik: Scholz: „Eine starke Verteidigung braucht eine solide industrielle Grundlage.“
2. Warum steht nicht diese Überschrift über dem Beitrag?
Rüstungspolitik: Hunderte Menschen demonstrieren gegen neues Werk von Rheinmetall – Protest gegen Kriegspolitik der Regierung
Gedanken zu den Überschriften
Die erste Überschrift der Nachricht (!) Rüstungspolitik: Scholz: „Eine starke Verteidigung braucht eine solide industrielle Grundlage.“ belehrt und manipuliert. Ja wer sollte denn auch etwas gegen Verteidigung, womöglich sogar eine „starke“ einzuwenden haben, die, na klar, eine solide Versorgung mit Artilleriemunition, Sprengstoff und Komponenten für Raketenartillerie benötigt? Imposant ist auch die Menge, da kommt ganz schön was zusammen und in die Kasse von Rheinmetall: Die Kapazität soll bei rund 200.000 Granaten pro Jahr liegen. Dass diese „solide“ Grundlage vor allem bezahlt werden muss und die Rechnung den Bürgern des Landes Jahr für Jahr, also „dauerhaft“ gestellt wird, darüber wird beim DLF nicht gesprochen, und auch die Frage stellt sich nicht: Was könnte man alles statt 200.000 Einheiten Munition kaufen?
Die zweite, aber nicht verwendete Überschrift „Rüstungspolitik: Hunderte Menschen demonstrieren gegen neues Werk von Rheinmetall – Protest gegen Kriegspolitik der Regierung“ würde auch einen anderen Nachrichtentext folgen lassen. Darin würde vielleicht auch stehen, was man statt Munition kaufen könnte.
Wie wäre es mit Entspannung?
Nicht auszudenken ist in der Denke der derzeitigen kriegstüchtigen DLF-Macher und Regierungsberichterstatter, wenn in den Kommentaren am Abend zum Beispiel diese Worte zu lesen, zu hören wären:
Entspannung heißt das Gebot der Stunde! Die Politik hat nicht die Aufgabe, eine schlagkräftige Armee zu formen, sondern die gottverdammte Aufgabe, eine Außen- und Sicherheitspolitik zu betreiben, die Kriege verhindert. Das scheinen viele vergessen zu haben.
Deutschland braucht weder eine große, schlagkräftige Armee noch eine Wehrpflicht. Was das Land braucht, ist eine kluge Außen- und Sicherheitspolitik.
Das hat Jens Berger in seinem Artikel „Wiedereinführung der Wehrpflicht? – wer die falschen Fragen stellt, kriegt auch nicht die richtigen Antworten“ geschrieben.
Statt Entspannung Kriegsertüchtigung auf Dauer
Nein, es ist nicht naiv, von unseren öffentlich-rechtlich beauftragten und uns Bürger vertretenden Rundfunkleuten zu fordern, dass sie nicht der Eskalation in Politik und Gesellschaft folgen. Es ist ernüchternd und empörend, dass sie es machen und dabei so tun, als verträten sie die Bürger. Allein die Überschriften verkaufen ein Bild der Gemeinsamkeit, des „Wir“. DLF verklickert dem Publikum Worte, die erschrecken: Europa müsse jetzt zusammenstehen (in einem Beitrag über Trump), die deutsche Rolle bei der nuklearen Abschreckung, Schutzversprechen der NATO gilt uneingeschränkt (Kanzler Scholz). Mehr davon? Man braucht nur mal diese Seite „herunterscrollen“:
Auch die Sendung „Informationen am Abend“ vom 12. Februar 2024 ist kein Hörgenuss, und der Moderator schießt sogleich den Vogel ab:
„Warum kriegen wir nicht die Abschreckung hin…?“
DLF-Moderator Jürgen Zurheide kommt mit einem Kollegen ins Gespräch, Thema ist der Besuch des polnischen Premiers Donald Tusk in Paris. Peter Sawitzki ist aus Warschau zugeschaltet, das Stichwort „Weimarer Dreieck“ mit Tusk, Macron, Scholz fällt und Zurheide sagt (ab Minute 2:42):
Kommen wir auf die Inhalte, aus Paris haben wir Meldungen, … dass die Rüstungsindustrie in Europa enger zusammenarbeiten muss, wir alle wissen, die EU gibt 200 Milliarden für Rüstung aus, und da fragt man sich, warum kriegen w i r nicht die Abschreckung, die w i r brauchen? Sind das nur nette Worte, oder erwächst da etwas, haben wir vielleicht auch die Hoffnung in Berlin, dass es da weitergeht?
Schließlich beendet der Moderator das Gespräch mit seinem Kollegen Sawitzki mit den Worten „…Und wir haben es gerade angesprochen, es braucht mehr Waffen respektive Munition…“, um auf den Beitrag (Bastian Brandau) „Scholz und die neue Munitionsfabrik“ (ab 4:27 Minute) überzuleiten.
Umfangreich und ohne Widerspruch kommt Bundeskanzler Olaf Scholz zu Wort, der die Investition von 300 Millionen Euro durch Rheinmetall lobt und durchweg geradezu heroische Töne „an einem besonderen Tag“ anschlägt. Mehr noch, Rheinmetall setze Maßstäbe, heißt es im Beitrag.
Beim Zuhören verschlägt es mir die Sprache über Zurheides Einsichten, Scholz’ Ansichten und, wie Autor Bastian Brandau in seinem Beitrag dem kriegerischen Narrativ brav folgt.
Schwach gerät der kurze Schwenk zu den Demonstranten, die gegen die neue Fabrik protestieren. „Kriege beenden“, „Waffen töten“ haben Menschen auf Transparente geschrieben. Eine Gegenstimme (!) kommt zu Wort. „Unzählige Menschen sterben, und darüber wird nicht geredet, das muss beendet werden“, sagt Matthias Gerhardt vom Bündnis „Rheinmetall entwaffnen“.