Wie die New York Times für Kriegsführer Biden Wahlkampf macht. Die New York Times (NYT) ist das größte und einflussreichste Printmedium des US-geführten Kapitalismus. Die traditionsreiche Zeitung, längst auch tagesaktuell in vielen anderen Staaten Europas gedruckt und verkauft und mit 9,6 Millionen Digital-Abonnenten weltweit, ist auf das akademische, „kritische“ Publikum spezialisiert. Alle wichtigen US-Kriege, alle dafür inszenierten Fake-Begründungen wurden und werden nachgebetet, aber spätere kritische Kommentare sind ebenfalls hochprofessionell gemacht, auch etwa Reportagen bei zu viel Rassismus in den USA oder sonstigen Missständen im Gelobten Land diesseits und jenseits des Atlantiks. Oder NYT-Reporter interviewen privilegiert vor Ort neben dem Schützengraben verzweifelte, kampfesmüde ukrainische Soldaten (berichten aber nie über die Zahl der getöteten Soldaten). Von Werner Rügemer.
Clinton, Obama, Biden: working poor
Die NYT steht seit ihrer aktiven Rolle bei der Finanzierung der New Yorker Freiheitsstatue traditionell auf der Seite der Demokratischen Partei.[1] Gegenwärtig hilft sie dem nicht nur körperlich, sondern auch politisch und wirtschaftlich gebrechlichen Präsidenten Joe Biden medial auf die Beine, versucht es jedenfalls. Kann er doch noch die nächste Wahl im November 2024 gewinnen? Kann er noch mal US-Präsident werden und die Welt, jedenfalls die westliche, retten? Das ist die Frage.
Die Biden-Regierung pumpt so viele Hunderte Milliarden Staatssubventionen in „die Wirtschaft“, also in die großen Privatkonzerne, die auch aus Deutschland heraneilen und nicht nur die Subventionen, sondern auch die viermal billigeren US-Energiepreise nutzen – und die niedrigeren Löhne. Diese Art Aufschwung greift noch nicht so richtig, aber schon ein bisschen, lobt die NYT zu einem Foto mit dem lächelnden Wahlkämpfer Biden: Sunny economy is a potential gain for Biden (Sonnige Wirtschaft könnte ein Gewinn für Biden sein).
„Die Wirtschaft“ – das könnte man gerade in den USA leicht so verstehen, dass damit die Konzerne und deren Aktionäre gemeint sind. Deshalb reden Biden und seine Berater und die NYT jetzt im Wahlkampf wieder verstärkt von den working Americans – nachdem auch die Demokraten-Regierungen seit Obama den gesetzlichen Mindestlohn von 7,25 Dollar (= 6,48 Euro) nicht erhöht haben und dieser bis 2,13 Dollar herabgesetzt werden kann, wenn etwa Trinkgeld zu erwarten ist – die letzte Erhöhung geschah 2009 unter dem republikanischen Präsidenten George W. Bush.
So wurde unter den Präsidenten der Demokraten working poor beschleunigt, auch für die vorher noch etwas geschonten weißen Arbeiter. Aber im normalen Regierungsgeschäft, nach einer erfolgreichen Wahl, sprechen die Politiker der Demokraten dann nicht mehr von den working Americans. Deshalb hat ja der etwas primitivere Demagoge Trump seine Erfolge auch bei der white american working class und in der „demokratisch“ abgeschrumpften middle class.
Erfolg: Noch mehr Niedrigstlöhnerinnen für Apple in Indien
Und da will die NYT auf der Titelseite dem geliebten Biden mit einer wirtschaftlichen Erfolgsgeschichte aufhelfen: India loosens China iPhone grip lautet die Titelgeschichte der Ausgabe vom 5. Februar 2024. (Indien lockert Chinas Zugriff auf die iPhones). Die NYT lobt, illustriert mit vier Fotos aus der indischen Stadt Sriperumbudur, dass der taiwanesische Konzern Foxconn hier einen riesigen, zwölfstöckigen Schlafraumkomplex hochziehen lässt, mit Sechs-Bett-Zimmern, für 37.000 workers. Workers: Das sind, wie erklärt wird, ausschließlich Frauen. Sie sollen die neuesten iPhones für Apple endmontieren, mehr noch als bisher schon in Indien.
Die Montage für die Apple-Smartphones 12, 13, 14 organisiert Foxconn in Indien schon seit mehreren Jahren: Kasernierte junge Frauen arbeiten im Drei-Schicht-sechs-Tage-Betrieb für 88 Cent in der Stunde. Davon bekommen sie allerdings nur die Hälfte ausbezahlt. Denn für die überwachte Massenunterkunft, das Massenessen und die täglichen Transporte von der Massenunterkunft zur Fabrik und zurück behält Foxconn die Hälfte des menschenrechtswidrigen Zwangsarbeitslohnes ein.[2] Die Entfernung zwischen der Massenunterkunft und der Fabrik jetzt hier in der neuen Anlage von Sriperumbudur beträgt übrigens zwischen 50 und 95 Kilometer, berichtet die NYT – das sind also bis zu sechs Stunden Fahrt in engen Bussen, täglich.
Foxconn, der weltweit führende Spezialist für kasernierte Niedrigstlöhnerei, hat sein Geschäftsmodell unter Kriegsrecht und Diktatur im US-Protektorat Taiwan entwickelt. Foxconn schickt die jungen, nach wenigen Jahren erschöpften, erkrankten Frauen wieder weg – Agenturen suchen in armen Regionen Indiens ständig nach neuem weiblichem Nachschub. Auch solche Wirtschaftsbeziehungen waren im Juni 2023 zwischen Biden und dem indischen Ministerpräsidenten Modi bei dessen Besuch in Washington vereinbart und gefeiert worden, auch in der NYT.
Das feiert die NYT jetzt wieder mit ihrer Titelgeschichte als Erfolg für Apple, für die US-Wirtschaft und für den Wahlkämpfer Biden. Vom 88-Cent-Lohn und den Arbeitsbedingungen ist natürlich nicht die Rede. Vielmehr lobt die NYT in Übereinstimmung mit Biden, dass Indien damit dem unter Obama neu bestimmten Systemfeind China die bisher dort praktizierte Foxconn-Zuliefer-Montage der Apple-iPhones immer mehr wegnimmt. Wobei auch hier eine entscheidende Information fehlt: Foxconn/Apple wandern nämlich deshalb so schnell wie möglich aus China ab, weil dort die Löhne um ein Mehrfaches erhöht wurden.
NYT, Apple, Foxconn, UBS: Die Eigentümer
Zwischen-Info: Die NYT ist rechtlich kein Staatsmedium, sondern ein privates Medium. Dann ist die Frage: Wer sind die Eigentümer? Die führenden Aktionäre des NYT-Medienkonzerns sind Vanguard, State Street, BlackRock usw., also diejenigen, die das auch in den wichtigsten US-Unternehmen sind – in den Wall Street-Banken, in den Branchen Digitales, Rüstung, Fracking, Öl, Pharma, Chemie, Agro Business, Auto – also auch bei Apple.
Und führende Aktionäre des taiwanesischen Konzerns Foxconn sind neben den zwei taiwanesischen Hauptaktionären ebenfalls Vanguard, State Street, BlackRock, teilweise etwas verwinkelt mithilfe von Citibank, JP Morgan und Standard Chartered.
Und BlackRock & Co. gehören zu den Dauersponsoren der Partei Bidens, aber im eingeübten US-Politsystem auch, für alle Fälle, der Partei Trumps.
Und BlackRock stellte mit Beginn von Bidens Präsidentschaft drei Manager in der US-Regierung. Das war auch unter Obama so – unter Clinton noch nicht, da waren BlackRock & Co. durch dessen Deregulierungen erst groß geworden.
NYT-Anzeigenkönig: Die Schweizer Großbank UBS
In dieser NYT-Ausgabe vom 5. Februar 2024 sind vier ganze Druckseiten mit großformatigen, vielfarbigen Werbeanzeigen gefüllt:
- Auf der ersten ganzseitigen Anzeige läuft eine einsame, superschlanke junge Frau im blauen Jogginganzug mit riesigen Schritten und wehendem langem Pferdeschwarz ins Bild, unter der großgedruckten Botschaft: Exceeding your expectations is how we built ours. Banking is our craft. (Gehe über deine Erwartungen hinaus – so bauen wir unsere. Banking ist unser Handwerk) Die Anzeige wirbt für die Schweizer Super-Bank UBS, die kürzlich die letzte verbliebene Schweizer Konkurrenzbank Credit Suisse schluckte und nun allein aus der auch von US-Anlegern und Anlegerinnen geschätzten Finanzoase Schweiz weltweit Briefkastenfirmen vermittelt.
- Auf der zweiten ganzseitigen Anzeige einige Seiten weiter sitzen vier junge Menschen, davon zwei Kinder, etwas verloren unter einem riesigen Himmel auf einem Felsen und blicken über ein Meer in eine helle, menschenleere Ferne, unter der großgedruckten Botschaft: There’s a science to creating wealth. But making it endure is an art. Managing wealth is our craft. (Reichtum zu schaffen ist eine Wissenschaft. Aber ihn dauerhaft zu machen ist eine Kunst. Reichtum zu managen ist unser Handwerk) Auch dieses Reichtumsgeschwurbel trägt den Namen UBS.
- Auf der dritten ganzseitigen Anzeige einige Seiten weiter steht ein einsamer junger Mann mit dem Rücken zum Publikum, die Hände in den Hosentaschen, und blickt unter einem dunkel-hell gemischten, weiten Horizont auf eine verschwommene bergige, menschenleere Landschaft, unter der großgedruckten Botschaft: How do we know that uncertainty creates opportunity? 160 years of managing uncertainty. Investing is our craft. (Wie wissen wir, dass Unsicherheit Gelegenheit schafft? 160 Jahre Unsicherheit managen. Investieren ist unser Handwerk). Auch diese Anzeige wirbt für die UBS.
Der einzelne junge Mensch, allein, in freier, menschenleerer Welt – umworben, gefördert vom allwissenden Kapital. Und die UBS wirbt jetzt noch gezielter um US-Anleger, entlässt Tausende Schweizer Beschäftigte und verspricht eine Rendite von demnächst 16 Prozent jährlich.[3] Und da sind die infrage kommenden reichen Anleger aus den USA besonders begehrt: Sie haben noch mehr Geld, und die können von weniger Bankbeschäftigten betreut werden.
Übrigens: Wer sind die Eigentümer der UBS? Gucken Sie mal nach, in Ihrer Lieblingszeitung, ob Sie da was finden!
Kritik an der Verschlafenheit „der Deutschen“
Die NYT agitiert, wie praktisch jeden Tag, auch in dieser Ausgabe vom 5. Februar 2024 gegen Trump, den ungebildeten, rassistischen, sexistischen, nationalistischen usw. Rabauken, der angeblich nach seiner erfolgreichen Wahl als Präsident die NATO schwächen und die Kriege, Boykotte, Sanktionen gegen China und Russland, auch den Krieg in der Ukraine beenden würde, zum Schaden der USA, der NYT und ihrer führenden Aktionäre.
Doch da gibt es Hoffnung, zumindest bei den guten Freunden in Europa. Da lobt die NYT überschwänglich den deutschen Verteidigungsminister: Pistorius sei viel beliebter als der immer zögernde Bundeskanzler Scholz, und Pistorius könne viel freier die russische Gefahr und die Aggressionspläne Putins anprangern und auf die schnellere und zusätzliche „Kriegsfährigkeit“ Deutschlands drängen. Mit großem Foto wird Pistorius in Militärkleidung gezeigt, wie er in einem Trainingslager hochgerüstete Soldaten mit Maschinengewehr im Anschlag und Tarnfarben im Gesicht kumpelhaft begrüßt.
Leider aber, so die NYT, sind die Deutschen nach Meinungsfragen zu 76 Prozent mehrheitlich immer noch für diplomatische Lösungen, und 71 Prozent der Deutschen würden die von Biden geforderte militärische Führung Deutschlands in Europa immer noch ablehnen.
Gegen diese deutsche „Verschlafenheit“ zitiert die NYT auch an diesem Tag ihren vielzitierten „Sicherheits“- und Europa-Experten Charles Kupchan, Professor an der wohl reaktionärsten privaten Elite-Universität der USA, Georgetown University im vornehmen Stadtteil Washingtons, Georgetown. Gegründet wurde diese römisch-katholische Universität 1789, etwa gleichzeitig mit dem US-Staat, wird bis heute geführt vom Jesuitenorden und ist Mitglied der Association of Jesuit Colleges and Universities. Hier hat auch schon z.B. William Clinton studiert und gehört zum Netzwerk. Und der Jesuiten-Professor Kupchan, der schon Obama beraten hat, beschwört in Übereinstimmung mit einigen gelobten deutschen Christdemokraten die Hoffnung, dass „die Deutschen“ aus „ihrem schlechten Traum aufwachen“. (German military officials urge rapid buildup, Deutsche Militär-Offizielle dringen auf schnelle Aufrüstung)
Das also ist es, was NYT, Biden, BlackRock & Co. wollen und schon weitgehend durchgesetzt haben: Europa und vor allem Deutschland zurück in den zudem erheblich verschärften Kalten Krieg, mit neuen, noch rechteren Regierungen, mit Kriegshaushalten, mit De-Industrialisierung unter US-Regie, mit Verarmung der Mehrheitsbevölkerung, der abhängig Beschäftigten, der Arbeitslosen, der Rentner, mit Abbau der Tarifverträge, des Sozialstaats, der öffentlichen Infrastruktur – zugunsten der Gewinne nicht nur der US-Rüstungskonzerne, sondern auch der US-Digitalkonzerne wie Apple und etwa auch des „deutschen“ Rüstungskonzerns Rheinmetall, in dem inzwischen neun der zehn größten Aktionäre aus den USA kommen, BlackRock &Co., wer sonst?
Aber Krieg mit gaanz viel Kultur, und Sport, und Gesang …
Die direkte Werbung des führenden westlichen Kapitalmediums für völkerrechtswidrige Kriege, hohe Investoren-Gewinne und globale Niedriglöhne ist nur die eine Seite. Zur medialen Profession gehört systemisch auch die Produktion des Gefühls, in einer solchen globalen Kriegs- und Ausbeutungsgesellschaft ein schönes, anspruchsvolles Leben führen zu können.
So werden frohe Botschaften für hohe und nicht so hohe Kultur produziert. Hier eine auszugsweise Aufzählung von meist ganzseitigen, mit vielen bunten Fotos illustrierten Artikeln, die auch in dieser Ausgabe der NYT viel mehr Platz einnehmen als die bisher zitierten Wirtschafts-, Wahlkampf- und Militärartikel:
- Der gefeierte Stardirigent der New Yorker Metropolitan Opera hat nun eine neue Mission: Er trägt seine klassisch-gebildete Botschaft für die US-freundliche Oberschicht nun in den nächsten fünf Jahren in ein für die USA wichtiges Land, Südkorea. Jaap van Zweden wird das Philharmonische Orchester in Seoul leiten, mit Beethoven- und Mahler-Konzerten (New York maestro takes the podium in Seoul).
- Auch für die Kulturebene darunter ist vieles dabei. So hat eine neue Studie über Inklusion ergeben: Der Anteil von Frauen bei den erfolgreichsten Hits ist im Jahr 2023 erheblich angestiegen: auf 35 Prozent in der Hot 100 Single Chart von Billboard. Und zum ersten Mal überhaupt waren 56 Prozent der Songwriter der 100 erfolgreichsten Songs Frauen. Das wird illustriert mit Fotos der gegenwärtig erfolgreichsten Sängerinnen Taylor Swift und SZA. (Women make strides in pop songwriting and producing)
- Ein ganzseitiger Artikel mit mehreren bunten Fotos bekannter Baseballspieler schildert die hochkomplizierte, aber bewegende Frage: Welche Hemden und Hosen, in welcher Farbe dürfen die Baseball-Mannschaften der Major League Baseball MLB tragen? Die längste Zeit galt weiß als Standard. Aber Nike brachte das in der Saison 2017-2018 kommerziell durcheinander, merkt die NYT konsumkritisch an. Wie oft ist jetzt blau erlaubt, oder rot, oder schwarz? Bei Heim- und bei Auswärtsspielen? Wie oft jede Farbe pro Spielsaison? Oder eine Kombination solcher Farben für das Hemd und die Hose? Und wer entscheidet das? (A tradition shaded by commerce)
- Auch für kritische Polit-Intellektuelle ist was dabei. Wegen im Westen leicht aufkommender Bewegungen des Anti-Kolonialismus und der Aufarbeitung des bisher beschönigten Kolonialismus widmet die NYT eine ganze Seite dem früher weltberühmten antikolonialen Autor Frantz Fanon, mit großem Foto. Er war Unterstützer der algerischen Befreiungsbewegung gegen die Kolonialmacht Frankreich. Sein 1961 veröffentlichtes Hauptwerk „Die Verdammten dieser Erde“, damals mit weltweiter Resonanz, wird jetzt wieder öfter herangezogen. Die NYT lobt ihn, allerdings nicht ohne in Bezug auf heute bei der „Aufarbeitung“ des Kolonialismus vor „religiöser Sektenbildung“ zu warnen.
- Auch für kulturvolle und besserverdienende Trinker, die sich nicht gleich besaufen und mal ein Wochenende in der US-freundlichen Finanzoase Singapur verbringen wollen, ist etwas dabei. Ganzseitig mit vielen Fotos wird die riesige Auswahl an dort in aufwendig dekorierten Hotelbars angebotenen kreativen Cocktails vorgestellt. Etwa der traditionelle Sling, 1915 in der schönen Kolonialzeit erfunden, pinkfarben, auf Gin-Basis. Oder der Gast kann einen „Jahrgangs-Martini“ mit einem Gin aus jedem beliebigen Jahrgang des 20. Jahrhunderts auswählen und zahlt dann für den Cocktail in historischem Becher zwischen 45 und 205 US-Dollar. Aber auch ein Cocktail mit Zutaten von einer biodynamischen Farm aus Kambodscha gehört zur Auswahl, und so weiter. (In Singapore, drinks with a creative twist)
- Eine ganze Seite mit acht Fotos ist der seit den 1920er-Jahren leichtgeschürzt auftretenden Tänzerin Josephine Baker gewidmet, anlässlich einer Ausstellung in Berlin. Sie hat sich als Einzelne, dazu als Frau und als Schwarze emanzipiert, bewundernswert! Da wird auch daran erinnert, dass die Künstlerin im deutschbesetzten Frankreich 1940 Auftrittsverbot bekam, wie andere schwarze und jüdische Künstler auch, dass sie 1961 in Frankreich geehrt wurde und dass sie 1963 beim Marsch auf Washington eine der zwei Frauen war, die neben Martin Luther King eine Rede hielten. Sie war „mehr als eine Entertainerin“ und gilt als Referenz für Menschenrechte, so jetzt die NYT. (Josephine Baker, artist and activist) Dass die Menschenrechte auch für die in der gleichen NYT-Ausgabe erwähnten Foxconn-Jobberinnen gelten könnten – kein Wort davon, diese arbeitenden Frauen bleiben massenhaft und gestaltlos im kapitalen Dunkel.
Im Kleinstgedruckten: verschwiegene Unsicherheiten
Übrigens steht auf allen drei UBS-Werbeseiten ganz links unten in kleinstmöglicher Minischrift: The value of investments may fall as well as rise, and you may not get back the amount originally invested. (Der Wert von Investitionen kann fallen oder steigen, und es kann sein, dass du nicht den Betrag zurückbekommst, den du anfangs investiert hast)
Letzteres passierte übrigens während der unsicheren, aber für die Schweizer Banken erfolgreichen 160 Bank-Management-Jahre zum Beispiel vielen Tausenden, eher vermögenderen Juden: Sie hatten UBS-Vorgänger-Banken während der Nazi-Verfolgung ihr Fluchtgeld anvertraut, sie bekamen es aber nicht zurück, weil sie im KZ ermordet worden waren (auch weil die USA die Aufnahme verweigerten und nur ganz wenige besonders Vermögende und Prominente hereinließen) und eventuell noch lebende Verwandte von den Banken nicht informiert wurden. (Banking ist unser Handwerk)
Solcherart Bank-Erfolge der führenden finanziellen Unsicherheitsmanager zulasten der verarmten oder auch getöteten, ermordeten Kunden sind durch die professionelle mediale Vergessensproduktion längst aus dem öffentlichen Gedächtnis gelöscht, in der Komplizenschaft der NYT und der UBS und ihrer Eigentümer.
Und welche Armbanduhr passt zum NYT-UBS-Klientel?
Richtig, in unserer Aufzählung fehlt noch die vierte, ganzseitige, bunte Werbeanzeige in der NYT vom 5. Februar 2024. Normalerweise prangen hier auf der letzten Seite die Anzeigen für die Luxustaschen von Louis Vuitton oder für die Juwelen der Haute Jaillierie Van Cleef & Arpels, place Vendome, Paris, präsentiert von großformatigen Fotos einer verträumt lächelnden jungen, hübschen coloured woman.
Aber in dieser NYT-Ausgabe wirbt ein junger Mann für ein eher männliches Accessoire: eine Luxus-Armbanduhr von Vacheron Constantin, Genève, Switzerland. Beauty lies in the Details of the Grandest Structures, and the Finest, (Schönheit liegt in den Details der größten Strukturen, und der feinsten) lautet der Werbespruch unter dem Foto des dreitagebärtigen jungen Mannes. Der blickt verträumt unbestimmt nach oben, während er mit der linken Hand einen gespitzten Holzbleistift vor die Stirn hält. Der Mann wird hier sogar mit Vornamen vorgestellt: Oraito. Und, so heißt es weiter: Er ist Modedesigner, und so soll man wohl denken, dass er sich gerade träumerisch-kreativ etwas ausdenkt, das demnächst als Modeteil Gestalt annehmen wird, mit den schönsten und feinsten Details. Und er hält seinen linken Unterarm mitten ins Bild, da prangt die Luxusuhr Vacheron Constantin Traditionelle, mit Vollkalender, Automatik, Weißgold grau und Lederarmband. Das kulturvolle Gebilde kostet 39.950 Euro: Natürlich wird der Preis in der Anzeige dezent nicht genannt.
Das Durchschnittsnettovermögen der NYT-Leser beträgt 508.000 US-Dollar, heißt es marketinggemäß auf der NYT-Website. Das Durchschnittsnettovermögen der US-Amerikaner liegt bei einem Viertel dieses Betrags, bei 140.800 US-Dollar. Und die Hälfte der US-Amerikaner hat gar kein Nettovermögen. Und 508.000 US-Dollar Nettovermögen oder mehr haben ungefähr fünf Prozent der US-Amerikaner.
Und der hübsche Durchschnitt von 508.000 beruht naturgemäß auf den Vermögen, die viel niedriger und vor allem auch viel höher sind. Deshalb beginnen die Preise des werbenden Schweizer Luxus-Armbanduhren-Herstellers Vacheron Constantin bei ärmlichen 4.740 Euro, für die ganz Armen unter den Reichen. Über ein paar Dutzend Modelle steigen die Preise bis 195.000 Euro, so für die Overseas Skeleton Ultrathin. Das wäre auch für unseren Modedesigner Oraito zu teuer.
Arbeit & Kapital, und gaanz viel Kultur dazwischen: alles klar?
Titelbild: Hadrian/shutterstock.com
[«1] Werner Rügemer: Verhängnisvolle Freundschaft. Köln 2023, S. 56 – 62
[«2] Werner Rügemer: Apple: Zwangsarbeit in Indien mit Foxconn, nachdenkseiten.de 22. Dezember 2022
[«3] UBS drückt die Kosten, FAZ 7. Februar 2024