Skandal! Tucker Carlson interviewt Wladimir Putin

Skandal! Tucker Carlson interviewt Wladimir Putin

Skandal! Tucker Carlson interviewt Wladimir Putin

Tobias Riegel
Ein Artikel von: Tobias Riegel

Der konservative US-Journalist Tucker Carlson ist in Moskau und hat mit dem russischen Präsidenten gesprochen. Dieses Interview schlägt schon vor Veröffentlichung hohe Wellen. Carlson hatte sich in einem Video dazu geäußert, nun sind Medien und der Kremlsprecher wiederum darauf eingegangen. Der US-Journalist ist mit Vorsicht zu genießen, aber das Putin-Interview ist wichtig. Scharfe Kritik an dem Gespräch kommt aus der Ukraine. Und ein Ex-Regierungschef in der EU fordert nun gar ein Reiseverbot für Carlson – wegen „Desinfomation“. Ein Kommentar von Tobias Riegel.

Erstmals seit Beginn des Ukrainekrieges hat Russlands Präsident Wladimir Putin mit einem westlichen Journalisten gesprochen, wie Medien berichten. Geführt hat das Interview der konservative US-Journalist Tucker Carlson. Wann das Gespräch mit Putin veröffentlicht werden soll, ist bisher nicht bekannt. Einige deutsche Medien schreiben, dass bereits das Vorhaben Carlsons für „Empörung“ sorgen würde.

Carlson ist nicht nur ein Feind der Demokratie“

Die Stimmen aus der Ukraine sind, wenig überraschend, um einiges härter, wie die Frankfurter Rundschau (FR) berichtet: Das Blatt zitiert eine ehemalige Journalistin, die nun an der Front ist:

Carlson ist nicht nur ein Feind der Demokratie, er ist ein Feind der Menschlichkeit selbst“.

Die Kyiv Post kommentierte laut FR:

Während Russland amerikanischen Journalisten mit Gefängnis droht und Pro-Russische Republikaner Ukrainern Hilfe verwehren, ist Tucker Carlson auf Schmusekurs mit Putin.“

Der EU-Parlamentarier und ehemalige belgische Premier Guy Verhofstadt fordert gar, Carlson das Reisen in der EU zu verbieten – zum Schutz vor „Desinformation“:

In diesem Video (auf Englisch) hat Carlson das Putin-Interview kürzlich angekündigt und seine Motivation dafür erklärt:

Kreml: Zahlreiche westliche Anfragen für Interviews mit Putin

Carlson stellt in dem Video einige zutreffende Dinge fest – etwa, dass viele US-Bürger keine Ahnung vom Ukrainekonflikt haben, dass dieser Krieg eine humanitäre Katastrophe ist, dass der begleitende Wirtschaftskrieg Wohlstand zerstört und dass viele Journalisten die Bürger in englischsprachigen Ländern über wichtige geopolitische Entwicklungen nicht angemessen informieren würden. Aber mindestens eine Aussage Carlsons in dem Video ist eine Fehlinformation – nämlich, dass sich seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine kein westlicher Journalist um ein Interview mit Putin bemüht hätte. Kremlsprecher Dmitrij Peskow hat dazu laut Spiegel gesagt:

„Nein, Herr Carlson hat nicht recht. In der Tat kann er das nicht wissen. Wir erhalten viele Anfragen für Interviews mit dem Präsidenten, aber wenn es um die Länder des Westens geht, handelt es sich meist um große Onlinemedien: traditionelle Fernsehsender, große Zeitungen, die sich keineswegs rühmen können, zumindest unparteiisch über die Ereignisse zu berichten.“

Und in den folgenden Worten des Kreml-Sprechers spiegelt sich einmal mehr, wie weit die Zerrüttung des Verhältnisses zwischen Russland und vielen Medien „des Westens“ bereits fortgeschritten ist:

„Laut dem Präsidentensprecher ’sind das alles Medien, die eine einseitige Haltung einnehmen’. ‚Natürlich gibt es keinen Wunsch, mit solchen Medien zu kommunizieren, und es gibt kaum einen Sinn darin, kaum einen Nutzen davon‘, fügte Peskow hinzu.“

Tucker Carlson ist mit Vorsicht zu genießen

Über Carlson sagte Peskow:

„Er ist keineswegs prorussisch oder proukrainisch, sondern eher proamerikanisch, aber zumindest unterscheidet er sich von der Position der traditionellen angelsächsischen Medien.“

Meiner Meinung nach sind viele Beiträge Carlsons mit großer Vorsicht zu genießen. Andererseits greift aber die folgende Charakterisierung des Spiegel ebenfalls zu kurz:

„Carlson wurde im vergangenen Jahr von Fox News gefeuert, ohne dass Gründe für den Rausschmiss genannt wurden. Er moderierte dort jahrelang eine quotenstarke Abendsendung. Darin verbreitete er Verschwörungserzählungen und Falschmeldungen und hetzte gegen Minderheiten.“

Ich bin mit Tucker Carlson auf zahlreichen Ebenen überhaupt nicht einer Meinung. Carlson ist nicht nur konservativ – er ist bei bestimmten Themen erzkonservativ, unter anderem, wenn es um den Sozialstaat, die Wirtschaftsordnung oder um Fragen wie Abtreibung oder Zuwanderung geht. Auch ist er kein Friedensengel, mutmaßlich würde er gerne die Ressourcen, die man im Kampf gegen Russland spart, gegen China einsetzen.

Nichtsdestotrotz: Carlsons Sendung beim US-Kabel-Sender Fox News konnte in den letzten Jahren bis zu seinem Rausschmiss auch ein interessantes Forum sein, zumindest in Einzelfällen und bei bestimmten Themen. Im immer enger werdenden Debattenraum in den USA zählte Carlson zumindest beim Thema Russland oder auch bei den Themen Corona-Politik oder Meinungsfreiheit zu den wenigen abweichenden Stimmen mit großer Reichweite in den USA. Dass ich einige der Sendungen interessant fand, bedeutet selbstverständlich nicht, dass alle dort getätigten Äußerungen meiner Meinung entsprechen würden. Carlsons Erfolg setzt sich auch nach der Arbeit für Fox News fort: Seine über seine Webseite und über den Kurznachrichtendienst „X“ verbreiteten Beiträge erreichen ein Millionenpublikum.

Eine eigene Meinung bilden

Auch wenn man weder Tucker Carlson noch Wladimir Putin schätzt, so sollte man sich dieses Interview mit dem russischen Präsidenten in voller Länge ansehen – man sollte also nicht auf Zusammenfassungen durch westliche Journalisten zurückgreifen. Nur so wird man sich eine eigene Meinung bilden können – zu den Personen Putin und Carlson und noch viel wichtiger: zu den Botschaften, die Putin auf diesem Weg einem westlichen Publikum vermitteln will.

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