Philippinen: Des Iberischen Imperiums „Perle in Fernost“ (Teil I)

Philippinen: Des Iberischen Imperiums „Perle in Fernost“ (Teil I)

Philippinen: Des Iberischen Imperiums „Perle in Fernost“ (Teil I)

Rainer Werning
Ein Artikel von Rainer Werning

Die Philippinen sind das einzige Land in Asien, das nach einem westeuropäischen Herrscher, Philipp II., benannt ist. Zudem war der südostasiatische Inselstaat die einstige und einzige Kolonie der Vereinigten Staaten von Amerika in Asien, was den bekannten, in mehrere Sprachen übersetzten und im Januar 2022 97-jährig verstorbenen philippinischen Schriftsteller und Autor Francisco Sionil José einst zu der trefflichen Bemerkung veranlasste: „Unsere Landsleute hatten das historische Pech, etwa 350 Jahre im spanischen Konventsmief und ein halbes Jahrhundert unter Hollywood-Herrschaft leben zu müssen, von einem dreijährigen Intermezzo unter japanischer Knute einmal abgesehen.“ Jahrhunderte kolonialer Herrschaft haben in den Philippinen tiefe Spuren hinterlassen, die bis heute auf Schritt und Tritt spürbar sind. Diese fünfteilige Serie aus der Feder unseres Südost- und Ostasienexperten Rainer Werning versteht sich als Spurensuche in einem Land, das während der Internationalen Buchmesse in Frankfurt am Main im Jahr 2025 Gastland sein wird.

„Gepfefferte“ Ausgangslage

Zu den einflussreichsten mittelalterlichen Kräften in Europa gehörten Kaiser unterschiedlicher Couleur und die mächtige römisch-katholische Kirche. Zeitweilig war es schwierig, weltlichen Reichtum und religiöse Güter voneinander zu unterscheiden, insbesondere in jenen Zeiten, da die im Vatikan ansässigen Päpste das letzte Wort über sämtliche Angelegenheiten des irdischen Lebens hatten. Die Höfe der regierenden Könige als auch die der katholischen Kirche waren beherrscht von dem ungezügelten Streben, die Reichtümer der Erde zu erwerben und anzuhäufen. Sie strebten aber auch nach einer straffen Kontrolle ihrer jeweiligen Untertanen. Es war die im Entstehen begriffene kapitalistische Produktionsweise, welche Händler dazu antrieb, Kapital in besonders gewinnträchtige Auslandsexpeditionen zu investieren.

Sie gründeten Kolonien in allen Ecken der Welt, und es nahm nicht Wunder, dass die am 4. Mai 1493 von Papst Alexander VI. veröffentlichte Bulle regulativ eingriff und die Erde zwischen den beiden seinerzeit unangefochtenen „big global players“, den Seemächten Spanien und Portugal, entsprechend in zwei Hemisphären aufteilte. In diesem Dokument wurde verfügt, dass alles „heidnische Land“, das im Osten lag, Portugal gehören sollte, die westliche Hälfte hingegen Spanien. Gemäß dieser Vereinbarung konnte Spanien Anspruch auf die Philippinen unter dem Vorwand erheben, dass das Land zur westlichen Hälfte gehörte.

Es waren der Run auf Gewürze und eine wahre Gewürzmanie, die Spanier und Portugiesen, aber auch reiche Kaufmannsgilden in anderen Teilen Europas dazu bewogen, Kapital zusammenzulegen, um Seeexpeditionen zu finanzieren und auszurüsten und sich so den Zugriff auf diese begehrten Güter zu sichern. Die Anfänge des westlichen Kolonialismus waren mithin buchstäblich „gepfeffert“. Die Gewürzsuche überzeugte auch die herrschende Elite Spaniens, die schließlich, durch die in Augsburg ansässige Fugger-Familie finanziell unterstützt, eine Mannschaft von Seeleuten unter Vertrag nahm. Diese sollte unter der Leitung eines portugiesischen Kapitäns und Navigators Segel setzen, um die legendären Gewürze zu finden. Die Taten dieses Mannes, dessen spanischer Name Ferdinand Magellan war, sind wunderbar beschrieben in Stefan Zweigs 1938 erschienener Novelle „Magellan – Der Mann und seine Tat“. [1]

Hier sollen nicht en detail die Umstände wiedergegeben werden, die letztlich zum Tod von Magellan auf der zentralphilippinischen Insel Mactan führten. Erstaunlich war jedenfalls, dass Magellans Leutnant Sebastian de Elcano das Kap Hoorn an der Südspitze Südamerikas passierte. Er brachte am 6. September 1522 die „Victoria“ – eines der fünf Schiffe, mit denen Magellan im Jahre 1519 von St. Lucar aus in See gestochen war – mit 18 Männern, darunter der italienische Chronist Antonio Pigafetta, in den Ausgangshafen zurück. So hatte er die erste Weltumsegelung in drei Jahren und 14 Tagen geschafft.

Das Land, das Magellan zuerst die „St. Lazarus Inseln“ nannte, wurde später als „Philippinen“ bekannt. Es ward nach Philipp II. benannt, dessen Weltreich, so gigantisch es war, später von England und den rebellischen Niederlanden herausgefordert wurde. Obwohl er als gebildeter Mann beschrieben ward, der den Künsten und geistigen Zeitströmen aufgeschlossen gegenüberstand, würden wir ihn heute als reaktionären römisch-katholischen Fundamentalisten bezeichnen.

Philipp II. bewunderte und unterstützte die Inquisition, eine der schlimmsten Geißeln und schrecklichsten Verbrechen, die je über die Menschheit kamen. Und er bezeichnete es als göttlichen Auftrag, die Moslems, die alten Feinde der Spanier, zu jagen. Berber und Araber aus Nordafrika, von den Spaniern „Moros“ genannt, waren 711 nach unserer Zeitrechnung auf die spanische Halbinsel eingedrungen und hatten dort größere Teile des Landes unterworfen. Die Spanier warfen die moslemischen Invasoren in einer Reihe von Kriegen zurück. Diese dauerten nahezu neun Jahrhunderte und sind unter dem Namen Reconquista bekannt.

„Moros“, nicht Filipinos

Unerbittlich zeigte sich Philipp II. auch gegenüber den Moslems im Süden der Philippinen, welche die Spanier ebenfalls abschätzig „Moros“ nannten. In einem Instruktionsschreiben an den Konquistador, Seefahrer und königlichen Bediensteten Miguel López de Legazpi und seine Mannen erteilte er die Erlaubnis, Moros, die Handel trieben und den Islam predigten, zu versklaven und ihr Vermögen einzuziehen. [2] Seit dieser Zeit wurden die Moros notorisch als Gesetzlose, Banditen, Piraten und Sklavenhändler beschrieben. Charles O. Frake wies darauf hin, dass in einem spanischen Buch über die Geschichte der südlichen Philippinen der Titel „The Pirate Wars of the Philippines against the Mindanaos and Joloanos, and another, in two volumes“ sich auch als The History of Malayo-Mohammedan Piracy in Mindanao, Jolo und Borneo verstand. [3]

Warum sollen wir uns nach einem König benennen, der unsere Versklavung anordnete?“, fragte der muslimische Gelehrte Alunan C. Glang: „Nur die Indios wurden aus dem Status von Vasallen befreit und wurden Filipinos, die auf die Bezeichnung Filipinos stolz waren. Wir Moslems sind es nicht!“ [4]

Der Autor Zainudin Malang spottete noch unerbittlicher:

Warum ärgern wir Moslems uns, wenn wir Filipinos genannt werden? Na ja, aus demselben Grund, den die Filipinos anführten, würde ihr Land auf einmal nach Yamashita, dem berüchtigten japanischen General während des Zweiten Weltkriegs, umbenannt.“ [5]

Die Absicht Philipps II. war es nicht nur, die Philippinen zu kontrollieren, um so eine ständige Basis für den lukrativen Handel mit China zu bekommen. Religiöse Gründe hatten in seinen Überlegungen eine ebenso wichtige Bedeutung. Er wollte die Konversion der Heiden zum katholischen Glauben. Auf die Frage, ob es nicht besser wäre, die Philippinen zugunsten des ressourcenreicheren Brasilien aufzugeben, soll Philipp II. geantwortet haben:

Es ist nicht einzig die Aufgabe von Königen, nach kostbaren Metallen und wertvollen Edelsteinen zu suchen!“

Implizit ist in diesen Worten noch ein Hauch davon spürbar, welche Bedeutung der sogenannten Frailokratie (Mönchswillkür) im Alltagsleben der neu unterworfenen kolonialen Subjekte zufiel. Tatsächlich sind die sichtbarsten, bis heute allgegenwärtigen und wirkmächtigsten Erbeinflüsse auf den Inseln die griechisch-römisch-jüdisch-christlichen Glaubenslehren und die spanischen Namen und Redewendungen.

„Sie imitieren alles, was ihnen vor Augen kommt“

Dem Sozialanthropologen, wohlhabenden Reisenden und Kosmopoliten Fedor Jagor, 1816 in Berlin geboren, verdanken wir aufgrund seiner ausgedehnten Südostasienreisen das von ihm im Jahre 1873 veröffentlichte Buch „Reisen in den Philippinen“. [6] Darin beschrieb er minutiös sowohl fast alle Aspekte des Alltagslebens als auch die sozialen und politischen Probleme, mit denen sich die Inseln zu seiner Zeit konfrontiert sahen. Im ersten Kapitel von Jagors Opus findet sich eine präzise Beschreibung der geostrategischen Bedeutung, die den Philippinen damals zukam:

Für die Westküste Amerikas liegt wohl keine tropische Kolonie Asiens so günstig. Auch für Australien kann ihr Niederländisch-Indien nur in einigen Beziehungen den Rang streitig machen. Auf den Handel mit China dagegen, dessen Stapelplatz anfänglich Manila war, so wie mit den westlichen, den atlantischen Häfen näher gelegenen Ländern Asiens, Europas fernen Osten, wird es wohl immer mehr verzichten müssen.“ [7]

Im Kapitel IV seines Buches „Reisen in den Philippinen“ fand Jagor wenig Schmeichelhaftes über „die unzivilisierten Einwohner der Philippinen“ zu berichten:

„(Diese) haben schnell die Riten, Formen und Zeremonien der fremden Religion übernommen. Zur gleichen Zeit kopierten sie die Äußerlichkeiten ihrer neuen Herren und lernten, ihre eigenen Umgangsformen und Sitten als heidnisch und barbarisch zu verachten. Fürwahr – heute singen sie andalusische Lieder und sie tanzen spanische Tänze. Aber in welcher Weise? Sie imitieren alles, was ihnen vor Augen kommt und prüfen nicht, warum man es schätzen sollte. Das ist es, das sie und ihre künstlerischen Produkte so langweilig, charakterlos und, ich füge hinzu, so unnatürlich macht, trotz aller Geschicklichkeit und Geduld, die sie dabei aufwenden.“ [8]

Weiterhin merkte der Autor an:

Es war ein Glück für die Filipinos, dass ihre Inseln über keine Reichtümer in Gestalt von wertvollen Edelmetallen oder kostbaren Gewürzen verfügten. In den frühen Tagen der Seeschifffahrt gab es kaum eine Möglichkeit, die zahlreichen Agrargüter der Kolonie zu exportieren. Deshalb war es auch wenig lohnenswert, das Beste aus dem Land zu machen. Die wenigen Spanier, die in der Kolonie lebten, fanden einen einfacheren Weg, Geld zu verdienen. Es war der mit Galeonen durchgeführte Handel zwischen China und Mexiko. Dieser Handel hielt sie fern von allen wirtschaftlichen Unternehmungen, die nicht zu ihrer hochmütigen Haltung passten und die den Filipinos schwerste Arbeiten auferlegt hätten.“ [9]

Die Bezeichnung „Filipino“, die sich ursprünglich auf Spanier bezog, die auf den Philippinen geboren waren, trug mehrere Bedeutungen und entwickelte sich ziemlich widersprüchlich. Der erste dokumentierte Gebrauch von „Filipino“, der auf die Indios Bezug nahm, fand sich in José Rizals 1879 geschriebenem Gedicht „A la juventud filipina“ (An die philippinische Jugend). Darin ermahnte der später zum Nationalhelden der Filipinos avancierte Rizal die philippinische Jugend, die Hoffnung des Vaterlandes zu verkörpern. Rizal selbst und seine Studienkollegen an der von Jesuiten geführten Ateneo-Universität betrachteten sich als Filipinos, obwohl sie keine Eingeborenen waren. Folgt man den Ausführungen des Kolumnisten und ausgewiesenen Rizal-Kenners Ambeth Ocampo, dann wähnten sich Rizal und seine Gefährten eindeutig als „little brown Spaniards“. [10]

In seiner Schrift Filipinas dentro de cien años (Die Philippinen in einem Jahrhundert) beklagte Rizal die Verwestlichung und Erniedrigung der Indios und den durch den spanischen Kolonialismus herbeigeführten Verlust alter Gebräuche, Schriften, Gesetze, Lieder und Gedichte, und er erinnerte ohne rassistische Anflüge an Jagors Bemerkungen. Als 1896 die von Andres Bonifacio geführten Katipuneros, Mitglieder einer im Untergrund agierenden Geheimorganisation mit dem poetischen Namen „Oberster Altehrwürdiger Rat der Söhne der Heimat“, ihre Revolte gegen die Spanier begannen, bestand ihr Ziel darin, der Kolonialherrschaft mit Waffengewalt ein Ende zu bereiten und eine unabhängige Republik zu errichten. Um dem völligen Bruch mit Spanien Ausdruck zu verleihen, zerrissen sie ihre Steuerkarten, verwendeten in der Umgangssprache Tagalog und nicht das Spanische zur Kommunikation und schufen eine Nationalflagge.

Aufgrund neuerlich zugänglicher Katipunan-Dokumente vermochten die philippinischen Historiker Milagros C. Guerrero, Emanuel N. Encarnacion und Ramon N. Villegas nachzuweisen, dass Bonifacio und die Katipunan dem Land tatsächlich den Namen Katagalugan anstelle von Filipinas gaben und sie die Bezeichnung Tagalog als Region und Regionalsprache als besten Ausdruck für alle Eingeborenen des Landes erachteten. [11]

Die Revolution war – beziehungsweise sie begann zumindest – als Katagalugan Revolution. Sie wurde zur philippinischen Revolution erst 1897, als Emilio Aguinaldo, der frühere Bürgermeister von Kawit, Bonifacio vom Steuer der revolutionären Bewegung verdrängte und ihn exekutieren ließ.“ [12]

Emilio Aguinaldo – das war derselbe Führer, der später offen „den Schutz der mächtigen und humanen nordamerikanischen Nation“ suchen und loben sollte.

Katholische Erbschaften – kastilische Grandezza

So trugen – nach „fast 350 Jahren Verweildauer im spanischen Konventsmief“, wie der eingangs zitierte Schriftsteller und Autor Francisco Sionil José es formuliert hatte – die Filipinos spanische Namen, benannten ihre Inseln nach einem spanischen König und besuchten regelmäßig die Sonntagsmesse. Sie feierten, wann immer sich dazu Gelegenheiten boten (und das war sehr häufig der Fall), Fiestas. Sie verfolgten aufmerksam das religiöse Fest Santa Cruzan und versuchten mit allen Mitteln, so hellhäutig zu sein wie ihre katholischen und kolonialen Herren.

Der Katholizismus, wie er in den Philippinen praktiziert wird, trägt – so scheint mir – gleichzeitig starke mariologische Züge. Vielleicht ist das ein Aufscheinen jener präkolonial hoch geachteten sozialen Stellung von Frauen als vielfach in Personalunion wirkmächtige Heilerinnen und religiöse Führerinnen – den Babaylanes und/oder Catalonans. Ein Aspekt ist und bleibt bei alledem bemerkenswert: Als um 1900 der amerikanische Imperialismus seine Herrschaft durch rohe Gewalt und haushoch überlegene Waffentechnologie begründete, war es den Spaniern noch immer nicht geglückt, ihre Sprache als landesweit verankerte allgemeine Verkehrssprache durchzusetzen.

In dem zweiten christlichen und vorwiegend römisch-katholischen Land Südostasiens können wir eine andere Entwicklung beobachten. Ich meine hier die frühere portugiesische Kolonie und die seit Sommer 2002 existierende Republik Osttimor. Dort ist das Portugiesische – noch vor Tetum und Bahasa – nicht nur die am weitesten verbreitete gesprochene Sprache, ihre gute Beherrschung bildet zudem die Voraussetzung dafür, eine gut dotierte Position bzw. Anstellung in staatlichen Behörden zu bekommen.

Die alteingeführten und superreichen Familien in den Philippinen weisen allesamt spanische Wurzeln auf – die Roxases, die Sorianos, die Elizaldes und die Ayalas. In letztgenannter Familie finden sich auch Mischehen mit den deutschen Zobels und den britischen McMickings.

All diese Familien und andere Big Shots in der philippinischen Gesellschaft sind nicht nur Kapitalisten. Im Gegensatz beispielsweise zu ihren Kollegen in Westeuropa sind sie gleichzeitig stets auch einflussreiche Großgrundbesitzer. Und dieses Großgrundbesitzertum ist ein koloniales Erbe mit weitreichenden Konsequenzen, da es vormals kommunales Gemeindeeigentum zugunsten von Individualeigentum aushebelte. Das Großgrundbesitzertum ist ein Produkt des Encomienda-Systems mit seinen strengen Hierarchien und rigider Top-down-Politik.

Zum Beispiel verfügte allein die Elizalde-Familie über Unternehmen wie Elizalde Rope Factory, Inc., Elizalde Paint and Oil Factory, Inc., Manila Steamship Co., La Carlos Sugar Central (eine der größten Zuckerfirmen auf der zentralphilippinischen Insel Negros), Tanduay Distillery und Pilar Sugar Central. Der Familienclan war ebenfalls stark engagiert in der Herstellung von Hanf und Seilen (zwei Drittel des in den Philippinen gefertigten Manilahanfs beziehungsweise Abaka wurden exportiert), von Alkoholika, Zucker sowie im maritimen Transportwesen zwischen den Inseln.

Beginn der „Pax Americana“

Die weltlichen Spanier, die auf den Philippinen blieben, nachdem die USA den Archipel ihrem Herrschaftsgebiet einverleibt hatten, passten sich relativ gut den neuen Imperialisten an. Diese Spanier nämlich akzeptierten nicht nur deren politische Herrschaft, sie zeigten sich auch deren ökonomischen Ideen gegenüber aufgeschlossen.

Das wahrscheinlich beste Beispiel für diese Anpassung ist, dass die spanische Handelskammer in Manila zwischen Mitte 1905 bis 1908 der erste Befürworter eines Freihandels mit den USA war. Die Möglichkeit, über die Philippinen als Hintertür in die USA zu exportieren (…), war klar die Absicht der Spanier, die sich für eine Bindung an die USA aussprachen. (…) Sogar die religiösen Mönchsorden haben ihre Verluste an Grundstücken nach dem Ende der spanischen Herrschaft relativ gut verkraftet. Mit dem Geld, das sie erhielten, bauten sie die Philippinen als Zentrum für den Fernen Osten aus und erweiterten ihre geschäftlichen Beziehungen im restlichen Asien, speziell in China.

Wenn neue Missionare in den Fernen Osten geschickt wurden, war Amerika oft die Zwischenstation auf dem Weg nach den Philippinen. Hier wurde über ihre endgültigen Bestimmungsländer entschieden – China, Japan, die Philippinen und andere Länder. Ein Bericht von Jaime Gil de Viedma, einem spanischen Schriftsteller und Poeten, bestätigt das: ‚Die Jesuiten haben ein Leihhaus in Manila und kontrollieren einen großen Teil des Devisengeschäfts in Hongkong. Die Dominikaner hingegen monopolisierten das Mietgeschäft mit Rikschas in Shanghai, die Rekollekten sind die wichtigsten Aktionäre von San Miguel Beer. Sie sind wichtiger als die Sorianos und die Roxases und andere.’“ [13] [14]

In einem Dokument, das womöglich zu den groteskesten der Weltgeschichte zählt, berichtete US-Präsident William McKinley im Sommer 1898 vor einer Versammlung protestantischer Geistlicher, wie er durch das Licht und die Fügung des Allmächtigen mehr als eine Nacht bedrängt wurde, die Philippinen endlich den Spaniern zu entringen:

Und eines Nachts überfiel es mich, ich weiß nicht genau wie, aber es überkam mich und ich entschied: dass wir sie (die Philippinen – RW) nicht Spanien zurückgeben konnten: das würde feige und unehrenhaft sein; dass wir sie nicht Frankreich oder Deutschland, unseren Handelsrivalen im Orient, überlassen durften, das wäre ein schlechtes Geschäft und würde uns in Misskredit bringen; dass wir sie auch nicht sich selbst überlassen konnten, denn sie waren noch nicht reif zur Selbstregierung, und sie würden dort bald in Anarchie verfallen und eine üblere Misswirtschaft haben, als es die spanische war; dass uns nichts anderes übrigblieb, als sie alle zu übernehmen, die Filipinos zu erziehen, sie emporzuheben, zu zivilisieren und zu christianisieren und mit Gottes Gnade das Beste für sie zu tun wie für unsere Mitmenschen, für die Christus ebenfalls gestorben ist.

Sodann ging ich ins Bett, schlief ein und hatte einen gesunden Schlaf. Und am nächsten Morgen ließ ich den Chefingenieur des Kriegsministeriums, unseren Kartographen, rufen und trug ihm auf, die Philippinen auf die Landkarte der Vereinigten Staaten zu setzen, und dort sind sie, und dort werden sie bleiben, solange ich Präsident bin!“ [15]

Der endgültige Friedensvertrag zwischen den USA und Spanien wurde am 10. Dezember 1898 in Paris unterzeichnet. Artikel III dieses Vertrages stellte fest:

Spanien wird den Archipel, der als Philippinen bekannt ist, an die Vereinigten Staaten abtreten. Die Vereinigten Staaten werden an Spanien innerhalb von drei Monaten nach Ratifizierung der Vertragsdokumente die Summe von 20 Millionen Dollar zahlen. Die bürgerlichen Rechte und der politische Status der übergebenen einheimischen Bewohner der Territorien werden durch den Kongress der Vereinigten Staaten näher festgelegt.“

Juristen in den USA veröffentlichten Memoranden zu dem Thema, ob dieser Vertrag überhaupt rechtmäßig zustande gekommen war. Sie gaben zu bedenken, dass Spanien zur Zeit der Abtretung der Philippinen gar nicht mehr im Besitz des Landes und auch nicht in der Lage war, seine Jurisdiktion darüber einem anderen Land zu übertragen. Die Filipinos wurden in den Verhandlungen überlistet und ausmanövriert. Sie aber hatten bereits am 12. Juni 1898 feierlich ihre Unabhängigkeit von Spanien proklamiert, mit Supremo Emilio Aguinaldo als erstem Präsidenten dieser ersten Republik in Asien. Aguinaldos Emissär (der Rechtsanwalt Agoncillo) wurde einfach ignoriert und zu den Verhandlungen in Paris nicht zugelassen. Es ward ihm nicht einmal gestattet, ein Memorandum zu überreichen. [16]

Titelbild: hyotographics/shutterstock.com


[«1] Stefan Zweig wurde am 28. November 1881 in Wien als Sohn eines vermögenden jüdischen Geschäftsmanns geboren. Er war zu seiner Zeit eine herausragende literarische Gestalt. Nachdem die Nazis die Macht ergriffen hatten, befahlen sie, seine Bücher zu verbrennen. Sie veranlassten ihn auch, die britische Staatsbürgerschaft zu erwerben. Er war ein sehr produktiver Autor und veröffentlichte neben zahlreichen anderen Werken das Buch „Magellan. Der Mann und seine Tat“ (Wien: Reichner, 1938 – Sein gesammeltes Werk in vier Bänden erschien 2003 bei S. Fischer in Frankfurt). 1940 verließ Zweig London und hielt sich eine Zeitlang in New York, Argentinien und Paraguay auf. Schließlich ließ er sich in Petrópolis (nahe Rio de Janeiro) nieder. Tief verzweifelt über das Schicksal seines Heimatlandes und auch wegen fehlender Perspektiven im Exil begingen er und seine zweite Frau, Charlotte Altmann, am 23. Februar 1942 in Petrópolis Selbstmord.

[«2] Emma Blair & James Robertson (eds.): The Philippine Islands 1493-1898, Vol. VI, Cleveland: The A. H. Clark Company, 1903-1909, pp. 57-58.

[«3] Charles O. Frake: Abu Sayyaf: Displays of Violence and the Proliferation of Contested Identities among Philippine Muslims, in: American Anthropologist, Vol. 100, No. 1 (March 1998), S. 48-49.

[«4] Alunan C. Glang: The Centennial That Was Never, Moro Kurier, Vol. XII, Nos. 1 & 2, S. 26.

[«5] Zainudin Malang in einer Mitteilung an diesen Autor am 11. Januar 2001.

[«6] Fedor Jagor: Reisen in den Philippinen (gekürzte Neuausgabe), Berlin, 1982 – Die Erstauflage (mit einem Anhang über Geologie und Schädel) erschien 1873 ebenfalls in Berlin. Fedor Jagor (geb. 1816 Berlin; † 1900 in Berlin) war der Sohn eines Kochs, der 1800 von Russland nach Berlin emigrierte und dort später Eigentümer des „Hotel Russie“ wurde. Der von Hause aus betuchte Fedor unternahm in den Jahren 1857-60, 1873-76 und 1890-93 mehrere Reisen nach Singapur, Malakka, Java, den Philippinen und anderen Regionen in Südostasien. Nach ihm sind mehrere Pflanzen benannt. Neben den „Reisen in den Philippinen“ schrieb er „Singapur, Malakka, Java – Reiseskizzen“, Berlin 1866.

[«7] Ebd.

[«8] Ebd.

[«9] Ebd.

[«10] Ambeth R. Ocampo: From „Indio” to Filipino, Looking Back (Kolumne), in: Philippine Daily Inquirer, 9. Juni 1996.

[«11] Aus dem Original-Tagalog übersetzt von Milagros C. Guerrero, Emmanuel N. Encarnacion and Ramon N. Villegas in ihrem Essay: „Andres Bonifacio and the 1896 Revolution”, Sulyap Kultura, 2nd Quarter, Manila: National Commission for Culture and the Arts, 1996, S. 3-12.

[«12] Nathan G. Quimpo: Colonial Name, Colonial Mentality and Ethnocentrism (zweiter von vier Teilen – Capitulation: Filipinas and Filipino), in: KASAMA, Vol. 17, No. 4, Solidarity Philippines Australia Network, Brisbane (October-December) 2003.

[«13] Zitiert nach: El País” (Madrid, 3-1-1991), in: Florentino Rodao: Influence of Spanish owned Businesses in the Philippines, Universidad Complutense de Madrid, 1991 – Diese Untersuchung konnte dank einer Spende der Toyota Foundation durchgeführt werden und war Teil einer Dissertation an der Universität von Tokio.

[«14] Erwähnenswert ist an dieser Stelle, dass derselbe Viedma, der 1954 im Auftrag von Tabacalera das Land besuchte, beobachtet hatte, dass in diesem einstigen Flaggschiff der spanischen Großunternehmen jeder Arbeiter antiklerikal war. Diese Tatsache überraschte umso mehr, da die Ursprünge von Tabacalera auf Marquis de Comillas zurückgeführt werden, dessen Familienname eng mit Jesuiten verknüpft war. – Siehe: Jaime Gil de Viedma: Retrato del Artista en 1956. Barcelona: Lumen, 1991, S. 79.

[«15] Präsident McKinley in einem Gespräch im August 1898 mit dem General Missions Committee of the American Methodist Episcopalian Church. – Zitiert u.a. in: Robert Leckie: The Wars of America; Albert Kolb: Die USA und die Philippinen; Howard Zinn: A People’s History of the United States; Leon Wolff: Little Brown Brother.

[«16] Harry Sichrovsky: Ferdinand Blumentritt: An Austrian Life for the Philippines, Manila 1983/87 – Kapitel: Amigos, Americanos?

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