Leserbriefe zu „Senk ju, Deutsche Bahn!“

Ein Artikel von:

Anna Maria Hummel verlor ihren Job als Jungköchin noch während der Probezeit – nicht aus eigenem Verschulden, sondern aufgrund der ständigen Verspätungen der Deutschen Bahn. Dies nahm sie zum Anlass, in ihrem Beitrag darüber zu berichten, warum sie aus der Großstadt Frankfurt wegziehen musste, somit auf die Deutsche Bahn angewiesen war und wie sich das auf ihre Arbeitssituation und ihre Einstellung zu Umweltschutz und Bahnfahren ausgewirkt hat. Wir danken für die interessanten Leserbriefe, die Ala Goldbrunner für Sie zusammengestellt hat.

1. Leserbrief

Die Bahn ist das beste Argument für ein Auto!
Schreibt eine junge Frau, die ihren Arbeitsplatz verlor wegen der Unzuverlässigkeit der Bahn.

Ich kenne noch den Werbespruch der Bahn vom letzten Jahrhundert:
„Alle reden vom Wetter, wir nicht.“ Ob Eis oder Schnee, die Bahn fuhr pünktlich.

Es ist sonnenklar: Die Bahn wurde seit dem Umbau in eine Aktiengesellschaft systematisch abgebaut. Denn nun stand als oberstes Ziel nicht mehr eine gut funktionierende Versorgung der Menschen mit einem sicheren Transportmittel. Oberstes Ziel der Bahn-AG war nun der Profit, die Gewinnausschüttung an die Aktionäre. Die Bahn gehört zwar noch zu 100% dem Bund, aber sie soll noch immer an die Börse und für Aktionäre lukrativ sein, nur nicht mehr für die Bahnkunden.

Es ist ein Lehrbeispiel dafür, dass Unternehmen für die Daseinsvorsorge in Bürgerhand gehören, damit sie keine Profite für Investoren abwerfen müssen. Ganz besonders gilt das auch für das Gesundheitswesen, wo zur Zeit Krankenhäuser und Pflegeheime in Einrichtungen umgebaut werden, die für Investoren Gewinne abwerfen.

Groteskerweise geraten nämlich Leute mit zu viel Geld in „Not“, weil sie nicht mehr wissen, wo sie ihr vieles Geld investieren können, damit es noch mehr wird. Denen hilft die Politik indem sie Autobahnen, Schulen oder die Rente privatisieren und zur neuen Gewinnquelle für die Superreichen umbauen.

„Eine gute Infrastruktur ist der Reichtum des kleinen Mannes“, sagte einst Helmut Schmidt; und dieser Reichtum ist uns Stück für Stück geklaut worden durch das Zusammenspiel von Regierung und Kapitalverbänden. Es handelt sich um eine Verschwörung gegen Bürger, die nicht zur Klasse der Superreichen gehören.

Wehren wir uns dagegen! Das muss weg! Auch wenn sie uns sonstwas schimpfen.

Mit freundlichen Grüßen
Bernhard Meyer
Aufstehen-Steinlach-Wiesaz & NachDenkSeiten-Gesprächskreis


2. Leserbrief

Liebe Frau Hummel,

“Das Klima retten”. Wo bleiben die Gänsefüßchen? Erstens geht es keineswegs um das Klima, sondern um die Vernichtung von Mensch und Umwelt durch unbegrenztes Wachstum, sprich Kapitalismus, in großem Stil. Und zweitens wird Deutschland mit seinen popeligen 3% am weltweiten CO2-Ausstoß niemals ein “Klima retten”. Das ist doch narzisstische Verblendung (die ich hier keineswegs Ihnen ankreide, sondern sondern den bekannten Ideologen und Quacksalbern).

Mit der Vorliebe für die Bahn stimme ich ganz mit Ihnen überein, schon lange. Bin auch täglich zum Arbeitsplatz gependelt, 60 km hin und 60 km zurück, als das noch ging. Fahrrad, Bahn, Straßenbahn, 2 Stunden jeden Tag.

Ich kann auch Auto. Und weiß als Ingenieur, dass mein Diesel deutlich umweltfreundlicher ist als so ein Elektrobolide. Führe aber trotzdem gern Bahn. Wo kann man schon während der Fahrt aufstehen, sich die Beine vertreten und evtl. auch eine kleine Mahlzeit zu sich nehmen?

Leider hat man in Deutschland in den letzten 40 Jahren die Infrastruktur verrotten lassen und schon gar nicht angemessen ausgebaut (einen Orient-Express mit 200 km/h, das wünsch ich mit schon lange). In Deutschland kann man sich mittlerweile weder auf Bahn, noch auf Auto oder Bus verlassen. Wenn das Land “fertig hat” mit “Klima retten”, also am Ende ist, vielleicht kommen dann die Chinesen und bauen Eisenbahn und Autobahnbrücken. Die können das. Beweisen sie schon lange in Ungarn, Serbien und Bosnien-Herzegowina.

Viele Grüße,

Rolf Henze


3. Leserbrief

Liebe Anna-Maria Hummel,

Sie haben mein volles Mitgefühl!

Ich verzichte seit ca. 15 Jahren bewusst auf ein Auto und bin vor 2 Jahren vom Umland in die Großstadt gezogen – und zwar genau aus den katastrophalen/unerträglichen Gründen, die bei der Deutschen Bahn vorherrschen und die Sie in Ihrem Artikel beschreiben.

Meiner Meinung nach steht die Deutsche Bahn genau da, wo sie aus Sicht von neoliberaler (profitorientierter) Politik stehen soll. Auch dass der Führerschein nun auf Ihrer Agenda steht, ist im Interesse derer, die die Bahn zerstören – zugunsten des Individualverkehrs.

Der katastrophale Zustand der Deutschen Bahn steht meiner Meinung nach darüber hinaus auch stellvertretend für den von ebenjener Politik bewusst herbeigeführten schlechten/unmenschlichen Gesamtzustand Deutschlands – aus Sicht der Bevölkerungsmehrheit – und zwar zugunsten neoliberaler, globaler/geostrategischer (Fremd-)Interessen.

Ich stehe so ziemlich am Ende meiner beruflichen Laufbahn und wünsche Ihnen als Hobbykoch alles Gute für Ihren beruflichen Werdegang.

Übrigens: Ab 2024 werden Sparpreise nicht mehr an den DB-Automaten angezeigt/angeboten – das erlaubt sich die Bahn (wie so vieles) einfach so! Läuft wahrscheinlich unter “Verbesserung des Service Angebots”.

Herzliche Grüße
Andreas Rommel


4. Leserbrief

Guten Tag,

ach wie tut es gut, einmal zu lesen, dass Erkenntnisse aus der Praxis die graue Theorie widerlegen!

Jetzt wohnt die Dame aber noch immer im Großraum von Frankfurt – in einem Umkreis von, wie sie schreibt, 20 km.Wenn man berücksichtigt, dass es gerade in Flächenländern oft deutlich weiter als 20 km zur nächsten Metropole ist, kann man sich vielleicht vorstellen, unter welchen Bedingungen viele dort wohnende Arbeitnehmer tagtäglich zu ihrem Arbeitsplatz kommen müssen. Hinzu kommt, dass ja auf dem Land auch nicht jeder direkt am Bahnhof wohnen kann und es auch keine Zulieferverkehr zum Bahnhof gibt. Ich selbst wohnte auch lange Zeit auf dem Land – nur 15 km von einer Großstadt entfernt. Einziges öffentliches Verkehrsmittel dorthin war die Regionalbahn, die alleine schon knapp 30 Minuten brauchte (keine Fahrt nach Luftlinie, sondern um möglichst mehrere kleine Orte mit einzubinden). Hinzu kam, dass vor dem Einstieg in den Zug ein Fußmarsch von knapp 1 km erforderlich war und zwar bereits als Gymnasialschüler, dann als Stift und die ersten Jahre als Angestellter. Was war das für eine Errungenschaft, als man sich einen Führerschein und dann auch noch einen Kleinwagen leisten konnte. Der reinste Luxus. Ein Zeitgewinn von fast 2 Stunden je Tag!
Ich gönne jedem Stadtbewohner die gute Infrastruktur und die Bus-, U- , S- oder Straßenbahnhaltestelle im Umkreis von max. 200 – 300 m. Auch ich habe schon aus Berufsgründen in der Großstadt gewohnt mit Fußwegen von max. 200 m zur nächsten Haltestelle. Am Land ist dies leider nicht möglich und schon gar nicht finanzierbar. Die Zuschüsse für den ÖPNV würden explodieren und die Fahrpreise – auch innerstädtisch – ebenso. Deshalb Bitte an die Stadtbewohner: mir nicht vorschreiben, dass ich aufs Auto zu verzichten habe.
Wer solche pauschale Forderungen aufstellt, sollte sich einmal in die Lage der Betroffenen versetzen und es evtl. sogar einmal in der Praxis ausprobieren. Die Dame Anna Maria Hummel hat selbst erkannt, dass sie unter diesen Bedingungen weder auf den Führerschein noch auf ein Auto verzichten kann, wenn sie nicht sofort nur noch vom Bürgergeld leben will. Denn selbst wenn die Bahn immer und immer pünktlich (dies war früher nie ein Thema) fahren würde, die Frequenz der Züge und die Nähe von Haltestellen wie in der Stadt, kann auf dem Land nicht realisiert werden.

PS: Selbst fefe (blog.fefe.de) war in Hamburg vom ÖPNV am 28.12.2023zunächst enttäuscht (“…Äh, Hamburg, wir müssen reden. Ab Mitternacht fährt die U-Bahn nicht mehr? Ernsthaft?! Das ist auch noch die Linie, die nach St. Pauli und zur Reeperbahn fährt. Ich hätte ja viel gedacht, aber nicht, dass man in Hamburg nicht mit den Öffis zur Reeperbahn gefahren kommt. Mann Mann Mann….”). Er hat das dann zwar am nächsten Tag wieder relativiert (“…Hamburg hat die Scharte mit der U-Bahn wieder ausgewetzt. Das Nachtbusnetz überzeugt und hat mich sicher ins Hotel gebracht…”), nur kann man vermutlich auch in Hmbg. nicht erwarten, dass Alternativ zu U-Bahn permanent Busse fahren – und schon gar nicht in die Vororte, vom Umland ganz zu schweigen.

Es würden den Aufstellern von irgendwelchen Forderungen bzw. wenn sie irgendwelche Beschränkungen für den Individualverkehr vorschlagen gut zu Gesicht stehen, auch andere Aspekte und Bedingungen zu berücksichtigen und zu bewerten, die von der eigenen Filterblase abweichen.

Gruß
Hans Walter Müller


5. Leserbrief

Liebe Anna Maria Hummel,

ich habe Ihren Artikel Senk ju, Deutsche Bahn! gelesen. Leider sprechen Sie da einen wahren Punkt an und noch viel mehr: eine Sache, für die Sie sehr viel gefühlte Bestätigung bekommen. Die Deutsche Bahn hatte mal weniger Ausfälle und auch weniger Unpünktlichkeiten, das geben sogar offizielle Statistiken her (auch wenn gar nicht mehr alles Deutsche Bahn ist) und doch ist die Aufregung nicht immer so rational…

Aber dass wir alle jetzt Auto fahren kann nicht die Lösung sein, zum mal sich dann die Fahrzeiten durch Staus und Co für alle immens erhöhen würden und Sie noch nicht mal das angestrebte Ziel, pünktlicher zu sein (ohne mehr Fahrzeit/-Aufwand), erreichen würden. Klima, Umwelt, Gesundheit aller Menschen, Flächengerechtigkeit, Sozialverträglichkeit (gut bezahlte Bürojobs im Homeoffice wären weniger betroffen und die Mieten in Städten würden vielleicht noch höher werden),… alles noch weiter vernachlässigen?

Na, zum Glück meinen Sie das nicht ernst. Doch fühlen sich mit Ihrem Artikel gewiss leider zu viele bestätigt. Schön wäre es, wenn Sie auch Möglichkeiten aufzeigten, wie es bei der Bahn besser fahren könnte. Zu lange sind vor allem durch CDU, CSU und FDP Investitionen ins Auto geflossen statt in die Bahn und tun es leider immer noch – auch SPD und Grünen arbeiten da mit, indem sie z. B. Elektroautoprämien vergeben und viele Dinge zum Flächenverbrauch in Städten nicht angehen, Dienstwagenprivileg, Pendlerpauschale, Tempolimit, BVWP [Anm.d.Red.: Bundesverkehrswegeplan] von 2016, wobei letzterer aus einer Zeit stammt, als wir noch kein Corona (und damit viel mehr Homeoffice) oder FFF [Anm.d.Red.: Fridays for Future] kannten, das Klima noch nicht so bedacht wurde (der keine aktuellen Entwicklungen berücksichtigt, ja teilweise auf Ideen von 2003 basiert)… So vieles mehr könnten wir in Deutschland für ein besseres Leben aller angehen, das Auto hilft dabei wenig (brauchen wir an mancher Stelle aber auch). Vielleicht meinten Sie all das und noch viel mehr und haben es (un-) geschickt in Ironie/Sarkasmus verpackt…?

Was mich daran zweifeln lässt, ist aber der Hinweis, dass Sie eine Wohnung von stolzen 60 qm haben. Ich kenne Sie nicht und weiß nicht, mit wie vielen Menschen Sie dort leben. Sollten Sie dort aber alleine leben, umschreiben Sie damit ein tatsächliches Problem. Ich habe alleine, ja zu zweit niemals so viel Wohnfläche gehabt, sogar mehrere Jahre zu viert (also mit zwei Kindern) auf guten 50 qm und alleine mehrere Jahre auf guten 20 qm wunderbar gelebt! Es gibt aber immer mehr Menschen, die alleine in großen Wohnungen leben und weiterhin alleine Auto fahren (leider auch in immer größeren) und…

Schade, dass Ihr ehemaliger Chef Sie nicht mehr unterstützt hat, langfristig (mit Ihnen) gedacht hat! Das (nur an sich denken) ist vielleicht ein weiteres Phänomen in unserer Gesellschaft. Viele Aufgaben für die Gemeinschaft, für den Staat…
Vielleicht wäre auch Wohngeld eine Lösung gewesen oder ist es demnächst, wenn Sie hoffentlich was anderes/besseres gefunden haben!

Herzliche Grüße
Lukas


6. Leserbrief

Eigentlich ist das ein typischer Mainstream Artikel, der die falschen Fragen stellt… Normalerweise sollte sich die Autorin doch die Frage stellen, warum ihr Jungkoch-Gehalt nicht für bezahlbaren Wohnraum in Frankfurt reicht ( wird als gegeben hingenommen), sondern sich stattdessen wundert, warum halbstaatliche Institutionen nicht zu ihrer vollsten Zufriedenheit für ihren Arbeitgeber in die Bresche springen.

Die Bahn selbst kann nicht die Lösung sozialer Fragen sein, auch wenn dies spätestens seit dem unsäglichen 9 Euro Ticket offensichtlich erwartet wird.

Mit freundlichem Gruße

A F.

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