NachDenkSeiten reichen Beschwerde beim Presserat gegen ZEIT Online ein: „Verstoß gegen Ziffer 6 des Pressekodex“

NachDenkSeiten reichen Beschwerde beim Presserat gegen ZEIT Online ein: „Verstoß gegen Ziffer 6 des Pressekodex“

NachDenkSeiten reichen Beschwerde beim Presserat gegen ZEIT Online ein: „Verstoß gegen Ziffer 6 des Pressekodex“

Florian Warweg
Ein Artikel von: Florian Warweg

Am 8. Dezember veröffentlichte ZEIT Online einen Diffamierungsartikel anlässlich des 20-jährigen Bestehens der NachDenkSeiten mit dem Titel „NachDenkSeiten: Wagenknechts Schreibbrigade“. Autor der Schmähschrift ist Markus Linden, Autor der vom Bundesfamilienministerium (BMFSFJ) finanzierten Studie „Die Nachdenkseiten als Träger von Ideologie, Scharnier für Verschwörungstheorien und Agenda-Setzer der radikalen Systemopposition“, in Auftrag gegeben von der Grünen-nahen „Denkfabrik“ Zentrum Liberale Moderne (LibMod). Auch für das ebenso explizit gegen „Alternativmedien“ ausgerichtete LibMod-Nachfolgeprojekt „Narrativ-Check“, welches mit jährlich 200.000 Euro vollumfänglich vom BMFSFJ finanziert wird, ist der Politikwissenschafter aus Trier tätig. Doch von dieser Rolle des Autors erfährt die ZEIT-Leserschaft nichts – ein mutmaßlicher Verstoß gegen Ziffer 6 des Pressekodex. Von Florian Warweg.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

„Das Nachrichtenportal „NachDenkSeiten“ feiert sein 20-jähriges Bestehen. Was als kritische Website begann, ist mittlerweile zum postfaktischen Propagandamedium geworden. Von Markus Linden“

So lautet die Einleitung zum Artikel des ZEIT-Autors Markus Linden. Die Intention eines solchen Behauptungsjournalismus bedarf wohl keiner weiteren Erläuterung, abgesehen vom Hinweis, dass der Vorwurf „postfaktisch“ zwar dreimal im Laufe des Artikels genutzt, aber nicht ein einziges Mal an einem konkreten Beispiel belegt wird. Vorgestellt wird der Autor von der ZEIT-Redaktion anschließend wie folgt:

„MARKUS LINDEN ist außerplanmäßiger Professor für Politikwissenschaft an der Universität Trier. Er forscht zu den Themen Theorie und Empirie der Demokratie, neue Rechte und Rechtspopulismus sowie digitale Alternativmedien und Verschwörungstheorien.“

Das war’s. Mit keiner Silbe wird die ZEIT-Leserschaft darauf hingewiesen, dass der „außerplanmäßige Professor“ auch für zwei von der Bundesregierung finanzierte Projekte der Grünen-nahen Denkfabrik „Zentrum Liberale Moderne“ (LibMod) tätig war und ist, die sich beide explizit gegen „Alternativmedien“ richten. Das erste Projekt, „Gegneranalyse“, finanziert vom Bundesfamilienministerium und der dem Innenministerium unterstehenden Bundeszentrale für politische Bildung (bpb), nahm gesellschaftliche Entwicklungen hinterfragende Medien wie die NachDenkSeiten ins Visier und bezeichnete diese als „systemoppositionelle Gegenmedien“, welche „selbsterklärte Gegner der liberalen Demokratie“ seien, die es daher in Form von monatlichen „Monitorings“ zu überwachen und in Form von „Fallstudien“ zu „analysieren“ und vor allem zu diffamieren galt. Autor der Auftragsstudie über die NachDenkSeiten war kein Geringerer als Dr. Linden.

Ein Großteil des aktuellen ZEIT-Artikels beruht auf den „Ergebnissen“ jener staatlich finanzierten Diffamierungsstudie von 2022. Das heißt, Linden zweitverwertete die „Ergebnisse“ jener Studie, die er im Auftrag einer parteinahen Denkfabrik für viel Geld verfasst hat, für seinen Artikel bei der ZEIT, ohne dass dies in irgendeiner Form von ihm oder der Redaktion offengelegt wird. Ähnlich verhält es sich bei dessen aktueller Tätigkeit für das neue, ebenfalls von der Bundesregierung finanzierte LibMod-Nachfolgeprojekt „Narrativ-Check“, über das die NachDenkSeiten ausführlich hier berichtet haben. Erklärtes Projektziel ist es, „demokratiegefährdende, systemoppositionelle Botschaften, Diskurse, Argumentationsweisen in alternativen Medien“ zu überwachen und anzuprangern. Geändert hat sich im neuen Projekt eigentlich nur die Zielgruppe: Multiplikatoren in der Kinder- und vor allem Jugendbildung.

Die skizzierte Doppelfunktion des Trierer Politikwissenschaftlers, Autor für die ZEIT und zugleich bezahlter Auftragnehmer einer parteinahen Denkfabrik, die, ausgestattet mit Hunderttausenden Euro Staatsknete, versucht, einen Feldzug gegen „alternative Medien“ zu führen, oder in den Worten des WELT-Journalisten Frank Lübberding „Verfassungsschutz spielt“, steht im direkten Widerspruch zu Ziffer 6 des bundesdeutschen Pressekodex. Dort heißt es:

„TRENNUNG VON TÄTIGKEITEN

Journalisten und Verleger üben keine Tätigkeiten aus, die die Glaubwürdigkeit der Presse in Frage stellen könnten.

Richtlinie 6.1 – Doppelfunktionen

Übt ein Journalist oder Verleger neben seiner publizistischen Tätigkeit eine Funktion, beispielsweise in einer Regierung, einer Behörde oder in einem Wirtschaftsunternehmen aus, müssen alle Beteiligten auf strikte Trennung dieser Funktionen achten. Gleiches gilt im umgekehrten Fall.“

Auf diese „strikte Trennung“ hat die ZEIT-Redaktion nachweislich komplett verzichtet. Im Gegenteil, mehr Vermengung von Funktionen ist eigentlich fast nicht denkbar, darauf weist auch Norbert Häring in seinem aktuellen Artikel zu der Thematik hin:

„Linden darf darin – ohne entsprechenden Hinweis – noch einmal die Argumente der „Studie“ ausbreiten, die er im Rahmen des vom grün geleiteten Familienministerium finanzierten Projekts „Gegneranalyse“ des Grünen-nahen, stramm transatlantischen Zentrum Liberale Moderne erstellt hat.“

Weder erfolgte ein in diesem Fall notwendiger genereller Transparenzhinweis der ZEIT-Redaktion bezüglich der Tätigkeiten ihres Autors für eine parteinahe Denkfabrik noch auf die Tatsache, dass dieser zuvor gegen Entgelt just zu dem Thema eine Auftragsstudie verfasst hatte, zu dem er auch in der ZEIT schrieb: die NachDenkSeiten und deren angebliche „verschwörungsideologische Scharnierfunktion“.

Auch mit dem internen Faktencheck der ZEIT-Redaktion vor Veröffentlichung scheint es zumindest im Falle des vorliegenden Artikels des Politikwissenschaftlers aus Trier nicht weit her zu sein. So findet man im Artikel des „außerplanmäßigen Professors für Politikwissenschaft“, neben zahlreichen handwerklichen Unsauberkeiten und nicht belegten Behauptungen, auch nachweislich falsche Aussagen. Exemplarisch sei auf folgende Darlegung von Linden verwiesen:

„Die trotz Betätigungsverbot weiterhin zugänglichen Beiträge von RT DE werden von den NachDenkSeiten verlinkt.“

Für einen Professor der Politikwissenschaft ist diese Darstellung eine veritable Blamage. Denn in der entsprechenden EU-Verordnung vom 1. März 2022 wird zwar die „Sendetätigkeit“ von RT verboten, explizit aber gerade nicht die journalistische Betätigung von RT-Journalisten. Im Wortlaut heißt es ausdrücklich:

„Im Einklang mit den Grundrechten und Grundfreiheiten, die in der Charta der Grundrechte anerkannt sind, insbesondere dem Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit, dem Recht auf Unternehmerische Freiheit und dem Recht auf Eigentum nach den Artikeln 11, 16 und 17 der Charta hindern diese Maßnahmen diese Medien und ihr Personal nicht daran, andere Tätigkeiten als Sendetätigkeiten in der Union auszuführen, wie Recherche und Interviews. Insbesondere ändern diese Maßnahmen nicht die Pflicht zur Achtung der Rechte, Freiheiten und Grundsätze, die in Artikel 6 des Vertrags über die Europäische Union, einschließlich der Charta der Grundrechte, sowie in den Verfassungen der Mitgliedstaaten genannt werden, in deren jeweiligen Anwendungsbereichen.“

Aufschlussreich sind in diesem Zusammenhang auch die im Artikel vorgenommenen Verkürzungen und argumentativen Widersprüche. Dies lässt sich beispielhaft am Umgang mit der Zuordnung „postfaktisch“ darlegen.

Im Fließtext wird darauf zweimal rekurriert. Das erste Mal heißt es, auf den NachDenkSeiten würde „Postfaktizität zumeist nur indirekt vermittelt werden“, indem angeblich auf solche Inhalte verlinkt werde.

Bei der zweiten Nennung, im Abschlusssatz des Artikels, wird aus „nur indirekt“ dann plötzlich „mitunter sogar direkt postfaktisch“:

„Die NachDenkSeiten sind keine kritische Website, sondern ein fundamentaloppositionelles, mitunter sogar direkt postfaktisches Propagandamedium, welches unter dem Deckmantel der Friedensorientierung die Narrative des Putin-Regimes verbreitet.“

Doch im schon angesprochenen Teaser zu Beginn des Artikels, der von der ZEIT-Redaktion und nicht von Linden selbst verantwortet wird, fallen die vom Trierer Politikwissenschaftler vorgenommenen Relativierungen komplett weg. Während Linden bereits ohne jeden argumentativen Übergang aus „nur indirekt…“ ein „mitunter sogar direkt“ zaubert, geht die ZEIT-Redaktion sogar einen Schritt weiter und schreibt in die Einleitung, ohne dass der Artikel selbst dies in dieser absoluten Form hergeben würde, Folgendes:

„(Das Portal NachDenkSeiten) … ist mittlerweile zum postfaktischen Propagandamedium geworden“

Der ZEIT-Redaktion gelingt folglich das Kunststück, einen sowieso als Diffamierungswerk angedachten Artikel mit all den aufgezeigten falschen Darstellungen, Überzeichnungen und logischen Kurzschlüssen im einleitenden Teaser noch um die letzten Nuancen in der Darstellung zu berauben. Mit der Art von Journalismus, wie ihn sich die einstige Chefredakteurin der ZEIT, Marion Gräfin Dönhoff, einst vorstellte, hat das wahrlich nicht mehr viel zu tun.

Abschließend dokumentieren wir die beim Presserat eingereichte Beschwerde. Presserat-Beschwerden müssen von Einzelpersonen eingereicht werden, daher erfolgte diese mit der Namensnennung des Autors dieser Zeilen:

Sehr geehrte Damen und Herren des Presserates,

hiermit reiche ich, Florian Warweg, Beschwerde ein wegen Verdachts des Verstoßes gegen Ziffer 6 des Pressekodex.

Begründung:

Ich sehe in dem angefügten Artikel einen Verstoß gegen Ziffer 6 des Pressekodex. Nach „Richtlinie 6.1 – Doppelfunktionen“ müssen bei einem Journalisten oder Verleger, der neben seiner publizistischen Tätigkeit eine Funktion, beispielsweise in einer Regierung, einer Behörde oder in einem Wirtschaftsunternehmen ausübt, alle Beteiligten auf strikte Trennung dieser Funktionen achten. Gleiches gilt im umgekehrten Fall.

Bei dem vorliegend eingereichten Beitrag wird der Autor Markus Linden den Lesern von der ZEIT-Redaktion lediglich vorgestellt als „außerplanmäßiger Professor für Politikwissenschaft an der Universität Trier“. Dass Herr Linden seit 2022 für zwei vom Bundesfamilienministerium finanzierte Projekte der Grünen-nahen Denkfabrik „Zentrum Liberale Moderne“, die explizit gegen sogenannte „Alternativmedien“ gerichtet sind, („Gegneranalyse“ und „Narrativcheck“) als Autor tätig war und ist, wird dem Leser verschwiegen.

Ebenso wird die Leserschaft darüber im Unklaren gelassen, dass Herr Linden für das Projekt „Gegneranalyse“ dieser parteinahen Denkfabrik 2022 eine Auftragsstudie zu den NachDenkSeiten mit dem Titel „Die Nachdenkseiten als Träger von Ideologie, Scharnier für Verschwörungstheorien und Agenda-Setzer der radikalen Systemopposition“ verfasst hat, die ausschließlich mit Geldern vom Bundesfamilienministerium und der dem Innenministerium unterstehenden Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) finanziert wurde. Der Beitrag bei ZEIT Online vom 8. Dezember 2023 beruht zudem zum großen Teil auf einer Wiedergabe des Inhalts dieser von der Bundesregierung finanzierten Auftragsstudie – auch dies wird von der Redaktion nicht deutlich gemacht. Ebenso wenig wird darauf verwiesen, dass Herr Linden 2023 für das vom Bundesfamilienministerium finanzierte Nachfolgeprojekt „Narrativcheck“ einen Beitrag mit dem Titel „VON DER ENDZEIT ZUM ENDKAMPF – APOKALYPTIK IN VERSCHWÖRUNGSERZÄHLUNGEN UND „ALTERNATIVMEDIEN““ verfasst hat. Das Projekt behauptet in der Selbstdarstellung auf der Seite des Bundesfamilienministeriums, grundsätzlich und ohne jede Differenzierung, Alternativmedien würden „Desinformationen und Verschwörungserzählungen“ verbreiten:

Wie bereits das Vorgängerprojekt wird auch „Narrativ-Check“ vom Bundesfamilienministerium im Rahmen des Programms „Demokratie leben“ mit einem sechsstelligen Betrag (200.054 Euro) vollumfänglich finanziert. Erklärtes Ziel ist es, „demokratiegefährdende, systemoppositionelle Botschaften, Diskurse, Argumentationsweisen in alternativen Medien“ zu überwachen und anzuprangern.

Mit freundlichen Grüßen
Florian Warweg

Leserbriefe zu diesem Beitrag finden Sie hier.

Titelbild: Screenshot ZEIT ONLINE

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