Leserbriefe zu „Brett vorm Kopf. Warum eine digitale Auszeit in Kitas und Schulen überfällig ist.“
In diesem Beitrag weist Ralf Wurzbacher darauf hin, dass mehr als drei Dutzend Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen ein Moratorium der Digitalisierung in Deutschlands Bildungseinrichtungen fordern. Aus den Mündern hiesiger Politiker töne es, wer wissen wolle, wie Digitalisierung gehe, der schaue gefälligst nach Schweden. Dort habe aber kürzlich ein Gutachten des Stockholmer Karolinska-Instituts die Digitalisierungsstrategie der Nationalen Agentur für Bildung für die Jahre 2023 bis 2027 „förmlich zerrissen“. Am „Starrsinn der Regierenden in Bund und Ländern, die Digitalisierung der Bildung auf Biegen und Brechen durchzuziehen“, habe sich jedoch auch nach Corona in Deutschland nichts geändert. Wir haben hierzu interessante Leserbriefe bekommen. Danke dafür. Hier nun eine Auswahl der Leserbriefe. Christian Reimann hat sie für Sie zusammengestellt.
1. Leserbrief
Liebe NDS Redaktion,
Kinder digital total? Da fragt man sich wie es so viele Kinder in der Vergangenheit ganz ohne digital zum Nobelpreisträger gebracht haben, von Conrad Röntgen bis Einstein.
Ein Tipp, man sollte sich das Video von Prof Christian Rieck auf Youtube anschauen mit dem Titel Smartboard in Schulen.
Mit freundlichem Gruß
Patrick Janssens
2. Leserbrief
Was soll man von Kindern erwarten, deren Eltern den ganzen Tag mit einem Smartphone rumrennen? Die haben doch das passende Vorbild.
Was soll man von Politikern erwarten, die von “Digitalisierung” reden und keine Ahnung haben was das bedeutet. Was die wollen, ist Smartphones und Laptops überall. Das ist hauptsächlich gut für die Hersteller und die Überwachungsindustrie. “follow the money”, dann weiß man für wen die Politiker arbeiten.
Digitalisierung ist zunächst einmal eine gute Sache. Sie bedeutet weltweite Vernetzung und Integration von Anwendungen (Text, Sprache, Video). Aber man muss sich bewusst sein, wenn es um menschliche Kommunikation und Wahrnehmung geht, bedeutet diese Technik auch Einschränkung. Man muss sie also mit Bedacht, emanzipiert, benutzen. Wenn man Kinder schon diesen Beschränkungen unterwirft, kann man keine gesunde Entwicklung erwarten.
Wenn man “Digitalisierung” richtig anpackt, dann bedeutet das zunächst eine leistungsfähige (Internet)-Infrastruktur. Genau das kriegt die Politik nicht hin. Einsturzgefährdete Autobahnbrücken, Züge, die nicht oder verspätet fahren und Internetzugang über Telefonleitung mit max. 16 Mbs Downstream, das ist die Realität in Deutschland. Dann könnte das Zumüllen der Kitas mit Laptops vielleicht noch einen dritten Zweck haben: Die Kleinen so zu verblöden, dass sie nicht merken was los ist.
Nebenbei, ich hatte das erste Smartphone, das auf den Markt kam. Das habe ich nach einem Jahr entsorgt und seitdem nie wieder eins angeschafft. Warum? Fipselige Tastatur, zu kleiner Bildschirm, kein quelloffenes Betriebssystem, keine einfache Programmierungsmöglichkeit, kein Kommandofenster (xterm) und GSM und GPS in einem Gerät, das geht gar nicht, öffnet umfassender Überwachung das Scheunentor.
LG, Kaspar Hauser
3. Leserbrief
Liebes NDS-Team,
auch ich halte den Hype um die „dringende Digitalisierung der Schulen“ für komplett daneben und auch absolut undurchdacht. Nichts ist gewonnen, wenn Schüler mit dem iPhone oder Tablet hantieren, statt sich die Inhalte selbst zu erarbeiten. Wobei man auch hier schon einschränkend festhalten muss, dass Schule oft nicht in der Lage ist, das zu ermöglichen und im Übrigen hege ich auch gewisse Zweifel am “Wissenserwerb über bedruckte Schulbücher und das Fachwissen des Lehrers“.
Gleichwohl bin auch ich davon überzeugt, dass die “Ausstattung der Lehranstalten mit Laptops, Whiteboards und schnellem Internet” mehr dem Interesse der Digitalwirtschaft dienen soll als dem der Schülerinnen und Schüler.
Trotzdem ist es mehr als ärgerlich, wenn auch die Nachdenkseiten eine “Kinderärztin Gesine Hansen“ zitieren, die wohl im „Spiegel“ völlig belegfrei behaupten durfte: „Kinder, die sehr viel Zeit vor dem Fernseher, Tablet oder Smartphone verbringen, sind häufiger übergewichtig als andere, haben Probleme, sich zu konzentrieren, zu schlafen, im schlimmsten Fall entwickeln sich Süchte wie die Computerspielsucht. Zu viel Bildschirmzeit schadet also klar.“
Woher will sie das wissen? Es mag eine subjektive Beobachtung sein, keinesfalls aber liegt hier eine gesicherte oder wissenschaftlich untersuchte bzw. belegte Tatsache vor. Es ist nicht einmal gesichert, dass es so etwas wie „Computerspielsucht“ überhaupt gibt!
Es handelt sich also um reine Manipulation, wie sie die NDS anderer Stelle gerne geißeln. Ich schreibe das nicht, um „Gefahren der Digitalisierung zu verharmlosen“, mich ärgert nur, wenn reine Spekulationen und Vorurteile gegenüber Medien als Tatsache in den Raum gestellt werden. Seit 30 oder mehr Jahren beklagen (nicht nur) Linksintellektuelle, dass früher der TV-Konsum, danach „Gewaltvideos“, dann Videospiele, dann Computerspiele, „Ego-Shooter“ und „Gewaltspiele“, schließlich das Internet und heutzutage „Socialmedia-Sucht“ – immer das, was Jugendlichen gerade Spaß macht – zum Verderber der Jugend erklärt wird. Und immer ohne Belege!
Nach dem Amoklauf von Erfurt z.B. vor zwanzig Jahren war für den damaligen Bundeskanzler Schröder völlig klar, dass „Computer-Gewaltspiele“ wie “Counter-Strike“ schuldig waren und dringend verboten werden müssten. Natürlich auch ohne Beleg.
Mich ärgert an solchen Äußerungen, dass sich unsere Gesellschaft, die die Gewalt in sich trägt “wie die Wolke den Regen“, hier einen billigen Sündenbock schafft für alle Gewalttaten, alle Verbrechen und alles Schlimme, was passiert – vor allem, wenn Jugendliche involviert sind.
Und mich ärgert, dass wohlfeile Äußerungen über die schlimmen Auswirkungen von Medien auf Kinder und Jugendliche die wissenschaftliche Überprüfung entsprechender Thesen ersetzen. Es wird Zeit, das die Zusammenhänge wissenschaftlich erforscht werden.
Mit solidarischen Grüßen
Michael Steinmann
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