Hinweise der Woche

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Am Wochenende präsentieren wir Ihnen einen Überblick über die lesenswertesten Beiträge, die wir im Laufe der vergangenen Woche in unseren Hinweisen des Tages für Sie gesammelt haben. Nehmen Sie sich ruhig auch die Zeit, unsere werktägliche Auswahl der Hinweise des Tages anzuschauen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (AT)

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Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Ein finanzpolitisches Armageddon
  2. Eine Besatzungsmacht hat kein Recht auf Selbstverteidigung gegen die Besetzten
  3. Israels Armee in Gaza: Operieren ohne Narkose
  4. Philosophin Judith Butler über Israel und Hamas: „Die Gräueltaten waren entsetzlich“
  5. Gaza: Wie sich Deutschland von der Welt und vom Völkerrecht isoliert
  6. Die Deutschen merken’s nicht: Olaf Scholz hat die „Postfaschistin“ Meloni zur Demokratin erklärt
  7. Argentinien: Mit der Motorsäge in den Abgrund
  8. Corona-Ausschuss im Potsdamer Landtag: Eiertanz um die Verantwortung
  9. Aufbruch ins Abseits: Die Linke zwischen Mittelmeer und Genderstern
  10. Rundfunkbeitrag: 58 Cent mehr im Monat – wofür?

Vorbemerkung: Ursprünglich hatten wir geplant, in unserer Wochenübersicht auch auf die lohnenswertesten redaktionellen Beiträge der NachDenkSeiten zu verweisen. Wir haben jedoch schnell festgestellt, dass eine dafür nötige Vorauswahl immer damit verbunden ist, Ihnen wichtige Beiträge vorzuenthalten. Daher möchten wir Ihnen raten, am Wochenende doch einfach die Zeit zu nutzen, um sich unsere Beiträge der letzten Wochen (noch einmal) anzuschauen. Vielleicht finden Sie dabei ja noch den einen oder anderen Artikel, den es sich zu lesen lohnt. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Ein finanzpolitisches Armageddon
    Mit Lindners Haushaltssperre ist die politische Katastrophe der Ampel perfekt. Wird die Schuldenbremse jetzt nicht weiter umgangen, reformiert oder abgeschafft, droht eine noch härtere Sparpolitik samt Wirtschaftskrise und Massenarbeitslosigkeit.
    Erst die Sparpolitik der Ampel, dann das Urteil aus Karlsruhe und jetzt die Haushaltssperre von Lindner. Wir befinden uns im finanzpolitischen Notstand – und es ist keine Übung. Das Problem ist: Es hat auch keine Vorbereitung auf einen solchen Vorgang gegeben. Das nötige Wissen dürfte höchstens in alten Papieren im Bundesfinanzministerium und den Köpfen einiger kluger Haushaltsrechtler schlummern.
    Gleichzeitig betreten wir juristisches Neuland. Weder wurden bisher in der bundesdeutschen Geschichte Nebenhaushalte des Bundes vom Verfassungsgericht gekippt, noch wurden in der jüngeren Zeit solch weite Teile des Bundeshaushalts von einem Finanzminister gesperrt. Wenn die Ampel jetzt an ihrem dogmatischen Rahmen festhält, dass die Schuldenbremse eingehalten und keine Steuern erhöht werden sollen, dann könnte die härteste Sparpolitik der Nachwendezeit drohen – inklusive Massenarbeitslosigkeit, dem Verschleppen der Klimakrise und einem Aufschwung der AfD.
    Das Grundproblem ist: Die Ampel wollte ab 2023 die Schuldenbremse wieder einhalten, auf Steuererhöhungen (für Reiche) verzichten, gleichzeitig die Klimawende anschieben und die größten Lücken des Sozialstaats etwas flicken. Doch der Plan ging nicht auf und konnte von vornherein nicht aufgehen. Denn die Kohle fehlt.
    Weil diese Kohle fehlt, muss die Ampel zum Beispiel die Mehrwertsteuer in der Gastro, Fernwärme und Gas wieder erhöhen, um ein paar Milliarden Spielraum zu gewinnen. Gleichzeitig verkümmern die Fortschritte bei Bürgergeld und Kindergrundsicherung quasi zu bloßen Umbenennungen der bestehenden Programme. All das sind politische Entscheidungen. Die folgenreichste politische Entscheidung aber ist die Einhaltung der Schuldenbremse selbst.
    Um trotz Schuldenbremse ein wenig Fortschritt zu simulieren und ein paar Milliarden an Spielraum zu erzeugen, schuf die Ampel sich neue Regeln. Nunmehr sollte das Befüllen eines Geldtopfes unter die Schuldenbremse fallen und nicht mehr das Ausgeben. Man befüllt also den Topf, wenn die Schuldenbremse ausgesetzt ist, und entleert ihn, wenn sie wieder gilt. Eine ziemlich gute Idee – so schien es.
    Quelle: Lukas Scholle auf Jacobin

    dazu: Wer oder was ist hier verfassungswidrig?
    Der eigentliche Skandal des Karlsruher Urteils zur Schuldenbremse besteht darin, dass die Richter den politischen Missbrauch des Grundgesetzes durch diese Rechtsnorm nicht kritisieren, sondern sogar befördern. […]
    Das Urteil sei „Politik made in Karlsruhe“, schimpft die Süddeutsche Zeitung und wirft den Verfassungsrichtern damit Amtsanmaßung vor. Ihr Urteil „klingt, als hätten sie die Lizenz zum Mitregieren.“ Das Dumme ist nur, dass dem Bundesverfassungsgericht diese Lizenz 2009 von der Föderalismuskommission des Bundes und der Länder einvernehmlich und unter dem Beifall der Leitmedien erteilt wurde. Die politische Klasse hat sich diese Falle selbst gestellt.
    Mit der Schuldenbremse hat sie das Bundesverfassungsgericht zum begleitenden Mitregieren geradezu aufgefordert. Wer einem fiskalischen Instrument wie der Schuldenbremse Verfassungsrang einräumt, darf sich nicht wundern, dass die Richter des Zweiten Senats das kreditfinanzierte Klimaschutzprogramm der Bundesregierung für grundgesetzwidrig erklären.
    Die Behauptung der Süddeutschen Zeitung, die Schuldenbremse sei nur dafür gedacht, die Politik vor der „überwältigenden Versuchung zu bewahren, Schulden für wahlwirksame Kurzfrist-Wohltaten aufzunehmen“, ist eine steile These. In das Grundgesetz wurden ungewöhnlich detaillierte Vorgaben für den Umfang und die Grenzen der öffentlichen Kreditaufnahme eingefügt (siehe unten), aber von einer Beschränkung der Schuldenbremse auf verzichtbare Leistungen ist dort nichts zu lesen. Sie gilt für alle Staatsausgaben, unabhängig von deren Nutznießern und Bedeutung.
    Allerdings drängt sich die Frage auf, ob nicht die Schuldenbremse selbst dem Charakter des Grundgesetzes als Gesetzgebungsrahmen widerspricht. Ihre in sieben (!) Artikeln des Grundgesetzes (91c, 91d, 104b, 109, 109a, 115 und 143d) kodifizierten Regeln lesen sich, wie Heribert Prantl in der Online-Ausgabe der Süddeutschen Zeitung feststellt, „nicht wie Grundregeln, sondern wie deren Ausführungsbestimmungen.“
    Quelle: Hartmut Reiners auf Makroskop

    dazu auch: Fabio De Masi zu Schuldenbremse: Wäre es nicht ehrlicher, die Lebenslüge zu beenden?
    Wir sind die viertgrößte Volkswirtschaft der Erde, doch bei der Investitionsquote, den Investitionen zum Bruttoinlandsprodukt (BIP), sind wir Schlusslicht in Europa. Verspätete Züge, marode Schulen und fehlender Wohnraum in Deutschland sind das Ergebnis. Wir zehren unseren Kapitalstock auf, der von Generationen vor uns aufgebaut wurde.
    Wenn wir in Zukunftstechnologien investieren oder Universitäten bauen, nützt dies auch unseren Enkelkindern, die sich über Zinsen und Tilgung an der Finanzierung beteiligen. So können wir große Investitionen stemmen. Ein Haus baut man auch auf Raten. Vor dem Ukraine-Krieg und Energiepreisschock waren die Zinsen niedrig. Sie wurden nicht genutzt. Deutschland hat sich zu lange auf den Export und die Nachfrage aus dem Ausland verlassen. Dies rächt sich in Corona-Krise und Wirtschaftskrieg, die globale Lieferketten zerrütteten.
    Auch die aktuelle Teuerung bekämpft man nicht durch weniger, sondern durch mehr Staatsausgaben wie etwa die USA mit dem „Inflation Reduction Act“. Wir haben keine Inflation aufgrund überhitzter Nachfrage, sondern unzureichende Energie-Kapazitäten und Profitinflation durch marktbeherrschende Konzerne. Wenn wir etwa nun aufgrund der Schuldenbremse, die Energiepreise nicht durch Preisbremsen drosseln, kann dies die Teuerung erneut verschärfen.
    Wer eine „Investitionsbremse“ ins Grundgesetz hebt, darf sich daher nicht wundern, wenn Verfassungsrichter Finanzpolitik machen. Dies ist nicht nur der Union oder dem störrischen FDP-Finanzminister Christian Lindner anzulasten. Der wurde ohnehin nur Finanzminister, weil die Grünen auch das Außenministerium beanspruchten.
    Die SPD hat die Regel selbst im Grundgesetz verankert und Bundeskanzler Olaf Scholz hat sie stets befürwortet. Wesentliche Finanzpolitiker der Grünen wollten sie einst sogar verschärfen, darunter Robert Habecks Staatssekretärin Anja Hajduk. Und der Haushalt wird von der Mehrheit im Bundestag beschlossen. SPD und Grüne haben bei Abstimmungen im Bundestag genug Daumenschrauben für Herrn Lindner. Dafür reichen schon ein paar Jusos, die aus der Reihe tanzen. Die Ampel-Koalition zofft sich täglich vor dem ganzen Land wie Oliver und Amira Pocher. Aber beim Haushalt und der fatalen Beendigung der außergewöhnlichen Notlage, die das Kreditverbot aussetzt, gab es nicht mal einen Zwergenaufstand.
    Quelle: Berliner Zeitung

    und: Die Haushaltskrise und die drei Elefanten im Raum
    Quelle: NachDenkSeiten

    sowie: Die Schuldenbremse muss weg
    Quelle: NachDenkSeiten

  2. Eine Besatzungsmacht hat kein Recht auf Selbstverteidigung gegen die Besetzten
    Kann Israel einen Selbstverteidigungskrieg gegen ein von ihm besetztes Gebiet führen?
    Zunächst einmal muss daran erinnert werden, dass Israel offiziell eine Besatzungsmacht ist und seine Präsenz in den palästinensischen Gebieten gemäss der Resolution 242 (1967) des Uno-Sicherheitsrats illegal ist. Folglich ist der Widerstand gegen diese Besatzung legal. Die Resolution 45/130 (1990) der Generalversammlung gibt den Palästinensern das Recht auf Widerstand «mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln, einschliesslich dem bewaffneten Kampf».
    Genau aus diesem Grund erkannte Russland vor seiner Intervention in der Ukraine am 21. Februar die Unabhängigkeit der Donbas-Republiken an. Dies ermöglichte es diesen beiden Republiken, Russland um Hilfe zu bitten, um einen Verteidigungskrieg gemäss Artikel 51 der Charta gegen die beginnende ukrainische Offensive zu führen. Ich hatte diesen Mechanismus in meinen Büchern über den Ukraine-Konflikt und in Ihrer Zeitung beschrieben.
    Würde – ironischerweise – Israel die Existenz eines palästinensischen Staates anerkennen, könnte es einen Verteidigungskrieg gegen ihn führen. Israels international anerkannter Status ist jedoch der einer Besatzungsmacht, und als solche ist es seine Verantwortung, die palästinensische Bevölkerung zu schützen, nicht sie zu zerstören.
    Ist das Timing des Überfalls auf eine gewollte Störung der vorsichtigen Annäherung zwischen Israel und den arabischen Staaten zurückzuführen?
    Nein, das glaube ich nicht. Es ist vielmehr die Konsequenz einer Situation, die Israel auf seinem eigenen Territorium nicht mehr unter Kontrolle hat.
    Man spricht von 10 000 toten Zivilisten in Gaza, davon ungefähr die Hälfte Kinder. Ist die Zahl realistisch?
    Die Zahlen stammen vom Gesundheitsministerium in Gaza. Sie sind daher nicht mehr oder weniger zuverlässig als die von Israel angegebenen Zahlen. Im Gegensatz zu Israel, das noch nicht alle Namen seiner Opfer deklassifiziert hat, haben die palästinensischen Opfer jedoch einen Namen und eine feststehende Identität. Dies lässt vermuten, dass die palästinensischen Zahlen glaubwürdig sind.
    Quelle: Zeitgeschehen im Fokus
  3. Israels Armee in Gaza: Operieren ohne Narkose
    Wenn ich als Chirurg im fernen, sicheren Deutschland von der Arbeit meiner Kolleginnen und Kollegen im belagerten und bombardierten Gaza höre, lässt mich das nicht unberührt.
    Ohnedies ist es schon grauenhaft, wenn einem neunjährigen Jungen verletzungsbedingt ein Fuß amputiert werden muss, um sein Leben zu retten – wie von dem chirurgischen Kollegen Mohammed Obeid vor Kurzem aus dem Al-Schifa-Krankenhaus in Gaza-Stadt berichtet.
    Dass dafür dann keine ausreichende Anästhesie verfügbar ist, überschreitet die Grenzen des Vorstellbaren. Hierzulande gibt es Einzelfälle von Berichten, dass Patientinnen und Patienten während der Operation erwacht sind, Teile davon mitbekommen und trotz Narkose Schmerzen empfunden haben.
    Leider ist das oft damit verbunden, dass Patient*innen sich trotzdem nicht wehren oder anderweitig bemerkbar machen können.
    Je nach Ausmaß des Narkoseversagens und auch des Eingriffs (Kriegsverletzungen betreffen oft auch den Rumpf, etwa die Bauchhöhle) hinterlässt das bei den Betroffenen ein Psychotrauma.
    Wenn der Patient oder die Patientin den Krieg überlebt, kann das durchgemachte lebenslange Folgen haben, und unter Umständen immer wiederkehren.
    Die hiesigen Fallberichte und Publikationen betreffen unbeabsichtigte Fälle, die überdies selten sind.
    Was in Gaza geschieht, hat hingegen System.
    Und es betrifft auch die ausführenden Chirurginnen und Chirurgen.
    Wer wie ich seit Jahrzehnten in diesem Fach arbeitet, kann erahnen, was nicht nur die Patienten, sondern auch die Kollegen jetzt in der Hölle von Gaza durchmachen. Einer menschengemachten Hölle. Die auch durch menschlichen Willen beendet werden könnte.
    Quelle: Christoph Krämer in Telepolis

    Anmerkung unserer Leserin B.W.: Ein Blick auf die katastrophale medizinische und humanitäre Lage in Gaza aus Sicht eines erfahrenen Chirurgen, der in der IPPNW friedenspolitisch aktiv ist. Er bringt uns nicht nur die menschlichen Qualen der Palästinenser und die Ohnmacht der ärztlichen Kollegen in Anbetracht dieser „menschengemachten Hölle“ nahe, sondern appelliert auch an uns, dieses Grauen nicht weiter zuzulassen, indem er dazu aufruft, unsere Forderungen direkt an unsere politischen Entscheider zu richten. Bundeskanzler Scholz und Außenministerin Baerbock müssen sich für einen sofortigen Waffenstillstand im Gazastreifen einsetzen, damit ausreichende humanitäre Hilfe für die Bevölkerung in Gaza überhaupt möglich wird. Solange unsere Regierung das nicht tut, macht sie sich an dem unermesslichen aber vermeidbaren Leiden der Menschen in Gaza mitschuldig.

  4. Philosophin Judith Butler über Israel und Hamas: „Die Gräueltaten waren entsetzlich“
    Judith Butler ist weltweit eine der bekanntesten Persönlichkeiten im Feld der Philosophie. In Deutschland gibt es eine breite Anhängerschaft besonders unter Studierenden, das belegt der Zuspruch bei ihren Auftritten an deutschen Universitäten. Aufgrund ihrer Haltung zu Israel ist Judith Butler aber in den letzten Jahren in die Kritik geraten, besonders in Deutschland. Gestern erklärte sie daher in einigen kurzen Statements für die Wochenzeitung „Die Zeit“, dass sie Angst habe, sich in Deutschland öffentlich zu zeigen, da sie massiv bedroht werde.
    Sie ist Mitunterzeichnerin des Briefes „Philosophy for Palestine“, der aufgrund einer mangelnden Inblicknahme des Terroranschlags der Hamas am 7. Oktober kritisiert worden ist. Unter anderem kritisierte die Politologin Sheyla Benhabib den offenen Brief in scharfer Form. Wir hatten die Gelegenheit, Judith Butler einige Fragen zu stellen, um ihre Position, die genau wie die der anderen Interviewpartner:innen nicht die Position der Frankfurter Rundschau wiedergibt, darzustellen, so dass die Leserschaft sich selbst ein Urteil über den komplexen Sachverhalt bilden kann. (…)
    Die an der israelischen Zivilbevölkerung begangenen Gräueltaten waren entsetzlich und können weder hingenommen noch rationalisiert werden. Aber wenn wir uns für die Gründe interessieren, warum es zu dieser Gewalt kam, sollten wir in der Lage sein, die Geschichte zu rekonstruieren, um sie besser zu verstehen. Historisch zu verstehen, warum es zu dieser Gewalt kam, ist nicht gleichbedeutend mit der Billigung von Gewalt. Eine Geschichte darzustellen und ein moralisches Urteil zu fällen, ist nicht dasselbe.
    Quelle: FR Online

    Anmerkung unseres Lesers R.J.: Das Interview mit der Philosophin Judith Butler über Israel und die Hamas ist eine wohltuend differenzierte Stellungnahme, die auch ein besonderes Licht auf die Diskussion in Deutschland wirft. Parallelen zum Krieg in der Ukraine lassen sich unschwer erkennen (kein Krieg ohne Vorgeschichte).

  5. Gaza: Wie sich Deutschland von der Welt und vom Völkerrecht isoliert
    Noch immer unterstützen einige westliche Regierungen, insbesondere die USA, Großbritannien und Deutschland, die israelische Regierung bei ihren Bombardierungen des Gaza-Streifens, denen inzwischen nach Angaben der palästinensischen Behörden mehr als 13.000 Menschen zum Opfer gefallen sind, davon etwa 5000 Kinder. Bei dem vorangehenden blutigen Anschlag der Hamas auf Israel waren etwa 1200 Menschen gestorben.
    Mit dem Fortschreiten der Zerstörungen in Gaza isolieren sich allerdings Deutschland und seine atlantischen Verbündeten international immer weiter. Die UN-Generalversammlung hatte schon am 26. Oktober mit einer großen Mehrheit von 120 Stimmen einen Waffenstillstand gefordert, nur 14 Staaten, darunter die USA, Israel und einige winzige Inselstaaten wie Tonga, stimmten dagegen, Deutschland enthielt sich. In Lateinamerika, Afrika und großen Teilen Asiens wächst die Empörung über Israels militärisches Vorgehen, Bolivien hat seine diplomatischen Beziehungen mit Israel abgebrochen, Südafrika bereitet diesen Schritt vor, andere wie Chile, Kolumbien und der Tschad haben ihre Botschafter abgezogen.
    Auch in Europa regt sich Widerspruch. Der französische Präsident Emmanuel Macron rief die israelische Regierung dazu auf, die Tötung von Zivilisten einzustellen, die Regierungen Spaniens und Irlands äußerten sich ähnlich. In London gingen am 18. November schätzungsweise 300.000 Menschen auf die Straße, um einen Waffenstillstand zu fordern.
    Quelle: Fabian Scheidler

    dazu auch: Palästinenser in Deutschland erleben Wochen der Einsamkeit
    Während sie sich um ihre Familien in Gaza und im Westjordanland sorgen, fühlen sich viele Palästinenserinnen und Palästinenser in Deutschland von Politik und Medien im Stich gelassen.
    Der schreckliche Angriff der Hamas am 7. Oktober, der mehr als 1.200 Menschen das Leben kostete, und bei dem mehr als 250 Israelis entführt wurden, hat vieles verändert. Seitdem herrscht in Israel und Palästina ein weiterer blutiger Krieg. Jeden Tag sterben in Gaza Babys und Rentner nebeneinander, denn die israelischen Bomben töten vor allem die Zivilbevölkerung. Und auch die israelische Bevölkerung hat Angst – vor einer Wiederholung der Gewalt, wie auch vor den Raketen der Hamas. In Gaza mangelt es aufgrund der Blockade Israels inzwischen an allem: Wasser, Lebensmittel, Medizin und Treibstoff, um die Generatoren zu betreiben, mit denen auch die Krankenhäuser am Laufen gehalten wurden. Inzwischen sind die meisten Generatoren aus und mit ihrem Ende stirbt die Hoffnung vieler Menschen auf ein Überleben noch weiter.
    Die Sorge um das Überleben der Menschen in Gaza, im Westjordanland, wo die Siedler immer brutaler agieren, und in Israel ist für mich keine abstrakte Sorge um Menschen, die ich nicht kenne, es ist die Sorge eines Menschen mit palästinensischen Wurzeln und israelischem Pass. Es ist die Sorge um Familie und Freunde, eine Sorge, die sich leider immer wieder bestätigt. Für viele Palästinenserinnen und Palästinenser bedeutet ein Blick in die Nachrichten aktuell traurige Gewissheit darüber zu erhalten, wieder ein Mitglied der eigenen Familie verloren zu haben – in einem Krieg, gegen den man in Deutschland viel zu wenig tun kann. Und mehr noch: in einem Krieg, der von der Regierung unterstützt wird, während meine und unsere Sorgen als Palästinenserinnen und Palästinenser in diesem Land ignoriert und beiseite gewischt werden.
    Quelle: Jules El-Khatib auf Jacobin

    und: Kritik von Juden in Deutschland: „Wir verzweifeln an Israels Politik“
    Die Berliner Zeitung berichtete über eine Veranstaltung des Vereins Jüdische Stimme in Berlin. Unsere Autorin war dabei – und ärgerte sich über den Bericht. Eine Entgegnung.
    Der „Kosher-Stempel“-Artikel dieser Zeitung zur Veranstaltung der „Jüdischen Stimme“ am 4. November in Berlin hinterlässt mich kopfschüttelnd. Nachdem die Autorin zu 90 Prozent inhaltlich korrekt wiedergibt, was an jenem Abend im Kulturzentrum Oyoun stattgefunden hat, endet der Artikel mit der Vermutung, dass wir „eigensinnigen“ Jüdinnen und Juden wohl genauso massakriert worden wären, hätten wir uns am 7. Oktober zu Besuch in einem der Kibuzzim befunden, in denen Hamas-Terroristen gewütet hatten.
    Was will die Autorin den Lesern (oder uns?) sagen? Dass wir so dumm oder zu naiv sind, um zu begreifen, dass unser ganzes Friedensgedöns sowieso nichts bringt, wenn man es mit Terroristen zu tun hat? Sind wir am Ende doch die „falschen“ Juden, wie sie in Deutschland normalerweise gar nicht gehört werden und auch nicht gehört werden sollen? An dieser Stelle ganz großen Dank an die Berliner Zeitung, die immerhin jemanden schickt und einen Artikel über unsere Veranstaltung abdruckt, während bis auf Kollegen der „junge welt“ alle anderen eingeladenen Pressevertreter sich lieber durch Abwesenheit positionieren.
    Quelle: Berliner Zeitung

  6. Die Deutschen merken’s nicht: Olaf Scholz hat die „Postfaschistin“ Meloni zur Demokratin erklärt
    Am Mittwoch erhielt Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni genau, was sie wollte: Anerkennung von Deutschland. Ein Geschenk von Olaf Scholz. Ein Kommentar.
    „Tempora mutantur, nos et mutamur in illis“, sagen die Lateiner. Auf Deutsch kann man diese Sätze in etwa so übersetzen: „Die Zeiten ändern sich. Und wir ändern uns mit ihnen.“ Wie schnell so ein Wandel heutzutage erfolgen kann, insbesondere in der politischen Szene, kann man mit Blick auf die deutsch-italienischen Beziehungen studieren.
    Vor nicht allzu langer Zeit wurde die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni in Europa noch als „Postfaschistin“, „Rechtsextremistin“ und „Mussolini-Nostalgikerin“ beschrieben. Diese Zeiten scheinen nun endgültig vorbei zu sein, zumindest in Deutschland. […]
    Am Mittwoch wimmelte es im Kanzleramt nur so von italienischen Journalisten. Es wirkte fast so, als ob Scholz Meloni in Rom und nicht Meloni Scholz in Berlin besucht hätte. Die wenigen deutschen Medienvertreter konnte man an einer Hand abzählen. Sie konnten sich die massive Präsenz der italienischen Medien nicht erklären. Ein deutscher Journalist fragte seinen Kollegen: „Wieso sind all diese italienischen Journalisten heute hier?“ Die Deutschen konnten nicht verstehen, was der Grund für die mediale Aufregung der Italiener war. Die Antwort ist jedoch einfacher als gedacht: Sie wollten dem medialen Triumph Melonis beiwohnen.
    Bei Melonis Besuch in Berlin ging es nicht darum, eine Lösung für die Einwanderungs- und Wirtschaftskrise Europas zu finden oder einen Kompromiss mit Blick auf den umstrittenen Stabilitäts- und Wachstumspakt, den Italien nur ungern ratifizieren möchte, obwohl Deutschland seit langem Druck auf die italienische Regierung ausübt. An diesem Tag ging es lediglich um mediale Präsenz für Meloni, die „Postfaschistin“, vor der sich der sozialdemokratische Kanzler letztendlich verbeugen musste.
    Quelle: Berliner Zeitung
  7. Argentinien: Mit der Motorsäge in den Abgrund
    Es ist mit Worten kaum zu beschreiben, was sich derzeit in Argentinien abspielt. Der Mann mit der Motorsäge hat tatsächlich haushoch die Präsidentschaftswahlen gewonnen. Javier Milei, der selbsternannte Anarchokapitalist, hat die regierenden Peronisten aus dem Amt gejagt und wird, wenn er seine „Wahlversprechen“ auch nur halbwegs umsetzt, dem Land in den nächsten vier Jahren ungeheuren Schaden zufügen (wie hier im August nach den Vorwahlen schon beschrieben).
    Es ist das erneute Scheitern der Linken, obwohl jeder argentinische Bürger hätte wissen können, dass Konservative oder gar libertäre Anarchisten noch viel größeres Unheil anrichten als die Linke. Im Dezember 2015 war Mauricio Macri unter ganz ähnlichen Vorzeichen Präsident geworden. Der Konservative hatte versprochen, das Land endlich aus den Fängen der Quasi-Sozialisten vom Schlage der Peronistin Christina Kirchner zu befreien und in eine neue helle Zukunft zu führen.
    Eine der ersten Taten von Macri war die Einigung mit den sogenannten Geierfonds (siehe den Beitrag hier), die niemals dem argentinischen Schuldenschnitt bei Dollaranleihen zugestimmt hatten (dazu hier ein älteres und hier ein neueres Stück). Auch einigte sich Argentinien unter Macri mit dem IWF (der viele Jahre vorher als der unmittelbare Vertreter des Teufels in Lateinamerika galt) auf ein riesiges „Hilfsprogramm“, das natürlich mit Auflagen verbunden war, die jedoch dem Wirtschaftsprogramm von Macri, das aus Austerität und monetärer „Solidität“ bestehen sollte, in die Hände spielte.
    Das Ergebnis war die schlechteste wirtschaftliche Entwicklung, die man sich nur denken kann: Das Land fand keinen Weg aus einer extrem tiefen Rezession, die Inflationsrate war auf fast 50 Prozent gestiegen (mit enormen Konsequenzen für die Kaufkraft der Bevölkerung) und die kurzfristigen Zinssätze lagen bei 60 Prozent, der Wechselkurs des Peso gegenüber dem US-Dollar stürzte ab. Bei den Wahlen im Oktober 2019 wurde Mauricio Macri dann als Präsident von Alberto Fernández (dem früheren Kabinettschef von Christina Kirchner) abgelöst, was nichts anderes bedeutete, als dass die Peronisten erneut vier Jahre lang die Möglichkeit hatten, etwas Grundlegendes zu ändern.
    Doch sie verspielten auch diese Chance leichtfertig.
    Quelle: Relevante Ökonomik
  8. Corona-Ausschuss im Potsdamer Landtag: Eiertanz um die Verantwortung
    Ex-Bildungsministerin Britta Ernst, Frau von Olaf Scholz, und ihre Staatssekretärin treten im Corona-Ausschuss in Potsdam auf. Es ist ein seltsames Schauspiel.
    Olaf Scholz (SPD) ist unter anderem damit ins Kanzleramt gekommen, dass er ein Stück weit Habitus und Gestus von Angela Merkel (CDU) nachgeahmt hat, um ihr so lange erfolgreiches Wahlversprechen „Sie kennen mich!“ auf sich selbst zu übertragen.
    Als Scholz 2021 Bundeskanzler wurde, da hatten viele Deutsche das Gefühl, mit ihm das kleinere Übel zu wählen. Scholz versprach ein Kanzler zu sein, der Deutschland mit ruhiger und sicherer Hand unaufgeregt und uneitel durch die Krisen führen würde, so wie es viele bei der Kanzlerin wahrgenommen hatten. Manche wähnten, er habe sich damals mit Absicht so inszeniert, das Ganze wirkte wie eine Pose.
    Doch wenn man im Potsdamer Landtag am Freitag seine Gattin beobachtet hat, mit der er seit über 25 Jahren sein Leben teilt, dann kommt man ins Zweifeln, ob das wirklich nur eine Pose war, um die Wahl zu gewinnen. Denn Britta Ernst wirkt genauso unscheinbar, uneitel und sehr zurückhaltend. Und doch scheinen ihre teilweise unverständlichen Antworten einer Logik zu folgen. Der Auftritt gerät zum Eiertanz um die Verantwortlichkeiten für die Corona-Entscheidungen. […]
    Die wenigen Male, wo Britta Ernst mehrere Sätze am Stück spricht, stellt sich wiederum der Olaf-Scholz-Effekt ein: Man hat als Zuschauer Mühe, dem Gesagten zu folgen, weil es so einschläfernd wirkt. Da die Kanzlergattin nun schon die dritte führende Politikerin ist, die diesen Effekt bemüht, stellt sich die Frage: Ist das einfach nur Bürokraten-Deutsch oder eine bewusst gewählte Strategie?
    Quelle: Berliner Zeitung
  9. Aufbruch ins Abseits: Die Linke zwischen Mittelmeer und Genderstern
    Ob die Wahl der Flüchtlingsaktivistin Rackete wohl die sozial Schwachen für die Linke begeistert? Oder den Osten? Der Parteitag blieb in Widersprüchen stecken. Ein Kommentar.
    Die Linke hat auf ihrem Parteitag in Augsburg ihren Weg an den gesellschaftlichen Rand konsequent fortgesetzt. Die Wahl der Flüchtlingsschiff-Kapitänin Carola Rackete zur Spitzenkandidatin für die Europawahl ist nur einer der Beweise dafür. Die Partei hat sich entschlossen, die Sorgen einer großen Mehrheit der Bevölkerung angesichts ungelöster Probleme bei der Integration der vielen Flüchtlinge zu ignorieren.
    Damit entfällt schon mal ein linkes Politikangebot an all jene Millionen Menschen, die eine regulierende, ausgleichende, möglichst für alle Seiten hilfreiche Migrationspolitik wünschen. Das sind nämlich nicht alles rechtsextreme Fremdenhasser, sondern auch Menschen, die um die Stabilität des politischen Systems in Deutschland und Europa fürchten, die mehrheitlich noch liberalen Demokratien sind. Die Linke will das Extrem – offene Tore. Um die Konsequenzen sollen sich andere kümmern.
    Damit verschreckt sie ausgerechnet jene, die sie mit ihren Versprechen von mehr sozialer Gerechtigkeit ja eigentlich gewinnen möchte. Gerade in den Schichten der sozial Schwachen, der permanent in prekären Verhältnissen Lebenden sind die Sorgen und Ängste, Deutschland könne mit der Politik der offenen Türen aus der Balance geraten, besonders groß.
    Quelle: Berliner Zeitung
  10. Rundfunkbeitrag: 58 Cent mehr im Monat – wofür?
    Expertengremium KEF empfiehlt Beitragserhöhung. Mehrere Länder sagen vorab “Nein”. Begründung: die politische Stimmung. Journalistisch wäre viel zu tun und mehr Geld besser.
    Der Rundfunkbeitrag sollte nach Empfehlung der KEF, die an die Bundesländer verschickt wurde, ab 2025 um 58 Cent steigen. Von monatlich 18,36 Euro auf 18,94 Euro. Das geht aus einem Entwurf der Kommission hervor, deren Aufgabe darin besteht, den Finanzbedarf der Rundfunkanstalten zu überprüfen und zu ermitteln. Er wurde am Freitag bekannt.
    Die dpa-Meldung, die dazu verbreitet wurde, weist ausdrücklich darauf hin, dass das letzte Wort dazu nicht gesprochen ist. Die endgültige Empfehlung steht noch aus. Sie wird erst Anfang nächsten Jahres erwartet und dann entscheiden die Bundesländer. Alle Länder müssen der Beitragshöhe, die in einem Staatsvertrag festgelegt ist, einstimmig zustimmen.
    Gut möglich ist, dass das Bundesverfassungsgericht gerufen wird.
    Quelle: Telepolis

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