Leserbriefe zu „Die Schuldenbremse muss weg“
In diesem Beitrag vertritt André Tautenhahn die These, nach der Deutschland in der Schuldenbremsenfalle sitze, was „bereits durch die Bildung immer neuer Sondervermögen, also Schattenhaushalte“, deutlich geworden sei und „jetzt final durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts amtlich besiegelt“ worden sei. Es werde „Unsinn über die Belastung künftiger Generationen verbreitet“, der sich auch darin ausdrücke, dass eine „öffentliche Schuldenaufnahme immer zuerst mit einem verbindlichen Tilgungsplan versehen werden“ müsse. Der Staat müsse jedoch keine Schulden tilgen. Wir danken für die interessanten Leserbriefe, in denen auch andere Meinungen vertreten werden. Es folgt nun eine Auswahl, die Christian Reimann für Sie zusammengestellt hat.
1. Leserbrief
Liebe Nachdenkseiten,
endlich bringt es André Tautenhahn für die Nachdenkseiten auf den Punkt: Die Schuldenbremse (Schuldenverbot) ist volkswirtschaftlicher Unfug. Die Politik selbst hat das de facto längst gemerkt und flüchtet von einem Sondervermögen ins nächste. Das Bundesverfassungsgericht erinnert die Politik daran, dass sie sich an ihren eigenen Unfug zu halten hat. Die Politik kann aber selbstverständlich nicht zugeben, dass die Schuldenbremse Unfug ist, den sie selbst beschlossen hat, weshalb an eine Aufhebung der Schuldenbremse, wie sie Tautenhahn zu Recht fordert, nicht zu denken ist.
Völlig unverständlich ist, warum die NDS vor dem Hintergrund dieser klaren Botschaft zuletzt an mindestens 3 Stellen von Schuldenmacherei des Staates und Unbezahlbarkeit von Ausgaben geradeso sprechen, als hätten sie begeisterte Anhänger der Schuldenbremse in ihren Reihen.
Wenn sich insbesondere zuletzt Albrecht Müller selbst – weil er sich an dem Begriff „Geldschöpfung“ stört – ausdrücklich weigert, sich damit zu befassen, dass sich der Staat als Währungsemittent hinsichtlich des Zugangs zu finanziellen Mitteln in einer grundsätzlich anderen Position als die schwäbische Hausfrau befindet, erweisen die NDS dem politischen Kampf gegen die Schuldenbremse den berühmten Bärendienst.
Es besteht ein völliger Gleichlauf zwischen der volkswirtschaftlichen Bedeutung von Schulden (als Differenz zwischen Ausgaben und Steuern) und der Geldtheorie.
Was Tautenhahn volkswirtschaftlich damit beschreibt, dass Staatsausgaben Wachstum und steigende Steuereinnahmen, deckt sich mit der notwendigen logischen Erkenntnis, dass der Staat das von ihm emittierte Geld immer erst ausgeben muss, damit er es über Steuern oder „Schulden“ wieder an sich ziehen kann. Sonst könnte der Staat zu Beginn des Geldsystems kein Geld ausgeben – ein Geldsystem wäre unmöglich.
Steuern finanzieren also nicht Ausgaben, sondern Ausgaben ermöglichen – rein logisch tatsächlich – Steuereinnahmen. Die Steuererhebung dient also nicht der Ausgabenfinanzierung, sondern hat reale Gründe: Kaufkraft wird vernichtet und damit die Inanspruchnahme realer volkswirtschaftlicher Ressourcen vermindert.
Dass der Staat nicht die schwäbische Hausfrau ist, ergibt sich ohne weiteres aus § 21 Bundesbankgesetz, wonach die Bundesregierung einen kostenlosen unbegrenzten Überziehungskredit bei der Bundesbank unterhält.
Die Regierung zahlt also zuerst und „finanziert“ später. Volkswirtschaftlich kommt es auf die Differenz zwischen Ausgaben (zuerst) und Steuern (später) = Defizit an. Volkswirtschaftlich kommt es also gerade darauf an, die Ausgaben nicht mit nachfragevernichtenden Steuern zu neutralisieren.
Warum tun sich die NDS mit dem Überziehungskredit des Bundes so schwer?
Die NDS sollten für sich die Frage beantworten, woher das Geld für den unbegrenzten und kostenlosen Überziehungskredit stammt. Muss die Bundesbank Steuern einnehmen oder „Schulden machen“ um dem Bund das für seine Ausgaben notwendige Geld zur Verfügung zu stellen? Wenn nicht, wie bezeichnen die NDS diesen Bereitstellungsvorgang?
MfG,
EJ
2. Leserbrief
Sehr geehrter Herr Tautenhahn, sehr geehrte Redaktion,
dass die Schuldenbremse ökonomischer Unsinn ist, da sind wir uns einig. Erst recht kann ich eine zurückhaltende Ausgabenpolitik in Zeiten historisch niedriger Zinsen bei den anstehenden Aufgaben (z. B. Wohnungsbau, Digitalisierung und Bildungsnotstand) nicht nachvollziehen. Hierin sehe ich ein historisches Versagen der großen Koalition.
Aber wieso sollte Sparzwang für die CDU oder FDP negativ sein, zwingt doch die Schuldenbremse zu sozialen Einschnitten, die derzeit ohnehin wieder einmal gefordert werden. Hinzu kommt, dass die CDU die rot-grün-gelbe Koalition vor sich hertreiben kann, welche zum Teil handlungsunfähig zu werden droht. Auch wenn das momentan für die FDP, die in Regierungsverantwortung ist, vielleicht auch nicht unproblematisch ist, so ist doch, langfristig gesehen, die Schuldenbremse eine gute Sache, wenn man eine neoliberale Politik verfolgt. Es stellt sich für mich im Nachhinein u. a. die Frage, ob und ggf. von welchen Seiten aus die Einführung einer Schuldenbremse im Sinn einer neoliberalen Agenda ins Spiel gebracht wurde. Wie konnte die SPD bloß so kurzsichtig sein?
Die Schuldenbremse muss weg – mit welcher 2/3 Mehrheit soll denn die Schuldenbremse wieder abgeschafft werden?
Ich habe das Gefühl, als könnte ich den Niedergang der Demokratien in Europa in Zeitlupe mitverfolgen, in Italien werden gerade die Weichen gestellt. Der Neoliberalismus schadet dem sozialen Zusammenhalt und damit der Demokratie. Es hat den Anschein, als wäre das vielen Politikern schlichtweg gleichgültig, vor allem denen, die von ihrem Narzissmus getrieben werden oder/und fernab sozialer Realitäten Politik machen. Ich bin mir sicher, dass das nicht gut ausgeht. Wir haben den Rechtsradikalen Tür und Tor geöffnet.
Mit freundlichen Grüßen
A. M.
3. Leserbrief
Guten Tag,
diesen Ausführungen kann ich nur bedingt zustimmen.
Der Sinn der Schuldenbremse war – wie der Name sagt – die Staatsverschuldung in den Griff zu bekommen.
Natürlich macht es keinen Sinn, wenn man zur Einhaltung der Schuldenbremse die Infrastruktur vor die Hunde gehen lässt, denn auch hier gilt, aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Wer die Sanierung von Brücken, Schulen, Stromleitungen und Eisenbahnschienen mit Hinweis auf die Schuldenbremse vertagt, erreicht genau das Gegenteil. Die künftigen Generationen werden eben nicht entlastet. Es würden dadurch einfach Geldschulden durch Belastungen durch die kaputte Infrastruktur ersetzt.
Die Schuldenbremse soll vielmehr dazu beitragen, dass man alle Ausgaben stetig überprüft und wenn das Geld knapp ist, muss man eben auf nice-to-have Sachen verzichten. Das gilt sowohl für inländische als auch noch viel mehr für Ausgaben zu Gunsten des Auslands.
Dann muss ich mir halt überlegen, ob jegliche Wirtschaftshilfe, Entwicklungshilfe, Soziales Engagement in allen Teilen der Welt (z. T. zu Gunsten von Despoten), für Weltraumforschung und Entwicklung von Militär-Gerät etc. pp. sinnvoll ist, und dem eigenen Volk – in erster Linie – nützt. So viel Egoismus muss sein; der deutsche Staat ist schließlich das deutsche Volk. Das schließt ja nicht aus, dass in Notfällen (Erdbeben, Tsunami etc.) unkompliziert Hilfsmittel bereitgestellt werden.
Aber z.B. rein aus politischen Gründen sich an EU-Sanktionen zu beteiligen, die -fast- ausschließlich zu unseren Lasten gehen, aus rein gesellschaftspolitischen Partei-Gründen die Industrie und Energie-Produktion in D zu zerstören und dann zu behaupten, für die marode Infrastruktur wäre kein Geld da, ist blauäugig und sicher keine nachhaltige Lösung.
Nein, es muss echt gespart werden bei allen Punkten, die nicht Deutschland direkt dienen; die Moral hat hinten anzustehen. Alle Länder – eben außer D – fühlen sich zuerst dem Wohl der eigenen Bevölkerung verpflichtet. Und wenn man gut ist, bleibt – wie in der Vergangenheit – auch noch etwas über, mit dem “globale Projekte” fördern kann.
Alles andere ist Augenwischerei zu Lasten der zukünftigen Generationen – denn irgendwoher muss das Geld ja kommen.
Gruß
Hans Walter Müller
4. Leserbrief
Liebe NachDenkSeiten,
die in der Überschrift genannte Position ist bei den NachDenkSeiten offenbar in Stein gemeißelt.
So wie ich diese Ansicht verstehe, wird die Einnahmeseite des Staates zu einem gegebenen Zeitpunkt als mehr oder weniger fester Betrag angenommen, zusätzliche Ausgaben können dann nur mit neuen Schulden finanziert werden, manchmal auch als Sondervermögen oder unter anderen Namen getarnt.
Die Erhöhung der Einnahmen durch höhere Steuern kommt anscheinend nicht in Frage. Ein anvisierter wirtschaftlicher Aufschwung könnte gefährdet werden, das Kapital, dieses scheue Reh, könnte vergrault werden …
Mir erscheint das zu phantasielos. Meiner Ansicht nach sollten internationale Konzerne grundsätzlich (nur zur Klarstellung: das heißt nicht in jedem Fall) höhere Steuern zahlen als mittelständische oder kleine Unternehmen. Aktuell ist es eher umgekehrt. Konkreter Vorschlag: Steuergesetzgebung so ändern, dass z.B. Amazon, Apple und Google (Alphabet) für ihre Umsätze in Deutschland entsprechend Steuern zahlen. Verlassen die dann Deutschland? Und wenn, was würde es schaden? Andere würden die Marktanteile mit Kusshand übernehmen.
Ich bin besonders deshalb gegen Staatsverschuldung, weil es zig Beispiele gibt, dass Gläubiger Staaten erpresst haben und auch unterhalb dieser öffentlichen Erpressungen kann von Gläubigern oder Gläubigergruppen Druck ausgeübt werden, staatliche Entscheidungen zu ihren Gunsten zu treffen.
Natürlich kann man einwenden, dass für gezielte Steuererhöhungen die politische Kraft fehlt, aber das gilt genauso für Schulden, denn politische Mehrheiten für eine Verwendung im Interesse der Mehrheit der Bevölkerung sind ebenfalls nicht vorhanden.
—
Viele Grüße
Dietmar Siefert
5. Leserbrief
Sehr geehrte Damen und Herren,
zum Artikel von André Tautenhahn “Die Schuldenbremse muss weg” hätte ich folgende Bemerkungen bzw. Fragen:
Verhält es sich nicht so, dass für einen finanziell souveränen Staat keinerlei Grund besteht, überhaupt irgendwelche Schulden in eigener Währung aufzunehmen, da er das Geld, das er ausgibt, genauso gut auch Schulden irgendeiner Art erschaffen könnte, ohne dass dies funktional einen Unterschied machen würde (siehe Maurice Höfgen: “Mythos Geldknappheit”)?
Und verhält es nicht so, dass selbst dann, wenn ein Staat dennoch Schulden in der eigenen Währung aufnehmen sollte, diese mit gewöhnlichen Schulden kaum etwas zu tun haben? Dass hier beispielsweise eine “Überschuldung” völlig unmöglich ist (außer man führt eine solche künstlich durch absurde politische Regelungen herbei)?
Und ist es nicht auch so, dass künftige Generationen schon deswegen nicht belasten müssen, weil der Staat sich eben nicht bei seinen Bürgern verschuldet, sondern neues Zentralbankgeld “aus dem nichts” erschafft – auch wenn dieser Vorgang in einer seltsamen Weise “versteckt” wird, indem der Staat sich über Geschäftsbanken indirekt bei seiner Zentralbank, also bei sich selbst, “verschuldet“?
Natürlich wird man nun einwenden, dass die Bundesrepublik Deutschland als Teil der Euro-Zone kein finanziell souveräner Staat im obigen Sinne sei. Dann wäre es allerdings an der BRD darauf hinzuwirken, dass die Zentralbank allen Mitgliedern jederzeit in einer fairen Weise und unter Berücksichtigung der Inflationsziele alles notwendige Geld zur Verfügung stellt. (Und zwar am besten so, dass nicht einmal rein formal ein Gläubiger-Schuldner-Verhältnis besteht, weil ansonsten in der Öffentlichkeit leicht ein falscher Eindruck entsteht.)
Falls dies politisch auch längerfristig nicht durchsetzbar sein sollte, müsste die BRD ihre Mitgliedschaft in der Euro-Zone überdenken, weil ihr (wie auch allen anderen Mitgliedern der Euro-Zone) durch unsinnige finanzielle Restriktionen ein erheblicher Schaden drohen würde.
Natürlich mag all das politisch derzeit illusorisch sein; ist doch die BRD doch selbst einer der wichtigsten Vorreiter der ökonomischen Inkompetenz und des Widersinns innerhalb der Euro-Zone.
Dennoch schiene es mir wichtig, auf die obigen Zusammenhänge zumindest hinzuweisen. Es sollte deutlich werden, dass die Alternative “finanzielle Engpässe oder Staatsschulden” (wobei diese Staatsschulden dann auch noch wie private Schulden behandelt werden) eine rein politischen Entscheidung darstellt, die keinerlei sachlogische Grundlage besitzt. Ebenfalls sollte erkennbar werden, dass es auch ganz anders und viel besser ginge, wenn nur der entsprechende politische Wille da wäre.
Beste Grüße
J.R.
6. Leserbrief
Hallo Herr Tautenhahn,
was für einen Unsinn schreiben Sie da eigentlich?
“Der Staat muss aber keine Schulden tilgen, das wäre volkswirtschaftlich auch katastrophal, sondern sie immer nur bedienen. Das ist ein Unterschied.”
Nach ihrer Logik ist es also völlig legitim Geld “aus dem Nichts” zu erschaffen und niemals zurück zu zahlen bzw. auf ewig die Zinsen zu bedienen? Auf die Spitze getrieben könnte man ja dann einfach unendlich hohe Schulden machen und niemand bräuchte mehr Steuern zahlen, die Renten könnte man dann verdoppeln und die Infrastruktur auf Pump vergolden lassen?!? Macht kaum Sinn oder? Aber darauf läuft es doch hinaus! Was Du heute kannst nicht bezahlen, schiebe späteren Generationen unter. Das Argument, die Schulden werden ja investiert und zukünftige Generationen haben was davon, trifft nur bedingt zu. Denn wo das Geld landet, ist erst mal nicht offensichtlich. Wurde es in der Vergangenheit oft genug für Wählergeschenke verschwendet. Selbst wenn man annähme, dass die Schulden bspw. für Straßenbau verwendet werden, lässt sich daraus nicht unbedingt ableiten, dass es sinnvoll war diese Schulden zu machen. Denn per se werfen Straßen erst mal kein Geld ab. Im Gegenteil, sie kosten viel Geld für Instandhaltung und das auf ewig (da Straßen so gut wie nie zurück gebaut werden). Zukünftige Generationen haben also doppelt was davon: Schulden und laufende Kosten für die Instandhaltung. Das gilt so oder so ähnlich für vieles.
Das soll jetzt nicht heißen, man soll keine Straßen bauen. Es sollte aber ohne Schulden zu machen getan werden. Ich habe auch nichts dagegen, wenn der Staat in einer Krise mehr Geld rausbläst und damit den “Laden am Laufen hält”. Nur muss man die dafür gemachten Schulden dann auch wieder abbauen. Letzteres passiert halt nie. Folge sind 2022 15Mrd.€ Zinsen die durch Steuern aufgebracht werden müssen. 2023 werden es voraussichtlich 40Mrd. € sein. Wo kommen die her? Natürlich vom Steuerzahler. Jedes Jahr wieder, außer die Zinsen sinken wieder auf 0.
Das ist ja “nur” soviel wie im Haushalt 2023 für das Verkehrsministerium zur Verfügung steht. Oder doppelt soviel wie für Bildung und Forschung. Nur Verteidigung (53Mrd€ = krank) und Arbeits- und Sozialministerium (171Mrd. € liegen da drüber)
Ohne Schulden im Rücken hätten wir das Geld zum Ausgeben oder zur Steuersenkung. Wäre das nicht sinnvoller?
Auch ein Staat muss mit dem Geld was er einnimmt haushalten, auf lange Sicht kann das sonst niemals funktionieren.
MfG
H. Dietrich
7. Leserbrief
Verehrte Macher der Nachdenkseiten,
verehrte Herren Tautenhahn und Flassbeck,
mir wird es ganz schwindelig zu erfahren, dass dagegen lamentiert wird, das Grundgesetz, so wie es aktuell zementiert ist, zu respektieren, dass Schulden einfach an die nächsten Generationen vererbt werden sollen, dass der Staat keine Schulden tilgen, sondern lediglich bedienen muss, ohne zu erwähnen was passiert, wenn die Zinsen mal wieder das Niveau der Siebziger oder der Achtziger Jahre erreichen könnte und möglicherweise Haushalt zu erdrosseln drohen, dass das Sparen von heute zu Belastungen von morgen führen würde und etwa dass „Wirtschaftswachstum und höhere Steuereinnahmen die Folge steigender Staatsausgaben sind und nicht umgekehrt“.
Der aktuelle Schuldenberg der öffentlichen Hand dürfte sich mittlerweile auf fast 3. Billionen € erhöht haben. Darin sind beispielsweise zinslose „Darlegen“ wie die der Rentenkasse gegenüber unterschlagenen Gelder in Höhe von fast 1 Billion € und die Verpflichtungen hinsichtlich der Beamtenpensionen in ähnlicher Höhe noch nicht berücksichtigt.
Und Herr Flassbeck, der Fachkollegen die anderer Auffassungen sind, sinngemäß als unbelehrbare Ignoranten apostrophiert, was einem schmerzt so was auf den NachDenkSeiten zu lesen, erinnert an den Herrn Lautenbach als Lichtgestalt aus den dreißiger Jahren, wobei man skeptisch sein sollte, wenn die Lösungen so einfach sein sollen wie es die Gleichung EU = I + VU – SN andeutet. Und es stellt sich dabei die Frage, ob die damaligen Randbedingungen auch heute noch gültig sind.
Dabei müsste man bestürzt sein, dass der deutsche Staat jährlich fahrlässig und/oder vorsätzlich auf Steuereinnahmen in der Größenordnung von 200 Mrd. € verzichtet. Von diesem seit Jahrzehnten bestehenden Skandal haben die beiden Autoren wohl noch nicht gehört. Zumindest fehlt hier diesbezüglich ein einziges Wort und auch im Zusammenhang mit der Schwarzen Null bleibt dieser Sachverhalt von der Mainstreammedien gemeinhin unerwähnt.
Lassen Sie mich einige Beispiele stichwortartig erwähnen.
Die Umsatzsteuerkarusselle schädigen die EU jährlich um geschätzte 50 Mrd. €, siehe Frontal21 auf YouTube, betrügerische Unternehmen, die Inlandsgeschäfte als Exporte falsch deklarieren je nach Quelle bis zu 64 Mrd. € jährlich, z.B. Wirtschaftswoche „Bis zu 60 Mrd. € im Jahr: EU-Handelsdaten zeigen mögl. Umsatzsteuerbetrug“, und Verluste vor allem im Onlinehandel mit Fernost, vielleicht nochmals 40 Mrd. € was der Bundesrechnungshof seit Jahren anprangert, siehe z. B. Wirtschaftliche.de „Warum Deutschland ein Eldorado für chinesische Onlinehändler ist“. Gehen wir von ca. 150 Mrd. € jährlich aus, Wäre Deutschland mit ca. 30 Mrd. € dabei? Olaf Scholz und alle Parteien wissen sehr genau Bescheid.
Die Finanzverwaltung ist weiterhin vorsätzlich personell unterbesetzt. Der SPIEGEL taxierte vor 10 Jahren die Steuerausfälle auf bis zu 50 Mrd. € jährlich „Steueroase Deutschland“. Jüngst konnte man lesen, dass Steuerprüfungen von Einkommensmillionären sich innerhalb kurzer Zeit halbiert hätten. Die Geschichte der rechtschaffenen Steuerfahnder aus Frankfurt, die behördlicherseits zu Idioten erklärt worden waren, beweisen, dass unser kapitalistisch durchdrungener Staat den Reichen und Superreichen nicht ans Portemonnaie will. Ein niedrigrangiger SPD-Politiker vor Jahren persönlich: „Standortvorteil“.
“Der tägliche Betrug an Deutschlands Kassen“ beläuft sich lt. dem Fachverband für Kassen- und Abrechnungssystemtechnik auf 50 bis 70 Mrd. € jährlich. SZ.de vom 28. November 2019. Hieran hat sich nicht viel geändert.
Die seitens Hans Eichel und Heribert Zitzelsberger eingeführte 95%ige Steuerfreiheit von Gewinnen bei Firmenverkäufen existiert offenbar immer noch und verhilft internationalen Konzernen zu Milliardengewinnen in Deutschland.
Steuerhinterziehung kostet die EU-Staaten 825 Mrd. € p.a. Soweit erinnerlich war es Norbert Häring, der vor Jahren darauf hingewiesen hat, dass der deutsche Fiskus diesem Unwesen zumindest etwas Einhalt gebieten könne ohne internationale Vertrage auch nur anzutasten.
Weiterhin seien genannt: Vermögensteuer, Erbschaftsteuer für sehr Reiche, Unternehmenssubventionen, deren Begründung lt. Rechnungshof längst entfallen ist, Dienstwagenprivileg, Kerosinsteuer, die von Olaf Scholz kürzlich novellierte Grunderwerbsteuer, die verfehlte Finanztransaktionssteuer und vieles, vieles mehr.
Dies als Denkanstoß für die beiden Autoren im Zusammenhang mit dem Schulden machen. Vielleicht doch nicht alternativlos!
Mit freundlichen Grüßen
Volker Rüdinger
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