Die NachDenkSeiten-Macher sind gestern mal wieder als Verschwörungstheoretiker gebrandmarkt worden. Einfach so, ohne Beleg, nicht dank eigener Recherche, sondern mit Berufung auf (nicht genannte) Dritte. Eine Rückfrage beim Autor ergab: Er beruft sich auf Äußerungen des früheren Mitherausgebers Lieb, die in diesem Artikel zitiert werden. Beklagt wird beispielsweise, dass wir auf den NachDenkSeiten in Bezug auf manche Personen von „Einflussagenten“ sprechen und die CIA für sehr einflussreich auch hierzulande halten. Inhaltlich geht es dabei um die auf den NachDenkSeiten gelegentlich bezweifelte Souveränität unseres Landes. Auch bei meiner letzten Diskussionsveranstaltung am vergangenen Mittwoch bin ich danach gefragt worden, wie es um die Souveränität unseres Landes bestellt sei. Albrecht Müller.
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Ich musste den zweifelnden Fragestellern recht geben.
Dass unser Land und seine Regierung nicht souverän sind, kann man an mehreren deutlichen Zeichen festmachen:
Nehmen wir als Beispiel den Militärstützpunkt der USA in Ramstein. Bestimmen wir, bestimmt unser Volk, bestimmt die Bundesregierung, was dort und von dort aus geschieht? Ist die Bundesregierung gefragt worden, ob der US-amerikanische Verteidigungsminister Kolleginnen und Kollegen aus allen Herren Länder nach Ramstein einladen darf, um dort potenzielle militärische Maßnahmen gegen Russland zu besprechen? Nein, wir und die Bundesregierung sind nicht gefragt worden. Es folgen Berichte und Texte, die das eindeutig belegen.
Hier ist der Rheinpfalz-Bericht zur letzten Konferenz in Ramstein:
RAMSTEIN
Ukraine-Unterstützergruppe: Drei neue Verteidigungsminister auf der Airbase
Georg Altherr19. September 2023 – 09:52 Uhr
In Ramstein hat am Morgen eine neue Konferenz der so genannten Ukraine-Kontaktgruppe begonnen. Dabei handelt es sich um Staaten, die die Ukraine im Kampf gegen den russischen Angriff unterstützen. Nicht alle diese Staaten gehören der Nato an, aber die meisten. Der US-amerikanische Verteidigungsminister Lloyd Austin hat wieder zu diesem Treffen auf dem US-Flughafen Airbase Ramstein geladen. Rund 50 Staaten sind der Einladung gefolgt. Die meisten werden durch ihren Verteidigungsminister vertreten. Neu in der Runde sind dabei die Minister aus der Ukraine, aus Großbritannien und Kanada, denn in diesen drei Staaten hat es seit dem vorherigen Zusammenkommen vom April einen Personalwechsel an der Spitze des Verteidigungsministeriums gegeben. Aus deutscher Sicht wichtig: Verteidigungsminister Boris Pistorius hat sich das Coronavirus eingefangen und kann an dem Treffen nicht teilnehmen. Deutschland wird an diesem Dienstag von Staatssekretärin Siemtje Möller vertreten.
Eingeladen hat also – wie immer – der US-amerikanische Verteidigungsminister. Der deutsche Minister ist krank gewesen und deshalb gar nicht dabei gewesen.
Bei dieser Gelegenheit wie auch bei anderen verfügen die USA über das deutsche Hoheitsgebiet. Das muss man dabei einfach wissen: Die US-Basis in Ramstein ist kein ex-territoriales Gebiet. Außerdem, und das ist für alle Menschen, die wie ich im weiteren Umfeld dieser Militäreinrichtung leben, wird Ramstein im kriegerischen Ernstfall eines der ersten und bedeutendsten Ziele bei einem Gegenschlag aus dem Osten sein. Wir hier in der Pfalz sind im konkreten Fall mehr bedroht als die Bundesregierung in Berlin.
Im Zusammenhang damit habe ich noch eine weitere interessante und für unser Thema einschlägige Entdeckung gemacht:
In der Nähe von Ramstein, in Weilerbach bei Landstuhl, liegt das größte US-amerikanische Militärkrankenhaus außerhalb der USA. Die noch nicht lange zurückliegende Entscheidung für den Bau dieses Militär-Krankenhauses deutet darauf hin, dass sich die USA auf eine sehr lange Zeit darauf einrichten, hierzulande präsent zu bleiben. Außerdem: Wir sind an der Entscheidung für dieses Krankenhaus nicht beteiligt worden, allerdings an der Finanzierung schon. So gehört es sich für ein souveränes Land.
Ausgesprochen interessant ist in diesem Kontext die Antwort auf eine kleine Anfrage einiger Bundestagsabgeordneter. Siehe hier. Bitte lesen und vor allem die zweite Frage und die Antwort darauf beachten:
Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage
der Abgeordneten Paul Schäfer (Köln), Christine Buchholz, Annette Groth, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. –
Drucksache 17/7716 –
Neubau eines US-Militärkrankenhauses bei Weilerbach
Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r
Für etwa 1,2 Mrd. US-Dollar will die US-Regierung bis 2018 auf dem ehe-maligen US-Munitionsdepot bei Weilerbach ein neues Militärkrankenhaus bauen. Das nur wenige Kilometer entfernt gelegene Landstuhl Regional Medi- cal Center, das mit etwa 3 000 Mitarbeitern größte Militärlazarett außerhalb der USA, soll geschlossen werden.
Trotz der angekündigten Reduzierung der in Deutschland stationierten US-Truppen scheinen die USA nach wie vor die US-Air-Base Ramstein als wichtigste europäische Drehscheibe für den Lufttransport von US-Truppen ausbauen zu wollen und weiterhin größere Kapazitäten für die Versorgung auch von verwundeten US-Soldatinnen und – Soldaten aus den angrenzenden Einsatzgebieten in Afrika und dem Nahen Osten bzw. Zentralasien aufrechterhalten zu wollen.
Über die gemäß dem NATO-Truppenstatut, den Zusatzabkommen sowie den weiteren bilateralen deutsch-amerikanischen Vereinbarungen für die auf Bundesebene, auf Landesebene und in den Gemeinden anfallenden Risiken und Kosten besteht nach wie vor Unklarheit.
- Wann wurde die Bundesregierung über die Planungen der US-Streitkräfte informiert, bei Weilerbach ein neues Militärkrankenhaus zu bauen?
Erste informelle mündliche Mitteilungen, dass die USA den Standort Weilerbach in Erwägung ziehen, erhielt die Bundesbauverwaltung in Rheinland-Pfalz Mitte 2009. Das erste offizielle Schreiben, in dem die USA den Bund (BMVBS) mit der Durchführung der Baumaßnahme auf der Grundlage einer US-seitig noch zu schließenden Konzeptplanung nach den (Auftragsbauten- grundsätzen 1975 (ABG 75) zum Zusatzabkommen zum Natotruppenstatut (ZA-NTS) beauftragt, wurde dem BMVBS im Juli 2010 übermittelt.
- 2. War die Bundesregierung in den Entscheidungsprozess der US-Streitkräfte für den Neubau eines Militärkrankenhauses eingebunden, und wenn ja, wann hat sie aus welchen Gründen dem Neubau zugestimmt?
Nein.
Allein schon dieses Nein, also das Zugeständnis der Bundesregierung, dass sie nicht in den Entscheidungsprozess zum Bau eines zentralen Militärkrankenhauses der USA in Deutschland eingebunden wurde und auch nicht zustimmen oder ablehnen konnte, müsste jedem Zeitgenossen, der an die Souveränität unseres Landes glaubt, das Maul stopfen – zumal wir an der Finanzierung des Projektes, an dessen Planung wir nicht beteiligt waren und der wir somit auch nicht zugestimmt haben, durchaus beteiligt werden.
Mitbestimmen und mitentscheiden dürfen wir über die Nutzung unseres eigenen Landes nicht, aber mitfinanzieren dürfen wir. Siehe im Folgenden:
Wer bezahlt das US Krankenhaus?
„Laut Nato-Truppenstatut übernehmen die USA die Baukosten von 859 Millionen Euro für die Klinik“, sagt Göbel. „Der Bund beteiligt sich mit 151 Millionen Euro an den Planungskosten.“ 08.06.2022
Die zuvor skizzierte Beschränkung der Souveränität unseres Landes im konkreten Fall der Air Base Ramstein und des Militärkrankenhauses in Weilerbach sind ja geradezu harmlos im Vergleich zu der sonstigen Einflussnahme auf die deutsche Politik. Auf diese Fälle will ich mit ein paar kurzen Stichworten hinweisen:
- Die USA haben weitgehend mitgeprägt und mitbestimmt, dass Deutschland entgegen der ursprünglichen Zurückhaltung seit 1999 an militärischen Interventionen außerhalb des NATO-Bereichs mitmacht. Wichtige politische Kräfte wie die SPD und die Grünen und die Linkspartei waren programmatisch unmittelbar nach 1990 darauf aus, die Zusammenarbeit in Europa auch mit Russland, von Lissabon bis Wladiwostok, wie es hieß, anzustreben. Das Berliner Programm der SPD vom Dezember 1989 zum Beispiel legte sich auf diese friedenspolitische Konzeption fest. Danach allerdings sind wir alle umgedreht worden, auch mithilfe von sogenannten Einflussagenten. Ich habe mehrere von dieser Sorte während meiner Tätigkeit im Deutschen Bundestag und in der SPD-Bundestagsfraktion konkret erlebt.
- Die USA bestimmen zu einem beachtlichen Teil bei der inneren Entwicklung unserer Parteien mit. Bevor Sie jetzt gleich in Zweifel verfallen und protestieren, würde ich dazu raten, dass Sie sich in die Rolle der immer noch vorherrschenden Weltmacht versetzen. Versetzen Sie sich einfach mal in die Lage des US-amerikanischen Präsidenten oder des Chefs der CIA. Dann würden Sie doch selbstverständlich Ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen anweisen, dafür zu sorgen, dass in allen wichtigen Partnerländern Kräfte zum Zuge kommen, die mit den USA freundschaftlich verbunden sind. Diese Maßgabe, diese Vorsichtsmaßnahme ist doch das Selbstverständlichste von der Welt.
Selbstverständlich gibt es viele Bereiche der Politik, insbesondere in der Innenpolitik, die vom gewählten Parlament und der Bundesregierung auch ohne Einfluss der Alliierten gestaltet werden können. Die Aufgabe der Souveränität zielt vor allem auf die Außen- und Sicherheitspolitik. Ich muss aber leider ergänzen, dass auch in der Gesellschaftspolitik Einflüsse von außen spürbar sind. Auf die Gestaltung unseres Altersvorsorgesystems wird zum Beispiel immer versucht, Einfluss zu nehmen. Auch auf Privatisierung bisher öffentlicher Leistungen wird Druck ausgeübt. Die neoliberale Ideologie ist in den Nuller Jahren nicht ohne Druck und Einfluss von außen bei uns implementiert worden. Aber es gilt, dass es in der Außen- und Sicherheitspolitik einen sichtbaren, schlimmeren Mangel an Souveränität gibt.
Der langen Rede kurzer Sinn: Wer davon ausgeht, dass in unserem Land in vielen wichtigen politischen Bereichen Einflussagenten tätig sind, der ist kein Verschwörungstheoretiker, sondern ein Realist.
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