SPD-Werbebroschüre für die Rente mit 67: Statt Fakten und Argumente mal wieder Mythen und falsche Behauptungen
In einer Werbebroschüre mit dem Titel „Heute handeln für die Altersvorsorge von morgen“ [PDF – 148 KB] versucht die SPD auf den massiven Unmut gegen die Rente mit 67 zu reagieren. Dabei wird u.a. wieder einmal mit demografischen Horrorzahlen über die Entwicklung der Beitragszahler im Verhältnis zu den zu versorgenden Rentnern operiert. Einmal mehr wird die Legende aufgetischt, dass der demografische Wandel die Einschnitte in die Rente erzwinge und es wird schlicht geleugnet, dass die Probleme der Rentenfinanzierung ihre Ursache vor allem in einer verfehlten Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik haben.
Nach dem ZDF-Politbarometer vom 17.02.06 finden 78 Prozent aller Deutschen die schrittweise Erhöhung des Rentenalters auf 67 bis spätestens 2029 nicht richtig und nur 21 Prozent sprechen sich dafür aus. Alle Parteianhängergruppen lehnen diese von der Bundesregierung beschlossene Maßnahme klar ab, vor allem die Anhänger der Sozialdemokraten.
Kein Wunder also, dass mit der Basta-Entscheidung des Sozialministers Franz Müntefering, die Einführung der Rente entgegen dem Koalitionsvertrag sogar noch zeitlich vorzuziehen, die Zustimmungswerte zur SPD deutlich abnehmen. Gegen den Unmut der großen Mehrheit, will nun die SPD mit Fakten und Argumenten angehen.Doch statt Fakten und Argumenten finden wir unsinnige Zahle und Horrorbehauptungen.
Dazu nur zwei Beispiele:
Erstens: Einmal mehr wird behauptet im Jahre 2000 kämen auf 4,13 Beitragszahler auf einen Rentner und im Jahre 2040 (!) nur noch 1,9 Beitragszahler pro Rentner.
Nach den Zahlen des Verbandes Deutscher Rentenversicherer gab es im Jahre 2003 etwa 26,5 Mio Beitragszahler, denen etwa 19 Mio Rentner gegenüber standen. Nach Adam Riese macht das 1,4 Beitragszahler zu 1 Rentner (die 4 Mio zusätzlichen Witwen- und Waisenrenten sind dabei noch nicht einmal berücksichtigt). Nun stützt sich die SPD angeblich auf die Rürup-Kommission. Wie aber die Rürup-Kommission (und die SPD) auf 4:1 kommen, ist absolut schleierhaft. Man kann es rechnen wie man will: Bei 19 Millionen Rentnern müssten es (4 x 19, also) 76 Millionen Beitragszahler sein. Das heißt: Selbst wenn alle Einwohner der Bundesrepublik vom Neugeborenen bis zum 65jährigen sozialversicherungspflichtig arbeiten würden, kommt man nicht auf 76 Millionen. Ohne die 19 Millionen Rentner müsste die BRD dann nämlich 95 statt 82 Millionen Einwohner haben. Um dem Werbeträger des Finanzdienstleisters MLP und Vorsitzenden des Sachverständigenrates Rürup aber nicht unrecht zu tun, müsste man noch hinzufügen, dass in dem von der SPD als Quelle genannten Rürup-Bericht an keiner Stelle von einem Verhältnis von 4:1 zwischen Beitragszahlern und Rentnern im Jahre 2000 die Rede ist, vielmehr ist damit nur der Altersquotient beschrieben und selbst Rürup weist darauf hin, dass die Zahl der potentiell Erwerbstätigen zwischen 15 und 65 nicht mit den tatsächlich sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigen verwechselt werden darf. Aber das stört die Autoren der SPD-Broschüre wenig. Hauptsache man kann mit den Zahlen Ängste schüren.
Zweitens: Unter der Überschrift „Demografischer Wandel II“ geht es in dem SPD-Papier um den “späteren Berufseinstieg” und “kürzere Lebensarbeitszeiten”. Beides haben mit Demografie soviel zu tun wie die Höhe des Meeresspiegels mit der Meteorologie. Zwar beeinflusst ohne Zweifel die jährliche Regenfallmenge und das Abschmelzen der Gletscher die Meereshöhe, doch für späteren Berufseinstieg und kürzere Lebensarbeitszeiten sind längere Ausbildungszeiten und insbesondere die Lage auf dem Arbeitsmarkt die entscheidenden Faktoren. Wenn heute über 500.000 Jugendliche unter 25 ohne sozialversicherungspflichtige Beschäftigung sind und nur noch ca. 20 % der über 60jährigen einen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz haben, dann hat das nichts (!) mit Demografie zu tun, sondern mit einer verfehlten Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik. Dass die Rente mit 67 dieses Problem nicht löst, erschließt sich leicht.
Die Rente mit 67 ist also einmal mehr ein aussichts- und hilfloses Kurieren an den Symptomen, statt an den Ursachen anzusetzen und eine Politik zu machen, die mehr Menschen wieder in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse bringt und das Erwerbspersonenpotential wieder besser ausschöpft.
Kein Wunder, dass laut Politbarometer nur noch 16 Prozent der Befragten der SPD noch eine Kompetenz beim Thema Rente zutrauen und deshalb erstaunt es auch nicht, dass das Ansehen von Franz Müntefering in der Bevölkerung rapide auf einen Wert von 0,8 absinkt.
Anmerkung: In der Broschüre wirbt der SPD-Vorsitzende Matthias Platzeck ganz unverhohlen für die „ergänzende private Altersvorsorge“. Statt alles zu tun um die gesetzliche Rentenversicherung über eine aktive Beschäftigungspolitik zu stabilisieren, übernimmt nun die SPD selbst die Rolle eines Werbträgers der Versicherungswirtschaft – finanziert mit den Beiträgen ihrer Mitglieder.