Hinweise der Woche
Am Wochenende präsentieren wir Ihnen einen Überblick über die lesenswertesten Beiträge, die wir im Laufe der vergangenen Woche in unseren Hinweisen des Tages für Sie gesammelt haben. Nehmen Sie sich ruhig auch die Zeit, unsere werktägliche Auswahl der Hinweise des Tages anzuschauen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JB)
Wir weisen darauf hin, dass die jeweiligen Anbieter für die Barrierefreiheit ihrer Angebote selbst verantwortlich sind und es durchaus sein kann, dass der Zugang von zunächst freien Inhalten nach einer Zeit beschränkt wird.
Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:
- Pistorius sieht Gefahr eines Kriegs in Europa
- „Deutschland kriegstauglich machen”
- Sahra Wagenknecht im Interview: „Unsere Partei darf nicht von Spinnern gekapert werden“
- Palästinenser in Deutschland: „Ist unser Leben weniger wert?“
- Eine Region in Aufruhr
- Studie der Böckler-Stiftung – Armut gefährdet die Demokratie
- Jüdische Wissenschaftlerin Judith Butler verurteilt Israels “Völkermord” in Gaza
- Baerbocks Außenministerium schweigt zu Julian Assange – Dagdelen: „Vollkommen inakzeptabel“
- Abschieben und abwerben
- Can you see the avocado?
Vorbemerkung: Ursprünglich hatten wir geplant, in unserer Wochenübersicht auch auf die lohnenswertesten redaktionellen Beiträge der NachDenkSeiten zu verweisen. Wir haben jedoch schnell festgestellt, dass eine dafür nötige Vorauswahl immer damit verbunden ist, Ihnen wichtige Beiträge vorzuenthalten. Daher möchten wir Ihnen raten, am Wochenende doch einfach die Zeit zu nutzen, um sich unsere Beiträge der letzten Wochen (noch einmal) anzuschauen. Vielleicht finden Sie dabei ja noch den einen oder anderen Artikel, den es sich zu lesen lohnt. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
- Pistorius sieht Gefahr eines Kriegs in Europa
Der Konflikt in Nahost und Russlands Krieg gegen die Ukraine sollten auch in der deutschen Gesellschaft Konsequenzen haben, fordert Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius. Der SPD-Politiker sagte in der ZDF-Sendung “Berlin direkt”: “Wir müssen uns wieder an den Gedanken gewöhnen, dass die Gefahr eines Krieges in Europa drohen könnte.” Deutschland müsse wehrhaft sein, das gelte sowohl für die Bundeswehr als auch für die Gesellschaft: “Wir müssen kriegstüchtig werden”, so Pistorius. Zugleich werde Deutschland im Nahost-Konflikt alles dafür tun, dass es zu keiner weiteren Eskalation komme. Vorwürfe, die Bundesregierung sei bei der sogenannten Zeitenwende zu langsam, wies Pistorius zurück. “Viel mehr Tempo geht gar nicht.” Man habe nicht nur ein Sondervermögen für die Bundeswehr in Höhe von 100 Milliarden Euro aufgelegt, sondern auch Strukturen verändert. Wohl aber sei die Bundeswehr lange vernachlässigt worden, sagte Pistorius: “Das alles lässt sich, was in 30 Jahren verbockt worden ist, sorry wenn ich das so sage, und runtergewirtschaftet worden ist, nicht in 19 Monaten wieder einholen.” Deutschland werde aber bereits Ende dieses Jahrzehnts ganz anders dastehen. Zuvor hatte sich Wirtschaftsminister Robert Habeck für mehr Geld für die Bundeswehr ausgesprochen. Der Grünen-Politiker sagte, darüber müsse rechtzeitig debattiert werden – und zwar, bevor das Sondervermögen auslaufe. “Wenn wir die Zeitenwende ernst nehmen, muss Deutschland für seine Sicherheit mehr tun. Dafür werden wir für die Bundeswehr viel Geld brauchen.”
Quelle 1: ZDF
Quelle 2: Berlin direktAnmerkung unseres Lesers E.W.: Kriegsminister Pistorius forderte u.a. einen Mentalitätswechsel in der Bevölkerung und erklärte (ab min. 11:44) “wir müssen kriegstüchtig werden”. Ein Horror das mittlerweile Politiker öffentlich in einem öffentlich-rechtlichen Sender so etwas unwidersprochen(!) zum Besten geben können. Kriegsvorbereitung ist angesagt, Landesverteidigung war gestern. Ich kann nur hoffen das Mentalitätswechsel in der Bevölkerung so ausfällt, dass diese kriegsvorbereitende Politik endlich abgewählt wird! In allen Sozialetats soll gestrichen werden, zugunsten einer nie dagewesenen Aufrüstung. Unfassbar!!
Anmerkung unserer Leserin I.S.: Fassungslos. Wie können wir das einfach so hinnehmen? Wir sollen uns an KRIEG gewöhnen??? Meine Söhne sind 20 und 23 Jahre alt. Soll ich mich schonmal an den Gedanken gewöhnen, dass sie bald als Soldaten sterben? Ja, ich weiß. Er hat es geschickt formuliert. Gefahr. Drohen. Könnte. Damit wir zunächst erstmal die weitere Aufrüstung hinnehmen. Leute, geht auf die Straße. Protestiert. Seid laut! Geht endlich auf die Straße und protestiert!
- „Deutschland kriegstauglich machen”
Verteidigungsminister Boris Pistorius sucht die deutsche Bevölkerung auf einen möglichen Krieg einzuschwören und fordert, die Bundesrepublik müsse „kriegstüchtig werden“. „Wir müssen uns wieder an den Gedanken gewöhnen, dass die Gefahr eines Krieges in Europa drohen könnte“, äußerte Pistorius am Sonntagabend. Seine Forderung hat er am gestrigen Dienstag bekräftigt. Bereits am Freitag hatte er in einer Rede an der Hamburger Führungsakademie der Bundeswehr vor rund 300 Offizieren erklärt, die 100 Milliarden Euro Sonderschulden („Sondervermögen“), die Kanzler Olaf Scholz unmittelbar nach Beginn des Ukraine-Kriegs zur Aufrüstung der Bundeswehr bereitgestellt hatte, reichten allenfalls bis 2027 oder 2028 aus. Vizekanzler Robert Habeck spricht sich bereits heute ausdrücklich für ein zweites Schuldenprogramm zur Finanzierung der weiteren Waffenbeschaffung aus. Weil Deutschland militärisch auf Bündnisse angewiesen sei, erklärt Pistorius Kritik an NATO und EU zur Gefährdung der „Sicherheit Deutschlands“; er engt damit die Bandbreite öffentlich akzeptierter Meinungen weiter ein. Darüber hinaus dringt er auf einen „Mentalitätswechsel“ in der Bevölkerung hin zu größerer „Wehrhaftigkeit“.
Quelle: German Foreign Policy - Sahra Wagenknecht im Interview: „Unsere Partei darf nicht von Spinnern gekapert werden“
Wagenknecht gründet eine eigene Partei. Hier spricht sie über den gescheiterten Plan zur Rettung der Linken, ostdeutsches Gespür für Bevormundung und darüber, was konservativ ist. […]
Warum haben Sie als bekannteste und beliebteste Politikerin der Linken nie für den Parteivorsitz kandidiert? Wer außer Ihnen hätte das Ruder rumreißen können?
Ich habe schon lange keine innerparteiliche Mehrheit mehr. Zumindest nicht bei den Funktionären. Wir haben ja immer wieder versucht, die Schwerpunkte der Linken zu verändern, aber es ist uns nicht gelungen. Das Problem ist nicht nur die Parteiführung, sondern auch, dass sie mit ihrem Fokus auf kleine aktivistische Milieus beim aktiven Teil der Partei große Unterstützung hat.
Gregor Gysi sagte dem Spiegel, dass er Sie fast dazu gebracht hätte, in der Linken zu bleiben. Sie beide hätten sogar ein Papier mit gemeinsamen Positionen verfasst. Auch die Parteichefs wären, obwohl es ihnen nicht richtig gefallen habe, einverstanden gewesen. Allerdings hätten diese dann Ihre Friedensdemo nicht ausreichend unterstützt, woraufhin Sie nicht mehr an einer Lösung interessiert gewesen wären. Ist das richtig?
Nein. Die Parteivorsitzenden hatten das Papier zur Strategie der Linken, auf das sich Gysi und ich vor gut einem Jahr geeinigt hatten und das sehr vernünftig war, nicht unterstützt. Sonst hätte es die von Gysi vorgeschlagene Pressekonferenz ja gegeben. Die Kundgebung war erst Ende Februar 2023. Aber es ist müßig, darüber zu spekulieren, ob dann alles anders gekommen wäre. Ein gemeinsames Papier hätte sicher nicht gereicht, damit die Linke das Vertrauen der Wähler zurückgewinnt.
Sie sagen immer, die Linke habe sich in den vergangenen Jahren verändert. Aber trifft das nicht auch auf Sie selbst zu?
Sicherlich, wenn Sie sich meine gesamte Biografie anschauen, ist das so. Aber wenn Sie meine Bücher lesen, wird Ihnen auffallen, dass ich meine wirtschaftspolitischen Positionen schon seit vielen Jahren vertrete.
Quelle: Berliner Zeitung - Palästinenser in Deutschland: „Ist unser Leben weniger wert?“
Der Terror der Hamas und die Bombardierung des Gazastreifens durch das israelische Militär haben auch Folgen für die Palästinenser in Deutschland. Der Kontakt zu den Verwandten bricht immer wieder ab und viele haben Angehörige verloren
In Deutschland lebt die größte palästinensische Diasporagemeinschaft Europas. Viele der hier lebenden Palästinenser:innen sind persönlich stark von dem Beschuss des Gazastreifens durch das israelische Militär betroffen.
der Freitag: Danke, dass Du Dich bereit erklärt hast, dieses Gespräch zu führen. Du bist in Gaza aufgewachsen, hast dort studiert, Dich für Frauenrechte engagiert, lebst seit 2016 in Deutschland und arbeitest hier als Sozialarbeiterin. Der Großteil Deiner Familie lebt immer noch in Gaza.
Sarah A.*: Alle meine Erinnerungen sind dort. Ich vermisse mein Leben in Gaza, die Menschen, unser Haus, unseren Garten, die Orangenbäume, Spazierengehen, Teetrinken abends am Meer. Jetzt ist alles zerstört. Die Straße am Meer, wo wir uns immer abends trafen, um ein bisschen Freiheit zu spüren, wurde zerstört.
In den letzten Tagen hast Du mehrere Familienmitglieder durch die Bombardierungen des israelischen Militärs verloren. Das ist kein leichter Schritt, in einem intimen Moment der Trauer an die Öffentlichkeit zu gehen.
Meine Eltern und Geschwister sind alle in Europa. Aber meine Cousinen, Tanten, Onkel, Nichten und Neffen sind im Gazastreifen. Ich habe 30 Familienmitglieder in Nord Gaza verloren. 14 davon sind Kinder unter 15 Jahren. Ich habe es über Facebook erfahren. Zuerst sah ich nur die Namen, dann habe ich weiter gesucht und sah die Bilder der Getöteten. Vor einer Woche habe ich noch mit einigen geschrieben, dann brach aber der Kontakt ab. Der letzte Kontakt war am 8. Oktober. Dann gab es keinen Strom mehr. Ich kann es nur schwer beschreiben, wie es sich anfühlt, eine Liste mit 30 Namen zu sehen: Großvater, Großmutter, Mutter, Vater, Kinder, Enkelkinder. Eine ganze Familie wurde ausgelöscht.
Quelle: der Freitag - Eine Region in Aufruhr
Der Gazakrieg entfacht die arabische Welt: Die Wut richtet sich nicht nur gegen die militärische Antwort Israels, sondern auch gegen den Westen.
Die Abstimmung am 27. Oktober war eindeutig. 120 Staaten votierten in der UN-Generalversammlung für eine von Jordanien eingebrachte Resolution für eine sofortige und dauerhafte Waffenruhe. Nur 14 Staaten stimmten dagegen, darunter Israel und die Vereinigten Staaten. Dass die Bundesrepublik sich mit 44 anderen enthielt, obwohl die verbreitete Erklärung eher eine Ablehnung nahelegte, mag vor allem der Überlegung geschuldet sein, die Gesprächskanäle zu all jenen, die Israels Krieg gegen den Gazastreifen kritisch sehen, nicht abreißen zu lassen.
Die in Deutschland verbreitete Sicht, Israel freie Hand für jegliches Vorgehen gegen die Hamas zu geben, ist im globalen Maßstab jedenfalls eindeutig minoritär. Angesichts der unmenschlichen Grausamkeiten vom 7. Oktober wollte der politische Westen die Antwort darauf als Kampf gegen den Terrorismus framen. Dies kann schon jetzt als gescheitert angesehen werden. Spätestens seit den grausamen Bildern der Explosion im Al-Ahli-Al-Arabi-Krankenhaus in Gaza-Stadt ist die arabische Welt in Aufruhr. Ungeachtet dessen, dass der Ursprung dieses Unheils, welches vermutlich Hunderte Menschenleben kostete, weiterhin umstritten ist, war dies der Funke, der die Straßen von Algier bis Amman, von Beirut bis Bagdad, in Brand setzte. Hunderttausendfach gingen die Menschen auf die Straße, in den sozialen Netzwerken explodierten die Solidaritätsbekundungen für Palästina.
Die arabischen Staatschefs – die sich bis dahin in einem diffizilen Balanceakt versuchten zwischen dem ungeliebten, doch mittlerweile akzeptierten jüdischen Staat auf der einen und der als Befreiungsbewegung getarnten Terrororganisation auf der anderen Seite – waren nun gezwungen, Farbe zu bekennen. In einem beispiellosen diplomatischen Paukenschlag schlug der jordanische König dem US-Präsidenten die Tür ins Gesicht und sagte einen Vierergipfel mit dem palästinensischen und dem ägyptischen Staatsoberhaupt ab. Er sehe keine Grundlage, „Krieg und Massaker zu beenden“, Israel bringe die Region „an den Rand des Abgrunds“.
Quelle: IPGAnmerkung Albrecht Müller: Dieser Text ist zwar gespickt mit modischen Fremdwörtern, die offensichtlich den hohen Standard des Autors bezeugen sollen, aber er ist ansonsten informativ.
- Studie der Böckler-Stiftung – Armut gefährdet die Demokratie
Die Armut in Deutschland nimmt immer weiter zu. Mit Folgen für die Demokratie, warnt eine neue Studie der Hans-Böckler-Stiftung. Denn viele ärmere Menschen haben demnach wenig Vertrauen in demokratische Strukturen wie Politik, Polizei und Rechtsstaat.Viele Menschen mit wenig Einkommen haben ein geringeres Vertrauen in die demokratischen Institutionen als Menschen mit hohem Einkommen. Zu diesem Ergebnis kommt der am Donnerstag in Berlin vorgestellte “Verteilungsbericht 2023” des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Die beiden Studienautoren ermittelten “eine deutliche Korrelation zwischen Einkommenshöhe und geringem Vertrauen in staatliche und demokratische Institutionen”.
Quelle 1: Tagesschau
Quelle 2: Verteilungsbericht des WSIdazu: Studie: Armut ist Risiko für Demokratie – Indizien für Zunahme der Einkommensungleichheit in der Krise
Die Einkommen in Deutschland sind heute sehr ungleich verteilt, wenn man die Entwicklung seit Ende der 1990er Jahre vergleicht. Zudem gibt es Indizien dafür, dass die Einkommensungleichheit während der Coronajahre erneut gestiegen ist und 2022 fast auf diesem Höchststand verharrte. Auch die Armutsquote liegt mit 16,7 Prozent 2022 spürbar höher als vor Beginn der Pandemie, gegenüber 2021 ist sie geringfügig gesunken. Insbesondere dauerhafte Armut (mindestens fünf Jahre in Folge) hat die gesellschaftliche Teilhabe schon vor der jüngsten Teuerungswelle stark eingeschränkt: Dauerhaft Arme müssen etwa deutlich häufiger auf Güter des alltäglichen Lebens wie neue Kleidung oder Schuhe verzichten, sie können seltener angemessen heizen. Und sie machen sich zudem deutlich häufiger Sorgen um ihre Gesundheit und sind mit ihrem Leben unzufriedener. Auch das Gefühl, anerkannt und wertgeschätzt zu werden und das Vertrauen in demokratische und staatliche Institutionen hängen stark mit dem Einkommen zusammen. Arme empfinden weitaus häufiger als Menschen mit mehr Geld, „dass andere auf mich herabsehen“, wobei das Problem unter Menschen in dauerhafter Armut noch weitaus ausgeprägter ist als bei temporärer Armut: Fast jede*r Vierte unter den dauerhaft Armen sagt, von anderen geringgeschätzt zu werden. Mit materiellen Einschränkungen und dem Gefühl geringer Anerkennung geht bei vielen Betroffenen eine erhebliche Distanz zu zentralen staatlichen und politischen Institutionen einher: Mehr als die Hälfte der Armen hat nur wenig Vertrauen in Parteien und Politiker*innen. Rund ein Drittel vertraut dem Rechtssystem allenfalls in geringem Maße. Zu diesen Ergebnissen kommt der neue Verteilungsbericht des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung.
„Wenn sich Menschen gesellschaftlich nicht mehr wertgeschätzt fühlen und das Vertrauen in das politische System verlieren, dann leidet darunter auch die Demokratie“, ordnen die Studienautor*innen Dr. Jan Brülle und Dr. Dorothee Spannagel ihre Befunde ein. „Wir sehen in Befragungen, dass Menschen mit niedrigen Einkommen von weiter wachsenden finanziellen Belastungen berichten – das geht bis in diesen Sommer hinein. Der Verteilungsbericht macht deutlich, welche Folgen das haben kann“, ergänzt Prof. Dr. Bettina Kohlrausch, die wissenschaftliche Direktorin des WSI. „Gleichzeitig reichen Sorgen über die soziale Ungleichheit weit über den Kreis der unmittelbar Betroffenen hinaus: Für 44 Prozent der Erwerbspersonen, die wir im Juli befragt haben, war das ein großes Thema. Mehr und wirksameres politisches Engagement gegen Armut und Ungleichheit ist ein wesentlicher Ansatz, um die Gesellschaft zusammen- und funktionsfähig zu halten, gerade in Zeiten großer Veränderungen und der Herausforderung durch Populisten.“
Im Verteilungsbericht werten die WSI-Fachleute Brülle und Spannagel die aktuellsten vorliegenden Daten aus zwei repräsentativen Befragungen aus: Erstens aus dem Mikrozensus, für den jährlich etwa 800.000 Personen befragt werden. Die neueste Befragungswelle liefert – noch vorläufige – Daten für 2022. Zweitens aus dem sozio-oekonomischen-Panel (SOEP), für das rund 15.000 Haushalte jedes Jahr interviewt werden, und das aktuell bis 2021 reicht.
Quelle: Hans Böckler Stiftung - Jüdische Wissenschaftlerin Judith Butler verurteilt Israels “Völkermord” in Gaza
Im Interview erklärt Berkeley-Professorin, warum sie von Genozid spricht. Politik und Medien würden Opfer in zwei Klassen einteilen. Hier ihre Forderungen.
Judith Butler ist US-amerikanische Philosophin und politische Kommentatorin. Sie ist Professorin an der University of California, Berkeley, und Inhaberin des Hannah-Arendt-Lehrstuhls an der European Graduate School. Außerdem ist sie Mitglieder des Beirats der Jewish Voice for Peace.
Butler ist Autorin zahlreicher Bücher, darunter “The Force of Nonviolence: An Ethico-Political Bind und Parting Ways. Jewishness and the Critique of Zionism”. Ihr jüngster Beitrag für London Review of Books trägt die Überschrift “The Compass of Mourning”.
Zusammen mit Dutzenden jüdischen Schriftstellern und Künstlern hat Butler kürzlich einen offenen Brief an US-Präsident Biden unterzeichnet, in dem sie einen sofortigen Waffenstillstand fordern. Zu den Unterzeichnern des Briefes gehörten auch V, ehemals Eve Ensler, Masha Gessen und der Dramatiker Tony Kushner.
Das Interview führten Amy Goodman und Nermeen Shaikh. Es handelt sich um eine gekürzte Version.
Quelle: Telepolis - Baerbocks Außenministerium schweigt zu Julian Assange – Dagdelen: „Vollkommen inakzeptabel“
Der australische Investigativjournalist sitzt seit viereinhalb Jahren im britischen Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh im Südosten Londons.
Die Regierung habe den offenen Brief „zur Kenntnis genommen“, heißt es nun in einer Antwort des Auswärtigen Amts auf eine Kleine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Sevim Dagdelen und der Linke-Fraktion. Das Schreiben liegt der Berliner Zeitung vor. Man verfolge „die öffentlich stattfindende Diskussion über den Fall kontinuierlich“. (…)
Der Fall Assange beschäftigt seit Jahren nicht nur die Öffentlichkeit, sondern auch Regierungen und Gerichte. Der Wikileaks-Gründer ist seit 2019 in britischer Auslieferungshaft. Ihm und seiner Plattform wird Spionage vorgeworfen, die USA fordern seine Auslieferung. Wikileaks hatte gemeinsam mit internationalen Medien Auszüge aus Militärprotokollen veröffentlicht, die unter anderem Kriegsverbrechen der USA während der Kriege in Afghanistan und im Irak belegen. In den Vereinigten Staaten drohen Assange 175 Jahre Haft.
Die Linke-Fraktion wollte in ihrer Anfrage wissen, ob sich die Bundesregierung in den vergangenen Monaten gegenüber den Briten und den Amerikanern dafür eingesetzt habe, dass Assange nicht ausgeliefert und freigelassen wird. Sie verweist auf einen Bundestagsbeschluss vom 7. Juli 2022.
Damals hatte eine Parlamentsmehrheit einer entsprechenden Petition zugestimmt. Die Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ist nicht öffentlich, sie liegt der Berliner Zeitung aber vor. Darin heißt es etwa: „Mit der Petition wird gefordert, die psychologische Folter des Journalisten Julian Assange und den damit verbundenen Angriff auf die Pressefreiheit in Deutschland und Europa zu verurteilen.“ Weiterhin werde verlangt, „sich für die sofortige Freilassung von Julian Assange einzusetzen und für dessen Nichtauslieferung an die USA zu plädieren“. Dort drohe ihm eine Verurteilung, die nach Maßstäben der Vereinten Nationen nicht akzeptabel sei.
Letztlich stimmte der Bundestag zu: Die Bundesregierung soll sich auf Wunsch des Parlaments für die Freilassung von Assange engagieren.
Das Auswärtige Amt unter Baerbock war bislang sehr zurückhaltend in der Angelegenheit. Auch diesmal heißt es in der Antwort an die Linke-Fraktion: „Die Bundesregierung verfolgt den Auslieferungsprozess gegen Herrn Assange aufmerksam.“ Für das Verfahren zuständig sei die britische Justiz, deren Unabhängigkeit man achte. Derweil habe die Bundesregierung „keinen Zweifel daran, dass die britische Justiz rechtsstaatliche Prinzipien anwendet und die Menschenrechte achtet“. Zu laufenden Verfahren und vertraulichen Gesprächen mit anderen Regierungen äußere man sich grundsätzlich nicht. (…)
Die Linke-Fraktion hat der Bundesregierung einen umfassenden Fragenkatalog geschickt. Viele Antworten erhielt sie nicht – auch nicht auf die Frage, ob es sich „bei der Verfolgung von Julian Assange um einen Angriff auf die Pressefreiheit“ handle. Auf eine Anfrage der Berliner Zeitung, ob und wem gegenüber Baerbock das Thema auf ihrer USA-Reise im September angesprochen habe, äußerte sich das Auswärtige Amt ebenfalls nicht.
Quelle: Berliner Zeitung - Abschieben und abwerben
Bundeskanzler Olaf Scholz wünscht von Nigeria eine stärkere Belieferung Deutschlands mit Flüssiggas und verlangt die umstandslose Rücknahme nigerianischer Flüchtlinge. Scholz, der am Sonntag und am Montag erst in der Hauptstadt Abuja, dann in der Wirtschaftsmetropole Lagos Gespräche führte, setzt damit seine Versuche fort, die Erdgasimporte aus afrikanischen Ländern zwecks Ersetzung russischen Gases zu erhöhen – ein Schritt, der bereits im vergangenen Jahr einiges Kopfschütteln ausgelöst hat: Zuvor hatte die Bundesregierung afrikanische Länder immer wieder zum Ausstieg aus der Förderung fossiler Energieträger aufgefordert. Parallel zur verstärkten Abschiebung von Nigerianern will Berlin laut Scholz „Talente“ aus dem Land zur Erwerbsarbeit bei deutschen Unternehmen gewinnen – ein Beitrag zum brain drain, der Entwicklungsländern dringend benötigte und teuer ausgebildete Fachkräfte nimmt. Scholz führte in Nigeria außerdem Gespräche über die Entwicklung in Niger; dort wollte die EU im Sommer mit nigerianischer Hilfe eine Militärregierung stürzen, die zuvor einen prowestlichen Präsidenten entmachtet hatte und das Land zu echter Unabhängigkeit von den Ex-Kolonialmächten führen will.
Quelle: German Foreign Policy - Can you see the avocado?
Sara Roy · A letter to President Biden
Dear Mr President,
When does the death of a Palestinian child become unacceptable? Or perhaps I should ask the question this way: when will you assign a Palestinian life the same sanctity you assign an Israeli one?
Yesterday Israel bombarded the Jabaliya refugee camp in Gaza. Part of the camp was destroyed and at least a hundred people were killed or injured. My friend the poet Mosab Abu Toha, his wife and children moved to Jabaliya recently after Israel warned them to leave their home in Beit Lahiya, a city north of the camp, because Beit Lahiya would be shelled. It was, and Mosab’s home was destroyed. I have just heard from him after two days of frantic worry. ‘The bombing in Jabaliya camp was just seventy metres away from us,’ he said. ‘A whole neighbourhood was wiped out.’
Jabaliya is a familiar place to me although I haven’t been there in several years. It is the largest of Gaza’s eight refugee camps, with 26 schools, two health centres and a public library. More than 116,000 men, women and children live in an area of 1.4 square kilometres. Do you have any idea what it means to crowd over 100,000 people into half a square mile? Yet, despite the extreme population density, the camp is a vibrant community. What I remember most about my visits to Jabaliya are the children: they were everywhere, laughing and playing. I also loved the bustling markets, which I would visit with my women friends.
I must also tell you that, as a Jew and child of Holocaust survivors, I was welcomed into every home I visited in the camp. In fact, I was embraced. I still have a drawing done for me by the 12-year-old son of a friend of mine who wanted to go to art school in America.
I don’t know if my friends and their families are among those murdered or injured by Israel. But I do know that this is not the first atrocity and it won’t be the last if the barbarity continues to be justified by you and others with the power to stop it. You call for a ‘humanitarian pause’, which I do not understand. What does a pause mean in the middle of such carnage? Does it mean feeding people so they can survive to be killed the next day? How is that humanitarian? How is that humane? […]
Quelle: London Review of Books