Mensch-Zuletzt-Bank. Für den Profit löst sich die Post in nichts auf.

Mensch-Zuletzt-Bank. Für den Profit löst sich die Post in nichts auf.

Mensch-Zuletzt-Bank. Für den Profit löst sich die Post in nichts auf.

Ein Artikel von Ralf Wurzbacher

Die Postbank macht demnächst 250 von 550 Filialen dicht. So will es die Konzernmutter in Frankfurt am Main, die Deutsche Bank. Die DHL Group schlägt ein und verspricht Ersatz am Kiosk, an der Tanke oder Wurstbude, bei garantiert schlechtem Service und steigenden Preisen. Was noch mehr Gewinne und noch mehr Arbeitslose verspricht, sorgt bei Beschäftigten und Kunden für noch mehr Frust. Wann ist wohl die Schmerzgrenze erreicht, fragt sich Ralf Wurzbacher.

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Manch einen dürfte es überraschen zu hören, dass die Postbank gar nicht zur Post gehört, also dem, was lange Zeit Deutsche Post AG hieß und neuerdings unter DHL Group firmiert. Schließlich sind da allerhand Ähnlichkeiten: Steht Post drauf, das Logo ist gelb, und Briefmarken gibt es dort auch zu kaufen. Alles Täuschung! Im Nachgang der Ende der 1980er-Jahre eingeleiteten sogenannten Postreform – ein Euphemismus für brutalst mögliche Privatisierung – wanderte das Kreditinstitut ab 2009 schrittweise ins Portfolio der Deutschen Bank, bis schließlich im Jahr 2018 beide Geldhäuser ihr Privat- und Firmenkundengeschäft unter einem Dach verschmolzen.

Aber richtig glücklich machte das die Macher von Deutschlands Skandalbank Nr. 1 nie – vor allem wegen der Sache mit den Briefmarken und den Paketen und den ganzen anderen Postdienstleitungen, die man vertragsgemäß zu erfüllen hatte. Und eigentlich hätte man gerne längst viele viele mehr dieser ganzen Filialen dichtgemacht, von denen es 2017 immerhin noch 850 gab, wovon heute 550 übrig sind. Aber auch da waren den Bossen die Hände gebunden, weil eben eine Vereinbarung mit der Deutschen Post den ganz großen Kahlschlag verunmöglichte. Aber zum Glück enden Verträge irgendwann, und mit dem neuen wird jetzt alles besser – für die Banker, versteht sich, nicht für die Kunden, Menschen zum Beispiel, die Briefmarken brauchen oder Pakete verschicken wollen. Für sie alle wird alles schlechter.

Weg damit!

Zu Wochenanfang hat der Private-Banking-Chef der Deutschen Bank, Claudio de Sanctis, in einem Interview mit der Financial Times (hinter Bezahlschranke) verkündet, was der neue Kontrakt mit dem „gelben Riesen“ hermacht. Bis 2026 soll demnach fast die Hälfte aller Postbank-Zweigstellen in Deutschland von der Bildfläche verschwinden. Damit verblieben dann bestenfalls noch 300. Begründung: Die betreffenden Standorte seien bereits dauerhaft unprofitabel. Aber statt Energien darauf zu ver(sch)wenden, die Profitabilität zu steigern, radiert man sie einfach aus – und dampft die Angebotspalette beim Rest radikal ein: Lediglich in 200 Niederlassungen soll auch künftig die Post abgehen, die anderen 100 werden auf ein „ausschließlich auf Bankdienstleistungen fokussiertes Filialformat“ getrimmt.

Der Aderlass ist nicht nur ärgerlich für die vielen Kontoinhaber, die künftig durch eine noch wüstere Servicewüste irren werden. Seit Monaten nämlich sorgt die Postbank mit gravierenden Technikpannen für Schlagzeilen (dazu weiter unten mehr). Schwerer noch wiegt das Ganze mit Blick auf die ohnehin schon arg ausgedünnte Infrastruktur bei den Postdienstleistungen. Das einst flächendeckende Filialnetz der früheren Deutschen Bundespost hat sich mittlerweile praktisch verflüchtigt. Im direkten Eigentum des Bonner Konzerns sollen sich lediglich noch zwei echte Post-Zweigstellen befinden, eine im Deutschen Bundestag, eine in der Unternehmenszentrale. Unter dem Renditedruck der Aktionäre wurden die Dienste in großem Stil ausgelagert an sogenannte Postagenturen in Gestalt von Tankstellen, Kiosken, Schreibwarenläden und Supermärkten. Selbstredend werden Service und Beratung unter solchen Bedingungen kleingeschrieben. Aber wenigstens gab es bisher noch besagte 550 Postbank-Stationen – demnächst nicht mehr.

Mobile-First-Bank

Im Neusprech der Konzernlenker laufen die Abrissarbeiten unter „Optimierung“ und „Anpassung an die veränderte Nachfrage“. Stationäre Vertriebswege spielten für die persönliche Beratung weiterhin eine wichtige Rolle, „jedoch mittelfristig nicht mehr im gleichen Umfang“, beschied ein Sprecher der Deutschen Bank. Die verbleibenden Filialen würden in „Tech-Center“ umgewandelt. De Sanctis selbst sprach davon, die Postbank in eine „Mobile-First-Bank“ zu verwandeln. Kundenbetreuung vor Ort spiele dabei eine kleinere Rolle, dafür sollen alle Produkte über Mobiltelefon, Tablet oder den heimischen Computer offeriert werden. Von dem Umbau erhofft er sich „sehr wesentliche Einsparungen, die mehr ausmachen als die Investitionen, die wir tätigen müssen“.

Derlei Sprüche kennt man ja: digital first, Mensch zuallerletzt. Unlängst haben sich in Hamburg 25 Bürgerberatungsstellen in einem Offenen Brief an die Öffentlichkeit gewandt und beklagt, die Digitalisierung führe dazu, eine mit endlosen Spardiktaten heruntergewirtschaftete Verwaltung gegen die Bürger abzuschotten und damit die Unwuchten bei der sozialen Teilhabe innerhalb der Bevölkerung weiter zu verschärfen. Behörden und politische Entscheidungsträger müssten dafür Sorge tragen, „dass Zugangs- und Kommunikationsbarrieren auf dem Weg zu einer bürgerfreundlichen Verwaltung abgebaut werden und alle Menschen in Hamburg leichter zu ihrem Recht kommen“, heißt es zum Abschluss des Appells.

Heute Schützengraben, morgen Arbeitsamt

Passenderweise entpuppt sich die Digitalisierung bei der Postbank als einziges Desaster. Nachdem man das hauseigene IT-System mit dem der Konzernmutter vermählt hatte, gelangten zahllose ihrer insgesamt zwölf Millionen Kunden wochenlang nicht an ihre Konten, wurden Opfer unberechtigter Abbuchungen und gerieten laut Verbraucherschützern teils in existenzielle Nöte. Für die Süddeutsche Zeitung (SZ) liegen die Gründe für das Chaos darin, dass Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing die Umstellung „in einer Art Sparvariante durchziehen wollte“ und nicht ausreichend Callcenterpersonal eingeplant hatte. Die Vorgänge riefen zuletzt sogar die Finanzaufsicht BaFin auf den Plan mit der Konsequenz, dass ein Sonderbeauftragter bis zum Jahresende für Ordnung sorgen soll.

Topmanager de Sanctis soll jüngst die Gefühlslage der Postbank-Beschäftigten mit der von Kindersoldaten im Ersten Weltkrieg verglichen haben, in Schützengräben kauernd, „völlig allein“ und unter Beschuss „ohne Verbindung zum Hauptquartier“. Zum Dank wird nun ein beträchtlicher Teil der Belegschaft vor die Tür gesetzt. „Zynisch“ findet das Jan Duscheck von der Gewerkschaft ver.di. „Das Timing ist desaströs“ und die Schließung etlicher Filialen „ein Schlag ins Gesicht“ der Mitarbeiter.

Zubrot für Aktionäre

Das Vorhaben klinge wie „blanker Hohn“, meint man beim Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv). Mit Blick auf die massiven und anhaltenden Probleme beim Online-Banking „sollte die Deutsche Bank den Kundenservice endlich verbessern, statt diesen durch Filialschließungen zu schwächen“, erklärte die Verbandsvorsitzende Ramona Pop. Übel mitgespielt wird absehbar auch den Angestellten der Deutschen Bank. Deren Netz soll laut de Sanctis ebenfalls gestutzt werden, weshalb nach SZ-Informationen in der Belegschaft die Angst umgeht. Tausende Mitarbeiter könnten ihre Stelle verlieren, „und zwar gerade die, die in den letzten Monaten für die Bank den Kopf hingehalten haben“, zitierte das Blatt einen Insider.

Für die durch den Digitalisierungspfusch Geschädigten haben die Konzernführer auch nichts übrig. Bei der Vorlage der Quartalszahlen vor einer Woche ließ Finanzchef James von Moltke durchblicken, die Betroffenen fürs Erste nicht entschädigen zu wollen, zumal man auch nicht mit vielen Klagen rechne. Dafür stellte sein Vorgesetzter Sewing den Anteilseignern eine „über die acht Milliarden Euro bis einschließlich 2025“ hinausgehende Dividende in Aussicht, weil man „Spielraum“ für zusätzliches Kapital in Höhe von drei Milliarden Euro identifiziert habe. Jetzt wird klar, wo das Geld herkommen soll.

Trostlos kryptisch

Und was sagt zu all dem die Post? Von der heißt es, sie wolle nahe der wegfallenden Postbank-Stützpunkte „eigene“ Standorte aufmachen. Soll heißen: noch mehr McPost am Kiosk, beim Bäcker oder an der Wurstbude. Und dann freut man sich in Bonn auf die nahende Reform des Postgesetzes. Die Ampelregierung plant weniger Zustelltage und mehr Wettbewerb. Vor drei Wochen hatten 30.000 Briefträger in Berlin gegen das Vorhaben demonstriert. Sie fürchten riesige Jobverluste und noch miesere Arbeitsbedingungen. Zum Trost führt die DHL Group seit gestern ganz was Modernes im Sortiment: „Die erste Deutschland-Krypto-Briefmarke“. Das spart sogar das Anfeuchten. Da bleibt einem die Spucke weg.

Titelbild: Lutsenko_Oleksandr/shutterstock.com

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