Am 20. Oktober hat das Bundesaußenministerium für die Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion der Linken im Bundestag geantwortet. Die Antwort auf die 28 Fragen liegt als PDF vor. Die Leere der Antwort überrascht nicht wirklich, wenn man bedenkt, dass Außenministerin Baerbock, seit fast zwei Jahren im Amt, zu diesem Thema schweigt, obwohl sie vor der Wahl – auf Stimmenfang – erklärt hatte, „wir […] fordern die sofortige Freilassung von Julian Assange“. Außerdem finden Sie hier den aktuellen Newsletter von FreeAssangeBerlin, den wir dankenswerterweise veröffentlichen dürfen. Von Moritz Müller.
Ein Satz, der in der Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage von Sevim Dagdelen, Sahra Wagenknecht, Petra Sitte und weiterer Abgeordneter der Fraktion Die Linke vorkommt, lautet, „Der Bundesregierung liegen hierüber keine Erkenntnisse vor“, als gäbe es diesen Fall nicht schon seit fast 13 Jahren, in denen Julian Assange in verschiedenen Varianten seiner Freiheit beraubt ist.
Andererseits steht in der Antwort, dass die Bundesregierung den „Fall verfolgt“. Wie kann man diesen Fall verfolgen, ohne dass man bemerkt, dass vieles, eigentlich fast alles daran faul ist. Vielleicht hat sich im Stab des Auswärtigen Amtes niemand gefunden, der das Buch „Der Fall Julian Assange“ des damaligen UN-Sonderbeauftragten für Folter, Nils Melzer, gelesen hat. In der Kleinen Anfrage wird mehrmals auf ihn hingewiesen. Selbst ein Bruchteil des Buches sollte das Auswärtige Amt aufhorchen lassen und eine andere Floskel des Antwortschreibens, „Sie (die Bundesregierung, Anm. MM) hat keinen Zweifel daran, dass die britische Justiz rechtsstaatliche Prinzipien anwendet und die Menschenrechte achtet“, unmöglich machen.
Auch historisch gesehen sollte klar sei, dass Großbritannien in Nordirland die Menschenrechte jahrzehntelang verletzt hat und dass die britische Justiz vor aktivem Justizkrieg (Stichwort: Lawfare gegen die Guildford Four und die Birmingham Six) gegen Unschuldige nicht zurückgeschreckt ist. Das ist noch nicht so lange her, als dass man darauf vertrauen könnte, dass es nicht wieder passiert.
Das Gleiche gilt für die Antwort auf Frage 17, in der den USA eine lupenreine rechtsstaatliche Justiz bescheinigt wird. Wenn man nach Guantanamo schaut, wirkt diese Antwort sehr dürftig.
Entweder will man etwas nicht sehen und wird zum Komplizen, oder man ist schon einer.
Ein weiterer Satz, der die Antworten durchzieht, lautet: „Zu laufenden Verfahren äußert sich die Bundesregierung grundsätzlich nicht“. Es scheint sich um einen sehr neuen Grundsatz zu handeln, denn im April hatte die Bundesregierung das Verfahren gegen den russischen Oppositionellen Alexej Nawalny wohl zu Recht kritisiert. Oder die Antwortphrase müsste so ergänzt werden: „Zu laufenden Verfahren in Ländern, mit denen man gemeinsame Sache macht, äußert sich die Bundesregierung grundsätzlich nicht“.
Auch die Tatsache, dass sich der australische Premierminister Anthony Albanese in das laufende Verfahren eingemischt hat, indem er sagt „Genug ist genug“, scheint die Bundesregierung nicht aufhorchen zu lassen.
Auf die in der Vorbemerkung der Anfrage erwähnte Aussage von Annalena Baerbock, die die „sofortige Freilassung von Julian Assange“ forderte, bevor sie Außenministerin wurde, geht die Bundesregierung nicht ein.
Die taz schreibt dazu: „Als Außenministerin tut sie zu wenig für den inhaftierten Journalisten“. Das stimmt zwar, weil Nichtstun in diesem Falle wirklich „zu wenig“ ist, aber es ist dennoch eine grandiose Untertreibung.
Auf Abgeordnetenwatch findet sich auch diese Anfrage eines Bürgers vom 21. Juni 2022 zur Umsetzung von Baerbocks Aussage vom September 2021. Eine Antwort findet man nicht.
Alles in allem ist die Antwort der Bundesregierung enttäuschend, aber auf ihre Weise hilft sie doch, der Bevölkerung zu zeigen, dass wir auf uns allein gestellt sind und von unseren Regierungen nicht mehr viel zu erwarten haben und die Dinge wahrscheinlich beizeiten selber in die Hand nehmen müssen. Vielen Dank an Die Linke für diese Anfrage.
Der schottische Regierungskritiker Craig Murray ist dieser Tage von Großbritannien in die Schweiz geflohen, um dort die Vereinten Nationen um Schutz anzurufen.
Nachfolgend der aktuelle Newsletter von FreeAssange Berlin mit der Einladung zur Mahnwache am Donnerstag. Vielen Dank an Almut und Tilo. Weitere Mahnwachentermine finden sich hier.
Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter für die Freiheit von Julian Assange, für Pressefreiheit und freie Rede,
wir laden ein gegen die drohende, jederzeit mögliche Auslieferung von Julian Assange zu protestieren, und zwar wie gewohnt vor der US Botschaft auf dem Pariser Platz am Brandenburger Tor, am Donnerstag, d. 02.11. 23 von 18.00 bis 20.00 Uhr und wir demonstrieren später auch in Sichtweite der Britischen Botschaft Unter den Linden/ Ecke Wilhelmstraße.
Über eure zahlreiche Unterstützung freuen wir uns sehr.
PREISE und ZUSPRUCH für Julian Assange
Verleihung KONRAD-WOLF-PREIS 2023, AdK Berlin:
Julian Assange hat wieder einen Preis zuerkannt bekommen, diesmal von der Akademie der Künste, – was außergewöhnlich ist, da der Konrad-Wolf-Preis sonst nur für Künstler vergeben wird.
Am 22. Oktober nahm Stella Assange den Preis in Berlin entgegen. Viele Berliner „Free Assange“ Aktivisten waren natürlich vor Ort , auch um die Anwesenden zu informieren.
(Siehe Titelfoto © Niels Ladefoged, Anmerkung MM)
Hier ist der vollständige Wortlaut der Jury-Begründung für den Preis nachzulesen: adk.de/de/news/?we_objectID=65558
Auf der Website der ADK ist das Video der gesamten Veranstaltung bis auf den Vorfilm verlinkt: adk.de/de/programm/index.htm?we_objectID=65629
30 minütiges Video der Veranstaltung von Free People Germany:
Interview mit der Vizepräsidentin der ADK, Nele Hertling im Deutschlandfunk zur Vergabe des Preises: deutschlandfunkkultur.de/an-julian-assange-erinnern-whistleblower-erhaelt-den-konrad-wolf-preis-dlf-kultur-bd105f01-100.html
Kurzes Gespräch mit dem Filmemacher Thomas Heise, der die Laudatio hielt: rbb-online.de/rbbkultur/radio/programm/schema/sendungen/der_tag/archiv/20231020_1600/kultur_aktuell_1745.html
Die Preisübergabe auf Stellas Twitter/X Account: twitter.com/Stella_Assange/status/1716330303780717013
Ein paar Fotos und einen ganz kurzen Videoabschnitt aus der Veranstaltung gibt bei DEA zu sehen: dontextraditeassange.com/post/julian-assange-awarded-konrad-wolf-prize-prize-by-the-german-academy-of-arts/
Interview mit Stella Assange bei pressenza: pressenza.com/de/2023/10/julian-assange-in-berlin-ausgezeichnet-exklusiv-interview-mit-stella-assange/
Noch ein Interview mit Stella Assange mit der jw: jungewelt.de/artikel/461879.pressefreiheit-europa-verteidigt-die-europäischen-werte-nicht-mehr.html
In der Berliner Zeitung gab es zu dem Ereignis ebenfalls ein Interview mit Stella: berliner-zeitung.de/kultur-vergnuegen/debatte/stella-assange-in-berlin-julian-hat-es-mit-einer-rachsuechtigen-macht-zu-tun-li.2151754#Echobox=1698038124
Und ein Artikel vom nd: nd-aktuell.de/artikel/1177238.julian-assange-konrad-wolf-preis-in-berlin-wir-verlangen-zu-handeln.html
NORWEGEN
❗️Vom PEN Norwegen erhielt Julian den Ossietzky-Preis 2023. Die jährliche Preisverleihung findet im Zusammenhang mit dem Tag des inhaftierten Schriftstellers am 15. November statt. norskpen.no/eng/nyheter/pen-norway-awards-julian-assange-the-ossietzky-prize-for-2023/
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Der Besuch des australischen Premiers in den USA war mit Hoffnungen von Assanges Unterstützern verknüpft, dass Antony Albanese mehr erreichen würde als Lippenbekenntnisse: smh.com.au/politics/federal/enough-is-enough-albanese-talks-to-biden-about-assange-20231027-p5efkd.html
Albanese bestätigte gegenüber der o.g. Redaktion, er habe seine Besorgnis über den WikiLeaks Gründer Julian Assange in den Gesprächen mit US Präsident Biden zum Ausdruck gebracht. Die Gespräche umfassten ein informelles Abendessen, eine Diskussion im Oval Office des Weißen Hauses und ein formelles Treffen mit Biden und seinen Kabinettssekretären.
Über seine privaten Gespräche mit Biden oder die Meinung des Präsidenten in dieser Angelegenheit wollte Albanese jedoch nicht sprechen, machte aber deutlich, dass er der Meinung ist, dass die Inhaftierung schon zu lange andauert, wie er bei zahlreichen öffentlichen Auftritten in den letzten Monaten betont hatte: „Enough is enough!“.
Dass aber der Fall ein politischer ist und daher nur mit politischen Mitteln gelöst werden kann, das wurde dort offenbar nicht geklärt, denn laut Albanese ist Biden niemand „der sich in das Justizministerium einmischt“, es sei ein wichtiges Prinzip, die juristischen und die politischen Systeme strikt zu trennen. In dem Interview mit Albanese wird am Schluss auch kurz auf den „Plea Deal“ eingegangen, es scheint, dass die bisher sehr aktiven australischen MPs, von denen einige im Oktober in die USA gereist waren, damit etwas zu tun haben. twitter.com/abcnews/status/1718397228438691959?t=UF87Ix36WcwrAJSv_Zf9uw&s=19
Dazu dieser Tweet: twitter.com/FreeAssange_eu/status/1718619955665445052
IFJ-Präsidentin Dominique Pradalié traf Julian Assange am 21. Oktober zum zweiten Mal im Belmarsh-Gefängnis in London. Die Internationale Journalisten-Föderation (IFJ) wiederholt ihre Forderung an die USA, alle Anklagen gegen Assange fallen zu lassen: ifj.org//media-centre/news/detail/category/europe/article/uk-assange-hopeful-for-biden-albanese-talks
Worum geht es im Fall Assange? Caitlin Johnstone hat es aufgeschrieben: pressenza.com/de/2023/10/der-journalismus-selbst-eingesperrt-in-belmarsh/
Erinnert sei nochmal an die Kampagne „Collateral Damage“ von Reporter ohne Grenzen: reporter-ohne-grenzen.de/pressemitteilungen/meldung/verfolgung-assanges-gefahr-fuer-medien-weltweit
reporter-ohne-grenzen.de/mitmachen/freianzeigen/collateral-damage
Die Heuchelei des Westens, jacobin: jacobin.de/artikel/assange-westen-wikileaks-kriegsverbrechen-usa
Stella und Julian Assange haben mit vielen anderen öffentlichen Personen die Westminster-Erklärung, eine Erklärung für das Recht auf freie Meinungsäußerung nach Artikel 19 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, unterschrieben: twitter.com/Stella_Assange/status/1714670941689585816
Der Text: westminsterdeclaration.org/deutsch
Vorgelesen bei Radio München:
THEATER
Australien:
„La Mama“ zeigt das Stück „Prisoner at the World’s End“ (Gefangener am Ende der Welt) vom 15. – 26. 11.23: theatrematters.com.au/news/la-mama-presents-prisoner-at-the-worlds-end/
In dem Stück wird Assanges Lage aus der Sicht von drei sehr unterschiedlichen Frauen dargestellt, die in einem Freiwilligencafé im Belmarsh-Gefängnis arbeiten. Die Inspiration für das Stück kam dem Dramatiker R. Johns, als er die Anwältin von Julian Assange, Jennifer Robinson, im La Mama Courthouse 2022 beim „Tag des inhaftierten Schriftstellers“ hörte, vom PEN wo sie von Im Interview mit Barrie Cassidy ging es um Julian Assanges Notlage und die schrecklichen Bedingungen im Belmarsh-Gefängnis.
Prisoner at the World’s End wird am Freitag, den 24. November um 19.30 Uhr auch als Livestream übertragen. Die Wiedergabe des Livestreams wird 72 Stunden lang nach der Sendung verfügbar sein.
VERANSTALTUNGEN
Berlin
‘Secret Power’ by Stefania Maurizi in Berlin
Hier die Bitte um Spenden für einen Livestream der Veranstaltung mit Stefania Maurizi im Georg Büchner Buchladen, Berlin, am 21.11.23: gofundme.com/f/secret-power-by-stefania-maurizi-in-berlin?utm_campaign=p_cp+share-sheet&utm_medium=chat&utm_source=whatsApp
Aktion in STRAßBURG
Die nachempfundene Gefängniszelle „Belmarsh Live“ mit Manja McCade twitter.com/manja_mccade / linktr.ee/belmarshlive war vom 10. – 12. Oktober 2023 in Straßburg, vor dem Gebäude des Europarates: twitter.com/belmarshlive/status/1709867584990949549?s=46&t=vDQ-xuJsgx32gFeJ4dvj2A
Die Intention für die Aktion in Straßburg ist folgende: „Wir sind hier vor Ort, um unsere Stimme zu erheben, um den Abgeordneten des Parlaments, den Vertretern des Europarats und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte die katastrophale Lage, in der sich Julian befindet, deutlich vor Augen zu führen“.
„Courage is Contagious…“ , ein Artikel der Künstlerin: theresistanceofart.substack.com/p/courage-is-contagious-art-freedom?r=1afc4w&utm_campaign=post&utm_medium=web
Nachfolgend Interviews mit einigen Vertretern des Europarates nach Besichtigung der Gefängniszelle:
Dr. Deepa G. Driver, UK:
Lord Leslie Griffiths, UK:
Andreas Sjalg Unneland, Norwegen:
The Irish MP Paul Gavan:
Jeremy Corbyn, UK:
Mehr Interviews gibt es hier: youtube.com/@belmarshliveA9379AY
Soweit für heute!
Bis Donnerstag hoffentlich!
Mit solidarischen Grüßen
Thilo und Almut
FreeAssange Berlin
web: freeassange.eu