Der deutsche Bundeskanzler will Zuwanderer abschieben und gleichzeitig den ärmeren Völkern jene Arbeitskräfte abwerben, die vorher auf Kosten dieser Völker ausgebildet worden sind. Diese Absicht hat er in einem Interview mit dem Spiegel ausführlich und in Variation beschrieben. Hier folgt der Link auf den Artikel in der Weltwoche und anschließend auch der Text. Hier wird gut sichtbar, wie sehr die gängige Sprache geprägt ist von den Interessen der Wirtschaft. Es ist eine „Klassensprache“.
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Scholz’ Diebstahl: Der Bundeskanzler will «endlich im grossen Stil abschieben». Gleichzeitig will er den ärmeren Völkern jene Arbeitskräfte abwerben, die vorher auf Kosten dieser Völker ausgebildet worden sind
Von Albrecht Müller
Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz gebärdet sich als gelehrsamer Schüler jener Nationen, die gerne auf gutausgebildete Arbeitskräfte anderer Völker zurückgreifen: der Schweiz und der USA zum Beispiel.
Er hat gerade dem Spiegel (Ausgabe 43/2023) ein langes Interview gegeben. Darin kommen einige interessante Aussagen vor, die wir nacheinander zitieren und dann kommentieren. Besonders wichtige Aussagen werden gefettet.
Scholz: «Es ist unsere Aufgabe, die Migration zu regeln. Ich bin mir sicher, dass die Bundesregierung in dieser Frage eng zusammensteht. Wir alle wissen, was jetzt zu tun ist. Und es ist meine Aufgabe als Kanzler, dafür zu sorgen, dass wir nicht zögern. Wichtig ist: Unsere Politik ist nicht vom Ressentiment getragen. Wir müssen hart sein, wenn jemand keinen Anspruch hat zu bleiben. Wir müssen zugleich offen und modern sein, weil wir Arbeitskräfte aus anderen Ländern bei uns brauchen.»
Ein weiteres Zitat:
Spiegel: «Und es braucht Zuwanderung?»
Scholz: «Es wird auch mehr Zuwanderung brauchen. Mit der Modernisierung unseres Zuwanderungsrechts, mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz haben wir gute Voraussetzungen dafür geschaffen, dass Talente und Fachkräfte aus dem Ausland zu uns kommen, die wir hier gut gebrauchen können.»
Und weiter:
Spiegel: «Menschen sollen nach ihrer Nützlichkeit für Deutschland ausgewählt werden? Wer das bislang ausgesprochen hat, bekam von SPD und Grünen zu hören, das sei unmenschlich.»
Scholz: «Natürlich haben wir als Staat das Recht zu definieren, wen wir hier aufnehmen wollen. Dringend benötigte Fachkräfte und Talente zum Beispiel. Und davon unberührt bleibt das Recht, all jenen Schutz zu bieten, die vor politischer Verfolgung flüchten, die vor Krieg und dem Tod davonlaufen. Das Grundrecht auf Asyl ergibt sich aus der deutschen Geschichte.»
Weiter vorn hiess es schon:
Spiegel: «Muss Deutschland stärker darauf achten, wer hierherkommt und bleiben darf?»
Scholz: «Das tun wir längst. Wir werden jetzt aber noch genauer unterscheiden: Einerseits geht es um die Zuwanderung von Arbeitskräften, die wir brauchen. Und es geht um jene, die Asyl suchen, etwa weil sie politisch verfolgt werden. Andererseits heisst das aber: Wer weder zu der einen noch zu der anderen Gruppe gehört, kann nicht bei uns bleiben. Deshalb begrenzen wir die irreguläre Migration nach Deutschland – es kommen zu viele.»
Vermutlich werden viele Spiegel-Leserinnen und -Leser das Interview und insbesondere auch die zitierten – und sich übrigens wiederholenden Aussagen – mit Zustimmung und Kopfnicken zur Kenntnis nehmen. Da präsentiert sich ein Bundeskanzler, der unsere Interessen vertritt.
Ich will trotzdem versuchen, diese Aussagen von Olaf Scholz zu hinterfragen.
Die Kernaussage ist ja: Wer nützlich ist als Arbeitskraft, darf kommen. Die Zuwanderung von Arbeitskräften, die wir brauchen, soll möglich sein und durchaus verstärkt möglich sein – das lese ich jedenfalls aus dem Text.
«Die wir brauchen» – das klingt ja so, als wären wir alle Personalchefs oder Unternehmer. So ist es aber nicht.
Unter uns gibt es viele abhängig arbeitende Arbeiter und Angestellte. Wir stehen prinzipiell in Konkurrenz zu den neu hinzukommenden ausländischen Arbeitern und Angestellten. Um im Scholz’schen Sprachgebrauch zu bleiben: Braucht der Arbeiter am Band bei Daimler die Zuwanderung von Arbeitskräften? Braucht die deutsche Küchenhilfe in einem Restaurant die Zuwanderung von Arbeitskräften? Braucht die deutsche Krankenschwester Zuwanderung?
Manche dieser Betroffenen mögen das ja so sehen, auch sie sind Opfer der allgemeinen Stimmungsmache, und diese Stimmungsmache ist eindeutig geprägt von jenen, die Arbeitskräfte nachfragen, also von der Wirtschaft, und sie ist nicht geprägt von jenen, die ihre Arbeitskraft anbieten, also den hier lebenden und arbeitenden und lohnabhängigen Menschen. Die gängige Sprache ist eine Klassensprache.
Selbstverständlich werden aus der Sicht von Gewerbebetrieben und Unternehmen und ihren Personalchefs Menschen gebraucht, damit kein grösserer und wachsender Druck in Richtung Lohnsteigerungen aufgebaut wird. Die Wirtschaft braucht Zuwanderer, um die Entwicklung der Löhne nach oben im Zaum zu halten. Das ist klar und unbestreitbar. Und Olaf Scholz ist ihr Bundeskanzler.
Der Kanzler mit dem SPD-Parteibuch als Lohndrücker – das ist schon eine sehr interessante Botschaft. Er will den ärmeren Völkern jene Leute abwerben, die vorher auf Kosten dieser Völker ausgebildet worden sind. Im normalen Leben nennt man so etwas Diebstahl.
Selbstverständlich sind der deutsche Bundeskanzler und die beiden ihn interviewenden Spiegel-Redaktoren ganz und gar nicht alleine. Sie bilden die Mitte unserer Gesellschaft ab. So gesehen, ist Olaf Scholz schon das passende Sprachrohr unseres Volkes.
Anzumerken ist noch, und damit komme ich auf die Überschrift zu sprechen: Das neue Deutschland des Olaf Scholz ist wahrlich nicht alleine auf der Welt. Andere Länder, beispielsweise die eingangs erwähnte Schweiz, dann jahrzehntelang, fast schon jahrhundertelang die USA betreiben dieses Geschäft in grossem Stil.
Ihr besonderer Wohlstand gründet auch auf der Zuwanderung von Fachkräften. Und wir in Westdeutschland haben viele, viele Jahre davon gezehrt, dass Gastarbeiter aus den südlichen Ländern und gutausgebildete Brüder und Schwestern aus der DDR in den Westen kamen.
Albrecht Müller war Planungschef im Bundeskanzleramt unter Willy Brandt und Helmut Schmidt. 1987–1994 war er für die SPD Mitglied des Deutschen Bundestages.