Hinweise des Tages
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- Deutschland fällt noch tiefer in die Rezession
- Teuerung bringt viele Menschen an Grenzen
- »Jede Mieterhöhung ist eine faktische Lohnkürzung«
- Letzter Akt: Debatte in der Linkspartei
- Die strategischen Fehler des Benjamin Netanyahu
- „Blockade in Gaza ist völkerrechtlich verboten“
- «Iran oder Russland als Drahtzieher? Das sind Schnellschüsse»
- Olaf Scholz: Marx hat nur „Quatsch“ hinterlassen: Das Ende der sozialdemokratischen Entspannungspolitik
- Rojava: Krieg ohne Aufmerksamkeit
- „Ein Erbe der Kolonialherrschaft“
- Wir haben in Afrika alles, was wir brauchen, um ein mächtiger, moderner und industrialisierter Kontinent zu werden.
- Die neue EU-Krise (1): Vom Kurs abgekommen
- Osteuropa vor einer neuen Krise
- Regierungswechsel in Luxemburg: Christdemokraten dabei
- Parlamentarische Sprechblasen
Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Verantwortlich für die Richtigkeit der zitierten Texte sind die jeweiligen Quellen und nicht die NachDenkSeiten. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
- Deutschland fällt noch tiefer in die Rezession
Der Internationale Währungsfonds geht von einer weltweit anhaltend schwächelnden Konjunktur aus. Laut Prognose schrumpft Deutschland jedoch als einzige bedeutende Volkswirtschaft – und stärker als bislang erwartet.
Die deutsche Wirtschaftsleistung dürfte aus Sicht des Internationalen Währungsfonds (IWF) in diesem Jahr um 0,5 Prozent zurückgehen. Damit korrigierte der IWF seine Prognose vom Juli erneut nach unten. Damals hatte er noch einen Rückgang um 0,3 Prozent vorausgesagt. Deutschland wird demnach dieses Jahr als einzige große Volkswirtschaft schrumpfen.
Im kommenden Jahr soll die deutsche Wirtschaft hingegen laut Prognose wieder wachsen – und zwar um 0,9 Prozent. Das sind allerdings immer noch 0,4 Prozentpunkte weniger als im Juli angenommen. 2022 hatte die deutsche Wirtschaft noch um 1,8 Prozent zugelegt.
Als Gründe für den erwarteten Rückgang nennt der Fonds die Schwäche zinsempfindlicher Sektoren, geringere Nachfrage durch Handelspartner und folglich eine Schwäche der Industrieproduktion. Gleichzeitig erholt sich die Weltwirtschaft nur langsam von den Folgen der Coronapandemie, dem russischen Krieg gegen die Ukraine und der hohen Inflation – das Wachstum ist historisch schwach. IWF-Chefvolkswirt Pierre-Olivier Gourinchas mahnt angesichts der weltweit angespannten Konjunktur: »Die Weltwirtschaft humpelt vor sich hin, sie sprintet nicht.«
Quelle: DER SPIEGELdazu: Deutschland schmiert ab
IWF prognostiziert tiefe Rezession für BRD. Weltwirtschaft »humpelt« vor sich hin.
Die BRD rutscht immer tiefer in die Rezession. Das geht aus dem aktuellen Konjunkturausblick des Internationalen Währungsfonds (IWF) hervor, der einen stärkeren Wirtschaftsabschwung als noch im Juli prognostiziert: Im laufenden Jahr sei nun mit einem Rückgang der deutschen Wirtschaftsleistung um 0,5 Prozent zu rechnen, teilte die Organisation am Dienstag bei ihrer Jahrestagung mit der Weltbank im marokkanischen Marrakesch mit. Im Sommer war noch ein Minus von 0,3 Prozent erwartet worden. Damit wäre die BRD der einzige G7-Staat mit einer negativen Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts. Für das kommende Jahr senkte der IWF seine Prognose sogar um 0,4 Prozentpunkte ab und rechnet nun mit einem geringen Wachstum von 0,9 Prozent. Auch 2024 würde Deutschland dadurch deutlich unter dem G7-Durchschnitt liegen. Der IWF begründete die Flaute der deutschen Wirtschaft vor allem mit der »Schwäche der zinssensiblen Sektoren und der geringeren Nachfrage der Handelspartner.
Quelle: junge Welt - Teuerung bringt viele Menschen an Grenzen
Etwa jeder sechste Deutsche kann wegen der hohen Teuerung kaum seine Lebenshaltungskosten bezahlen. 17,2 Prozent von 2.059 Befragten wählten in einer YouGov-Umfrage für die Postbank diese Antwortmöglichkeit auf die Frage, wie sie die Preissteigerungen wahrnehmen. In der Vergleichsumfrage aus dem Januar 2022 lag der Anteil derjenigen, die wegen der teils deutlich gestiegenen Preise für Lebensmittel und Energie an finanzielle Grenzen stoßen, nach Angaben der zum Deutsche-Bank-Konzern gehörenden Postbank vom Montag bei 11 Prozent. […]
Volkswirte erwarten eine weitere Abschwächung der Inflation in den kommenden Monaten. Allerdings wird gern verschwiegen, daß dadurch die Preise nicht sinken – sie steigen nur etwas langsamer als bisher. […]
Diejenigen, die Geld zurücklegen, lassen es überwiegend auf dem Girokonto liegen (47,6 Prozent) – obwohl die Mehrheit der Befragten (60,5 Prozent) angibt zu wissen, daß diese Rücklagen wegen der Inflation an Wert verlieren.
Quelle: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek - »Jede Mieterhöhung ist eine faktische Lohnkürzung«
De Lapuente: Liebe Frau Lay, ist das Maßnahmenpaket nach dem sogenannten Wohnungsgipfel ein Doppelwumms? Oder sind Sie enttäuscht?
Lay: Für die Mieterinnen und Mieter war es eine einzige Enttäuschung, denn für sie hat der Wohngipfel nichts gebracht. Mieterschutz stand noch nicht einmal auf der Tagesordnung und überhaupt hat die Ampel noch nichts gegen die extremen Mieterhöhungen getan, die große und kleine Städte in der Bundesrepublik erleben. Auch die versprochene Neue Wohngemeinnützigkeit, mit der nach Wiener Vorbild gemeinnützige Wohnungsunternehmen entlastet und gefördert werden sollen, statt, wie bisher großspurigste Wohnungskonzerne, lässt auf sich warten. Beim sozialen Wohnungsbau gab es auch nichts Neues. […]
De Lapuente: In Frankfurt – wie in anderen großen Städten auch – entstehen neue Quartiere, in denen sich normale Arbeitnehmer die Miete nie und nimmer leisten können. Besteht nicht die Gefahr, dass die dann investierten Milliarden Wohnraum schaffen, der wieder nur als Wertobjektiv gehandelt und im Leerstand gehalten wird?
Lay: Ja genau. Was es nicht braucht, sind teure neue Wohnungen, die sich Normalverdiener*innen nicht leisten können. Doch genau das fördert die Bundesregierung jetzt auch noch mit einer neuen steuerlichen Sonderabschreibung für den Bau von Wohnungen – ohne soziale Standards. Statt den Bau irgendwelcher Wohnungen zu subventionieren – den Bau von Luxuswohnungen für Reiche – sollte bezahlbarer Wohnungsbau gefördert werden. Dazu braucht es die Neue Wohngemeinnützigkeit: dauerhaft bezahlbare Wohnungen, also Wohnungen für das Gemeinwohl. […]
De Lapuente: Die Armut und Lande wächst, Obdachlosigkeit scheint zuzunehmen. Ist nicht elementarer Bestandteil einer Wohnungsmarktregulierung, auch eine progressive Lohnpolitik zu machen?
Lay: Jede Mieterhöhung ist eine faktische Lohnkürzung. Schlimmer noch: Zurzeit steigen alle Preise in allen Bereichen stark an. Wenn die Löhne nicht in dem Maße steigen, wie die Inflation und die Mietsteigerungen zusammen, dann verlieren die Erwerbstätigen an Lebensstandard. In vielen Branchen gibt es aber nicht einmal einen vollständigen Inflationsausgleich. Und so können sich immer weniger Menschen das Wohnen leisten. Gleichzeitig wächst das Vermögen vieler Unternehmenschefs ins Unermessliche und wird kaum besteuert. Deswegen ja: Reiche mehr besteuern, Löhne rauf, Mieten runter.
Quelle: Overton Magazin - Letzter Akt: Debatte in der Linkspartei
Dass Wagenknecht sich in aller Ruhe ausschließen lässt, dürften nicht einmal die Dümmsten unter den 58 annehmen. Für diese Richtung erfüllt der Ausschlussantrag gegen Wagenknecht, der ja allenthalben unterstellt wird, dass sie die Partei in Kürze verlassen will, dennoch eine wichtige Funktion: Es geht darum, in der kritischen Phase zwischen dem Wahldesaster und der mutmaßlichen Abspaltung des sozialdemokratischen Parteiflügels die Debatte strikt zu kontrollieren und keine andere Überlegung zuzulassen als die, dass Wagenknecht für die ganze Misere verantwortlich ist.
Der Bankrott dieser Partei ergibt sich nicht aus diesem Antrag, sondern daraus, dass diese erschreckend einfältige Diskursstrategie funktioniert. Es gibt im Parteivorstand keinen Genossen mehr, der nun aufstünde und sagte, dass es jetzt aber mal reicht. Dass der letzte Akt der Parteigeschichte dieses Ausschlussverfahren ist, hat sogar die Linkspartei nicht verdient.
Quelle: junge Welt - Die strategischen Fehler des Benjamin Netanyahu
Premier Netanyahu hat Israel gespalten – und damit den Terroristen von der Hamas in die Hände gespielt. Der Geheimdienst warnte offenbar vergeblich vor einer Explosion in den Palästinensergebieten. […]
Dass eine Explosion in den Palästinensergebieten kommen würde, davor hatten Geheimdienste und Militärs schon lange gewarnt. Nach dem Wahlsieg im vergangenen November, der Benjamin Netanyahu nach knapp anderthalb Jahren wieder zurück an die Macht brachte, schmiedete er die rechtsextremste und ultrareligiöseste Koalition in der Geschichte des Staates Israel. Seine Regierung besteht aus Ultraorthodoxen, national-religiösen Siedlern und Politikern aus seiner eigenen Likud-Partei, die seinem rechten Populismus überwiegend folgen.
Die wichtigste Aufgabe, die sich Netanyahu im Januar vorgenommen hatte, war die Beendigung seiner eigenen juristischen Verfahren. Seit einigen Jahren muss er sich wegen mutmaßlicher Korruption als Angeklagter in drei Fällen vor Gericht verantworten. Im Falle einer Verurteilung droht ihm möglicherweise eine Gefängnisstrafe. Auch um das zu verhindern, versucht die Regierung seit neun Monaten eine Justizreform umzusetzen, die das Ende der demokratischen Gewaltenteilung vorsieht, mit der Netanyahu seinen Prozess sofort beenden könnte.
Doch der Plan spaltet die israelische Gesellschaft. Massiver Widerstand formierte sich, die Demonstrationen und Proteste liefen seit Monaten, die Wirtschaft begann zu kriseln – aber auch die Sicherheit des Landes bröckelte. Denn immer mehr Reservisten kündigten an, ihren freiwilligen Dienst aus Protest gegen die Pläne der Regierung nicht mehr erfüllen zu wollen. Unter diesen Reservisten befanden sich viele Kampfpiloten. Der Generalstab, der Verteidigungsminister, alle warnten Netanyahu vor den Folgen.
Nicht nur die Kampfkraft der Armee begann zu leiden, schlimmer noch: Die Feinde Israels beobachteten genau, wie sich Israel innenpolitisch selbst zerlegte.
Quelle: DER SPIEGELdazu auch: Israel kann nicht 2 Millionen Menschen in Gaza gefangen halten, ohne einen grausamen Preis dafür zu bezahlen.
Auch in Israel gibt es zum neu ausgebrochenen Krieg nicht nur eine Meinung. Gideon Levy beschreibt in der israelischen Zeitung «Haaretz» seit vielen Jahren die menschenverachtende Besatzungspolitik Israels. Hier sein Kommentar zum Angriff der Hamas-Kämpfer auf Israel. […]
Die Drohungen, Gaza „platt zu machen“, beweisen nur eines: Wir haben nichts gelernt. Die Arroganz bleibt bestehen, auch wenn Israel wieder einmal einen hohen Preis dafür zahlt.
Premierminister Benjamin Netanjahu trägt eine große Verantwortung für das, was passiert ist, und er muss den Preis dafür zahlen, aber es hat nicht mit ihm angefangen und es wird auch nicht enden, wenn er geht. Wir müssen jetzt bitterlich um die israelischen Opfer weinen, aber wir sollten auch um Gaza weinen. Gaza, dessen Bewohner größtenteils von Israel geschaffene Flüchtlinge sind. Gaza, das noch nie einen einzigen Tag der Freiheit erlebt hat.
Quelle: Globalbridge - „Blockade in Gaza ist völkerrechtlich verboten“
Die von Israel angekündigte Total-Blockade im Gazastreifen ist völkerrechtswidirig. Dies hat die Uno klargestellt.
UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk kritisierte Israels Entscheidung, alle Lieferungen von Nahrungsmitteln, Wasser, Strom oder Benzin in den Gazastreifen einzustellen.
Es sei unter dem humanitären Völkerrecht „verboten“, Menschen das vorzuenthalten, was sie zum Überleben brauchen, erklärte er.
Auch UN-Generalsekretär António Guterres zeigte sich besorgt. Medizinische Güter, Nahrung, Treibstoff und andere humanitäre Hilfsgüter würden dringend benötigt.
Quelle: Lost in Europedazu auch: More than 830 dead in Gaza since Saturday as shelling hits school, hospitals and homes
‘There is no safe place in Gaza right now’ say humanitarian workers, as Israel bombs sole border crossing with Egypt, preventing refugees’ escape
Frightened residents of Gaza have described bombardments striking residential buildings, hospitals and schools across the enclave amid growing concern over destruction of civilian infrastructure as Israel pledges to enforce a full siege.
The Palestinian health ministry said more than 830 people have been killed, with 4,250 wounded since Saturday.
“I believe this is the most serious escalation I will face. I was born here in Gaza, I witnessed the previous escalations,” said Nidal Hamdouna, a humanitarian worker with Norwegian-Danish organisation Church Aid.
“The situation we are facing involves intensive airstrikes and shelling targeting different locations across the Gaza Strip, including my neighbourhood,” he said, speaking from the northern edge of Gaza City. “The issue is that there is no safe place to go to in Gaza right now.”
Quelle: The Guardianund: Der israelische Premierminister Netanjahu fordert die Palästinenser auf, den Gazastreifen zu verlassen
(Eigene Übersetzung)
“Die israelischen Verteidigungskräfte werden ihre ganze Kraft einsetzen, um die Fähigkeiten der Hamas zu zerstören”, sagte er in der zweiten Fernsehansprache, die seit Beginn der Widerstandsoperationen der Hamas gegen Israel und seine Besatzungstruppen ausgestrahlt wurde.
“Wir werden sie zerstören und diesen dunklen Tag, den sie dem Staat Israel und seinen Bürgern auferlegt haben, gewaltsam rächen”, drohte der rechtsgerichtete Politiker.
“Ich sage den Bewohnern des Gazastreifens: Verlassen Sie jetzt den Gazastreifen, denn wir werden gewaltsam handeln. Alle Orte, an denen die Hamas stationiert ist, sich versteckt und operiert, werden wir in Trümmerinseln verwandeln.”
Netanjahus Äußerungen wurden jedoch von Menschenrechtsaktivisten kritisiert, da sie nicht der Realität in dem Gebiet entsprächen.
In der Praxis haben die Bewohner des Gazastreifens keine Möglichkeit, die Enklave zu verlassen, da der Streifen von Ägypten und Israel blockiert wird. In der Tat erhalten nur sehr wenige Palästinenser eine Genehmigung zum Verlassen des Gazastreifens.
Quelle: Telesur - «Iran oder Russland als Drahtzieher? Das sind Schnellschüsse»
Stehen Russland oder der Iran hinter den Hamas-Terroranschlägen gegen Israel? «Sehr unwahrscheinlich», sagt Roland Popp von der Militärakademie MILAK an der ETH Zürich. […]
Der Iran spielt bei der Unterstützung der Hamas durchaus eine Rolle – so wie auch andere Mächte in der Region, insbesondere Katar und die Türkei, die historisch zu den Hauptgeldgebern der Hamas gehören. Doch man darf nicht den Fehler machen zu glauben, Iran ziehe im Hintergrund die Strippen und die Hamas sei quasi eine Marionette. Das geht an den Realitäten weit vorbei. Ich bin mir ziemlich sicher, dass diese Operation massgeblich von der Hamas geplant und nicht mit Verbündeten und Partnern im Ausland koordiniert wurde.
Wieso gehen Sie davon aus?
Ganz einfach: aus Gründen der operativen Sicherheit. Die Anschlagspläne mussten absolut geheim gehalten werden, zumal das Überraschungselement entscheidend war für den «Erfolg» der Hamas. Die Hamas muss das über einen sehr langen Zeitraum geplant haben, darauf deutet vieles hin – vor allem die enge Abstimmung der militärischen Operationen mit psychologischer Kriegführung und Informationskrieg.
Sehen Sie Moskau in irgendeiner Weise involviert?
Nein, das kann ich mir absolut nicht vorstellen. Was würde das Russland nützen? Die israelische Politik ist im Ukraine-Konflikt weit weniger anti-russisch eingestellt als etwa die europäische. Derzeit wird Russland gern für alle Konflikte auf der Welt verantwortlich gemacht, vom Kaukasus bis nach Ostasien, weil Moskau den Westen möglichst überall herausfordern wolle. Das erscheint mir wie ein Zerrbild der absurden Vorstellungen aus der Frühphase des Kalten Krieges, wo man hinter jedem Brandherd den internationalen Kommunismus vermutete. Das sind Schnellschüsse, vor denen man sich hüten sollte.
Quelle: 20minuten - Olaf Scholz: Marx hat nur „Quatsch“ hinterlassen: Das Ende der sozialdemokratischen Entspannungspolitik
Mit Olaf Scholz verkündete ausgerechnet ein sozialdemokratischer Bundeskanzler am 27. Februar 2022 das größte Aufrüstungsprogramm in der Geschichte der Bundesrepublik. Und es soll nicht nur 100 Milliarden Euro extra für die Bundeswehr geben, künftig sollen auch zwei Prozent und mehr des Bruttosozialprodukts für Rüstung ausgegeben werden. Eine Forderung der NATO, gegen die sich die SPD lange Zeit gewehrt hatte. Die radikale Kehrtwende der SPD in der Verteidigungspolitik wird begleitet von einer Abkehr der Sozialdemokratie von ihrer traditionellen Politik der Entspannung gegenüber Russland. Laut FAZ vom 20. Oktober 2022 erklärte der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil: „Die Aussage, dass es Sicherheit und Stabilität in Europa nicht gegen, sondern nur mit Russland geben könne, habe keinen Bestand mehr. In dem geltenden Grundsatzprogramm der Partei aus dem Jahr 2007 wird hingegen die strategische Partnerschaft mit Russland als ‚unverzichtbar‘ für Deutschland und die Europäische Union bezeichnet. Doch das soll sich nun ändern: Die SPD will ihre Grundsätze in der Außen- und Sicherheitspolitik auf dem Parteitag Ende 2023 neu formulieren.“ Seit selbst die Jungsozialisten auf diesen neuen Kurs eingeschwenkt sind, ist innerparteilicher Widerstand dagegen nicht zu erwarten. Nach dem von Gerhard Schröder durchgesetzten sozialpolitischem Kahlschlag durch Hartz IV und der Erhöhung des Renteneintrittsalters liquidiert die SPD nun – unter Schröders früherem Generalsekretär Olaf Scholz – mit der Friedenspolitik die zweite Säule sozialdemokratischer Identität. Die Zerstörung der Wurzeln der Partei. Doch Scholz will es nicht dabei belassen. Nun geht er daran, auch die weltanschaulichen Wurzeln der Sozialdemokratie auszureißen.
Quelle: Rotfuchs - Rojava: Krieg ohne Aufmerksamkeit
Seit Tagen wird Nordsyrien heftig bombardiert, die Region steuert auf eine humanitäre Katastrophe zu und die Welt schweigt. medico-Partner helfen vor Ort.
Seit Tagen zerstört die Türkei die zivile Infrastruktur in Nordsyrien. Die Lebensgrundlagen der Bevölkerung in der Region werden gezielt zerstört. Innerhalb von drei Tagen wurden über 145 Ziele in allen Städten getroffen. Bisher wurden Dutzende Menschen getötet und verletzt, 80 Prozent der zivilen Einrichtungen sind zerstört: Wasser- und Energieversorgung, Krankenhäuser und Schulen, Ölfelder, Fabriken und Warenlager. Dabei setzt die türkische Armee Drohnen und Bomben aus Kampfflugzeugen ebenso ein wie Artillerie aus den türkisch besetzten Gebieten in den türkisch besetzten Gebieten Nordsyriens. Hunderttausende Menschen sind seit Tagen ohne Strom und Wasser, darunter Zehntausende intern Vertriebene. […]
Die Angriffe durch das NATO-Mitglied Türkei sind ein klarer Verstoß gegen das Völkerrecht. Die türkische Regierung legitimiert die Bombardierungen mit Verweis auf den PKK-Anschlag in Ankara vom 2. Oktober. Angeblich soll einer der Attentäter aus Nordostsyrien kommen – Beweise gibt es dafür keine, aber das spielt ohnehin keine Rolle. Am 3. Oktober gab Außenminister Fidan auf einer Pressekonferenz alle zivilen Ziele in Nordsyrien und Nordirak zum Abschuss frei.
Quelle: medico - „Ein Erbe der Kolonialherrschaft“
In den Staaten Afrikas nimmt der Protest gegen den zum 1. Oktober eingeführten CO2-Grenzausgleich der EU zu. Der Mechanismus (Carbon Border Adjustment Mechanism, CBAM) soll die energieintensiven Industrien in der Union, die zunehmende Summen für Emissionszertifikate ausgeben müssen, vor Konkurrenz aus Nicht-EU-Staaten schützen und dazu dortigen Lieferanten, die energieintensive Waren in die Bundesrepublik liefern, neue Abgaben auferlegen. Seit dem 1. Oktober ist der CBAM formell in Kraft, zunächst allerdings in Form eines Probelaufs. Die Abgaben werden erst ab 2026 erhoben. Betroffen sind im ersten Schritt besonders Grundstoffe wie Eisen oder Aluminium. Die Maßnahme trifft zahlreiche afrikanische Staaten sehr stark, da sie seit der Kolonialzeit auf die Funktion von Rohstofflieferanten festgelegt sind. Mosambik etwa, eines der ärmsten Länder der Welt, das rund ein Viertel seiner Exporterlöse mit Aluminiumexporten in die EU erzielt, könnte durch den CBAM bis zu 2,5 Prozent seiner Wirtschaftsleistung einbüßen. Südafrikas Handelsminister warnt vor dem Anstieg von Armut und Arbeitslosigkeit.
Quelle: German Foreign Policy - Wir haben in Afrika alles, was wir brauchen, um ein mächtiger, moderner und industrialisierter Kontinent zu werden.
(Eigene Übersetzung)
Untersuchungen der Vereinten Nationen haben kürzlich gezeigt, dass Afrika keineswegs über unzureichende Ressourcen verfügt, sondern wahrscheinlich besser für die Industrialisierung gerüstet ist als fast jede andere Region der Welt” […]
Als Führer der ghanaischen Regierung entwickelte Nkrumah eine Politik zur Umkehrung dieses Trends, indem er das öffentliche Bildungswesen (mit Schwerpunkt auf Wissenschaft und Technologie) förderte, einen robusten öffentlichen Sektor aufbaute, um sein Land mit Infrastrukturen (einschließlich Elektrizität, Straßen und Eisenbahnen) zu versorgen, und einen Industriesektor entwickelte, der den Rohstoffen, die zuvor zu mageren Preisen exportiert worden waren, einen Mehrwert verleihen würde. Ein solches Projekt würde jedoch scheitern, wenn es nur in einem Land versucht würde. Aus diesem Grund war Nkrumah ein großer Verfechter der afrikanischen Einheit, was er in seinem Buch Africa Must Unite (1963) ausführlich dargelegt hat. Seiner Entschlossenheit ist es zu verdanken, dass die afrikanischen Länder im selben Jahr, in dem sein Buch veröffentlicht wurde, die Organisation für Afrikanische Einheit (OAU) gründeten. Im Jahr 1999 wurde aus der OAU die Afrikanische Union.
Während Ghana und Afrika kleine Schritte auf dem Weg zur nationalen und kontinentalen Souveränität machten, hatten einige Leute andere Vorstellungen. Nkrumah wurde 1966 durch einen vom Westen unterstützten Putsch abgesetzt, fünf Jahre nachdem Patrice Lumumba als Premierminister der Demokratischen Republik Kongo abgesetzt und anschließend ermordet worden war. Jeder, der ein Projekt für die Souveränität des Kontinents und die Würde des afrikanischen Volkes aufbauen wollte, wurde entweder abgesetzt, getötet oder beides.
Quelle: Popular Resistance - Die neue EU-Krise (1): Vom Kurs abgekommen
Ukraine-Krieg, Flüchtlingskrise, Rezession: Die EU steckt mal wieder in der Krise. Doch diesmal ist alles anders. Die 27 sind vom Kurs abgekommen – sie wissen nicht mehr, wofür sie stehen. – Teil eins einer mehrteiligen Serie.
Früher war klar, worum es ging: Frieden, Wohlstand und Stabilität waren die Versprechen, mit denen die EU angetreten ist. Die deutsch-französische Aussöhnung stand für Frieden, der Binnenmarkt für Wohlstand und der Euro für Stabilität.
Aus, vorbei. Der Frieden ist in der Ukraine verloren gegangen, die EU sucht ihn nicht einmal mehr. Der Binnenmarkt leidet unter kontraproduktiven Sanktionen und explodierenden Energiepreisen. Die Eurozone hat die Inflation nicht im Griff; die steigenden Lebenshaltungskosten gefährden den Wohlstand.
Die EU hat alle Ziele verfehlt, die Politik ist vom Kurs abgekommen. Doch statt sich dies einzugestehen und Abhilfe zu suchen, wird die Krise verdrängt. Früher gab es wenigstens noch Krisengipfel, um die Probleme zu lösen. Heute gibt es nicht einmal mehr das.
Beim EPG-Gipfel in Granada wurde um den heißen Brei herumgeredet. Die Ohnmacht in Bergkarabach und im Kosovo sollte ebenso wenig auffallen wie der tiefe Riss, der die EU sieben Jahre nach der ersten großen Flüchtlingskrise 2015/16 immer noch zerreisst.
Statt sich an die eigenen Versprechen zu erinnern und den Kurs neu zu bestimmen, suchen die EU-Politiker die Flucht nach vorn. Im Beitritt der Ukraine, Moldaus sowie der Westbalkan-Länder soll das neue, „geopolitische“ Heil liegen. Bis 2030 soll alles geschafft sein.
Quelle: Lost in Europe - Osteuropa vor einer neuen Krise
Im Atlas der Weltwirtschaft 2022/2023 hatten wir einen Sonderteil eingefügt, der sich speziell mit den Ländern in Osteuropa auseinandersetzt, die Mitglied der EU und zum Teil sogar Mitglied der EWU sind. Einige Länder verzeichneten in den vergangenen zwei Jahrzehnten enorme Verluste an internationaler Wettbewerbsfähigkeit, wie sich am realen effektiven Wechselkurs ihrer Währungen feststellen lässt. Ein Szenario dieser Art droht jetzt wieder.
Zwischen 2000 und 2022 gab es etwa in Bulgarien zwei massive Aufwertungsschübe im Vergleich zum Euroraum. Das kann man den Abbildungen 1 und 2 (beide aus dem Atlas) entnehmen: Der reale effektive Wechselkurs des Euro (die durchgezogene Linie in Abbildung 1) stieg zwischen 2000 und 2004 um 20 Prozent, blieb bis 2009 ungefähr konstant, fiel dann wieder ab und liegt seit gut fünf Jahren ungefähr um zehn Prozent über seinem Ausgangswert von 2000. Das bedeutet, dass sich die Wettbewerbsfähigkeit des Euroraums bis zum Beginn der weltweiten Finanzkrise 2008/2009 verschlechterte, dann aber wieder verbesserte. Spiegelbildlich dazu stieg der Saldo der Leistungsbilanz der Eurozone deutlich an (die blauen Balken in der Grafik ragen mit Werten von 2 ½ Prozent in den positiven Bereich).
Quelle: Relevante Ökonomik - Regierungswechsel in Luxemburg: Christdemokraten dabei
Luxemburg steht nach der Parlamentswahl vor einem Regierungswechsel. Die seit zehn Jahren regierende Dreierkoalition von Liberalen, Grünen und Sozialdemokraten ist wegen herber Verluste der Grünen abgewählt. Nun bahnt sich ein Zweierbündnis zwischen den zwei stärksten Parteien an: Der konservativen Christlich-Sozialen Volkspartei (CSV) und den Liberalen (Demokratische Partei/DP). Die beiden Parteien haben im Parlament eine komfortable Mehrheit mit 35 von 60 Sitzen. […]
Die bisherige Dreier-Koalition war am Sonntag in Luxemburg abgewählt worden. Das Bündnis kam auf 29 Mandate – 2 Sitze zu wenig, um die Koalition fortsetzen zu können. Zuletzt hatte die Regierungskoalition eine knappe Mehrheit mit 31 von 60 Sitzen in der Abgeordnetenkammer.
Laut Wahlleitung verloren die Grünen im Vergleich zur Wahl 2018 fünf Mandate – und kamen nur noch auf vier Sitze.
Quelle: Zeit Online - Parlamentarische Sprechblasen
Heutigen politischen Debatten ist nicht vorzuwerfen, dass darin zu viel gestritten würde — vielmehr sagen alle Parteien annähernd das Gleiche in zunehmend hohlen Worten.
Früher ging es hoch her im Hohen Haus, wenn prägnante Köpfe sich ebendiese in oftmals aggressiven Wortgefechten heißredeten. Man stritt, jedoch mit einiger Substanz. Heute herrscht eher das Bild einer De-facto-Einheitspartei, die durch inszenierte Scharmützel über Geschmacksnuancen demokratische Verhältnisse zu simulieren versucht. Über die ungefähre Marschrichtung sind sich ohnehin alle längst einig: weniger Freiheit für die Bürger, mehr Krieg und die Ausplünderung des Landes durch mächtige Eliten. Wenn in diesem domestizierten Debattierklub noch irgendwo wirkliche Feindseligkeit mitschwingt, dann richtet sie sich gegen die Bürger. […]
Abgesehen davon, dass ein sogenannter Wahlkampf immer ein peinliches und entwürdigendes Schauspiel ist, vor allem in Zeiten wie diesen, wo zwar Wahlen stattfinden (sollen), man aber eine Wahl — im Sinne konkurrierender Interessen, Ideen und Lösungsansätze für gesellschaftliche Probleme — in keiner Weise hat, sondern bloß irgendeine vorgefertigte Namensliste ankreuzen darf, um hinterher zu erfahren, was „alternativlos“ ist und wozu man folglich gezwungen werden muss.
Quelle: Manova