Neun Prozent Zinsen für den KfW-Studienkredit – die „Zeitenwende“ der Ampel führt zu einem Klassensystem an den Unis

Neun Prozent Zinsen für den KfW-Studienkredit – die „Zeitenwende“ der Ampel führt zu einem Klassensystem an den Unis

Neun Prozent Zinsen für den KfW-Studienkredit – die „Zeitenwende“ der Ampel führt zu einem Klassensystem an den Unis

Jens Berger
Ein Artikel von: Jens Berger

Seit dem 1. Oktober verlangt die staatliche Förderbank KfW mehr als neun Prozent Zinsen für ihren Studienkredit. Der KfW-Studienkredit hat nahezu ein Monopol und ist vor allem für Studenten, deren Eltern nicht zu den Besserverdienern gehören, oft die entscheidende Säule der Studienfinanzierung. Das Studium an deutschen Hochschulen wird immer mehr zu einem Luxus, den sich selbst Kinder aus Familien mit normalen Einkommen nicht mehr leisten können. Das ist auch eine Folge der „Zeitenwenden“-Politik der Ampel. Die BAföG-Leistungen werden Stück für Stück zurückgefahren, und die verteuerten Studienkredite sind für viele Studenten ohne zahlungskräftigen familiären Background unbezahlbar. Schon heute werden 83 Prozent der Studenten von der eigenen Familie finanziert. Wer das nicht kann, hat kaum mehr Alternativen. Eigentlich bräuchte es einen „Bildungs-Wumms“, doch die Bundesregierung gibt das Geld ja lieber für Rüstung und Krieg aus. Von Jens Berger.

Schon heute ist ein Studium an deutschen Hochschulen für sehr viele Familien keine Selbstverständlichkeit. Lediglich elf Prozent der Studenten haben Anspruch auf die staatliche Ausbildungsförderung, doch auch das BAföG reicht mit einer durchschnittlichen Höhe von 611 Euro für die meisten Anspruchsberechtigten als einzige Säule der Studienfinanzierung nicht aus. Das ist politisch auch so gewollt. Die Bildungspolitik des Bundes setzt auf vier verschiedene Säulen der Studienfinanzierung. Neben dem BAföG sind dies Studienkredite, Stipendien und die private Finanzierung. Da jedoch nur zwei Prozent der Studenten von Stipendien profitieren und die Zahl der BAföG-Anspruchsberechtigten mit elf Prozent ebenfalls sehr überschaubar ist, läuft es für die übergroße Mehrheit darauf hinaus, dass die private Säule der Studienfinanzierung die entscheidende ist. Wer jedoch die Mieten in Universitätsstädten kennt und die vor allem im letzten Jahr massiv gestiegenen Lebenshaltungskosten berücksichtigt, ahnt bereits, dass diese private Säule für sehr viele Familien zu brüchig und zu klein ist, um als tragende Säule der Studienfinanzierung in Betracht zu kommen.

Warum günstige Studienkredite so wichtig sind

Und hier kommen Studienkredite ins Spiel. Die Idee dahinter ist wunderbar. Ein Student bekommt während der Studienzeit die gewünschte monatliche Kreditrate unabhängig vom Einkommen der Eltern ausgezahlt. Die Höhe dieser Säule ist dabei variabel, sodass der Studienkredit im Idealfall entweder die tragende Säule für die gesamte Studienfinanzierung oder eben ein „Lückenfüller“ für den Betrag sein kann, der neben BAföG, Unterstützung durch die Familie und eigenen Verdiensten noch offen ist. Zurückgezahlt wird der Kredit dann später, wenn der ehemalige Student als Jungakademiker hoffentlich in der Lage ist, die Kreditraten zu bedienen. Im Idealfall wäre dieser Kredit ein zinsloses Darlehen. Da er eine staatliche Förderleistung ist, wäre dies auch finanzwirtschaftlich durchaus möglich, und mit der staatlichen Förderbank KfW gäbe es sogar die richtige Plattform für ein solches Modell.

Doch so sieht der real existierende Studienkredit der KfW nicht aus. Obgleich dieser Kredit von einer staatlichen Förderbank vergeben wird, ist er laut KfW kein „klassischer Förderkredit“. Es gibt weder eine Kostenbeteiligung der öffentlichen Hand noch eine Ausfallbürgschaft des Bundes, und die Kreditsumme wird – wie bei den meisten Privatbanken auch – regulär über den Geldmarkt refinanziert. Das heißt, die KfW muss sich die Gelder, die sie als Studienkredite vergibt, selbst am Markt besorgen und zahlt dafür die marktüblichen Zinsen. Auch wenn die KfW nach eigenen Angaben die Studienkredite „kostendeckend“ vergibt und damit kein Geld verdient, so gibt sie die Finanzierungs- und Bearbeitungskosten und auch die Ausfallrisiken an die Kreditnehmer, also die Studenten, weiter. Besonders problematisch ist dabei, dass der Zinssatz variabel ist und sich am Interbankenzinssatz EURIBOR orientiert. Der ist seit den Zinserhöhungen der EZB außer Kontrolle und von -0,5 Prozent im März 2022 auf nunmehr 4,1 Prozent gestiegen. Und da die KfW ihre eigenen Kosten und das Ausfallrisiko ja noch aufschlägt, verlangt sie nun stolze 9,01 Prozent für ihren Studienkredit – das ist mehr als doppelt so hoch wie ein üblicher Immobilienkredit und sogar höher als ein üblicher Autokredit. Sogar Autos sind uns also mehr wert als Bildung.

In der Zins- und Schuldenfalle

Für Studenten stellen dabei vor allem die laufenden Zinszahlungen und die nach dem Studium einsetzende Rückzahlung der Kreditsumme ein Problem dar. Die Zinsen auf die bereits ausgezahlte Kreditsumme fallen beim KfW-Studienkredit – anders als die Tilgung der Kreditsumme – über den Zeitraum an – also auch in der Auszahlungsphase während des Studiums. Das ist im ersten Semester überschaubar, aber zum Ende des Studiums können allein die Zinskosten bereits im eigentlichen Sinne des Wortes existenzgefährdend sein. Wer im Extremfall – z.B., weil er keine zahlungsfähigen Eltern oder als Alleinerziehender zusätzliche Kosten hat – die maximale Kreditsumme von 650 Euro pro Monat für den maximalen Förderraum von 14 Semestern in Anspruch genommen hat, kommt am Ende auf monatliche Zinskosten in Höhe von 414 Euro. Mit anderen Worten: Anstatt 650 Euro bekommt er netto nur 236 Euro ausgezahlt. Die Säule Studienkredit fällt für die Betroffenen dann aus. Sie stehen vor der Wahl, die Lücke durch eigene Arbeit zu schließen und damit womöglich ihre Leistungen im Studium zu torpedieren oder das Studium abzubrechen, weil sie sich schlicht ihre Miete, den Strom, das Essen oder allgemein das Leben nicht mehr leisten können.

Zwar dürfte die Zahl der Studenten, die auf diese Maximalsumme kommen, überschaubar sein. Nehmen wir also ein normales Beispiel, um das Problem zu verdeutlichen. Ein Student, der im achten Semester ist und dessen Eltern ihn voll unterstützen können, hat z.B. einen Studienkredit über 400 Euro pro Monat aufgenommen. Nach vier Jahren kommt er so auf eine ausgezahlte Kreditsumme von 19.200 Euro. Für die Zinsen muss er im laufenden Semester 146 Euro bezahlen. Das heißt, er bekommt statt 400 Euro nur 254 Euro ausgezahlt. Währenddessen sind aber die Kosten für Miete, Strom und andere Dinge gestiegen. Was tun? Wenn die Eltern schon vorher nicht die volle Unterstützung leisten können, ist es unwahrscheinlich, dass sie die Lücke füllen können. Also arbeiten oder das Studium abbrechen.

Wer hat, dem wird gegeben

Anders sieht die Lage von Studenten aus, deren Eltern nicht nur die Finanzierungslücke schließen, sondern auch alternative Kreditmöglichkeiten haben. So ist es bei mir im Bekanntenkreis mittlerweile nicht unüblich, das Studium der Kinder über ein Hypothekendarlehen zu finanzieren. Die Eltern nehmen eine Hypothek auf, bei der ihr Haus die Sicherheit ist. Man nimmt z.B. 50.000 Euro Schulden auf, die man dem studierenden Kind in monatlichen Raten während des Studiums auszahlt, und das Kind zahlt den Kredit als eine Art „Privatdarlehen“ nach dem Studium in monatlichen Raten zurück. Bei der Tilgung von 500 Euro pro Monat dauert das bei dieser Finanzierungsform gerade einmal zehn Jahre, wobei der effektive Jahreszins mit 4,38 Prozent in diesem Rechenbeispiel nicht einmal halb so hoch ist wie beim Studienkredit der KfW. Der Haken dabei ist natürlich, dass man erst einmal ein Haus besitzen muss, auf das man eine sogenannte Hypothek zur Kapitalbeschaffung aufnehmen kann.

Das Beispiel zeigt einmal mehr, dass die Finanzierung des Studiums heute mehr denn je seit der SPD-Bildungsoffensive in den 1970ern eine Klassenfrage ist. Wer hat, dem wird gegeben, und wer das Studium der Kinder eigentlich auch so finanzieren könnte, hat – auch ohne selbst zahlen zu müssen – zahlreiche kreative Möglichkeiten, um seinen Kindern ein bezahlbares Studium zu ermöglichen. In die Röhre gucken jedoch diejenigen, die diese Privilegien nicht haben.

So ist es kein Zufall, dass laut den Zahlen der OECD in Deutschland nur 2,2 Prozent der Studenten aus Haushalten stammen, deren Eltern selbst keinen erweiterten Bildungsabschluss haben. Nur Japan ist im OECD-Vergleich noch schlechter. In den Niederlanden sind es 13,3 Prozent, und in Spanien trifft dies sogar auf jeden dritten Studenten zu. Dafür stammen in Deutschland fast zwei Drittel der Studenten aus Akademikerhaushalten – fast 40 Prozent sogar aus Haushalten, in denen beide Elternteile bereits selbst studiert haben. Der Aufstieg durch Bildung ist in Deutschland offenbar kein politisches Ziel; auch wenn allenthalben über den Fachkräftemangel gejammert wird.

Es wäre gar nicht so schwer, daran was zu ändern

Interessanterweise gibt es sogar von der KfW durchaus ein preiswerteres Studienfinanzierungsmodell, nämlich den sogenannten Bildungskredit. Bei diesem Kredit übernimmt der Staat die Ausfallbürgschaft, wodurch die Zinsen mit 5,12 Prozent deutlich niedriger sind. Jedoch ist der Bildungskredit nicht zur Finanzierung des gesamten Studiums, sondern nur als „Zubrot“ für Zusatz-, Ergänzungs- oder Aufbaustudien gedacht, auf zwei Jahre begrenzt und mit einer monatlichen Auszahlungssumme von maximal 300 Euro ohnehin viel zu gering bemessen, um eine tragende Säule der Studienfinanzierung zu sein.

Eine Ausweitung des KfW-Bildungskredits auf das Angebot des KfW-Studienkredits wäre eine – wenn auch kleine – Möglichkeit, um die Situation für Studenten aus Normalverdiener-Haushalten zu verbessern und durch die Senkung des effektiven Jahreszinses von 9,01 Prozent auf 5,12 Prozent die Zins- und Schuldenfalle für Studenten zumindest ein wenig zu entschärfen. Dazu müsste der Bund „lediglich“ die Ausfallbürgschaft übernehmen. In Zeiten von „Doppelwumms“ und „Zeitwende“ wäre dies eine Kleinigkeit.

Aber warum sollte es man bei einem kleinen Schritt belassen? Wenn der Staat jedem seiner Kinder – unabhängig von Einkommen, Herkunft und Stand – eine optimale Ausbildung ermöglichen will, so sollte er die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass jeder Student die Möglichkeit hat, seine Studienkosten über eine einzige stabile Säule zu finanzieren, die aus einem zinslosen(!) Studienkredit mit variablen Rahmenbedingungen besteht. Sicher, das würde einige Milliarden Euro kosten, da der Staat – anders als vor der Zeiten- und Zinswende – mittlerweile selbst Zinsen zahlen muss. Aber im Vergleich zu den gigantischen Ausgaben, die nun in Rüstung und Kriegsunterstützung der Ukraine fließen, wäre das durchaus überschaubar.

Und wo wir schon bei Krieg und Zeitenwende sind: Man sollte auch immer im Hinterkopf behalten, dass auch die jetzt sichtbaren Probleme bei den Studienkrediten nicht vom Himmel gefallen, sondern eine direkte Folge der Zinspolitik der EZB sind, die sich wiederum darauf beruft, die Zinsen nur zu erhöhen, um die Inflation einzufangen, die wiederum ganz maßgeblich von den steigenden Energiekosten getrieben wird, die eine direkte Folge der Sanktionspolitik der Bundesregierung sind. So was kommt von so was – nur dass dies nicht immer offensichtlich ist und sicher nur von den wenigsten verstanden wird. Anders ist die Duldungsstarre der Menschen kaum zu erklären.

Titelbild: fizkes/shutterstock.com

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