Hinweise der Woche

Ein Artikel von:

Am Wochenende präsentieren wir Ihnen einen Überblick über die lesenswertesten Beiträge, die wir im Laufe der vergangenen Woche in unseren Hinweisen des Tages für Sie gesammelt haben. Nehmen Sie sich ruhig auch die Zeit, unsere werktägliche Auswahl der Hinweise des Tages anzuschauen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (AT)

Wir weisen darauf hin, dass die jeweiligen Anbieter für die Barrierefreiheit ihrer Angebote selbst verantwortlich sind und es durchaus sein kann, dass der Zugang von zunächst freien Inhalten nach einer Zeit beschränkt wird.

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Entmachtung von Cum-Ex-Ermittlerin: Hat der Minister den Personalrat getäuscht?
  2. Bundeswehr und digitale Funkgeräte: Regelrecht verbockt
  3. Taurus: Meinungsmache vs. Verfassungsrecht: Stimmungsmache und blinde Flecken in der Berichterstattung
  4. Gescheitertes Minsker Abkommen: Die wirkliche Urkatastrophe
  5. Ukraine: Verwundete US-Kämpfer werden nach Deutschland ausgeflogen
  6. Slowakei schert aus
  7. Karabach: Einmal mehr siegt die nackte Gewalt!
  8. Na dann kündigt doch euren Job und legt euch in die soziale Hängematte!
  9. Die Wahlen in den USA sind legal – aber sind sie auch legitim?
  10. Von wegen ein Volk: Die skandalöse Enteignung des Ostens ist weiter tabu

Vorbemerkung: Ursprünglich hatten wir geplant, in unserer Wochenübersicht auch auf die lohnenswertesten redaktionellen Beiträge der NachDenkSeiten zu verweisen. Wir haben jedoch schnell festgestellt, dass eine dafür nötige Vorauswahl immer damit verbunden ist, Ihnen wichtige Beiträge vorzuenthalten. Daher möchten wir Ihnen raten, am Wochenende doch einfach die Zeit zu nutzen, um sich unsere Beiträge der letzten Wochen (noch einmal) anzuschauen. Vielleicht finden Sie dabei ja noch den einen oder anderen Artikel, den es sich zu lesen lohnt. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Entmachtung von Cum-Ex-Ermittlerin: Hat der Minister den Personalrat getäuscht?
    Wegen der umstrittenen Entmachtung von Deutschlands wichtigster Cum-Ex-Ermittlerin durch NRW-Justizminister Limbach erheben Personalvertreter nach WDR-Informationen schwere Vorwürfe gegen den Minister.
    Das zweiseitige Schreiben, das den nordrhein-westfälischen Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) Anfang der Woche erreichte, war nichts weniger als in Zeilen gegossenes Misstrauen. Absender war der Hauptstaatsanwaltsrat, die Personalvertretung von NRWs Strafverfolgern. In dem Brief, der dem WDR vorliegt, geht es um die umstrittene Entmachtung von Deutschlands wichtigster Cum-Ex-Ermittlerin – vor allem aber um die Frage, ob der Justizminister den Personalvertretern die Wahrheit gesagt hat.
    Auslöser des Eklats war das regelmäßig stattfindende “Vierteljahresgespräch”, das die Personalvertreter am 18. September mit dem Minister geführt haben. Unter anderem ging es darin auch um Pläne der Staatsanwaltschaft Köln, die “Cum-Ex”-Hauptabteilung H umzustrukturieren. Die Abteilung unter der Leitung von Oberstaatsanwältin Anne Brorhilker ist für die überwiegende Zahl an Cum-Ex-Fällen in Deutschland zuständig, ermittelt gegen mehr als 1700 Beschuldigte.
    Quelle: tagesschau

    dazu auch: Kanzler schwimmt nach Anfrage zu Cum-Ex: “Kanzler Scholz lügt und erfindet Kalendereintrag”
    Olaf Scholz verwickelt sich im Cum-Ex-Skandal immer mehr in Widersprüche. Selbst dem Kanzleramt fällt es zunehmend schwer, die Erinnerungslücken und verwirrenden Aussagen des Kanzlers stichhaltig zu erklären.
    Der Kanzler ist clever, wenn es darum geht, mit Vorwürfen zum umstrittenen Treffen mit dem Warburg-Banker Christian Olearius umzugehen. Er gibt nur das zu, was öffentlich bekannt wird. Bis dahin bezieht er sich auf Erinnerungslücken und fehlende Terminkalendereinträge. Viele Kritiker sagen, er verhöhne damit das Parlament, das in Ausschusssitzungen und parlamentarischen Untersuchungsausschüssen Klarheit schaffen wollte: Hat der ehemalige Erste Bürgermeister Hamburgs und heutige Kanzler Einfluss auf ein Steuerverfahren in Hamburg genommen?
    Jetzt hat sich der Kanzler aber offenbar in der eigenen Argumentation verheddert. Und auf Anfrage der Fraktion “Die Linke” im Bundestag, die t-online exklusiv vorliegt, reagiert die Bundesregierung schmallippig und verärgert. Hat der Kanzler einen Kalendereintrag zu einem Treffen mit Christian Olearius erfunden – und lügt er über seine Erinnerungslücken?
    Quelle: t-online

    und: Justiz schützt Scholz: Neue Enthüllungen in Cum-ex-Affäre.
    Die Behauptung, vor dem Gesetz seien alle gleich, ist wohl einer der wichtigsten Propaganda-Slogans bürgerlich-kapitalistischer Justiz. Wie realitätsfern die Aussage ist, zeigt nun einmal mehr der Umgang mit den Verstrickungen von Bundeskanzler Olaf Scholz in die Cum-ex-Machenschaften der Hamburger Privatbank M. M. Warburg. Dass diese im dreistelligen Millionenbereich Steuergelder gestohlen hat, steht fest. Auch dass Scholz seinen Einfluss auf die Finanzverwaltung der Hansestadt geltend machte, um dem Geldhaus die Rückzahlung zu ersparen, ist offensichtlich. Und allmählich wird auch deutlich, warum er trotzdem nicht auf der Anklagebank sitzt. Nämlich aus »Rücksicht auf die Stellung« als Bundeskanzler, wie es in einem Vermerk der Staatsanwaltschaft Köln, über den der Stern am Dienstag berichtete, unmissverständlich heißt.
    Quelle: junge Welt

  2. Bundeswehr und digitale Funkgeräte: Regelrecht verbockt
    Fortsetzung der Realsatire Beschaffung: Das nächste Sondervermögen-Debakel. Verteidigungsminister Boris Pistorius macht keine gute Figur. Wer denkt schon an den Einbau von bestellten Geräten? […]
    Nicht minder spektakulär sind die Umstände, unter denen die Anschaffung neuer digitaler Funkgeräte regelrecht verbockt wurde. Dabei ist es nicht allein die Tatsache, dass bei der Bestellung schlicht vergessen wurde, dass man sich auch um den Einbau kümmern muss, auch Verteidigungsminister Boris Pistorius macht bei der ganzen Angelegenheit keine gute Figur.
    Dass es jetzt zu massiven Verzögerungen kommt, obwohl hier auf ein extra vor nicht allzu langer Zeit geschaffenes Prozedere zur Beschleunigung des Beschaffungswesens zurückgegriffen wurde, setzt dem ganzen dann die Krone auf.
    Einbau vergessen
    Nach aktuellen Planungen soll dem Bereich “Führungsfähigkeit/Digitalisierung” rund ein Viertel des Bundeswehr-Sondervermögens zufließen. Im Zentrum steht dabei die “Digitalisierung Landbasierter Operationen” (D-LBO), die auf eine Vollvernetzung von der taktischen bis hin zur strategischen Ebene zielt.
    Dafür müssen unter anderem sämtliche bislang analog arbeitende Funkgeräte in zigtausend Fahrzeugen der Bundeswehr ausgetauscht werden. Die Gelder für die Bestellung internettauglicher und abhörsicherer Funkgeräte wurden vom Haushaltsausschuss am 14. Dezember 2022 bewilligt.
    Freigegeben wurden 1,35 Milliarden Euro für etwa 20.000 Funkgeräte. Ferner wurde mit dem Hersteller, dem Münchner Unternehmen Rohde & Schwarz, eine Option für den Kauf weiterer 14.000 Funkgeräte zum Preis von 1,52 Milliarden Euro vereinbart (für die Betriebskosten in den kommenden 20 Jahren wurden weitere 2,2 Milliarden Euro veranschlagt).
    Diese Funkgeräte laufen nun zu – oder besser: auf.
    Denn augenscheinlich hat sich niemand darüber Gedanken gemacht, dass die Teile auch in die Fahrzeuge eingebaut werden müssen:
    Quelle: Telepolis

    dazu: Beliebter Minister: Funkstörung bei Pistorius
    Mit Herz und Schneid führt Boris Pistorius sein Ministerium. Doch die Pannen häufen sich, Reformen bleiben aus, Geld wird zum Fenster rausgeworfen.
    Boris Pistorius ist der beliebteste Verteidigungsminister seit Langem. Er genießt das. Als in dieser Woche herauskam, dass die Bundeswehr für mehrere Hundert Millionen Euro Funkgeräte bestellt hat, die nicht in ihre Panzer und Geländewagen passen, war er deshalb sehr verärgert. Und er legt Wert darauf, dass ihn keine Schuld treffe, schließlich sei die Bestellung sechs Wochen vor seiner Amtsübernahme rausgegangen. […]
    Die Leute mögen Pistorius, in Umfragen liegt er weit vor dem Bundeskanzler. Die Mischung aus Schneid und Herz, die den langjährigen Landespolitiker auszeichnet, kommt überall gut an. Sehr gut war Pistorius bislang auch darin, Zustände im Ministerium und im Beschaffungswesen anschaulich zu beschreiben, sich als Macher zu präsentieren und seine Vorgänger dabei schlecht aussehen zu lassen.
    Von voller Fahrt kann keine Rede sein
    Doch allmählich wird deutlich, dass es mehr braucht als Herz und Schneid, um in der Bundeswehr etwas zu verändern. Pistorius hat einige Leute ausgetauscht, weitere treue Sozialdemokraten eingestellt. Auch ein Planungsstab nach Art seines Vorbildes Helmut Schmidt wurde eingerichtet. Zackig entließ Pistorius Generalinspekteur Eberhard Zorn und brachte den Kanzler-Vertrauten Carsten Breuer ins Amt.
    Was sich seither an der Führung der Bundeswehr verbessert haben soll, erschließt sich nicht.
    Quelle: FAZ

  3. Taurus: Meinungsmache vs. Verfassungsrecht: Stimmungsmache und blinde Flecken in der Berichterstattung
    Seit Wochen wird in Deutschland etwas niederschwelliger eine Debatte nach bekanntem Muster geführt. Wieder geht es um ein Waffensystem, das die Ukrainische Regierung von Deutschland einfordert, diesmal um den Marschflugkörper Taurus. Wieder wird dem Kanzler von Medien und Politiker*innen Zögern vorgeworfen und auf verbündete Regierungen verwiesen, welche (vermeintlich) ähnliche Waffensysteme bereits an die Ukraine geliefert hätten. Ende September wurde die Debatte um eine Facette reicher, nachdem angedeutet worden war, dass der Marschflugkörper sein Ziel auf der Grundlage von Geodaten ansteuert, die man dann ebenfalls der Ukraine zur Verfügung stellen müsse – oder die Zielprogrammierung müsse durch Bundeswehrsoldaten erfolgen. In diesem Zusammenhang wurde dann auch die Fragestellung aufgeworfen, ob die Lieferung der Taurus-Raketen nicht ein Bundeswehrmandat voraussetzen würde, da es sich damit um einen „Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte im Ausland“ handeln könnte. Damit würde, so die Befürchtung, die Schwelle zur offiziellen Beteiligung Deutschlands am Krieg in der Ukraine vollends überschritten.
    Die technischen Voraussetzungen sind kompliziert. Viele Medien suggerieren eher beiläufig, man könne im entsprechenden Datensatz einfach das Territorium der Ukraine isolieren, und die Marschflugkörper mit diesem eingeschränkten Datensatz liefern. Genau zu wissen, ob das funktioniert, scheint jedoch niemand in der schreibenden Zunft. Die FAZ, welche die Frage um die Mandatspflichtigkeit – dankenswerter Weise – am 21.9.2023 unter dem Titel „An der Grenze zur Konfliktpartei“ wesentlich mit angeschoben hatte, versuchte sie mit dem Verweis auf anonyme „[f]ranzösische Sicherheitsfachleute“ wenige Tage später wieder zu entschärfen. Diesmal unter dem Titel „Kein Verständnis für das deutsche Zögern“ wird dort verlautbart: „Die Ukraine verfüge bereits über alle relevanten Geodaten und äußerst agile Programmierer, heißt es in Paris“. Diese vage Behauptung gilt dann vielen beim Tanz auf Messers Schneide der Kriegsbeteiligung als völlig ausreichend. Für andere scheinen verfassungs- und völkerrechtliche Fragen ohnehin hinter den Forderungen des ukrainischen Militärapparates völlig in den Hintergrund zu treten.
    Quelle: IMI-Standpunkt

    dazu auch: Ukraine-Krieg: Ist die Verweigerung von Waffenlieferungen rechts?
    n Deutschland sind einst friedensbewegte Kreise entsetzt: In den USA und der Slowakei sollen Militärhilfen beendet werden. Was wäre eine wirklich internationalistische Position?
    Zwei außenpolitische Ereignisse der letzten Tage haben einen Großteil der deutschen Medien in Aufregung versetzt. In der Slowakei ist die Partei des sozialdemokratischen Politikers Robert Fico gestärkt worden. Die Präsidentin hat ihn nun mit der Regierungsbildung beauftragt. Innenpolitisch verspricht Fico einen etwas sozialeren Kapitalismus, außenpolitisch will er die Waffenlieferungen an die Ukraine kappen.
    Während noch lange nicht klar ist, ob das Wahlversprechen Bestand haben wird, wenn Fico eine Koalitionsregierung bilden kann, wird ihm jetzt schon vorgeworfen, ein Putin-Freund zu sein und die Ukraine im Stich lassen zu wollen. Das wird auch den Republikanern in den USA vorgeworfen, die dafür verantwortlich sind, dass zur Abwehr eines finanziellen Shutdowns ein Nothaushalt beschlossen worden ist, in der keine Militärhilfen für die Ukraine enthalten sind.
    Für den außenpolitischen Redakteur der taz, Dominic Johnson, handelt es sich dabei um einen “Dammbruch der Rechten”. Ein Absatz in Johnsons Artikel trägt die Überschrift “Rechtsextreme Rhetorik wird salonfähig”.
    Hier wird suggeriert, dass nur Rechte und gar Rechtsextreme ein Interesse daran haben, dass einmal die Militärhilfe für die Ukraine stockt. Dabei wird unterschlagen, dass neben Antimilitaristen und Pazifisten auch anfängliche Befürworter der Waffenhilfe aus dem bürgerlich-demokratischen Spektrum das Geschehen inzwischen als blutigen Abnutzungskrieg bewerten, der durch Verhandlungen beendet werden muss.
    Quelle: Telepolis

  4. Gescheitertes Minsker Abkommen: Die wirkliche Urkatastrophe
    Neuerdings gilt der NATO-Gipfel von 2008 als Weichensteller zum Ukraine-Krieg. Das wird der Lage nicht gerecht. Hans-Georg Ehrhart über das Scheitern des Minsk-II-Abkommens und eine Katastrophe, die möglicherweise noch vor uns liegt
    Nicht erst seit dem russischen Angriff auf die Ukraine wird in Deutschland ein Narrativ gepflegt, das komplexe historische Zusammenhänge verzerrt darstellt, um zu einfachen Erklärungen zu kommen. So machte der Spiegel jüngst mit der Schlagzeile auf: „Der Tag, an dem der Krieg begann. Rekonstruktion eines fatalen Irrtums“. Kernthese des Artikels ist die Behauptung, dass der Ukraine-Krieg eigentlich bereits 2008 auf dem NATO-Gipfel in Bukarest hätte verhindert werden können, wenn sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident Nicolas Sarkozy nicht gegen die Aufnahme der Ukraine und Georgiens in die NATO gestellt hätten.
    Der Autor konzediert gute Absichten, unterstellt aber Naivität und urteilt, sie müssten mit dem Verdacht leben, die Ukraine und Georgien „am Ende preisgegeben zu haben“. Diese Einschätzung verwundert, weil der Spiegel all die Gründe aufführt, die die deutsche Haltung richtigerweise begründeten.
    So war die Ukraine ein hochkorruptes Land, das beim Korruptionsindex von Transparency International auf Rang 134 lag. Es war politisch instabil, und mehr als die Hälfe der Bevölkerung war gegen einen NATO-Beitritt. Es gab Konflikte zwischen nationalistischen Ukrainern im Westen und ethnischen Russen im Osten. Das Land war ökonomisch heruntergewirtschaftet und militärisch schwach. Es erfüllte nicht die von der NATO definierten Kriterien für einen Beitritt, vor allem versprach es keinen Zugewinn an Sicherheit.
    Führende aktive US-Diplomaten und -Minister sprachen sich aus guten Gründen gegen einen Beitritt aus. US-Botschafter Williams Burns etwa kabelte aus Moskau, eine NATO-Mitgliedschaft sei die breiteste aller roten Linien für Russland. Verteidigungsminister Robert Gates pflichtete ihm mit der Einschätzung bei, ein Kalter Krieg in Europa sei genug. Weitere Argumente waren, dass Sicherheit in Europa nicht ohne Russland zu haben sei und der Westen Russland bei vielen anderen Themen brauche.
    Gleichwohl blies US-Präsident George W. Bush, unterstützt von den mittel- und osteuropäischen Staaten, zum Showdown und setzte insbesondere Merkel unter großen Druck. Er tat das aus ideologischen und machtpolitischen Gründen. Es ging ihm und seinem neokonservativen Einflüsterer, Vizepräsident Dick Cheney, um Demokratie-Export und um die Stärkung der US-Hegemonie. Der anschließende kurze Georgien-Krieg zeigte dann allerdings, dass auch die Falken in Washington nicht bereit waren, für Georgien einen Krieg mit Russland zu riskieren.
    Quelle: der Freitag

    dazu auch: Die Ukraine, Russland und der Westen
    Wenn man sachkundige Informationen über die Hintergründe des russisch-ukrainischen Krieges bekommen möchte, empfiehlt es sich oft, bei denen nachzuschlagen, die vom politisch-medialen Komplex „gejagt“ werden. Gabriele Krone-Schmalz, die unter anderem ARD-Korrespondentin in Moskau war, ist seit Jahrzehnten eine kompetente Beobachterin dieser Weltregion, wie es nur wenige in Deutschland gibt. Seit 2014 meldete sie öffentlich begründete Zweifel an der offiziellen Berichterstattung über den Maidan-Putsch, die Rolle Putins und die Gewalthandlungen in der Ostukraine an. Nicht überraschend, wurde sie als „Putin-Versteherin“ verschrien, obwohl sie anmerkte, der Einmarsch Russlands in der Ukraine sei „durch nichts zu rechtfertigen“. 2022 weigerte sich der frühere Verlag von Krone-Schmalz, C.H.Beck, ihr Buch „Russland verstehen“ in einer Neuauflage zu veröffentlichen. Es ist das Verdienst des Westend-Verlags, dass dieses wichtige Grundlagenwerk heutigen Lesern jetzt in aktualisierter Version zur Verfügung steht.
    Quelle: Manova

  5. Ukraine: Verwundete US-Kämpfer werden nach Deutschland ausgeflogen
    Das US-Militärkrankenhaus in Landstuhl hat begonnen, im Kampfeinsatz in der Ukraine verwundete Amerikaner zu behandeln.
    Die US-Armee hat stillschweigend damit begonnen, verwundete Amerikaner und andere internationale Ukraine-Kämpfer in ihrem Militärkrankenhaus im deutschen Landstuhl zu behandeln. Das berichtet die New York Times. Etwa 14 US-Bürger werden laut dem Bericht aktuell im „Landstuhl Regional Medical Center“ behandelt. Die New York Times wertet diesen Umstand als „bemerkenswerten neuen Schritt einer stärkeren Beteiligung der Vereinigten Staaten an dem Konflikt“ in der Ukraine.
    Die Behandlung in Landstuhl erfolgt demnach auf Empfehlung einer Bundeswehr-Einrichtung. Nachdem im August mehr als zwei Dutzend ausländische freiwillige Kämpfer verletzt worden waren, hatte der Kommandant des Spezialkommandos – ein US-Veteran, der im Irak und in Afghanistan gekämpft hatte – das „Multinational Medical Coordination Center“ (MMCC) kontaktiert. Diese Einrichtung gehört zur Bundeswehr. Der US-Kämpfer wollte eigentlich zivile Krankenhausbetten für die Verwundeten finden. Das MMCC sagte ihm jedoch, er solle Patienten nach Landstuhl schicken.
    Marcy Sanchez, ein Sprecher des Krankenhauses, sagte der Times, dass sich alle verwundeten Kämpfer, die derzeit in Deutschland behandelt werden, in einem guten Zustand befänden. Die Patienten in Landstuhl kommen laut Times überwiegend aus den USA, aber auch aus Kanada, Großbritannien, Neuseeland und der Ukraine.
    Quelle: Berliner Zeitung
  6. Slowakei schert aus
    Bröckelnde Ukraine-Unterstützung in der EU: Wahlsieger Robert Fico gegen Waffenlieferungen. Gelingt die Regierungsbildung?
    Während Fico so rasch wie möglich Koalitionsverhandlungen aufnehmen will, hat der PS-Vorsitzende Michal Šimečka angekündigt, für eine proukrainische Mehrheit zu kämpfen und dazu ein Bündnis mit Hlas-SD sowie drei kleineren Parteien anzustreben, die den Sprung über die Fünfprozenthürde geschafft haben. Ob das gelingt, ist ungewiss: Die Hlas-SD müsste dafür in einer Zeit hoher Inflation und steigenden Armutsrisikos wohl zentrale sozialpolitische Grundsätze schleifen. Pellegrini bekräftigte am Sonntag, seine Partei beharre auf Maßnahmen wie Stützung der Lebensmittelpreise oder Aufstockung der Rente. Dass dies mit den liberalen Parlamentsparteien machbar ist, kann bezweifelt werden. Käme es in Bratislava zu einer Kurskorrektur in der Ukraine-Politik, entspräche dies zwar dem Mehrheitswillen der slowakischen Bevölkerung. Umfragen zeigen, dass in der Slowakei inzwischen 69 Prozent der Einwohner warnen, Waffenlieferungen brächten einen großen Krieg näher. Die Unterstützung für die NATO-Mitgliedschaft des Landes fiel zuletzt von 72 Prozent (2022) auf 58 Prozent (2023), die Zustimmung zur EU-Mitgliedschaft von 77 Prozent (2022) auf 64 Prozent (2023). Andererseits wäre eine Regierung, die auf Friedensverhandlungen orientiert, aber starkem Druck aus Brüssel ausgesetzt. Nachrichtenagenturen verbreiten bereits, Fico habe sich mit der Äußerung, der Ukraine-Krieg habe seine Ursprünge in der Tötung russischer Zivilisten durch ukrainische Faschisten im Jahr 2014, der Verbreitung von »Falschinformationen« schuldig gemacht (AFP). Die EU habe jedoch ein sehr wirksames »Druckmittel«: Sie könne einer von Fico geführten Regierung jederzeit »den Geldhahn mit Verweis auf die Rechtsstaatlichkeit zudrehen« (Reuters). Leitmedien gingen am Sonntag bereits dazu über, Fico einen »Orbán-Freund« zu nennen – im Sinne prophylaktischer Feindbildpflege.
    Quelle: junge Welt

    dazu: Manchmal erlaubt die Demokratie, dass der Wille des Volkes Staatspolitik wird: dieses ereignisreiche Wochenende auf dem Capitol Hill in Washington und in der Slowakei
    Zwei wichtige politische Entwicklungen von gestern, zwei Übungen in repräsentativer Demokratie, bei denen die Mehrheitsmeinung der breiten Wählerschaft die Kontrolle über das wichtigste außenpolitische Thema übernommen hat, deuten jedoch darauf hin, dass das Ende der ignoranten, zynischen und selbstzerstörerischen Politik unserer Regierungseliten schneller kommen könnte, als viele von uns zu hoffen gewagt hatten.
    Quelle: Seniora.org

    dazu auch: Wahlen in der Slowakei: Viel Kritik, aber auch ein paar positive Kommentare, z.B. aus Tschechien
    Am letzten Wochenende wurde in der Slowakei gewählt. Gewinner der Wahlen war Robert Fico mit seiner Partei «SMER – die Sozialdemokraten», mit 23 Prozent der Stimmen. Da Fico im Wahlkampf angekündigt hatte, im Falle eines Sieges und seiner Rückkehr ins Amt des Ministerpräsidenten werde die Slowakei keine Waffen mehr an die Ukraine liefern, hagelte es in fast allen großen westeuropäischen Medien harte Kritik. Aus dem Nachbarland Tschechien aber zum Beispiel gab es auch prominente positive Stimmen. Drei Auszüge aus solchen Kommentaren – und eine bemerkenswerte Antwort Ficos auf eine Drohung aus Brüssel.
    Quelle: Globalbridge

  7. Karabach: Einmal mehr siegt die nackte Gewalt!
    Nach der gewollten Entvölkerung Berg-Karabachs durch Aserbaidschan bahnt sich im Südkaukasus ein neues Desaster an. Und die Welt schaut einfach zu. Wo bleiben die sogenannten «europäischen Werte»?
    Der Exodus der armenischen Bevölkerung aus Berg-Karabach hat sich in der letzten Septemberwoche vollzogen: Satellitenbilder des US-Unternehmens Maxar dokumentierten, wie sich auf der Hauptverkehrsachse des sogenannten Latschin-Korridors Tag für Tag von neuem eine schier unendlich lange, farbige Autoschlange durch die weiche, grüne Hügellandschaft des Südkaukasus schlängelte und ausschliesslich in eine einzige Richtung bewegte: weg aus einem Gebiet, das die Fliehenden bis vor kurzem noch ihre Heimat nannten. […]
    Die Menschen flohen, weil die Heimat, in der sie sich seit dreissig Jahren sicher zu sein glaubten, nicht mehr existiert. Der wohl letzte Präsident ihrer international nie anerkannten «Republik Arzach», Samwel Shahramanyan, besiegelte am 27. September mit einem Dekret die Auflösung aller politischen Strukturen Berg-Karabachs. Die lokale Präsidentschaft, das Parlament und die gewählten Bürgermeister sowie sämtliche Institutionen der letzten 30 Jahre soll es ab dem 1. Januar 2024 nicht mehr geben.
    Die formelle Auflösung der Republik, die vollständige Entwaffnung ihrer eigenen «Verteidigungskräfte», sowie die Aufnahme von Gesprächen mit Baku über die vollständige «Wiedereingliederung» in Aserbaidschan als Minderheit, waren Bedingungen, welche Aserbaidschan nach seinem letzten Blitzkrieg den Behörden in Stepanakert vorgelegt hatte.
    Quelle: Globalbrigde

    dazu: Bergkarabach: Armenier protestieren gegen EU-Politik
    In Brüssel haben mehrere tausend Exil-Armenier gegen die Politik der EU und die Vertreibung aus Bergkarabach protestiert.
    Die Organisatoren, die die Zahl der Demonstranten mit 10.000 angaben, beschuldigten Aserbaidschan, eine „ethnische Säuberung“ in Bergkarabach vorzunehmen.
    Sie warfen der EU vor, wegen Gaslieferungen die Augen vor dem Leid der Armenier zu verschließen. „Verkaufe 2000 Jahre armenische Zivilisation gegen aserbaidschanisches Gas“, stand auf einem Plakat
    Den EU-Außenbeauftragten Borrell hat der Protest nicht erreicht. Er hatte Besseres zu tun: Bei einem Besuch in Odessa klagte er Russland wegen der Angriffe auf den Hafen an.
    Quelle: Lost in Europe

    dazu auch: Bergkarabach ist erobert, aber der Krieg geht weiter
    Aserbaidschan hat mit seiner jüngsten Militäroffensive in Bergkarabach Hunderte von Menschen getötet und unzählige Armenierinnen und Armenier vertrieben. Doch seine Expansionspläne sind damit nicht am Ende.
    Am 19. September startete die aserbaidschanische Armee eine groß angelegte Invasion in der überwiegend von Armenierinnen und Armeniern bewohnten Region Bergkarabach. Die Führung des abtrünnigen Gebiets (auf Armenisch auch Republik Karabach oder Republik Arzach genannt) kapitulierte innerhalb von 24 Stunden und willigte ein, ihr Territorium an Aserbaidschan zu übergeben sowie sich Ende dieses Jahres selbst aufzulösen. Der Sturz von Arzach kostete hunderte Menschenleben und führte zur massenhaften Vertreibung und Flucht der armenischen Bevölkerung aus Bergkarabach.
    Dass die Republik Arzach nun ihrem baldigen Ende entgegengeht, ist drastisch veränderten Hegemonie- und Machtverhältnissen in der Region geschuldet. Die Lage hat sich seit dem sogenannten 44-Tage-Krieg im Herbst 2020 deutlich zu Aserbaidschans Gunsten verschoben. Vor allem konnte sich Aserbaidschan Vorteile erschließen, indem es inmitten größerer geopolitischer Turbulenzen Partnerschaften mit den lokal dominierenden Mächten, von der Türkei über Russland bis hin zu westlichen Ländern, aufgebaut hat.
    Quelle: Jacobin

  8. Na dann kündigt doch euren Job und legt euch in die soziale Hängematte!
    Wer vom Bürgergeld lebt, genießt das Leben in aller Faulheit? Unsere Autorin Janina Lütt hat die Nase voll von neoliberalen Leistungsmythen – und ermutigt zu Widerstand: Nur wer sich dem eigenen Armutsrisiko stellt, kann klar sehen
    Neben dem angeblich „faulen Bürgergeldempfänger“ ist der zweitschlimmste neoliberale Mythos die sogenannte „soziale Hängematte“. Für Menschen, die nicht mit der Lebensrealität von Armutsbetroffenen vertraut sind, ist es einfach, solche dahergesagte Begrifflichkeiten zu übernehmen. Diese Bürgergeldempfänger hätten ja den „Luxus“, nicht zu arbeiten. Das ist eine Form von Kleingeistigkeit, die mir ernsthaft Sorgen macht. Ich rate dann gern: Wenn Sie meinen, dass das Leben als Armutsbetroffene so gemütlich ist, dann kündigen Sie doch ihren Job und lassen Sie sich in diese nicht vorhandene goldene Hängematte fallen. Und dann reden wir weiter.
    Dass über Armut falsche Aussagen gemacht und Armutsbetroffene politisch instrumentalisiert werden, dient als Mittel, sie gegen die sogenannte „hart arbeitende Mitte“ auszuspielen. Diese Diffamierung von Armutsbetroffenen hat System und kaum jemand, der nicht selbst betroffen ist, hinterfragt dieses System. Warum wird dauernd über Bürgergeldempfänger berichtet, die im Niedriglohnsektor arbeiten oder arbeitssuchend sind – aber kaum über die armutsbetroffenen Rentner*innen, die pflegenden Angehörigen, die körperlich oder psychisch Kranken, die Behinderten, die Auszubildenden, die meistens mit ihrem Gehalt unter die Armutsgrenze fallen oder die Studenten, die temporär zu den Armutsbetroffenen zählen? Weil es einfacher ist, die Mär der Faulheit in der ersten Gruppe aufrechtzuerhalten, während bei letztgenannten offensichtlich wird, dass die Leistungsideologie ins Unmenschliche kippt.
    Quelle: der Freitag
  9. Die Wahlen in den USA sind legal – aber sind sie auch legitim?
    Darf es auch einmal philosophisch sein? Mit Zitaten sogar des französischen Philosophen Jean-Paul Sartre? Unser Autor Patrick Lawrence beschreibt das heutige US-Wahlsystem, bei dem das Geld die wichtigste Rolle spielt und das die Wünsche der Reichen zum Erfolg führt. Das System ist legal, aber nicht legitim – und mit unserer Teilnahme helfen wir – unfreiwillig – es zu legitimieren.
    Neulich las ich von Penny Pritzker, dem Spross der berühmt-berüchtigten reichen Chicagoer Familie und überschwänglichen, aber anspruchsvollen Gönnerin der Politiker, die sie persönlich bevorzugt. Penny Pritzker war in den Nachrichten, weil Präsident Biden sie gerade zur Aufseherin über die privaten Investitionen in der Ukraine ernannt hat, sobald – theoretisch – der Wiederaufbau des Landes beginnt.
    Die Pritzkers sind mehr als einmal unter heftigen Beschuss geraten, weil sie die Beschäftigten der Hyatt-Hotelkette, an der sie die Aktien-Mehrheit halten, grob und grausam ausbeuten. Penny Pritzker, die persönlich etwas mehr als 3 Milliarden Dollar wert ist, war bereits während Barack Obamas erster Präsidentschaftskandidatur 2008/09 in den Nachrichten präsent. Sie leitete die Finanzabteilung seiner Kampagne. Und sie war verbittert, als Obama es ablehnte, sie zur Handelsministerin zu ernennen, ein Amt, das sie ihrer Meinung nach rechtmäßig erworben hatte, denn zu diesem Zeitpunkt fragte sich die Gewerkschaftsbewegung, was zum Teufel der neue Präsident mit jemandem zu tun hatte, der eine so schändliche Vergangenheit hat.
    Obama überließ Penny Pritzker 2013 schließlich das Handelsressort, dann, als er der Meinung war, dass der Weg nun frei war. Es ist schon absurd genug, dass ein ehemaliger Gemeindeverwalter, der in seiner Siegesrede im November 2008 Sam Cookes „A Change Is Gonna Come“ zitierte, jemanden wie Penny Pritzker in einer hohen Kabinettsposition hat. Aber das ist nicht der Grund, warum ich Penny Pritzker erwähne. Ich erwähne sie wegen eines einzigen Satzes in der Ausgabe der New York Times vom 15. Juli 2012. „Ohne Penny Pritzker“, so schrieben zwei ihrer politischen Reporter mit erfrischender Ehrlichkeit, „wäre Barack Obama wahrscheinlich nie in den Senat der Vereinigten Staaten oder zum Präsidenten gewählt worden.“
    Quelle: Patrick Lawrence in Globalbridge
  10. Von wegen ein Volk: Die skandalöse Enteignung des Ostens ist weiter tabu
    Daniela Dahn spricht von feindlicher Übernahme. “Verschwörung” heißt es von Kritikern. Über die unangenehme Wahrheit der deutschen Einheitsgeschichte.
    Am Dienstag war es wieder so weit. Jeden 3. Oktober im Jahr wird an die deutsche Einheit, an die Wiedervereinigung der beiden Deutschlands 1990 erinnert. Es ist sicherlich ein positives Datum, neben den vielen unangenehmen und schrecklichen in der deutschen Geschichte.
    Feiern ist also durchaus angebracht. Wenn da nicht die Tatsache wäre, dass vielen dabei nicht wirklich zum Feiern zumute ist. Diesmal war es der Aufstieg der rechtsextremen AfD im Osten, der den politischen Feiertagsreden seinen Tribut abknöpfte. Beim Festakt in der Hamburger Elbphilharmonie erklärte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) etwas verschnörkelt: “Auch in herausfordernden Zeiten wie diesen geht es darum, Horizonte zu öffnen.”
    Aber um Horizonte zu eröffnen, braucht es eine ehrliche Bestandsaufnahme. Ein Rückblick auf das, was geschehen ist und weiter wirkt.
    Leider ist es aber so, dass viele, wenn nicht die meisten, die in Deutschland Einfluss und Meinungsmacht haben, davor die Augen verschließen und eine Historie konstruieren, die vom bundesrepublikanischen Westen und den Gewinnern der Einheit erzählt wird.
    Die Publizistin Daniela Dahn, einstiges Gründungsmitglied des Demokratischen Aufbruchs, hat den Mut und die intellektuelle Fähigkeit, eine andere Perspektive einzunehmen. Sie betrachtet viele damalige Forderungen weiter als unerfüllt. Ihre Abrechnung bringt Unangenehmes zutage.
    Quelle: Telepolis

    dazu: Der Westen erbt, der Osten geht leer aus: Die deutsche Teilung dauert an
    Auch 34 Jahre nach dem Mauerfall steht die Grenze: Einkommensunterschiede werden kleiner, auch die Renten gleichen sich an. Beim Thema Erben aber klaffen alte und neue Bundesländer auseinander […]
    Die Wiedervereinigung vollzog auch die Ablösung des Wirtschaftssystems der DDR durch die Soziale Marktwirtschaft. Das öffentliche Vermögen, rechtlich als Volkseigentum gefasst, sollte von einer Treuhandanstalt verwaltet und verteilt werden. Die Treuhand, so die Ursprungsidee, sollte den Menschen im Osten Anteile zu je einem Sechzehnmillionstel, also einen pro Bürger:in zukommen lassen. Das wäre eine gerechte Aufteilung dessen gewesen, was in über 40 Jahren von der gesamten ostdeutschen Gesellschaft erarbeitet worden war. Doch zu dieser Verteilung des Vermögens kam es nicht.
    Stattdessen wurde die Treuhand zur Eigentümerin von 8.000 Kombinaten und Betrieben, die zügig reorganisiert und privatisiert werden sollten. Auch 50.000 Immobilien und mehr als 25.000 Kleinbetriebe zählten dazu. Allerdings blieben diese nicht etwa bei den Ostdeutschen: 85 Prozent des gesamten einstigen Volkseigentums gingen an Westdeutsche, zehn Prozent wurden von internationalen Investoren gekauft, und lediglich fünf Prozent blieben in ostdeutschem Besitz.
    Die Bilanz war vernichtend. Was erschwerend hinzukam: War die Treuhand 1990 noch Arbeitgeberin von insgesamt vier Millionen Ostdeutschen, hatten drei Millionen davon bis 1994 ihren Job verloren. So gesehen waren die neuen Bundesländer nach der Wiedervereinigung dreifach gebeutelt: Die DDR insgesamt wurde zu einem einzigen Irrweg erklärt, Millionen Bürger:innen verloren ihren Arbeitsplatz, und das Kapital wurde nicht verteilt, sondern an die Meistbietenden verkauft – ein Wettbewerb, bei dem die Ostdeutschen nicht mithalten konnten.
    Quelle: der Freitag

    dazu auch: Geheimbericht des Bundesrechnungshofs erstmals öffentlich: Die West-Bank gewinnt immer
    Ab 1990 kauften westdeutsche Banken ihre ostdeutschen Konkurrenten Milliarden D-Mark unter Wert. Der Bundesrechnungshof prangerte das an. Der Bericht war 28 Jahre lang als „geheim“ eingestuft. Wir veröffentlichen ihn erstmals.
    Ein ausgezeichnetes Geschäft für westdeutsche Banken: Im Zuge der Wiedervereinigung 1990 erhielten private Banken aus der BRD wie die Deutsche Bank Zugriff auf DDR-Staatsbanken. Sie kauften die Banken, die in der DDR für Zahlungs- und Kreditgeschäfte zuständig waren. Ein ausführlicher Bericht des Bundesrechnungshofs beklagte fünf Jahre später, dass die Kaufsummen Milliarden D-Mark zu niedrig angesetzt waren. Wir veröffentlichen hier erstmals den Bericht, der 28 Jahre lang als geheim eingestuft war. Der Bericht lag „Frontal 21“ schon 2010 vor, das ZDF veröffentlichte ihn aber nicht.
    Quelle: Frag den Staat

Rubriken:

Hinweise des Tages

Schlagwörter:

Die NachDenkSeiten sind für eine kritische Meinungsbildung wichtig, das sagen uns sehr, sehr viele - aber sie kosten auch Geld und deshalb bitten wir Sie, liebe Leser, um Ihre Unterstützung.
Herzlichen Dank!