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  1. Kritik an Kindergrundsicherung: „Schon vor ihrem Beginn an ihrem wichtigsten Ziel gescheitert“
  2. Bundeskabinett will Weltraum-Strategie beschließen – für mehr Forschung, wirtschaftlichen Nutzen und Klimaschutz
  3. Konsumklima-Untersuchung: Deutsche sparen mehr – und würgen den Konsum ab
  4. Zu US-Versuchen, China ökonomisch zu isolieren: Schüsse in beide Knie
  5. Unruhen im Kosovo (III)
  6. Wenn der deutsche Bundeskanzler vor den Vereinten Nationen spricht, geht keiner hin. Die Rest-Außenpolitik erledigt Baerbock: Kein Bock auf Kriegspropaganda
  7. Laut „New York Times“ tötete eine ukrainische Rakete 16 Menschen in der Ostukraine. Die Reaktion von Selenski und Co. auf den Bericht sprach Bände: Geistige Gesundheit in Kiew
  8. Lateinamerikas Bodenschätze – Fluch und Segen
  9. Klartext in New York
  10. Mit der Waffen-SS gegen Russland
  11. Friedensdemonstranten erinnern am 3. Oktober an Zwei-plus-Vier-Vertrag und setzen auf Frieden mit Russland: NATO-Gegner auf der Straße
  12. Proteste gegen LNG-Terminal auf Rügen: Robert Habeck muss zurückrudern
  13. Wie Berlin zur Beute von Gier und Unfähigkeit wurde, zeigt die Arte-Doku „Capital B“
  14. Denk ich an Deutschland …

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Verantwortlich für die Richtigkeit der zitierten Texte sind die jeweiligen Quellen und nicht die NachDenkSeiten. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Kritik an Kindergrundsicherung: „Schon vor ihrem Beginn an ihrem wichtigsten Ziel gescheitert“
    Monatelang hat die Bundesregierung gerungen – am Mittwoch will das Kabinett die Kindergrundsicherung beschließen. (…)
    Die Kindergrundsicherung soll viele Sozialleistungen bündeln. Künftig soll Familien ein Leistung aus zwei Komponenten ausgezahlt werden: ein Basisbetrag in der Höhe des Kindergeldes von 250 Euro sowie ein einkommensabhängiger Betrag.
    Bei den jüngsten Verhandlungen hatte sich die Bundesregierung unter anderem darauf geeinigt, den Sofortzuschlag von 20 Euro für Kinder von Asylbewerbern nicht zu verlängern. Außerdem soll der sogenannte Kindergeldübertrag abgeschafft werden: Der Anteil des Kindergeldes, der nicht zur Sicherung des Lebensunterhalts des Kindes dient, wird momentan bei den Eltern angerechnet. Das heißt, dass andere staatliche Leistungen bei ihnen entsprechend reduziert werden. Damit soll wegen des bürokratischen Aufwands Schluss sein. (…)
    Dass es allerdings keine größeren Leistungserhöhungen gibt, löst beim Paritätischen Wohlfahrtsverband Kritik aus. „Die sogenannte Kindergrundsicherung der Ampel ist schon vor ihrem Beginn an ihrem wichtigsten Ziel, der Bekämpfung von Kinderarmut, gescheitert“, sagte der Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Jedes fünfte Kind in Deutschland wächst in Armut auf. Es ist schlicht unbegreiflich, dass sich die Bundesregierung trotzdem nicht zu einer Erhöhung der Leistungen durchringen konnte. Im Gegenteil droht für einige Kinder, zum Beispiel im Asylbewerberleistungsgesetz, sogar eine Verschlechterung.“
    Gemeinsam mit anderen Organisationen fordert der Verband, minderjährige Flüchtlinge in die Kindergrundsicherung einzubeziehen. Alle Kinder hätten dieselben Rechte, etwa auf gesundes Aufwachsen, soziale Teilhabe und die Wahrung des menschenwürdigen Existenzminimums, heißt es in dem Aufruf der Organisationen, darunter auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), die Arbeiterwohlfahrt, die Diakonie und das Deutsche Kinderhilfswerk. Die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen verbiete eine Diskriminierung von Kindern aufgrund von Herkunft und Aufenthaltsstatus, kritisierte Doreen Siebernik von der GEW. Die Vizepräsidentin des Kinderhilfswerks, Anne Lütkes, sagte, geflüchtete Kinder seien in erster Linie Kinder und bräuchten von Anfang an eine Zukunftsperspektive. Dazu gehöre, dass sie bei der Kindergrundsicherung nicht schlechter behandelt würden als andere Kinder.
    Quelle: RND

    dazu: Kindergrundsicherung hat schlechte Chancen im Bundesrat
    Für das Gesetz braucht die Ampel auch Stimmen von Ländern, in denen die Union mitregiert. Aber die sind kritisch. Bayern spricht von einem “Bürokratie-Ungeheuer”.
    Quelle: Süddeutsche

    dazu auch: Kabinett beschließt Kindergrundsicherung: Viel Lärm um fast nichts
    In der Debatte um Kinderarmut ist die Ampelkoalition tief gesunken. Was jetzt beschlossen wurde, ist dürr. Aber mehr ist mit der FDP nicht drin.
    Quelle: taz

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Die Grünen und ihre Propagandisten (hier die taz) verstecken sich immer hinter der FDP, wenn die Grünen ihre Wahlversprechen in der Bundesregierung nicht umsetzen. Nur ist die FDP die kleinste Partei in der Ampelkoalition, und es sind vor allem die SPD und die Grünen, die jährlich 20 Milliarden Euro mehr (!) in die Bundeswehr stecken und gerade das nächste sinnlose und teure Unternehmenssteuergeschenk (Wachstumschancengesetz) für 8 Milliarden Euro beschlossen haben, wodurch fast automatisch nur marginale Summen von 2,5 Milliarden Euro jährlich für die Kindergrundsicherung übrig bleiben. Die alternative Erklärung bzw. Erzählung, die hier gebracht wird: die FDP verhindert mehr Geld für den Kampf gegen Kinderarmut, würde bedeuten, dass eine Partei, die 92 von 416 bzw. 22,11% aller Bundestagsabgeordneten der Ampel stellt, die wesentlich größeren Delegationen von SPD und Grünen dominierte; angesichts so machtbewusster Politiker wie Olaf Scholz und Robert Habeck natürlich kompletter Unsinn.

  2. Bundeskabinett will Weltraum-Strategie beschließen – für mehr Forschung, wirtschaftlichen Nutzen und Klimaschutz
    Dabei sollen Genehmigungsverfahren geklärt und eine Überwachung von Weltraumaktivitäten sichergestellt werden. Für eine nachhaltige und sichere Nutzung des Weltraums will die Bundesregierung zudem Weltraummüll vermeiden und reduzieren helfen. Man unterstütze deshalb die EU und die Vereinten Nationen für ein „Weltraum-Verkehrsmanagement, um Kollisionen im Weltall zu vermeiden“, heißt es in einem Papier des Wirtschaftsministeriums. Es wird ausdrücklich betont, dass Raumfahrtinfrastruktur zunehmend Teil der kritischen Infrastruktur wird. „Zur Überwachung von Weltraumobjekten und Weltraumwetter plant die Bundesregierung den Auf- und Ausbau weiterer Weltraumlagefähigkeiten im ressortgemeinsamen Weltraumlagezentrum.“
    Zudem geplant, die Entwicklung „geschlossener Wertschöpfungsketten“ etwa beim Kleinsatellitenbau voranzutreiben. Um künftig die sichere Entsendung von Satelliten ins All zu garantieren, soll es mehr Offenheit für private Akteure bei der Raketenentwicklung geben. Dabei soll auch auf deutsche Entwickler von sogenannten Mikrolaunchern gesetzt und nach einer künftigen Alternative zu der europäischen Großrakete Ariane 6 gesucht werden.
    Ein weiterer Schwerpunkt der Strategie liegt auf der Erdbeobachtung im Kontext des Klimawandels. Satelliten spielen eine entscheidende Rolle bei der Erfassung von Veränderungen der Landoberfläche, der Meere und der Atmosphäre, was für das Verständnis und die Bekämpfung des Klimawandels von großer Bedeutung ist.
    Quelle: Deutschlandfunk

    Anmerkung Christian Reimann: Zahlreiche Bedürfnisse von Bürgerinnen und Bürgern bleiben auf der Strecke. Geld fehlt zum Beispiel für Schulen und Hochschulen, ein gutes Gesundheitssystem sowie für eine funktionierende Infrastruktur und eine gesetzliche Rente, die vor Altersarmut schützt. Jedoch für das Militär ist Geld vorhanden – nun auch für den Weltraum. Erinnert sei an Jens Bergers Beitrag Schweine im Weltall.

  3. Konsumklima-Untersuchung: Deutsche sparen mehr – und würgen den Konsum ab
    Die hohen Energie- und Lebensmittelpreise führen dazu, dass viele Bürger ihr Geld weiter lieber zusammenhalten. Für die Wirtschaft ist das keine gute Nachricht.
    Sparen, das gilt eigentlich als etwas Positives. Wer als Kind einst zum »Weltspartag« sein Taschengeld zur Sparkasse brachte, wurde gelobt und bekam mitunter noch ein kleines Präsent. Gesamtwirtschaftlich aber kann Sparen auch eher schlecht sein, jedenfalls zu bestimmten Zeitpunkten. So ist es auch aktuell: Der Motor der Wirtschaft stottert, den Unternehmen könnte es helfen, wenn die Bürger mehr ausgeben würden – doch die halten ihr Geld gerade wieder etwas stärker zusammen.
    Die Anschaffungsneigung nehme zwar minimal zu, und auch die Erwartungen hinsichtlich des Einkommens hätten sich stabilisiert, geht aus der neuesten Komsumklima-Untersuchung des Nürnberger Konsumforschungsunternehmens GfK hervor, die am Mittwoch veröffentlicht wurde. »Ein deutlicher Anstieg der Sparneigung lässt das Konsumklima allerdings erneut sinken«, teilte GfK in Nürnberg mit. Die Sparneigung habe den höchsten Stand seit April 2011 erreicht.
    »Damit dürften die Chancen auf eine Erholung der Konsumstimmung noch in diesem Jahr auf null gesunken sein«, sagte GfK-Konsumexperte Rolf Bürkl. Er macht dafür vor allem die anhaltend hohe Inflationsrate verantwortlich. Lebensmittel- und Energiepreise seien stark gestiegen. »Somit wird der private Konsum in diesem Jahr keinen positiven Beitrag zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung leisten«, betonte Bürkl. Experten rechnen mit einer leichten Rezession. Für eine signifikante Verbesserung der Binnennachfrage sei es absolut notwendig, dass die Inflationsrate von derzeit 6,1 Prozent wieder auf ein erträgliches Maß zurückgeführt werde.
    Quelle: DER SPIEGEL

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: So so, jetzt ist also der Deutsche schuld, dass es “der Wirtschaft” so schlecht geht. Nur sind wahrscheinlich diejenigen, die “zu wenig” Geld ausgeben, vor allem die, die überhaupt viel zu wenig Geld haben, weil die Reallöhne 2022 um 4% gesunken sind und die Erhöhungen der Sozialleistungen (Hartz IV/Bürgergeld, Renten…) im Jahr 2023 ebenfalls weit hinter der Inflationsrate zurückgeblieben sind. Von “Geld zusammenhalten” kann da keine Rede sein, eher von dem Versuch, finanziell nicht noch mehr Probleme zu bekommen. Während die Leute mit vermehrter Sparneigung ganz offenbar die sind, denen es dank Rekorddividenden fantastisch geht und die eben viel zu viel Geld haben. Ehrlich: die Untersuchungen der GfK und der ganze Verein überhaupt sind nicht nur nutzlos, weil sie weder analytische Erklärungen noch vernünftige Prognosen liefern können, sondern es handelt sich um wirklichkeitsverzerrende Propaganda.

  4. Zu US-Versuchen, China ökonomisch zu isolieren: Schüsse in beide Knie
    Im August veröffentlichte der Londoner „Economist“ eine umfassende Untersuchung über die Lieferströme zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt. Der direkte Handel sei zwar, wie von US-Präsident Joe Biden lauthals verkündet, drastisch zurückgegangen – unter anderem wegen der schon von seinem Vorgänger erhobenen Zölle gegen chinesische Produkte. Das Ergebnis, so die Londoner Ökonomen, sei aber „teuer und gefährlich“. Parallel zum Rückgang der Importe aus China seien die aus anderen asiatischen Ländern und auch Ländern in Osteuropa oder Mittel- und Lateinamerika gestiegen – bei Anstieg von deren Importen aus China. Chinas Exporte von Fahrzeugteilen nach Mexiko hätten sich in den letzten fünf Jahren mehr als verdoppelt und entsprechende Zahlen aus Indien, Vietnam und anderen Ländern seien teilweise regelrecht „explodiert“. „Was ist da los?“ fragt das Blatt und gibt gleich die Antwort: „Chinesische Waren werden einfach neu verpackt und über ein Drittland in die USA exportiert.“ Das ist der erste Schuss in das eine eigene Knie. Der zweite Schuss tut noch mehr weh: Weil die Strafzölle gegen China nicht gegenüber Indien und andere gegen China hofierte Ländern gelten, bekommen die dortigen Unternehmer faktisch eine Extra-Gewinnmarge aus Washington geliefert: Bei einem 20-prozentigen Zoll können sie auf chinesische Waren 10 Prozent draufschlagen und in die USA importieren. Und so haben sowohl die chinesischen Unternehmen als auch die indischen etwas davon, wenn die US-Amerikaner für chinesische Waren nun mehr zahlen. Das Ergebnis ist, „dass die ökonomischen Beziehungen zwischen China und anderen in die USA exportierenden Ländern gestärkt werden“. In treuer Gefolgschaft der USA wird die EU vermutlich demnächst nach der Einfuhr von Zöllen auf chinesische Elektrofahrzeuge eine ähnliche Erfahrung machen: Der Renault R5 fährt mit einer chinesischen Batterie, die bald auf einen Verpackungskünstler wartet.
    Quelle: Manfred Sohn in unsere zeit
  5. Unruhen im Kosovo (III)
    Eine neue Eskalation der Spannungen im Kosovo lässt einen etwaigen Abzug der Bundeswehr aus dem Gebiet erneut in weite Ferne rücken. In der Nacht von Samstag auf Sonntag wurden bei einem Angriff auf eine Polizeieinheit im Norden des Kosovo und bei anschließenden Gefechten ein Polizist und vier Angreifer getötet. Vorausgegangen waren über Monate eskalierende Auseinandersetzungen zwischen der serbischsprachigen Minderheit im Norden des Gebiets und der Regierung in Priština, die im Herbst vergangenen Jahres mit einem Streit um die Verwendung serbischer Kfz-Kennzeichen begonnen hatten und nun zu einer ersten bewaffneten Auseinandersetzung im größeren Stil führten. Eine weitere gewaltsame Zuspitzung der Lage wird nicht ausgeschlossen. Damit stehen nicht nur die jüngsten Versuche der EU auf dem Spiel, im alten Konflikt zwischen Priština und Belgrad erstmals die serbische Regierung zu begünstigen, um einen Keil zwischen Serbien und Russland zu treiben. Auch eine Aufstockung der NATO-Truppen ist nicht auszuschließen – in einer Zeit, in der das Bündnis eigentlich alle Kräfte gegen Russland und China in Stellung zu bringen sucht, die Bundeswehr inklusive.
    Quelle: German Foreign Policy
  6. Wenn der deutsche Bundeskanzler vor den Vereinten Nationen spricht, geht keiner hin. Die Rest-Außenpolitik erledigt Baerbock: Kein Bock auf Kriegspropaganda
    Selbst „Bild“ konnte es sich nicht verkneifen, den Auftritt von Olaf Scholz vor der UN-Vollversammlung am 19. September zwei Tage später mit einem großen Foto vom spärlich besetzten Haus zu illustrieren. Schlagzeile: „Scholz auf der UN-(Voll)-Leerversammlung.“ Es habe „Handygedaddel, Halbschlaf, lichte Reihen“ gegeben, ob denn niemanden interessiere, was „unser Kanzler“ zu sagen habe? „Bild“-Trost: „Immerhin Außenministerin Annalena Baerbock (42, Grüne) lauscht dem Kanzler aufmerksam.“ Baerbock zählt möglicherweise als „niemand“.
    Überraschend wärs nicht. Die Grüne nutzte ihre Auftrittsgelegenheiten bei den UN, um zum Beispiel zu verkünden: „Und ja, ich bin stolz, dass Deutschland jetzt eine feministische Außenpolitik hat, aber ganz ehrlich, das war überhaupt nicht einfach.“ Entsprechend waren die Höhepunkte ihrer USA-Reise: Treffen mit dem faschistoiden Texas-Gouverneur und Abtreibungsgegner Gregory Abbott, Interview mit dem unter woken Leuten eigentlich als „Trump-Sender“ verschrienen „Fox“, Beleidigung des chinesischen Präsidenten inklusive. Pekings Außenministerium hielt das für eine „offene politische Provokation“. Immerhin gab es Aufmerksamkeit. Am 20. September schließlich ließ sich Baerbock in die ARD-Sendung „Maischberger“ schalten und sprach ähnlich offenherzig wie im Januar beim Europarat: „Es geht eben bei diesem Russland-Krieg auch darum, ein Signal an andere Länder, andere Regime in der Welt zu senden.“ Das nahm, anders als vor acht Monaten, kaum jemand zur Kenntnis.
    Das Desinteresse für Scholz entsprach solcher Null-Diplomatie. Seine einzige außenpolitische Ambition laut Rede ist: Musterknabe der USA zu sein und mit dem Geldsack zu winken. Denn „wir“ sind, verkündete er mit Blick auf die UN, „zweitgrößter Geber nach den Vereinigten Staaten.
    Quelle: Arnold Schölzel in unsere zeit
  7. Laut „New York Times“ tötete eine ukrainische Rakete 16 Menschen in der Ostukraine. Die Reaktion von Selenski und Co. auf den Bericht sprach Bände: Geistige Gesundheit in Kiew
    Am Mittwoch, dem 6. September, berichtete ARD-Korrespondentin Katja Garmasch aus Kiew in der „Tagesschau“, auf einem Markt in der Stadt Kostjantyniwka in der Ost­ukraine seien durch den Einschlag einer russischen S-300-Rakete 16 Menschen getötet und 34 verletzt worden. Am selben Tag seien die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen und US-Außenminister Antony Blinken in Kiew zu Gast und dort finde der „First Ladies and Gentlemen Summit“ statt. Vielleicht sei der russische Angriff ein „Begrüßungsfeuerwerk“ Putins für den am Vormittag ernannten neuen Kriegsminister Kiews, Rustem Umerow, und ein „Signal an die ganze Welt“ und die internationalen Gäste, dass es „nirgendwo in der Ukraine sicher“ sei. Deutsche „Taurus“-Lieferungen seien nötig, so Garmasch mit Hinblick auf die Explosion. Das Thema des Treffens der „First Ladies and Gentlemen“ war übrigens „geistige Gesundheit“. Der Kiewer Präsident Wladimir Selenski nannte das Geschehen in Kostjantyniwka eine „Unverschämtheit des Bösen“ und veröffentlichte ein kurzes Video, das den Moment der Explosion in dem belebten Viertel zeigen soll, sowie Fotos von beschädigten Häuserfassaden, Blutlachen auf dem Boden und Rettungskräften, die Flammen löschen. Offenbar war das ein Fehler. Denn am 18. September veröffentlichte die „New York Times“ (NYT) eine Analyse, die sich auch auf dieses Material stützte sowie auf Satellitenbilder, Zeugenaussagen, Überwachungskameras und „soziale Medien“. Das Ergebnis: Der Raketenbeschuss vom 6. September auf Kostiantyniwka wurde nicht von russischen Truppen verübt, es habe sich um eine fehlgeleitete Kiewer 9M38-Rakete gehandelt, die von einem mobilen Buk-Boden-Luft-Lenkwaffensystem abgefeuert wird. (…)
    Die Reaktion in Kiew entsprach den Kriterien der dort vorwaltenden geistigen Gesundheit. Selenskis Berater Michail Podoljak schrieb am 19. September auf „Telegram“, solche Gerüchte wie im NYT-Bericht förderten „Verschwörungstheorien“. Die Ukraine sei „ausschließlich defensiv“. Das Kiewer Internetportal „glavcom.ua“, das den NYT-Artikel als „skandalös“ klassifizierte, zitierte am selben Tag den Geheimdienst SBU, der verlautbarte, es handele sich um „ein weiteres von der Russischen Föderation begangenes Kriegsverbrechen“. (…)
    Am Erscheinungstag des Artikels in der NYT feuerte übrigens der neue Kriegsminister Umerow alle bisherigen sechs Stellvertreter. Am 26. September berichtete „Tass“, dass Kiews Armee in den vergangenen 24 Stunden 85 Geschosse, darunter westliche HARM-Raketen und Raketen mit Streumunition, auf Wohngebiete der Donezker Volksrepublik abgefeuert hätten. In Donezk und in Gorlowka seien je zwei Menschen verletzt worden. Westliche Medien berichteten wie üblich über die ausschließlichen Defensivmaßnahmen Kiews nicht.
    Quelle: unsere zeit
  8. Lateinamerikas Bodenschätze – Fluch und Segen
    Lateinamerika besitzt Bodenschätze in riesiger Menge und Vielfalt. Diese Schätze wecken seit 500 Jahren Begehrlichkeiten.
    Rohstoffe sind für ihre Besitzer weniger ein Segen als vielmehr ein stetiges Risiko. Kaum ein anderes Land hat dem industrialisierten Norden der Erde so viel an Ressourcen zu bieten wie Argentinien. Gleichzeitig droht der 46 Millionen Menschen zählenden Nation zum zehnten Mal seit der Republikgründung eine Staatspleite. In diesem Kontext finden am 22. Oktober allgemeine Wahlen statt – mit der Möglichkeit, dass einen Monat später noch eine Stichwahl zur Erkürung des neuen Staatsoberhaupts abgehalten werden muss.
    Quelle: Infosperber
  9. Klartext in New York
    »Einfach Proafrikanisch«: Mali, Burkina Faso und Guinea läuten vor UN-Generalversammlung neue Zeiten ein. Niger Rederecht verweigert.
    Für die drei Staaten des Sahel, die sich zur Zeit mit aller Macht aus dem Klammergriff der einstigen Kolonialmächte Europas zu lösen versuchen, begann die diesjährige Generaldebatte der Vereinten Nationen in New York am Dienstag vergangener Woche mit großem Ärger. Der Zeitplan sah vor, dass Malis Außenminister Abdoulaye Diop sich am Sonnabend mit der üblichen Rede an die Weltöffentlichkeit wenden konnte. Für Burkina Fasos Staatsminister Bassolma Bazié war ebenfalls Zeit für eine Ansprache eingeplant. Nigers neuer Außenminister, Bakary Yaou Sangaré, aber suchte in den Unterlagen vergeblich nach dem Tag, an dem er sich im Namen seines Landes an die versammelten UN-Mitgliedstaaten hätte wenden können: Er stand nicht auf der Liste. Empört fragte er bei den zuständigen Stellen der Vereinten Nationen nach. Die Antwort, die Sangaré erhielt? Nun, außer ihm hatte auch Hassoumi Massaoudou, einst Außenminister des Ende Juli gestürzten Präsidenten Mohammed Bazoum, Rederecht beantragt. Massaoudou begründete das damit, der Putsch, der Bazoum entmachtet habe, sei illegal. Bazoum sei daher, juristisch gesehen, weiter Nigers rechtmäßiger Präsident, und er weiter rechtmäßiger Außenminister. Wohl unter argem Druck stehend – die europäischen Staaten dringen darauf, die Übergangsregierung in Niamey nicht anzuerkennen –, entschied UN-Generalsekretär António Guterres, die Entscheidung, wer für Niger sprechen dürfe, einer speziell für solche Streitfälle geschaffenen UN-Kommission zu übertragen. Die aber tagt erst wieder irgendwann im Herbst.
    Quelle: junge Welt
  10. Mit der Waffen-SS gegen Russland
    Der Skandal um den tosenden Beifall für einen ehemaligen Waffen-SS-Mann im kanadischen Parlament führt zu ersten Konsequenzen. Der Parlamentssprecher in Ottawa, der den Mann als „Held“ im Kampf „für die ukrainische Unabhängigkeit gegen die Russen“ gepriesen hatte, ist zurückgetreten. In Polen überprüft die Regierung, ob sie ein Auslieferungsverfahren gegen den NS-Kollaborateur einleiten kann – seine Einheit, die Waffen-SS-Division Galizien, hat unter anderem Massaker an Bürgern Polens begangen. In den vergangenen Jahren wurde die Division regelmäßig in der Ukraine geehrt. Mitglieder weiterer Einheiten der Waffen-SS werden unter anderem in den baltischen Staaten gewürdigt; noch im März dieses Jahres fand in Lettlands Hauptstadt Riga ein Gedenkmarsch zur ehrenden Erinnerung an lettische Mitglieder der Waffen-SS statt. Ursache für das Lob, mit dem die Waffen-SS’ler bedacht werden, ist die Tatsache, dass sie gegen die Sowjetunion bzw. „gegen Russland“ kämpften. Um den baltischen Staaten sowie der Ukraine nicht in den Rücken zu fallen, spricht sich die Bundesregierung mittlerweile gegen eine UN-Resolution aus, die die „Glorifizierung des Nazismus“ verurteilt.
    Quelle: German Foreign Policy
  11. Friedensdemonstranten erinnern am 3. Oktober an Zwei-plus-Vier-Vertrag und setzen auf Frieden mit Russland: NATO-Gegner auf der Straße
    Unser Autor ist Sprecher des Essener Friedensforums und aktiv im Bundesausschuss Friedensratschlag sowie beim Ostermarsch Rhein/Ruhr.
    Die Friedensbewegung an Rhein und Ruhr demonstriert seit fast zehn Jahren am 3. Oktober in Kalkar gegen die von der dortigen NATO-Luftleitzentrale ausgehende Gefahr für den Frieden. Sie begleitet auch die seit Jahren regelmäßig stattfindenden NATO-Atomkriegsmanöver „Steadfast Noon“ und „Cold Igloo“. In Kalkar und seiner Nachbargemeinde Uedem befinden sich zusätzlich das „Zentrum Weltraumoperationen“ und das militärische „Geoinformationszentrum“. Damit kann die NATO satellitengestützt jedes Kriegsgeschehen in weiten Teilen der Erdkugel kontrollieren und ihre Luftwaffe steuern. Somit sind die Standorte in Kalkar und Uedem auch für die Steuerung und Kontrolle von Atomschlägen nutzbar. Dies bewährte sich beim NATO-Großmanöver „Air Defender 2023“, für das die Strategen in Kalkar und Uedem das Szenario miterstellten und die Einsatzbefehle planten. Dort kamen auch die US-Atombomber F-35 zum Einsatz; damit ging es hier konkret um ein atomares Kampfgeschehen in Europa. Im Drehbuch des Manövers war Deutschland zu einem Viertel von einer feindlichen Macht besetzt. Defender 2023 sollte dieses Gebiet zurückerobern. Die NATO bezog ihre Manöverplanung auf den Ukraine-Krieg, insofern ging es hier um einen Krieg mit der Atommacht Russland. Die wiederholten Warnungen vor der vermeintlichen russischen Gefahr sind jedoch irreführend: Rein militärisch gesehen verfügt Russland nicht über Kräfte, die durch Polen hindurch einen Überfall auf Deutschland ausführen könnten. Die NATO gibt circa das 15-Fache des russischen Militärhaushalts für ihren Militärsektor aus. Ein zweiter Feind gilt auch schon länger als ausgemacht: Im Manöver „Kalkar Sky 22“ kämpften NATO-Soldaten gegen einen fiktiven Staat namens „East Cerasia“. Ohne die drei Buchstaben „CER“ geht es gegen East-Asia, also gegen China. Nächstes Jahr steht das Großmanöver „Steadfast Defender“ an. Kalkar/Uedem wird eine zentrale Rolle in der Steuerung des Manövers spielen, es ist aktuell die Schaltzentrale für die Führung aller NATO-Luftbewegungen in Europa. Auf der Bundeswehr-Website liest man: „Bei ‚Real World Operations‘ RWO ist das JFAC Joint Forces Air Component in Kalkar … für die Luftoperationen der NATO zuständig.“ Die NATO schickt sich an, die „Real World“ zu zerstören. Es ist zu hoffen, dass der Friedensaktionstag am 3. Oktober die Unterstützung erhält, die gebraucht wird, um eine lebensrettende Wende durchzusetzen. In Kalkar und auch anderswo.
    Quelle: Bernhard Trautvetter in unsere zeit
  12. Proteste gegen LNG-Terminal auf Rügen: Robert Habeck muss zurückrudern
    Die Proteste auf Rügen gegen das LNG-Terminal lenken den Blick auf ein überflüssiges, ökologisch gefährliches Projekt. Und auf die Rolle der Grünen dabei. […]
    Beim genaueren Hinsehen zeigt sich: Der Bau der Pipeline durch das hochsensible Ökosystem Bodden – aufgrund des LNG-Beschleunigungsgesetzes ohne Umweltverträglichkeitsprüfung – ist eine ökologische Katastrophe, die unter normalen Umständen niemals genehmigt worden wäre. Ganz zu schweigen von den Störungen für Mensch und Natur, die das Terminal, das flüssiges Frackinggas regasifizieren soll, mit sich bringen wird. Aber normal war die Situation nicht, als Deutschland sich aus der Belieferung mit russischem Erdgas befreite und den Ausbau riesiger LNG-Kapazitäten in Angriff nahm; schließlich drohten Gasmangel und ein kalter Winter.
    Nur: Das gilt nicht mehr, wie eine jüngste Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung beweist. Die Speicher sind voll. Der LNG-Ausbau wird Überkapazitäten produzieren, die dann in den Export gehen – die Gasindustrie jubelt über dieses Geschenk. Auf der Strecke bleibt die Klimaneutralität bis 2045. Die Grünen stehen mit dem Festhalten an der damaligen Entscheidung auf der falschen Seite der Geschichte. Doch noch ist es nicht zu spät zurückzurudern.
    Quelle: taz

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Eins ist sicher: wer die Grünen wählt, weil sie Wahlprogramme gegen den Krieg und gegen Waffenlieferungen veröffentlichen, wegen der sozialen Gerechtigkeit oder wegen der Umwelt, der bekommt Militarismus, Kriegsunterstützung, Waffenlieferungen in Kriegs- und Krisengebiete und an Diktatoren (Saudi-Arabien), Sozialabbau und Umweltschweinereien. Und zwar ganz unabhängig von Inflation, Corona und dem Krieg in der Ukraine; schon vor der Bundestagswahl 2021 war klar, dass eine neue Bundesregierung mit den Grünen eine Reprise der Rot-Grünen Regierung vor 20 Jahren werden würde. Weil die beiden grünen Bundesvorsitzenden, Baerbock und Habeck, “Realos” (nur ein anderes Wort für Konservativ-Neoliberale) sind; aber auch, weil die Partei Die Grünen insgesamt seit der Schröder-Fischer-Regierung, die ebenfalls – im exakten Gegensatz zum Wahlprogramm – Ziele wie Sozialabbau, Lohnkürzungen und Kriegführen (und, zugegeben, hier und da ein kleines bisschen Umweltschutz) verfolgt hat, kein bisschen anständiger oder linker, sondern höchstens noch schlimmer geworden ist. Weitere Belege dafür sind die Grüne Landesregierung in Baden-Württemberg und die Schwarz-Grüne Regierung in Hessen. Wer auch immer eine grün-linke Hoffnung in die Grünen setzt, muss die letzten 25 Jahre komplett verschlafen haben.

  13. Wie Berlin zur Beute von Gier und Unfähigkeit wurde, zeigt die Arte-Doku „Capital B“
    In insgesamt viereinhalb Stunden zeigt die TV-Serie, wie Berlin den Berlinern nach dem Mauerfall abgeknöpft wurde. Viel lief falsch, Fehler will keiner gemacht haben.
    3000 Polizisten rückten mit Räumpanzern, Wasserwerfern und Hubschraubern an. Die vermummten Hausbesetzer, die eine ganze Häuserzeile sieben Monate lang gehalten hatten, warfen Pflastersteine und Aschesäcke von den Dächern. Im November 1990, nur wenige Wochen nach dem Beitritt der DDR zur BRD, wurde die Mainzer Straße in Friedrichshain zum Schlachtfeld. Als „Bürgerkrieg von westdeutschen Polizisten mit westdeutschen Haubesetzern in Ostberlin“ erlebte Andrej Holm damals die Szenerie – es waren seine ersten Demokratie-Erfahrungen mit dem neuen Staat. Die Alternative Liste unter Renate Künast trat damals aus der Regierung mit der SPD aus. SPD-Senatoren wie Innensenator Pätzold und Bausenator Nagel hatten die gewaltsame Räumung verantwortet.
    Die fünfteilige Arte-Doku „Capital B“ setzt in der Wendezeit ein – Capital steht sowohl für Hauptstadt als auch für das Kapital. Der Untertitel „Wem gehört Berlin?“ bezieht sich nicht nur auf Besitzer und Besetzer, sondern wird weiter gefasst. „Die Stadt gehört denjenigen, die sie gestalten – und nicht denjenigen, die sie besitzen, aufwerten und wieder verkaufen“, fasst die Rapperin Sookee am Ende zusammen. Eigentum heißt hier eher: Sich die Stadt zu eigen machen. Autor Florian Opitz setzt sich schon seit Jahren kritisch mit dem Kapitalismus auseinander. Seine Doku „Der große Ausverkauf“ über Privatisierungen weltweit bekam den Grimme-Preis.
    Quelle: Berliner Zeitung
  14. Denk ich an Deutschland …
    Ein neues Buch von Moshe Zimmermann und mir befasst sich eingehend mit der historischen Konstellation Deutschland-Israel-Palästina, u.a. mit der Frage, was für einem Israel sich Deutschland solidarisiert.
    Eine Meldung in eigener Sache: In den kommenden Tagen erscheint im Westend-Verlag das Buch “Denk ich an Deutschland… Ein Dialog in Israel”. Das Buch ist das Ergebnis einer zwischen dem israelischen Historiker Moshe Zimmermann und mir während eines Dreivierteljahrs geführten E-Mail-Korrespondenz. Im Jahr 2022 erschien es zuerst in Israel auf Hebräisch. Nun liegt der Band in seiner deutschen Version vor.
    Den Schwerpunkt des Dialogs bildet die Triade Deutschland-Israel-Palästina, die historisch, soziologisch, sozial-psychologisch und kulturell beleuchtet wird. Diesem Projekt liegt die Absicht zugrunde, über die reichlich verzweigten Zusammenhänge dieser Konstellation samt diverser, sich aus ihr ergebenden thematischen Ableitungen Rechenschaft abzulegen, die sie bestimmenden Sachverhalte zu klären, mithin aufzuklären. Dass dies notwendig ist, weiß jeder, der sich mit den historischen Strukturen dieser Konstellation, mit deren ideologischen Beladungen, kollektivpsychischen Befindlichkeiten und den gewichtigen politischen wie sozialen Auswirkungen befasst hat.
    Die Koordinate Deutschland-Israel meint nicht nur die Beziehungen Deutschlands zum Staat Israel, sondern auch die damit einhergehenden Sedimentierungen des Verhältnisses zu Juden und zum Zionismus. Von selbst versteht sich dabei die beide Seiten betreffende kollektivpsychische Neuralgie angesichts des von Deutschen an Juden im 20. Jahrhundert Verbrochenen. Gleichwohl geht die Fragestellung in diesen Band übers Katastrophische hinaus und analysiert die philosophisch-ideologischen Impulse, die der Zionismus gerade aus der deutschen politischen Philosophie und den Ideologemen des deutschen Nationalismus im 19. Jahrhundert bezogen hat.
    Quelle: Overton Magazin

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