Am 3. Oktober, dem Tag der Deutschen Einheit, wird die Friedensbewegung einen anderen Blick auf diesen Tag richten, als das die Regierungsparteien und große Teile der Opposition tun: Die Friedenskräfte erinnern statt an den „Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes“ an den 2+4-Vertrag der vier Siegermächte des Zweiten Weltkrieges und der beiden deutschen Staaten. In ihm haben sich die Staaten verpflichtet, eine europäische Friedensordnung aufzubauen, die die Sicherheitsinteressen aller Staaten – somit auch die Russlands – berücksichtigt. Von Bernhard Trautvetter.
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
Podcast: Play in new window | Download
Am 3. Oktober demonstrieren Friedenskräfte bundesweit von Hamburg bis München, von Berlin bis ins nordrhein-westfälische Kalkar und darüber hinaus für eine „Friedens- und Sicherheitspolitik, die diesen Namen verdient“ und damit gegen die NATO-Expansion, die mit den vertraglichen Verpflichtungen Deutschlands, ohne die die Sowjetunion der Deutschen Einheit nie zugestimmt hätte, bricht.
Sie tun dies in einer Zeit, in der die Ampel-Parteien und die CDU sowie die AfD eine Steigerung der Militärausgaben auf zwei Prozent der Gesamtwirtschaftlichen Leistung auf ihre Agenda geschrieben haben. Abrüstung statt Aufrüstung, Diplomatie statt Eskalation sind Kernforderungen der Friedenskräfte.
Die Friedensbewegung an Rhein und Ruhr demonstriert bereits seit fast 10 Jahren in Kalkar gegen die von dort ausgehende Kriegsgefahr. Damals rückte die dortige Strategieschmiede »Joint Air Power Competence Centre« in ihren Tagungsunterlagen einen großen Krieg in Europa in den Bereich des Möglichen. Sie machten Staaten an der russischen Grenze als Ausgangspunkte für diesen Flächenbrand aus, also Staaten, die im Prozess der NATO-Expansion das größte Konfliktpotenzial bergen. Die Antwort der Strategen ist ein ‚angemessener Mix nuklearer und konventioneller „Fähigkeiten“, in anderen Worten, die Vorbereitung eines im Raum stehenden Atomkrieges.
Da die NATO-Luftleitzentrale für den militärischen Luftraum zuständig ist, begleitet sie auch die seit Jahren regelmäßig stattfindenden Nato-Atomkriegsmanöver »Steadfast Noon« und »Cold Igloo«. Die von der NATO so genannte nukleare Teilhabe bedeutet, dass Deutschland US-Atomwaffen unter Verletzung des Atomwaffensperrvertrages für den Atomkrieg bereithält.
In Kalkar und seiner Nachbargemeinde Uedem befindet sich zusätzlich das »Zentrum Weltraumoperationen« und das militärische »Geoinformationszentrum«. Damit kann die NATO satellitengestützt jedes Kriegsgeschehen in weiten Teilen der Erdkugel kontrollieren und ihre Luftwaffe dort jeweils steuern. Das »Geoinformationszentrum« dient der präzisen Vermessung von Angriffszielen. Somit ist Kalkar/Uedem für die Steuerung und Kontrolle auch von Atomschlägen nutzbar.
Dies bewährte sich auch beim NATO-Großmanöver AIR DEFENDER 2023, für das die Strategen in Kalkar/Uedem das Szenario miterstellten und die Einsatzbefehle planten und erstellten. Dieses Mammut-Luftkriegsmanöver begründete die NATO mit dem Krieg in der Ukraine. In dem Manöver kamen auch die US-Atombomber F-35 zum Einsatz; damit ging es auch hier konkret an den Rand des Untergangs Europas.
Zum Szenario des Manövers gehört, dass Deutschland zu einem Viertel von einer feindlichen Macht besetzt ist. Der „Befreiungsschlag“, den die NATO in ihrer Begründung des Manövers in den Zusammenhang mit dem Ukraine-Konflikt stellte, rahmt sich in einen Krieg mit der Atommacht Russland ein. Die antirussische Stimmungsmache ist so brandgefährlich wie verlogen: Russland hätte schon aus rein militärischer Sicht gegen die Kräfte der NATO überhaupt keine Chance, Deutschland zu überfallen: Schon die reinen Zahlen verdeutlichen das, denn die Nato gibt circa das 15-Fache des russischen Militärhaushalts für ihren Militärsektor aus.
Im Manöver ‚Kalkar Sky 22‘ ging es gegen eine Macht in East Cerasia. Wenn wir die drei Buchstaben ‚CER‘ weglassen, landen wir in East-Asia, also in China.
Im Frühjahr 2024 folgt das erneut rekordverdächtig große Manöver »Steadfast Defender«. Der Name alleine verbindet das Atomkriegsmanöver »Steadfast Noon« mit dem Mega-Manöver dieses Jahres »Air Defender 2023«. Kalkar/Uedem wird eine zentrale Rolle in der Steuerung des Manövers spielen, ist es doch aktuell die Schaltzentrale für die Führung aller NATO-Luftbewegungen in Europa. Es folgt ein Zitat von der Bundeswehr-Website, die über diese Aufwertung des deutschen Standorts Kalkar triumphiert:
„Bei ‚Real World Operations‘ RWO ist das JFACJoint Forces Air Component in Kalkar Tag für Tag für die Luftoperationen der NATO zuständig.“
Die NATO erweist sich auch hier wiederum überdeutlich als ein Bündnis, das aus der bewohnbaren Erde potenziell einen unbewohnbaren Planeten machen könnte – und sie nennt das »Real World«. Dieser sprachliche Trick soll wohl die Zerstörung des Lebens als Ausdruck eines Realismus mundgerecht für die Strategen machen, die das auszuführen haben. Es ist zu hoffen, dass die Bevölkerung rechtzeitig aufwacht. Es ist zu hoffen, dass der Friedensaktionstag am 3. Oktober die Unterstützung erhält, die gebraucht wird, um eine lebensrettende Wende durchzusetzen. In Kalkar und auch anderswo.
Titelbild: Fortis Design / shutterstock.com