Sowohl Bundeskanzler Olaf Scholz als auch das Auswärtige Amt unter Annalena Baerbock haben die Konfliktparteien im Kampf um Bergkarabach „zur Rückkehr an den Verhandlungstisch“ aufgerufen. Die NachDenkSeiten fragten auf der Bundespressekonferenz nach, wieso die deutsche Außenministerin im Falle des einen Konflikts alle Parteien zu Friedensverhandlungen aufruft, und im Falle des anderen das Mantra verbreitet, dass man mit Aggressoren nicht verhandeln könne. Von Florian Warweg.
Am 19. September war der schon seit Jahrzehnten anhaltende Konflikt um Bergkarabach erneut eskaliert. Aserbaidschan griff massiv mit schwerer Artillerie und Kampfdrohnen Stellungen der armenischen Kräfte in Bergkarabach an. Diese waren durch eine monatelange Blockade der Region, die auch Lebensmittel umfasste, völlig unterversorgt und zum Teil auch unterernährt. Der Menschenrechtsbeauftragte der (international nicht anerkannten) Republik Berg-Karabach (Arzach), Gegam Stepanjan, sprach von mindestens 200 Toten, darunter zehn Zivilisten, und mehr als 400 Verletzten. Auch mehrere Soldaten der dort stationierten russischen Friedenstruppen sind Angaben Moskaus zufolge durch aserbaidschanischen Beschuss getötet worden.
Die deutsche Außenministerin Baerbock hatte von New York aus, in Reaktion auf die Angriffe Aserbaidschans, zur Rückkehr an den Verhandlungstisch aufgerufen und unter anderem getwittert:
#Bergkarabach: #Aserbaidschan muss den Beschuss sofort einstellen und an den Verhandlungstisch zurückkehren, nur so ist dauerhafter Frieden möglich. Wir unterstützen die Verhandlungen unter Führung der #EU. 1/2
— Außenministerin Annalena Baerbock (@ABaerbock) September 19, 2023
Zudem forderte sie am Rande einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats Aserbaidschan und bezeichnender Weise Russland auf, „dafür zu sorgen, dass Menschen in ihrem eigenen Zuhause sicher sind“.
Vor diesem skizzierten Hintergrund fragten die NachDenkSeiten auf der Bundespressekonferenz am 20. September nach:
Derweil erklärte Aserbaidschans Präsident Ilham Aliyev bereits am Mittwochabend in einer „Rede an die Nation“ den „Sieg über die Separatisten“. Gespräche über die „Wiedereingliederung“ Bergkarabachs in Aserbaidschan hätten begonnen. Innerhalb von nur einem Tag habe man die „Anti-Terror-Maßnahmen“ erfolgreich beendet und die Souveränität des Landes wiederhergestellt.
Protokollauszug der Bundespressekonferenz vom 20. September 2023:
Frage Warweg:
Sowohl der Kanzler als auch das Auswärtige Amt haben jetzt noch einmal die Wichtigkeit der Rückkehr an den Verhandlungstisch betont. Dazu würde mich aus Sicht des AA eine Darlegung interessieren. Frau Baerbock hat ja in Bezug auf den Krieg in der Ukraine, in Bezug auf Russland erklärt, mit Aggressoren könne man nicht verhandeln. Können Sie mir darlegen, wieso man im Falle Aserbaidschans explizit zurück an den Verhandlungstisch aufruft und im Falle Russlands und der Ukraine nicht?
Wagner (AA):
Herr Warweg, unsere Position in Bezug auf den Krieg Russlands in der Ukraine ist sehr klar. Zum einen: Die Ukrainer entscheiden, wann sie über was verhandeln. Zum anderen: Russland überzieht die Ukraine mit einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg und begeht da schwerste Verbrechen. Sie suggerieren mit Ihrer Frage, dass wir kein Interesse an Frieden in der Ukraine haben. Dem ist natürlich nicht so. Auch die Ukraine hat ein Interesse an Frieden. Aber es ist Opfer einer ständigen, anhaltenden und seit nunmehr über 560 Tagen laufenden Aggression.
Zusatzfrage Warweg:
Zum Grundverständnis: Können Sie einmal darlegen, wen das Auswärtige Amt im aktuellen Fall der Eskalation in Bergkarabach als Aggressor bewertet, Aserbaidschan oder Armenien?
Wagner (AA):
Dazu waren der stellvertretende Regierungssprecher und, wie gesagt, auch der Kanzler und die Außenministerin gestern sehr deutlich. Wir haben Aserbaidschan sehr klar aufgefordert, diese Kampfhandlungen einzustellen.