Premiere! Nach der Zwangsvollstreckung des Urteils des Berliner Landgerichts gegen die Bundespressekonferenz (BPK) war es am 13. September 2023 so weit. Die NachDenkSeiten konnten erstmals an der BPK teilnehmen und dort Fragen stellen. Unter anderem befragten wir Regierungssprecher Steffen Hebestreit zu der Strafanzeige gegen Kanzler Scholz wegen „uneidlicher Falschaussage zur Warburg-Affäre“. Bezeichnend waren sowohl die Antwort wie auch die Reaktion der anwesenden Journalisten-Kollegen – statt weiteren Nachfragen zur äußerst fragwürdigen Rolle des Kanzlers bei diesem Skandal, der einen Steuerschaden in dreistelliger Millionenhöhe verursachte, gab es nur betretenes Schweigen. Von Florian Warweg.
Wie es der Zufall wollte, kam mir, als ich kurz vor 13 Uhr die Treppen zum BPK-Saal erklomm, der Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach in umgekehrter Richtung von einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz entgegen. Ansonsten war vieles wie gehabt. Im Auditorium dominierten dieselben Gesichter der Kollegen von dpa, Reuters, DLF, Deutsche Welle & Co wie vor anderthalb Jahren. Auf dem Podium wiederum hatte sich einiges geändert. Aus meiner Zeit in der BPK waren mir nur noch Regierungssprecher Steffen Hebestreit, der Sprecher des Verteidigungsministeriums sowie der Vertreter des Innenministeriums bekannt. Insbesondere beim Auswärtigen Amt scheint Annalena Baerbock in der Riege der Pressesprecher tabula rasa betrieben zu haben.
Los ging es mit dem am Mittwoch üblichen Bericht des Regierungssprechers über die Themen der kurz zuvor geendeten Kabinettssitzung (Aussprache mit dem französischen Wirtschaftsminister Le Maire zur Transformation der Industrie im globalen Wettbewerb, Fortsetzung des Einsatzes bewaffneter deutscher Streitkräfte im Irak, Entwurf einer Formulierungshilfe für die Koalitionsfraktionen für ein Gesetz zur Förderung der stationären Versorgung durch Transparenz, Nationale Strategie für Gemeinwohlorientierte Unternehmen und Soziale Innovationen, Unterzeichnung des Hochseeschutzübereinkommens der Vereinten Nationen). Dazu gab es kaum Fragen, so dass dann direkt in die offene Fragerunde übergeleitet wurde.
Ich hob umgehend meine Hand und bekam dann auch ohne jede Schikane mein Fragerecht erteilt. Ich hatte zuvor die BPK-Protokolle der letzten Wochen studiert und war ganz erstaunt gewesen zu sehen, dass bisher niemand die Strafanzeige des Finanzexperten Fabio de Masi gegen Kanzler Olaf Scholz „wegen uneidlicher Falschaussage zur Warburg-Affäre“ thematisiert hatte. Folglich entschied ich mich, dass es an der Zeit sei, diese Frage in der Bundespressekonferenz zu stellen:
Des Weiteren war ich bei Berichten über den aktuellen Kiew-Besuch der deutschen Außenministerin über deren Aussage gestolpert, dass Russland „das perfide Ziel“ habe, „Menschen in der Ukraine auszuhungern“. Hierzu wollte ich wissen, welche Belege dem Auswärtigen Amt vorliegen, die diese Aussage von Baerbock stützen würden:
Wiedergabe der Fragen und Antworten im Wortprotokoll der Bundespressekonferenz:
Strafanzeige wegen uneidlicher Falschaussage des Bundeskanzlers vor dem Untersuchungsausschuss zum Cum-Ex-Skandal:
WARWEG: Ich freue mich, dass ich dank einem funktionierenden Rechtsstaat wieder hier bei Ihnen sein darf.
Herr Hebestreit, Fabio de Masi, Finanzexperte und in seiner Rolle als Mitglied des Bundestages auch maßgeblich daran beteiligt, den Cum-Ex-Skandal oder die Aufbereitung des Ganzen voranzutreiben, hat Ende August eine Strafanzeige wegen uneidlicher Falschaussage des Bundeskanzlers vor dem Untersuchungsausschuss gestellt. Er legt auf acht Seiten relativ minutiös dar, wieso der Bundeskanzler bzw. damals noch in einer anderen Funktion vor dem Untersuchungsausschuss gelogen haben soll. Recherchen von „Stern“ und „SPIEGEL“ stützen eigentlich diese Darstellung. Könnten Sie hier mal für reinen Tisch sorgen und sagen: Hat der Bundeskanzler, hat Olaf Scholz vor dem Untersuchungsausschuss gelogen, ja oder nein?
STS HEBESTREIT: Herr Warweg, ich freue mich auch, Sie hier wieder zu sehen. Ansonsten kann ich dazu nur sagen: Es ist jedem unbenommen, sich dazu zu äußern oder auch Strafanzeige zu stellen. Es obliegt den jeweiligen Behörden, das zu beurteilen, und das werde ich von dieser Stelle nicht tun.
ZUSATZFRAGE WARWEG: Eine Verständnisfrage hätte ich dann noch. Der Bundeskanzler hat ja vor dem Untersuchungsausschuss einerseits gesagt, dass er keinerlei persönliche direkte Erinnerung an das Treffen mit dem Finanzkriminellen Christian Olearius hat. Ebenfalls hat er eingeräumt, dass es aber zu diesem Zeitpunkt gar keine Kalendereinträge mehr gab oder er zumindest keinen Zugriff mehr darauf hatte. Wie konnte denn der Bundeskanzler diesen Termin vor dem Untersuchungsausschuss bestätigen, wenn er weder eine konkrete Erinnerung noch den Kalendereintrag dazu zur Verfügung hatte. Wenn Sie uns das vielleicht noch kurz erläutern könnten.
STS HEBESTREIT: Das würde ich Ihnen nicht erläutern und tue ich auch nicht. Das ist Teil dieser Angelegenheit, dass es sich um Sachzusammenhänge handelt, die in der Phase des Bundesfinanzministers liegen. Ich sitze hier als Regierungssprecher und spreche für die aktuelle Bundesregierung. Aber Sie haben ja schon gesagt, es gibt dazu eine Strafanzeige. Man muss sehen, was sich daraus entwickelt.
Besuch der Bundesaußenministerin in Kiew
FRAGE WARWEG: Wir bleiben im Kontext des Besuchs der Außenministerin in Kiew. Dort hat sie unter anderem gesagt, ich zitiere: „Russlands perfides Ziel ist es, die Menschen in der Ukraine auszuhungern.“ – Mich würde interessieren, auf welcher faktischen Grundlage sie diese Aussage getroffen hat und was für Belege dem AA vorliegen, um diesen Vorwurf zu untermauern, weil „auszuhungern“ ja gerade auch im Kontext des hiesigen Landes eine fette Konnotation hat.
WAGNER: Herr Warweg, Sie brauchen sich nur die Bilder, Berichte und Untersuchungen, die es ja in mannigfaltiger Art gibt, anzuschauen, um zu sehen, was Russland in der Ukraine macht. Russland bombardiert dort Infrastruktur, Energieinfrastruktur. Ich glaube, es flogen allein im letzten Jahr 1.500 Raketen auf die Energieinfrastruktur, die dann in der Konsequenz natürlich das Ergebnis haben, dass Menschen der Strom fehlt, dass Menschen die Wärmeversorgung, die Wasserversorgung fehlt, um sich zu versorgen. Russland bombardiert Getreidesilos, bombardiert Hafenanlagen in Odessa am Schwarzen Meer, um zu verhindern, dass Getreidelieferungen, Getreidetransporte stattfinden. Es gibt also sozusagen genug Belege dafür, dass Russland in der Ukraine einen brutalen Angriffskrieg führt, der auch das Ziel hat, im Winter die Bevölkerung zu zermürben, sie müde zu machen und sie von jeglicher Versorgung abzuschneiden.
ZUSATZFRAGE WARWEG: Aber wir sprechen hier jetzt von der Außenministerin, und sie hat ja von „aushungern“ gesprochen. Alles, was Sie angeführt haben, inklusive der Weizenbestände, die sind ja für den Export gedacht, (stützen diese Aussage nicht). Welche Belege gibt es dafür, dass Russland wie von der Außenministerin angeführt, das erklärte Ziel hat, die Bevölkerung auszuhungern?
WAGNER: Herr Warweg, Teil des Besuchs der Außenministerin vor Ort war auch ein Gespräch mit Menschen, die im Osten der Ukraine unter der russischen Besatzung extreme Dinge erlebt haben und in ihrer Eindrücklichkeit in Bezug auf die Verbrechen, die ihnen da angetan werden, sozusagen kaum stärker sein könnte. Insofern lasse ich mich hier jetzt nicht auf sozusagen semantische Diskussionen mit Ihnen ein. Ich glaube, es ist für die ganze Welt sichtbar, was Russland in der Ukraine tut.
Ende des Protokollauszugs.
Werte NachDenkSeiten-Leser: Falls Sie Themenvorschläge für Fragen an die Bundespressekonferenz haben, schicken Sie uns gerne eine Mail an: [email protected]