Nach der Entlassung des DFB-Cheftrainers Hansi Flick hat Fußball-Deutschland die Chance, das 21. Jahrhundert endlich willkommen zu heißen. Die Zeit des Patriachats der alten weißen Männer ist vorbei! Lasst uns Deutschland auch im Fußball als modernes Land präsentieren, das verstanden hat und sich den Zeichen der Zeit nicht mehr mit aller Macht versperrt. Die alten weißen Männer haben versagt und ausgedient und der DFB sollte die Krise als Chance verstehen. Nur eine Frau kann Fußballdeutschland nun an den eigenen Haaren aus dem Sumpf ziehen! Eine Glosse von Jens Berger.
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Vergangenen Zeiten nachzutrauern, ist rückwärtsgewandt und selten produktiv. Ja, der Name „Deutschland“ galt im Fußball mal was. Doch zu welchem Preis? Aus heutiger Sicht sollte man sich für die immer noch viel zu oft verklärten „Erfolge“ der Vergangenheit eher schämen. 1954 sangen die alten weißen Männer im DFB-Trikot bei ihrer Weltmeisterschaft noch die erste Strophe der Nationalhymne. Wir sind wieder wer? Nazis! 1974 waren es lupenreine deutsche Machos, die mit ihrem Finalsieg über die progressiven Holländer dem feministischen Aufbruch in den Rücken fielen. Der Weltmeistertitel von 1990 ist untrennbar mit der nationalen Besoffenheit der Wiedervereinigung und der aufkeimenden Großmannssucht verbunden. „Wenn jetzt noch Spieler aus der DDR dazukommen, sind wir auf Jahre unschlagbar. Das tut mir leid für den Rest der Welt“, so der damalige Teamchef Franz Beckenbauer. Und auch über den Titel 2014 sollten wir uns keinen falschen Illusionen hingeben. Auch wenn Trainer Jogi Löw als metrosexuelle Stilikone dem überkommenen Männerbild längst vergangener Zeiten nicht wirklich entsprach, so bleibt er uns doch vor allem wegen seiner primatenhaften Machogesten, wie dem Griff in den Schritt, in Erinnerung. Alte weiße Männer bleiben nun einmal alte weiße Männer – egal, wie frau es dreht oder wendet.
Schon nach dem unrühmlichen Abgang von Löw verpasste der DFB die Chance für einen Epochenwechsel. Anstatt endlich mal eine Frau zu nominieren, entschied man sich mit Hansi Flick schon wieder für einen alten weißen Mann – dazu noch heterosexuell und ohne Migrationserfahrung. Gerade so als hätte man(n) beim DFB noch nie was von Frauenquote, Awareness, Geschlechterrollen, Antifeminismus, Rassismus, Homo- und Transphobie oder Genderkompetenz gehört. Dass man sich damit einen Bärendienst erwiesen hatte, wurde schließlich bei der letzten WM in Katar selbst für die Chauvinisten in der DFB-Chefetage offensichtlich. Trotz One-Love-Binde konnte sich das Team nicht vom repressiven Druck des reaktionären Altherren-Chauvinismus auf der Trainerbank befreien und verlor ein Spiel nach dem anderen.
Dabei sollte frau nicht unter den Tisch fallen lassen, dass es sogar beim Alte-Weiße-Männer-Verband DFB durchaus zart keimende Pflanzen des Aufbruchs gab. So wurde der frauenfeindliche Markenname „Die Mannschaft“ vom DFB ersatzlos kassiert und der scheidende alte weiße DFB-Manager Oliver Bierhoff soll mit Nadine Keßler durch eine junge Frau abgelöst werden. Gut so! Aber immer noch zu wenig!
Ein starkes Signal wäre es jetzt, auch den Cheftrainer-Posten mit einer Frau zu besetzen. Seit seiner Gründung im Jahr 1903 hatte der DFB ausschließlich Männer für diesen Posten nominiert. Das muss man frau sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Eine Frauenquote von 0%! Und da wundert man sich ernsthaft darüber, dass es auf dem Platz nicht so gut läuft? Der DFB muss jetzt mit einem „Schinken der Hoffnung“ vorangehen und die Frau zur Cheftrainerin machen, die wie keine andere Genialität, Werteorientierung und Weltläufigkeit ineinander vereint: Annalena Baerbock!
Titelbild: © Thomas Böcker/DFB