„Aus meiner Sicht kamen die exzessiven Praxen stundenlanger Maskenpflicht – verbunden mit anderen rigiden Maßnahmen – einer nachhaltigen Kindeswohlgefährdung gleich.“ Das sagt der Kindheitsforscher Professor Michael Klundt im Interview mit den NachDenkSeiten. Anlass des Interviews ist ein Urteil gegen einen Weimarer Richter. Das Landgericht Erfurt verurteilte im August den Familienrichter Christian Dettmar wegen Rechtsbeugung zu 2 Jahren Haft auf Bewährung. Er wurde bekannt, als er in der Pandemie die Maskenpflicht an zwei Schulen aufgehoben hatte. Es ging um die Kindeswohlgefährdung. Zwei Jura-Professorinnen haben nach dem Urteil in der WELT gefordert, dass das Urteil gegen den Richter aufgehoben werden muss. Im Interview kritisiert Klundt das Urteil und macht darauf aufmerksam, dass gegen Richter Dettmar von Seiten des Staates konsequent vorgegangen worden sei, während die juristische Aufarbeitung im Hinblick auf die Verantwortlichen der Maßnahmenpolitik „niemanden vor Gericht“ stellt, „keiner versagt ihnen das Recht auf ihre Rente oder sonstiges.“ Von Marcus Klöckner.
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Herr Klundt, Sie sind kein Jurist und in unserem Interview wird es nicht um eine juristische Einordnung des Prozesses gehen. Aber Sie sind Kindheitsforscher und Politikwissenschaftler. Ihr Fokus liegt auf dem Wohl von Kindern. Wie haben Sie das Urteil gegen Richter Dettmar wahrgenommen?
Wie auf globaler Ebene den US-Versuch, Julian Assange vor Gericht und für immer ins Gefängnis zu bringen. Oder wie Deutschlands Weigerung, Edward Snowden Asyl zu gewähren. Im Kollektiv der Mitmacher muss der Gehorsams-Verweigerer und Nestbeschmutzer auch noch nachträglich bestraft werden. Das riecht schon sehr stark nach: Haltet den Dieb – er hat mein Messer im Rücken!
Was ist der Hintergrund für Ihre Aussagen?
Die Übergriffe von deutschen Journalisten, Politikern, Juristen und Wissenschaftlern auf Maßnahmenkritiker und Ungeimpfte sind bis jetzt nicht annähernd kritisch aufgearbeitet worden – von einer juristischen Aufarbeitung ganz zu schweigen.
Damit meinen Sie?
Die einseitigen politischen, medialen und wissenschaftlichen Panikattacken auf die Bevölkerung vom „Killer-Virus“, das uns alle sofort tötet, bis zum „absolut nebenwirkungsfreien“ Impfstoff, der uns allen zwingend verabreicht werden muss, weil er „umfassend vor Ansteckung schützt“ und eine Weitergabe „garantiert verunmöglicht“, während „Impfverweiger“ als „gefährliche Sozialschädlinge“ beleidigt wurden. Die Infragestellung dieser Dogmen konnte in den letzten drei Jahren das Risiko einer sozialen Ächtung mit sich bringen.
Wenn ich Sie richtig verstehe: Ihnen geht es darum, dass mit zweierlei Maß gemessen wird? Einerseits der Richter, gegen den von Anfang an mit aller Konsequenz vorgegangen und der dann abgeurteilt wird. Andererseits: Verantwortliche der Pandemiepolitik, die sich keiner Aufarbeitung stellen müssen.
Das meine ich. Die Verantwortlichen stellt niemand vor Gericht, keiner versagt ihnen das Recht auf ihre Rente oder sonstiges. Aber ein wenig selbstkritische Aufarbeitung wäre nicht zu viel verlangt. Doch dazu sind die meisten von ihnen nicht bereit und auch nicht in der Lage: Sie sind z.T. schon längst vom Corona-Narrativ ins Kriegs-Narrativ gewandert – mit ähnlicher Schwarz-weiß-Malerei und ähnlichem Hass auf Narrativ-Skeptiker.
Der ehemalige Chef des Robert Koch-Instituts, Lothar Wieler, war vor einen Untersuchungsausschuss in Brandenburg geladen.
Wenn Wieler nebenbei erwähnt, dass das RKI bis heute nichts Genaues über die Impf-Effizienz wisse und die PEI-Vertreterin zu den Impfnebenwirkungen wenig zu wissen vorgibt, fragt man sich schon, wie es sein kann, dass diese Institutionen mit ihrem überwiegend fakten-freien Inzidenz-Zirkus als absolute Autoritäten herhalten konnten für die extremsten Corona-Dogmen und -Maßnahmen. Der damit verbundene anti-demokratische Mechanismus der Verantwortungs-Diffusion in Krisen-Zeiten ist ein interessantes Forschungsfeld für Politikwissenschaften – Spahn/Lauterbach rechtfertigen sich mit RKI und RKI-Chef rechtfertigt sich mit seiner Weisungsgebundenheit an den Gesundheitsminister – am Ende war es keiner und niemand trägt zumindest die politische Verantwortung. Auch so kann man eine Demokratie und einen Rechtsstaat abschaffen. Solange Politik, Wissenschaft, Medien und Justiz diese Entwicklung zum „Diktator in uns“ (SPIEGEL) nicht kritisch aufarbeiten, habe ich große Sorge.
Während der Pandemie waren Kinder in Schulen besonderem Druck ausgesetzt. Stichworte: Maskenpflicht, Testpflicht, aber auch, was die Impfung angeht. Würden Sie das bitte im Hinblick auf das Kindeswohl für uns einordnen?
Jetzt, wo wir mal wieder nachweisen können, dass Lauterbach entgegen seiner ständigen Leugnungen explizite Kinder- und Jugend-Angst-Kampagnen forderte und durchführte (zuletzt sogar gegen den Willen der Mehrheit des Corona-Expertenrates), lässt sich festhalten: Diese Panik-Attacken gegen die Kinder waren Kindeswohlgefährdung. Schon das Angst-Strategiepapier des Bundesinnenministeriums (BMI) zur „Schockwirkung“ vom Frühjahr 2020 ließ sich mit Naomi Kleins Analyse und Kritik von „Schock-Therapien“ des „Katastrophen-Kapitalismus“ in Verbindung bringen.
Die interministerielle Arbeitsgruppe von Gesundheits- und Familienministerium IMA, das UKE, der Corona-Expertenrat und die Evaluation zum Infektionsschutzgesetz weisen nach, dass es zu katastrophalen psychosozialen Folgen bei Kindern und Jugendlichen gekommen ist, die bis heute anhalten und noch gravierende Konsequenzen haben werden (auch hinsichtlich motorischer, physischer, kognitiver und sozialer Kompetenzen lassen sich manche Maßnahmefolgen bereits in Schulstudien von IQB oder PISA nachweisen).
Sogar draußen, also auf dem Schulhof, mussten Kinder Masken tragen.
Ja, „schwarze Pädagogik“, die der Kollege Schoepe auf den NachDenkSeiten zusammengetragen hat, war leider allzu oft an der Tagesordnung, innerhalb und außerhalb der Schule. Dies nun weitgehend zu verdrängen oder nicht wahrhaben zu wollen und eine (selbst-)kritische Aufarbeitung zu verweigern, ist wirklich skandalös: Massenhafte Berichte von Eltern, Lehrern und Kindern über Beschämungen und Bloßstellungen im Klassenraum, im Lehrerzimmer, auf dem Schulhof, auf dem Schulweg. Unter der Maske an Atemnot und Panikattacken leidende Schüler, die nicht einmal ans offene Fenster zum Durchatmen gelassen, sondern vor versammelter Klasse der Lächerlichkeit preisgegeben wurden. Entsetzliche Szenen auf Schulhöfen, wo den unter offenem Himmel in ihr Pausenbrot hineinbeißen wollenden Schülern befohlen wurde, sich dazu auf den Boden zu setzen. Ausgegrenzte nicht-getestete Schüler, vor der versammelten Klasse ekelhaft vorgeführte nicht-geimpfte Kinder. Ein Fanatismus nach dem Schema: „Ihr seid eine Gefahr für mich!“ und „Wenn ihr euch nicht testen lasst, seid ihr schuld, wenn die Oma eures Sitznachbarn stirbt“. Die Kinder als angebliche Viren-Treiber. Böhmermanns Behauptung, die Kinder seien während Corona das, was die Ratten während der Pest gewesen seien, diese für mich volksverhetzende Kinder/Ratten-Analogie wirkte in alle Poren der Gesellschaft. Manche besonnene Lehrer, Schulleiter, Eltern, ja sogar Gesundheitsamt-Leiter mussten sich von fanatischen Eltern, Lehrern, Schülern als „Corona-Leugner“ beschimpfen lassen, weil sie nicht dafür waren, alle Bildungseinrichtungen vollständig und am besten für immer zu schließen (die Horror-Vision des „neuen Normal“: jedes Kind täglich zu testen, 8 Stunden unter eine Maske zu zwingen und ihm alle drei Monate einen sog. Impfstoff zu spritzen, was nachweislich gefährlicher für Kinder ohne Vorerkrankungen war und ist als die Corona-Infektion selbst).
Ist Ihnen bekannt, ob Maßnahmen, denen Kinder ausgesetzt waren, Schaden verursacht haben?
Die UKE-Forschungsergebnisse von 2020, 2021, 2022, 2023 sind ziemlich eindeutig. Psychosoziale Belastungen und Erkrankungen sind mit den Maßnahmen massiv angestiegen und das Wohlbefinden der meisten Kinder ist immer noch nicht auf den Status vor Corona zurückgekehrt. Gestatten Sie mir aus unserem letzten Interview zu zitieren:
Viele Studien untermauern, dass buchstäblich eine (politisch mit zu verantwortende, strukturelle) Kindeswohlgefährdung im Sinne der UN-Kinderrechtskonvention und des SGB VIII festzustellen ist. Das hatte psychosoziale Folgen, wie verschiedene Untersuchungen nachweisen können (Anm. Red.: Vgl. Klundt 2022, S. 175ff.). So hat sich laut einer Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung hochgerechnet „infolge der Pandemie und der damit verbundenen Schulschließungen bei 1,7 Mio. 11- bis 17-Jährigen die gesundheitsbezogene Lebensqualität erheblich verschlechtert“ (Anm. Red.: Bujard u.a. 2021, S. 72). Das Bundesinstitut ermittelte ferner „477.000 Jugendliche im Alter von 16 bis 19 Jahren mit Depressivitätssymptomatik“ (ebd.).
Die Süddeutsche Zeitung vom 29. Dezember 2021 stellte unter dem Titel: „Menschenrechte. Hat Deutschland ein Problem mit Kindern?“ besorgt fest: „Schulschließungen in Rekordlänge, keine Kinderrechte im Grundgesetz… Verlass ist in der deutschen Pandemiepolitik bisher fast immer darauf gewesen, dass die Kinder in der Debatte um Maßnahmen zunächst mal vergessen wurden.“
Und auch auf das Folgende möchte ich verweisen:
2023 haben Wirtschaftswissenschaftlerinnen der Universität Konstanz in einem Kooperationsprojekt mit dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) die Folgen der pandemiebedingten Schulschließungen in Deutschland untersucht. Sie fanden heraus, dass diese zu einer erheblichen Verschlechterung der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen im Alter von 11 bis 17 Jahren geführt haben.
Sie schreiben: „Während der Corona-Pandemie hat die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen gelitten, wie die verschiedenen Auswertungen der COPSY-Studien (Corona und Psyche) des UKE gezeigt haben. Inwieweit Schulschließungen zu diesen persönlichen Krisen beigetragen haben, war bislang weitgehend unbekannt. Prof. Dr. Christina Felfe, Fachbereich Wirtschaftswissenschaften Universität Konstanz, und ihr Team konnten in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Ulrike Ravens-Sieberer, Leiterin der Studie und der Forschungsgruppe „Child Public Health“ der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und -psychosomatik des UKE, zeigen, dass die Auswirkungen auf die psychische Gesundheit am stärksten bei männlichen Jugendlichen, bei jüngeren Jugendlichen sowie bei Familien mit begrenztem Wohnraum zu sehen waren.“
In dem Urteil von Richter Dettmar ging es um Masken. Beim Thema Masken haben sich die Meinungen gespalten und vermutlich gehen die Meinungen noch immer auseinander. Die einen sagen: Ist doch nur ein Stück Stoff. Die anderen sagen: Vorsicht! Gefahr! Würden Sie bitte auch das Thema Masken für unsere Leser einordnen? Was hat die Maskenpflicht für Kinder an Schulen bedeutet?
Ich würde auch hier mangels medizinischer Kenntnisse differenzieren wollen. Der evidenzbasierte Schutz gegen einen Virus muss abgewogen werden gegen den Schaden durch die Bedeckung des Mund-Nase-Bereichs von 7:30h bis 16h und am besten noch während des Sportunterrichts draußen. Wenn ersterer nicht wirklich nachweisbar ist, aber die Pflicht zum Tragen nachweisbare, negative Folgen zeigt, muss umgedacht werden. Den Masken-, Test- und Impf-Fanatikern muss immer wieder gesagt werden, dass die Aufhebung einer Pflicht sie nicht davon abhält, Maske (statt Helm) auf dem Fahrrad zu tragen, sich täglich zu testen und am besten alle drei Monate neu zu boostern. Sollen sie doch machen. Da Frau von der Leyen Milliarden Dosen in dubiosen Verträgen für zig Milliarden Euro hat einkaufen lassen, muss das Zeug schließlich weg. Sie sollen ja nur ihre Mitbürger und v.a. die Kinder endlich in Ruhe lassen. Wer allerdings schon 2021 in den teil-geschwärzten Geheimverträgen lesen konnte, dass der Impfstoff-Hersteller von allen möglichen Kosten hinsichtlich Impf-Nebenwirkungen vom Käufer entlastet wird, durfte trotz aller Corona-(Impfstoff-Nebenwirkungs-)Leugnungen nachdenklich werden. Ich habe auch nicht verstanden, wie Menschen einerseits den absoluten Schutz ihrer Masken und ihrer Impfung behaupten konnten und danach aber ihre nicht-geimpften und un-maskierten Mit-Menschen in aggressivster Manier der „Körperverletzung“ beschuldigten und als „gefährliche Volksschädlinge“ bekämpfen konnten. Die Täter und Täterinnen empfinden sich auch heute noch als ultra-demokratisch und betrachten die Opfer ihrer Aggressionen, Diskriminierungen und Stigmatisierungen immer noch als „Nazis“. Das ist schon paradox. 15 Millionen Mitbürger als „Blinddarm“ und als Dreck behandelt.
Und der Doppelmoral gegenüber Kindern waren doch wirklich keine Grenzen gesetzt: Monatelang waren schon Bundesliga, Baumärkte und Biergärten wieder geöffnet, als die Kinder immer noch nicht einmal draußen Sport machen durften. Denken Sie an die ins Stadion einlaufenden Profi-Fußballer (ohne Maske) mit Kindern an der Hand (mit Maske). Denken Sie an den GRÜNEN-Parteitag tagsüber (mit) und abends beim Grölen frauenfeindlicher Lieder wie „Jump Around“ (ohne) oder an unsere Hauptstadt-Journalisten, die uns von morgens bis abends den Maskenzwang als Norm auftrugen, aber selbst im Regierungs-Flieger nach Amerika alle „oben ohne“ saßen.
Welche Nachteile sehen Sie noch?
Jenseits des Asthmas, der Luftnöte, der Kopfschmerzen, der übermäßigen Kohlendioxidkonzentration und des fehlenden Sauerstoffs kann die stundenlange Abdeckung des Gesichtsbereichs m.E. für Kinder eine Behinderung beim Lernen korrekter Aussprache, korrektem Hören und Verstehen bedeuten – von Empathiefähigkeiten durch mimische Gemütsregungen ganz zu schweigen (vgl. hier).
Um direkt zu Fragen: Hat die Maskenpflicht an Schulen das Kindeswohl gefährdet?
Aus meiner Sicht kamen die exzessiven Praxen stundenlanger Maskenpflicht – verbunden mit anderen rigiden Maßnahmen – einer nachhaltigen Kindeswohlgefährdung gleich. Insofern sind dann – ohne Jurist zu sein – meiner Ansicht nach das Jugendamt und das Familiengericht tatsächlich auf Basis des § 8a SGB VIII und des § 1666 BGB zuständig.
Konnten Sie von daher die Entscheidung des Weimarer Richters, die Maskenpflicht an zwei Schulen aufzuheben, nachvollziehen?
Im §1666 des BGB steht: „Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet und sind die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage, die Gefahr abzuwenden, so hat das Familiengericht die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Gefahr erforderlich sind.“
Wer Jugendliche lebensgefährlich durch den Park jagt oder Schlittenfahrer kriminalisiert, weil ihnen in freier Natur und mit großem Abstand zu anderen Menschen die Maske verrutscht ist, wer Kleinkindern die Schaukel verbietet und nicht-geimpften 12-Jährigen den Zugang zum Sportplatz verwehrt oder sie anderweitig diskriminiert, muss wissen, dass ein Rechtsstaat so etwas nicht dulden darf, wenn er nicht zu einem Unrechtsstaat verkommen will.
Im Verhältnis dazu mag sich der Weimarer Familienrichter revisionsbedürftig (weil formal nicht zuständig) verhalten haben, zumindest menschlich verständlich jedoch allemal (zur umstrittenen Zuständigkeitsfrage vgl. auch die „Erwiderung von Christian Dettmar auf die Verlesung der Anklageschrift“, S. 25ff.). Es ist auch nicht unerheblich, dass zum Zeitpunkt seiner Entscheidungen im Frühjahr 2021 die Anzahl Minderjähriger auf den Intensivstationen nach Suizidversuchen deutschlandweit massiv angestiegen war und man im Zusammenhang mit Kinder- und Jugendpsychiatrien bereits von „Triage“ sprach (vgl. hier und hier).
Erinnert sei an Art. 3 der UN-Kinderrechtskonvention. Was hat es damit auf sich?
Kinder- und Jugendrechte sind keine symbolische Schönwetter-Angelegenheit, sondern in der UN-Kinderrechtskonvention verankertes Völkerrecht sowie seit 1992 geltendes Bundesgesetz (seit 2010 explizit vorbehaltlos). Darin verpflichtet sich die Bundesrepublik Deutschland etwa, dass bei „allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, gleichviel ob sie von öffentlichen oder privaten Einrichtungen der sozialen Fürsorge, Gerichten, Verwaltungsbehörden oder Gesetzgebungsorganen getroffen werden, das Wohl des Kindes (…) vorrangig zu berücksichtigen ist“ (Art. 3, UN-Kinderrechtskonvention). Gemessen an den Kriterien des Kindeswohlvorrangs, des Schutzes, der Förderung und Beteiligung lässt sich besonders seit Corona feststellen, dass die Kinderrechte oft vernachlässigt werden.
Wie zu Beginn des Interviews gesagt, wir können hier das Urteil des Gerichts gegen den Richter nicht juristisch einordnen, aber neben Ihrer Position als Kindheitsforscher sind Sie auch Politikwissenschaftler. Sollte der Prozess und das Urteil auch politisch eingeordnet werden?
Dass die überlangen Schließungen und die exzessiven Masken-, Test- und Impfverpflichtungen in Schulen inzwischen selbst von Lauterbach problematisiert werden, müsste doch alle ihre damaligen (auch juristischen) Verfechter wenigstens zum Nachdenken bringen hinsichtlich psycho-sozialer Folgen und Kindeswohlgefährdungen.
Ich hoffe, dass sich noch mehr Juristen als die beiden kürzlich in der Zeitung DIE WELT melden, die sich für eine Revision des Urteils gegen den Weimarer Familienrichter aussprechen; ein Jahr vor Rentenbeginn soll er durch die Bewährungsstrafe sogar seine Pensionsansprüche verlieren. Es sollte nicht vergessen werden: Über dem Urteil steht immer: „Im Namen des Volkes“. Die rechtsprechende Gewalt der höheren Revisions-Instanz wird dies sicherlich zu berücksichtigen wissen.
Der Eindruck, der im Raum steht, ist ja der folgende: Gegen einen Richter, der eine politisch nicht opportune Entscheidung getroffen hat, wird vom ersten Moment – um es vorsichtig zu sagen – sehr „konsequent“ vorgegangen, während z.B. Karl Lauterbach noch immer im Amt ist, obwohl er gesagt hat, dass die Impfung quasi nebenwirkungsfrei sei. Was sind Ihre Gedanken?
Wir dürfen nicht vergessen, dass Karl Lauterbach, aber auch Olaf Scholz und Christian Lindner zudem immer „gegen eine Impfpflicht“ waren, bis zu dem Zeitpunkt, als sie „für eine Impfpflicht“ eintraten. Ich finde, jeder hat das Recht darauf, Unsinn zu verbreiten, aber nicht jeder darf das Recht haben, diesen Unsinn allen anderen Menschen als Verhaltensnorm vorzuschreiben. Ich bin ja kein Jurist, aber interessant wäre es schon, den Umgang mit dem Weimarer Richter im Vergleich zum Umgang mit dem Bundesverfassungsgericht und seiner auch unter Juristen sehr umstrittenen Corona-Urteile zu betrachten (vgl. hier). Nicht nur Prantl hatte ja darauf verwiesen, dass beim Urteil z.B. zur Bundesnotbremse u.a. der Gerichtsvorsitzende sich offenbar vor seiner Entscheidung mit der beklagten Partei (Bundesregierung) zum Abendessen traf. Hier wäre tatsächlich auch juristisch noch einiges aufzuarbeiten.
In einem Rechtsstaat mit Gewaltenteilung sollte dies zu denken geben. Umgekehrt sind zuletzt einige Urteile der Verwaltungsgerichte rechtsstaatlich ermutigend. Sie sprechen eine klare Sprache gegen offensichtlich rechtswidrige Zensurversuche, Berufsverbote, willkürliche Vertrags- und Raumkündigungen sowie millionenfachen Freiheitsentzug für die bayerische Bevölkerung während Corona durch Ausgehverbote.
Aber ansonsten sieht wohl im Moment der Mainstream eher so aus: Wer sich mit Bandera-Fans und anderen Anhängern von NS-Kollaborateuren sowie Asow-Faschisten gemein macht, die „SS-Helden des Holocaust“ verherrlicht sowie Putin-Bilder mit Hitler-Bärtchen zeigt, verharmlost nichts, und, wer, wie der Sozialwissenschaftler und Künstler Prof. Dr. Rudolph Bauer auf NS-Kontinuitäten künstlerisch-kritisch aufmerksam macht, bekommt gleich wegen angeblicher NS-Verharmlosung bewaffneten Staatsschutz zu Besuch. Schon interessant.
Wer, wie die Wissenschaftlerin und National-Ethikerin Buyx, Impf-Nebenwirkungen leugnete, falsche Behauptungen über mRNA-Verbreitung im Körper aufstellte, gegen Nicht-Geimpfte “hocheskalieren” wollte, meint, sich gegenüber Kindern noch nicht einmal entschuldigen zu müssen; man habe es ja „gut gemeint“. Niemand lacht?! Der Weimarer Richter aber, der das auch für sich in Anspruch nimmt, muss dafür bestraft werden, dass er sich regelwidrig (das Verwaltungsgericht und nicht sein Familiengericht war zuständig) für das Kindeswohl einseitig eingesetzt hat, welches Frau Buyx und Herr Lauterbach sowie viele Politiker, Medien, Wissenschaftler und Juristen jahrelang ungenügend berücksichtigt haben – bundesgesetzwidrig, denn der Art. 3 der UN-Kinderrechtskonvention zum verpflichtenden Kindeswohl-Vorrang bei allen staatlichen und nicht-staatlichen Maßnahmen steht seit 1992 im Bundesgesetzblatt. Seltsam.
Buyx und Lauterbach, Leopoldina, Ärztepräsident und RKI sind obenauf – und Kritiker der Corona- und Kriegs-Narrative finden sich auf der öffentlichen Anklagebank und mit ständigen Auftritts-, Raum- sowie Berufsverboten konfrontiert (Guérot, Meyen, Baab, Ganser, Krone-Schmalz, Zuckermann, Waters oder der Weimarer Richter usw.). Und wenn sie diesen Zustand als Problem für die Meinungsfreiheit kritisieren, bekommen sie auch noch von der einschlägigen Fraktion der Selbstgerechten entgegengehalten, dass das doch alles nur „Schwurbler“ seien, deren Forderung nach rechtsstaatlichen und demokratischen Mindeststandards doch „demokratiefeindlich“ und „verschwörungstheoretisch“ sei.
Also alles in bester bürgerlicher Ordnung der Doppelmoral. Dazu passt, dass die Öko-Apokalyptiker für ihren Anschlag auf das Grundgesetz-Denkmal des Bundestages offenbar nur einen müden Freispruch geerntet haben. Auf dieser „wertebasierten“ Grundlage fehlt nur noch die Auslieferung von Julian Assange.
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