Sprachmüll

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Paul Nolte, der inzwischen von der hochgelobten, privaten International University Bremen in den sicheren Port einer beamteten Professur für Zeitgeschichte an der Freien Universität Berlin geflüchtet ist, schreibt und redet über alle Themen, die auf die politische Tagesordnung gekehrt werden, egal ob er sich auskennt oder ob er etwas zu sagen hat. Kai Ruhsert hat sein Wort zum Sonntag über den „Bürokratieabbau“ auf seinen Sinngehalt abgeklopft und kann nur Sprachmüll entdecken.

“Vor zweihundert Jahren sprachen der Freiherr vom Stein und andere preußische Reformer vom “Formenkram” und “Dienstmechanismus” der Bürokratie und setzten dem ihre Vorstellungen von Bürgerbeteiligung gegenüber. Es half nichts, die Bürokratie hatte ihren wahren Siegeszug zu dieser Zeit noch nicht einmal begonnen. Erstaunlicherweise entwickelte sie sich seitdem, aufs Ganze gesehen, nicht gegen die Demokratie und nicht gegen die liberale Marktwirtschaft, sondern stieg mit beiden gemeinsam auf, jedenfalls im kontinentalen Europa.” Schreibt Paul Nolte in der Welt am Sonntag.

Die Entwicklung der Bürokratie kann nur erstaunlich finden, wer seine Zeit damit verbringt, von der Wirklichkeit entrückte WamS-Artikel zu ersinnen, um sich ein Zubrot zu seinem ach so mageren Professorengehalt zu verdienen. Würde der Pastoren-Sohn Nolte ausnahmsweise einmal einen Blick in so fremdartige Schriften wie “Das Kapital” von Marx werfen, könnte er darin nachlesen, dass es u.a. britische Fabrikanten gewesen waren, die nach einer staatlichen Bürokratie riefen, um die Liberalisierung des Arbeitsrechts einzuschränken und auf diese Weise die Konkurrenten (und damit auch sich selbst) daran zu hindern, weiterhin Kinder in die Bergwerke zu schicken. Sie mochten die Bürokraten zwar nicht, hatten im Gegensatz zu Nolte aber verstanden, dass es ohne sie nicht ging.

“Das ist ein wichtiger Schritt, denn der klassische Fall von Bürokratie ist diejenige im internen Verwaltungsbetrieb. Schon immer und bis heute funktioniert das so: Das Ministerium will etwas wissen, etwa zur konkreten Wirkung eines Gesetzes, und schreibt an die Unterbehörden. So pflanzt sich das lawinenartig nach unten fort, bis es schließlich wieder nach oben eingesammelt wird.”

Nun wissen wir also, wie Paul Nolte sich die Arbeit einer Bürokratie vorstellt. Ob er auch schon einmal an ganz andere, sinnvollere Aufgaben gedacht hat? Etwa die Kontrolle des Zustands von Eissporthallen?

“Müßte man nicht auch das Kartellamt abschaffen – eine Behörde, die mit großem Personalstab das freie Spiel der Kräfte zu regulieren sucht und dabei häufig an der Realität der Globalisierung scheitert?”

Eine überaus intelligente Idee, um nicht zu sagen: Ein klassischer Nolte! Denn dann können die Stromanbieter sich so lange gegenseitig aufkaufen, bis nur noch ein Monopolist übrig bleibt. Nolte würde daraufhin sicher noch die Abschaffung der Genehmigungspflicht von Strompreiserhöhungen fordern, um den “Marktkräften” freie Hand zu lassen.

“Das gefällige Schlagwort vom Bürokratieabbau wird nur allzuoft zu einer Sammelformel für ganz verschiedene Formen von Blockademechanismen, mit denen wir uns die Chance auf eine dynamischere Gesellschaft zugebaut haben.”

Zubau durch Abbau! Ein Schlagwort als Sammelformel für Formen von Blockademechanismen! Wenn die sprachlichen Bilder sich gegenseitig bis zu Unverständlichkeit überlagern, gibt es keine Zweifel mehr: Das ist Paul Nolte, wie wir ihn kennen und belächeln.

Anmerkung: Wikipedia schreibt zu Paul Nolte: “Größere Aufmerksamkeit wurde ihm geschenkt, als Harald Schmidt in der gleichnamigen Late Night Show der ARD den Begriff Unterschichtenfernsehen aus seinem Buch „Generation Reform“ aufgriff.” So erlangt man heutzutage als Wissenschaftler öffentliches Renommee.

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Medienkritik

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