Seit Oktober letzten Jahres hat Köln eine Projektpartnerschaft mit der ukrainischen Stadt Dnipro. Das ist insofern erstaunlich, da Dnipro seit acht Jahren mit eiserner Hand von einem rechtsgerichteten Oligarchen namens Boris Filatow als Bürgermeister regiert wird. Der ließ das Rathaus der Stadt bereits mit den schwarz-roten Flaggen der Nazi-Kollaborateure und Kriegsverbrecher der OUN beflaggen und benannte eine Straße seiner Stadt nach dem umstrittenen Nazi-Kollaborateur Stepan Bandera. Zeitgleich fror Köln seine seit 1988 laufende Städtepartnerschaft mit dem russischen Wolgograd, ehemals Stalingrad, ein. Projekte, die sich z.B. für sozial-medizinische Betreuung ehemals nach Deutschland verschleppter Zwangsarbeiterinnen einsetzen, sind damit in Gefahr. Anstatt Aussöhnung mit den Opfern der Nazizeit zu betreiben, unterstützt Köln nun Revisionisten, die – diplomatisch formuliert – ein schwieriges Verhältnis zur Nazizeit haben. Hat man am Rhein nichts aus der Geschichte gelernt? Von Jens Berger.
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Viele Leser werden mit dem Städtenamen Dnipro wenig anfangen können. Das ist kein Wunder, hieß die Stadt doch bis 2016 noch Dnjepropetrowsk. 2015 erließ die Ukraine jedoch ein Gesetz zum Verbot kommunistischer und nationalsozialistischer Propaganda, das jedoch in der Praxis eher genutzt wird, um sich mit teils skurrilen Aktionen von den Überbleibseln der Sowjetzeit zu befreien. 1926 wurde das ehemals zu Ehren der russischen Zarin Katharina benannte Jekaterinoslaw in Dnjepropetrowsk umbenannt – ein Name mit Bezug auf den Fluss Dnjepr und der Endung „-petrowsk“, die auf den heiligen Petrus verweist. Nach Ansicht der ukrainischen Nationalisten war die im gesamten russischen sowie ukrainischen Sprachraum häufig vorkommende Endung jedoch ein Bezug auf den ehemaligen Vorsitzenden des Obersten Sowjets der Ukrainischen SSR, Grigori Petrowski. Also wurde die Stadt 2016 auf Beschluss der Rada hin in Dnipro umbenannt.
Bei dieser – politisch eher unverdächtigen – Umbenennung sollte es nicht bleiben. Nach der Machtübernahme antirussischer Kräfte und der Beteiligung rechtsextremer Parteien in Folge des Maidan-Putsches stehen in Dnipro vor allem Erinnerungen an die im Zweiten Weltkrieg mit den deutschen Besatzern kooperierenden ukrainischen Nationalisten der OUN hoch im Kurs. So wurde beispielsweise 2019 in Dnipro die ehemalige „Babuschkin-Straße“ in „Schuchewitsch-Allee“ umbenannt. Der alte Namensgeber Iwan Babuschkin war ein russischer Revolutionär und Berater von Lenin, der 1906 von den Zaristen erschossen wurde. Der neue Namensgeber ist hingegen politisch deutlich brisanter. Roman Schuchewytsch war ein radikaler ukrainischer Nationalist und Mitbegründer der OUN. Vor dem Zweiten Weltkrieg agierte er als – wie man heute sagen würde – Terrorist in der damals zu Polen gehörenden Westukraine. Nach dem Überfall auf die Sowjetunion durch Deutschland schloss sich Schuchewytsch der „Legion Ukrainischer Nationalisten“, dem zur Wehrmacht gehörenden „Bataillon Nachtigall“, an und kämpfte dort als Offizier an der Seite von SS und Wehrmacht. Allein in Weißrussland soll Schuchewytschs Bataillon etwa 2.000 Partisanen getötet haben. Er selbst soll dabei die Morde angeordnet und die „Säuberung der Westukraine“ koordiniert haben. Und nach diesem Kriegsverbrecher und Massenmörder werden in der Ukraine Plätze und Alleen benannt?
Nicht minder problematisch ist die erst im September 2022 in Dnipro vollzogene Umbenennung der ehemaligen „Otto-Schmidt-Straße“ in „Stepan-Bandera-Straße“. Otto Juljewitsch Schmidt war ein russischer Polarforscher. Über Stepan Bandera wurde auf den NachDenkSeiten bereits einiges geschrieben. Wer eine historische Einordnung Banderas und des Kultes um ihn bei den rechtsgerichteten ukrainischen Nationalisten sucht, dem sei der lesenswerte Aufsatz des Historikers Grzegorz Rossoliński-Liebe auf den Seiten der Bundeszentrale für politische Bildung empfohlen. Diese Umbenennung wurde übrigens von Dnipros Bürgermeister Boris Filatow persönlich angeordnet. Damit wolle er – so Filatow – ein Versprechen umsetzen, dass er seinem Freund, dem Gründer der Bewegung „Rechter Sektor“, Dmitri Jarosch, gegeben hatte. Der Rechtsextremist Jarosch und sein „Rechter Sektor“ spielten übrigens auch beim Maidan-Putsch, bei dem er die „nationale Revolution“ ausrief, eine Rolle. Dass er nicht eben als „Freund westlicher Werte“ gilt, belegen Zitate wie dieses: „”Amnesty International waren schon immer Arschlöcher und Parasiten. … Und wieder haben sie bewiesen, dass sie die ‚Rechte‘ von Nichtmenschen, Besatzern, Plünderern, Vergewaltigern verteidigen …”.
In Deutschland würde man wohl sagen, Filatow habe ein Problem mit der Abgrenzung zum rechten Rand. Aber das wäre gehörig untertrieben, bewies eben jener Filatow doch immer wieder eine ausgesprochene Nähe zu Rechtsextremisten. So ließ er 2019 – als rechtsextreme Kräfte das „Bandera-Jahr“ ausriefen – vor dem Gebäude der regionalen Staatsverwaltung die rot-schwarzen Flaggen der Bandera-Organisation hissen. Am 1. Januar 2020, dem 111. Geburtstag Banderas, fand – mit Filatows Genehmigung – in der Innenstadt von Dnipro ein großer Fackelmarsch zu Ehren Banderas statt, auf dem ebenfalls rot-schwarze Flaggen gehisst wurden. Filatow macht auch gar keinen Hehl daraus, dass er selbst glühender Anhänger Banderas ist.
Dass Kölns parteilose, von den Grünen und der CDU unterstützte Oberbürgermeisterin Henriette Reker diesen Mann empfing, ihn ins Gästebuch der Stadt Köln schreiben ließ und mit ihm gemeinsam eine Projektpartnerschaft der Städte Köln und Dnipro verkündete, ist ein Skandal; ein Skandal, über den in der sonst so geschwätzigen Kölner Lokalpresse jedoch nicht geschrieben wird. Auf Unwissenheit kann man hier auch nicht plädieren. Die hier genannten Sachverhalte waren zum Zeitpunkt des Kölner Ratsbeschlusses allen bekannt. Die Besiegelung dieser Partnerschaft ist umso erstaunlicher, da laut Bekanntgabe der Stadt Köln auch das Auswärtige Amt mit einbezogen wurde. Der Beschluss wurde vom Rat der Stadt Köln übrigens einstimmig gefasst. Offenbar hat man in Köln kein Problem mit Rechtsextremisten, solange sie auf der „richtigen Seite“ stehen.
p.s.: Die Stadt Köln hat ihre Städtepartnerschaft mit Wolgograd übrigens mit der Begründung auf Eis gelegt, man könne keine Partnerschaft mit einem Land pflegen, das einen Angriffskrieg führt. Köln hat auch Städtepartnerschaften mit Indianapolis/USA, Liverpool/GB und Tel Aviv-Jaffa/Israel. Während der Angriffskriege dieser Länder gab es noch nicht einmal eine Diskussion über die Pausierung der Städtefreundschaften.
Titelbild: © Stadt Köln