Hinweise der Woche

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Am Wochenende präsentieren wir Ihnen einen Überblick über die lesenswertesten Beiträge, die wir im Laufe der vergangenen Woche in unseren Hinweisen des Tages für Sie gesammelt haben. Nehmen Sie sich ruhig auch die Zeit, unsere werktägliche Auswahl der Hinweise des Tages anzuschauen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (AT)

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Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. ‘Das Gemetzel muss beendet werden’
  2. Den Krieg mit einem Verhandlungsfrieden beenden
  3. Sinnloser Wirtschaftskrieg
  4. Working Class: Die Wohlstandsillusion
  5. Kindergrundsicherung: Wer bekommt das Geld – reiche oder arme Eltern?
  6. Zum Krieg der Bundesregierung nach innen und außen: Diplomatie statt Baerbock
  7. Diskussionspapier der „Ukraine-Initiative – Die Waffen nieder“: Rechtsoffenheit in der Friedensbewegung – Kampfbegriff oder reales Problem?
  8. Wo bleibt das Korrektiv? – Der Ukrainekrieg und das Versagen der Experten
  9. Völkerrecht nach Belieben: Kosovo, Krim, Türkei – jetzt Niger
  10. „Land ohne Mut“: Warum Michael Esfelds Kritik der Corona-Politik unerwünscht ist

Vorbemerkung: Ursprünglich hatten wir geplant, in unserer Wochenübersicht auch auf die lohnenswertesten redaktionellen Beiträge der NachDenkSeiten zu verweisen. Wir haben jedoch schnell festgestellt, dass eine dafür nötige Vorauswahl immer damit verbunden ist, Ihnen wichtige Beiträge vorzuenthalten. Daher möchten wir Ihnen raten, am Wochenende doch einfach die Zeit zu nutzen, um sich unsere Beiträge der letzten Wochen (noch einmal) anzuschauen. Vielleicht finden Sie dabei ja noch den einen oder anderen Artikel, den es sich zu lesen lohnt. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. ‘Das Gemetzel muss beendet werden’
    Krieg in der Ukraine: Günter Verheugen über Friedensverhandlungen und die Debatte in Deutschland […]
    Ich bin sehr geprägt von der frühen Entspannungspolitik. Ich habe sie nicht nur miterlebt, sondern ich war daran beteiligt. Wenn Willy Brandts Position gewesen wäre, dass man mit Breschnew nicht reden kann, wäre der Kalte Krieg bis heute nicht beendet. Wenn ich möchte, dass sich die Verhältnisse in einem autoritären Staat ändern, erreiche ich das nicht mit militärischem Druck, sondern indem ich ein Vertrauensverhältnis schaffe.
    Sie sagen, dass der Krieg in Deutschland auf einen Kampf zwischen Gut und Böse reduziert wird. Es gibt eine ungeheure Solidarisierung mit dem Guten, der Ukraine, gegen das Böse, Putin und Russland. Wie erklären Sie sich das?
    Der Umsturz in der Ukraine wird bei uns dargestellt als eine demokratische Revolution von begeisterten Pro-Europäern. Das war eine fabelhafte PR-Nummer, denn es ist nur ein Ausschnitt der Wahrheit. Es war ein vorbereiteter Staatsstreich. Die ersten Maßnahmen der Übergangsregierung waren gegen die russischstämmige Bevölkerung in der Ukraine gerichtet. Dann begann der Krieg, 2014 mit der sogenannten Anti-Terror-Operation, und die russische Politik von Putin wurde dämonisiert. Die Annexion der Krim hat ihn ins Unrecht gesetzt, das machte es leicht. Der Krieg in der Ukraine wird entsprechend überhöht zu einem Kampf zwischen rivalisierenden Systemen.
    Zwischen Demokraten und Autokraten …
    … aber das ist dieser Krieg nicht. Es geht nicht um Ihre oder meine Sicherheit. Wegen meiner Freiheit und zur Verteidigung meiner demokratischen Rechte muss kein Mensch in der Ukraine sterben. Meine Freiheit ist nicht durch Russland bedroht. Schon allein das zu sagen, bringt einen heute in den Verdacht, ein nützlicher Idiot des Kremls zu sein. Deshalb, um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Es besteht kein Zweifel daran, dass Russland der Aggressor ist, Verträge und Grundsätze verletzt hat, die das friedliche Zusammenleben in Europa regeln sollen. Aber man muss die Vorgeschichte dieses Kriegs kennen, um sich ein sachliches Urteil zu bilden.
    Quelle: Weser Kurier

    dazu: Abschied vom Siegfrieden – Stehen wir vor einer „Zeitenwende“ im Ukrainekrieg?
    Insgesamt bleibt bemerkenswert, dass der menschliche Faktor des Krieges weitgehend ausgeblendet wird: Brüder, Ehemänner, Väter, Freunde werden in diesem Krieg verheizt wie Brüder, Ehemänner, Väter und Freunde im Ersten Weltkrieg. Nirgends – so scheint es – regt sich ob dieses unermesslichen Grauens auch nur ein Quäntchen Empathie. „Russland darf nicht gewinnen“ – das ist die Ratio, koste es, was es wolle.
    Dabei sind die Perspektiven ernüchternd. Je länger der Krieg andauert, desto größer werden die Schäden sein, die Land und Leuten zugefügt werden. Und: desto größer werden die territorialen Zugeständnisse sein, die bei einer Verhandlungslösung gemacht werden müssen. Wer glaubt ernsthaft, dass die wesentlich kleinere Ukraine in der Lage sein könnte, das größere Russland militärisch zu besiegen?
    Ob der Krieg in absehbarer Zeit beendet wird, hängt nicht nur von der Ukraine ab. Russlands Entscheidungsfindung wird von mehreren Faktoren beeinflusst. Dazu gehört der sunk-cost effect – angesichts der bereits entstandenen Kosten (humanitär, ökonomisch) wird Russland nur dann Waffenstillstands- und Friedensverhandlungen zustimmen, wenn sie ohne Vorbedingungen begonnen werden. Zudem hat die Ukraine für Russland noch stärker als für die Nato und die USA eine strategische Bedeutung, so dass es die in diesem Konflikt erreichten Ziele nicht gefährden wird. Weiterhin betrachtet die russische Seite diesen Krieg als Folge einer globalen Aggression des Westens und nicht als isoliertes Kräftemessen. Für die russische Führung steht dieser Krieg ebenfalls für eine „Zeitenwende“ – für ein Ende der Hegemonie des Westens und der USA und für eine multipolare Weltordnung.
    Quelle 1: Stefan Luft auf Cicero
    Quelle 2: Stefan Luft

  2. Den Krieg mit einem Verhandlungsfrieden beenden
    Legitime Selbstverteidigung und das Streben nach einem gerechten und dauerhaften Frieden sind kein Widerspruch. Ein Verhandlungsvorschlag von Professor Dr. Peter Brandt, Professor Dr. Hajo Funke, General a. D. Harald Kujat und Professor Dr. h. c. Horst Teltschik.
    Seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs am 24. Februar 2022 führt die Ukraine einen legitimen Verteidigungskrieg, in dem es um ihr Überleben als Staat, ihre nationale Unabhängigkeit und Sicherheit geht. Diese Feststellung gilt unabhängig von der demokratischen und rechtsstaatlichen Qualität und der Verfassungsrealität, auch unabhängig von der sehr viel komplizierteren Vorgeschichte und dem ebenfalls komplizierteren weltpolitischen Zusammenhang des Krieges.
    Die Legitimität der bewaffneten Selbstverteidigung auf der Grundlage des Art. 51 der Uno-Charta entbindet die Regierung in Kiew und die sie unterstützenden Staaten allerdings nicht von der Verpflichtung – nicht zuletzt gegenüber dem eigenen Volk – Vernunft walten zu lassen, sich der Steigerung von Gewalt und Zerstörung nicht hinzugeben und die Erlangung eines gerechten und dauerhaften Friedens politisch zu befördern. Auch während des Krieges – und gerade währenddessen – darf das stete Bemühen um eine diplomatische Lösung nicht nachlassen.
    Quelle: Zeitgeschehen im Fokus
  3. Sinnloser Wirtschaftskrieg
    Endlich sieht die Außenministerin es ein: Die vom Westen verhängten Sanktionen schaden Russland nicht. »Eigentlich hätten wirtschaftliche Sanktionen wirtschaftliche Auswirkungen. Das ist aber nicht so. (…) Wir haben erlebt, dass mit rationalen Entscheidungen, rationalen Maßnahmen, die man zwischen zivilisierten Regierungen trifft, dieser Krieg nicht zu beenden ist«, so Baerbock in einem Interview. Nun ist es alles andere als rational zu erwarten, dass man Konflikte und Kriege durch endlose Waffenlieferungen beenden kann. Und nicht weniger dumm ist es, einen Wirtschaftskrieg gegen unseren wichtigsten Rohstofflieferanten zu führen, der sehr wohl massive Schäden anrichtet: bei uns! Die hohen Energiepreise sind Gift für unsere Industrie, Betriebe wandern ab, die Wirtschaft schrumpft wie in keinem anderen Land der G20, es droht eine Deindustrialisierung mit gravierenden Folgen für Arbeitsplätze, Löhne und den sozialen Zusammenhalt in der Gesellschaft.
    Die Armut wächst, da immer mehr Menschen nicht wissen, wie sie bei gestiegenen Preisen über die Runden kommen sollen. Da die Ampel nichts gegen die Marktmacht und Preistreiberei in einigen Branchen unternommen hat, kam es außerdem zu einer hemmungslosen Umverteilung von unten nach oben: Während die Reallöhne im letzten Jahr um mehr als vier Prozent zurückgegangen sind, konnten sich Dax-Konzerne über einen Rekordgewinn von 171 Milliarden Euro freuen. Über 50 Milliarden Euro an Dividenden werden in diesem und im nächsten Jahr an Aktionäre von Dax-Konzernen ausgeschüttet – rund doppelt soviel wie im Durchschnitt der letzten zwanzig Jahre. Und da die Ampel von höheren Steuern auf Konzerngewinne oder Milliardenvermögen nichts wissen will, stehen uns die härtesten Verteilungskämpfe noch bevor.
    Quelle: Sahra Wagenknecht auf junge Welt

    dazu: Annalena Baerbock hat sich wieder geirrt: Sanktionen wirken genau, wie sie sollten
    Baerbock kann als ein besonderer und beispielloser Fall für die Bundesrepublik Deutschland angesehen werden. Sie ist in der Lage, nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in vielen anderen Wissenschaften einen “Schnobel” zu behaupten. Zum Beispiel in der Geometrie, dank ihres Vorschlags an den russischen Präsidenten, “eine Politikwende um 360 Grad vorzunehmen”. Oder in der Geographie: Zu den neuesten Entdeckungen der Frau Ministerin gehört, dass die russischen Streitkräfte “in der Ukraine Minenfelder von der Größe Westdeutschlands angelegt haben”.
    Nur schlagen weder die anderen Parteien der Regierungskoalition in Deutschland noch die “demokratische” Opposition in Form des CDU-CSU-Blocks eine andere Politik gegenüber Russland und der Ukraine vor. Nicht nur Baerbock allein, sondern die gesamte Elite der wichtigsten Volkswirtschaft der Eurozone spielt weiterhin dieses Glücksspiel und glaubt, dass eine Umarmung mit dem amerikanischen Krokodil ihr doch noch den Sechser im Lotto bringen wird.
    Quelle: Dmitri Bawyrin auf RT DE

    dazu auch: ifo Geschäftsklima: „Hier bricht gerade etwas richtig weg“
    Neuen Zahlen zeigen: Frühere Boom-Branchen wie Bau und Maschinenbau befinden sich auf Talfahrt. Grund ist unter anderem eine chaotische Wirtschaftspolitik. (…)
    Laut ifo sind in Deutschland alle Branchen von der schlechten Lage betroffen. Klaus Wohlrabe sagte: „Vor allem in der Bauindustrie ist die Lage richtig dramatisch, im Wohnungsbau bricht gerade richtig etwas weg.“ Wegen der gestiegenen Baukosten und Hypotheken „nehmen die Leute vom Hausbau Abstand“. Hier werde es in diesem Jahr keine Entspannung mehr geben.
    Im verarbeitenden Gewerbe, bei den Dienstleistungen und im Handel ist der Geschäftsklimaindex ebenfalls gefallen. Die Schwäche der Industrie zieht auch Transport und Logistik nach unten. So meldete der Hamburger Hafen auch im zweiten Quartal einen starken Rückgang des Schiffsvolumens und warnte in der vergangenen Woche, dass er einen „deutlichen Rückgang“ der Einnahmen in seinem Teilkonzern Hafenlogistik erwarte. Russlands Krieg in der Ukraine, geopolitische Spannungen, Inflation und steigende Zinssätze setzten die Verbraucher- und Industrienachfrage unter Druck und behinderten die Erholung der Weltwirtschaft, hieß es laut Bloomberg.
    Sogar im Maschinenbau, lange Jahre die deutsche Paradedisziplin, geht es bergab: Im Wettbewerb um Marktanteile hat sich die Position deutscher Maschinenbauer laut einer ifo-Umfrage weiter verschlechtert. Laut dieser Umfrage sank der Index für Absatzmärkte außerhalb der EU per Berichtsmonat Juli gegenüber der letzten Umfrage per April von -7,3 auf -14,3 Zähler. Das war der schwächste Indexwert in der bis 1994 zurückgehenden Historie dieses Index.
    Auch in Spezialbranchen sieht es nicht gut aus.
    Quelle: Berliner Zeitung

  4. Working Class: Die Wohlstandsillusion
    Es ist die bescheidene, deutsche Variante des „American Dream“, das Versprechen an die Kinder „Ihr sollt es einmal besser haben.“ Allein: Es trägt in vielen Fällen nicht mehr. Vermögensaufbau aus eigener Kraft ist für viele Bundesbürger unmöglich.
    Julia Friedrichs interviewte Experten aus der Wissenschaft und Politik, Reinigungs- und Lehrkräfte sowie Büromenschen. In ihrem viel besprochenen Sachbuch „Working Class: Warum wir Arbeit brauchen, von der wir leben können“ kam sie zu dem Schluss: Alle kämpfen, um ihr Überleben zu sichern.
    Die Generation nach den Babyboomern ist die erste nach dem Zweiten Weltkrieg, die ihre Eltern mehrheitlich nicht wirtschaftlich übertreffen wird. Obwohl die Wirtschaft ein Jahrzehnt lang wuchs, besitzt die Mehrheit in diesem Land kaum Kapital und kein Vermögen.
    Sich Wohlstand aus eigener Kraft zu erarbeiten, ist schwieriger geworden, insbesondere für die junge Generation. Die Hälfte von ihnen fürchtet, im Alter arm zu sein.
    Anfang Dezember 2021 hat die OECD gemeinsam mit der Bertelsmann-Stiftung eine große Studie zur Lage der Mittelschicht veröffentlicht. Und damit eine Diagnose gestellt, die sich zuvor schon in vielen Einzelbefunden angedeutet hatte:
    In der jüngeren Generation wird das Aufstiegsversprechen der sozialen Marktwirtschaft in Reihe gebrochen.
    Quelle: Deutschlandfunk
  5. Kindergrundsicherung: Wer bekommt das Geld – reiche oder arme Eltern?
    Christian Lindner blockiert das größte sozialpolitische Reformprojekt der Ampelkoalition: Kein Wunder, geht es hier um echte Umverteilung von oben nach unten. Nun wird sich zeigen, ob diese Bundesregierung auch sozial kann (…)
    Und die Diskussion bei der Kindergrundsicherung dreht sich eigentlich um ganz andere grundsätzliche Verteilungsfragen: Sollen die durch Kinder entstehenden Kosten insbesondere von einkommensstarken Eltern im Rahmen eines Familienleistungsausgleichs kompensiert werden oder sollten die Gelder eher genutzt werden, um Kindern ein Leben jenseits von Armut zu ermöglichen? Die Frage lautet also: Für wen gibt der Staat Geld aus, für einkommensschwache oder einkommensstarke Familien? Der Familienleistungsausgleich steht dabei schon lange in der Kritik, weil er soziale Ungleichheit wenig ausgleicht: Wegen der progressiven Einkommensbesteuerung, welche dem Zweck dient, einkommensstarke stärker als einkommensschwache Gruppen durch Steuern zu belasten, erwirken Steuerfreibeträge für familiale Leistungen absurderweise den umgekehrten Effekt: Gerade besonders hohe Einkommensgruppen profitieren von den familialen Freibeträgen. Der Grundsatz der Kompensation, nach dem ein Millionär mit Kind keinen Euro weniger haben darf als ein Millionär ohne Kind, erwirkt eine gewaltige Umverteilung von unten nach oben und taugt zur Reduzierung von Kinderarmut nicht. Im Gegenteil: Soziale Ungleichheit wird durch die Steuerfreibeträge unterstützt – entlang der Einkommensstärke steigt die staatliche Unterstützung, die Eltern für ihre Kinder erhalten.
    Das Problem ist alt bekannt, wird nun aber, da wir mit Lisa Paus eine Finanzexpertin als Familienministerin haben, angegangen. Paus plant nichts weniger als einen Paradigmenwechsel und bezeichnet die Kindergrundsicherung entsprechend als das oben bereits zitierte „wichtigste sozialpolitische Vorhaben dieser Regierung“. Anstatt der bisherigen Umverteilung von unten nach oben erfolgt die Umverteilung mit dem neuen Instrument der Kindergrundsicherung von oben nach unten: Neben einem bedingungslosen Grundbetrag für jedes Kind erhalten Eltern eine einkommensabhängige Leistung nur bis zu einem festgelegten Höchstbetrag. Je höher das elterliche Einkommen ausfällt, desto geringer werden die Zusatzleistungen. Ab einem bestimmten Jahreseinkommen entfallen sie ersatzlos.
    Quelle: der Freitag

    dazu: Kindergrundsicherung wird zur Farce: Minister stellen Einigung der Ampelkoalition gegen Kinderarmut vor.
    Man muss zum eigenen Witz stehen – auch wenn es nicht mehr zum Lachen ist. »Es ist diese Bundesregierung, die eine Antwort auf Kinderarmut gefunden hat und darauf können wir stolz sein«, erklärte Bundesfamilienministerin Elisabeth Paus (Grüne) am Montag in der Bundespressekonferenz in Berlin. Eine Ampelentourage aus Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) stellte mit der Familienministerin gemeinsam die Einigung der Bundesregierung zur Kindergrundsicherung vor. Oder was davon übrig ist. Auf Kosten von 2,4 Milliarden Euro hat sich die Ampelkoalition nach den vorgestellten Eckpunkten offenbar nach lange und öffentlich geführter Debatte geeinigt. Zur Erinnerung: Paus’ erster Entwurf sah Kosten von 12 Milliarden Euro jährlich vor – viel zu wenig, um Kinderarmut wirksam zu bekämpfen, wie Armuts- und Ungleichheitsforscher Christoph Butterwegge im jW-Gespräch bereits im April bemerkte. Die nun getroffene Entscheidung bezeichnete der Sozialwissenschaftler am Montag gegenüber dpa als »riesigen Skandal«. Die Einigung bedeutet offenbar auch, dass Finanzminister Lindner mit seinem geplanten Paket von Steuergeschenken für Unternehmen weiterkommt. Paus hatte das »Wachstumschancengesetz« genannte Umverteilungsprogramm im Bundeskabinett zunächst mit Verweis auf das »zentrale sozialpolitische Vorhaben« der Ampelkoalition blockiert, um mehr Mittel von Lindner zu erstreiten. Angesichts der Selbstbeweihräucherung der Ampelpolitiker am Montag muss daran erinnert werden, dass der Sozialverband VdK Mitte August mit 24 Milliarden Euro die zehnfache (!) Summe für eine wirksame Kindergrundsicherung veranschlagt hatte.
    Quelle: junge Welt

    dazu: Was die Ampel bei ihrer Klausurtagung konkret beschlossen hat
    Konkret hat sich die Ampel auf mehrere neue Vorhaben geeinigt. Die Beschlüsse in der Übersicht:

    • Die Wirtschaft wird mit Steuererleichterungen bedacht. So sollen Unternehmen durch das Wachstumschancengesetz von Finanzminister Christian Lindner (FDP) spürbar entlastet werden. Vorgesehen sind Entlastungen von rund sieben Milliarden Euro pro Jahr ab 2024 und insgesamt über 32 Milliarden in den nächsten Jahren.
    • Ein Gesetz zum Bürokratieabbau wird auf den Weg gebracht. Unter anderem sollen Firmen Buchungsbelege nur noch acht statt zehn Jahre auf Papier aufbewahren müssen. Hotels müssen künftig nicht mehr für jeden einzelnen Gast einen Meldeschein ausfüllen. Justizminister Marco Buschmann (FDP) hofft durch sein Bürokratieentlastungsgesetz auf mehr Effizienz bei kleinen und mittelständischen Unternehmen und Einsparungen in Höhe von 2,3 Milliarden Euro im Jahr.
    • Das Gesundheitswesen wird digitaler gemacht. Ein Gesetz aus dem Haus von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) soll dafür sorgen, die Digitalisierung voranzutreiben. So sollen alle Versicherten, so sie nicht widersprechen, schon 2025 elektronische Patientenakten bekommen.
    • Die Verwaltung wird für KI-Anwendungen fit gemacht. Bis Ende 2024 sollen die technischen und rechtlichen Voraussetzungen für den Einsatz von KI-Anwendungen in der Verwaltung geschaffen werden. Schon Anfang des Jahres soll zudem das digitale E-Rezept zum verbindlichen Standard bei der Arzneimittelversorgung werden.

    Quelle: DER SPIEGEL

    Anmerkung Christian Reimann: Die Ampelkoalition hat also die Fortsetzung der Umverteilung von unten nach oben beschlossen, von der insbesondere Unternehmen und der digitale Sektor profitieren sollen. Arme Familien werden mit wenigen Euros mehr vertröstet. Und dennoch bescheinigt Bundeskanzler Scholz sich selbst eine gute Leistungsbilanz. Vielleicht sollte die Scholz-Regierung weniger an Kommunikationsstrategien arbeiten, sondern mehr Bürgernähe wagen.

  6. Zum Krieg der Bundesregierung nach innen und außen: Diplomatie statt Baerbock
    Jetzt geht auch der deutschen Außenministerin ein Licht auf – die Sanktionen schaden Russland nicht, gibt Annalena Baerbock (Grüne) enttäuscht zu: „Eigentlich hätten wirtschaftliche Sanktionen wirtschaftliche Auswirkungen. Das ist aber nicht so. Weil eben die Logiken von Demokratien nicht in Autokratien greifen. (…)
    Wir haben erlebt, dass mit rationalen Entscheidungen, rationalen Maßnahmen, die man zwischen zivilisierten Regierungen trifft, dieser Krieg nicht zu beenden ist.“ Die Ausführungen der Grünen-Ministerin sind gleich doppelt absurd. Denn was ist „rational“ an Entscheidungen, die der eigenen Bevölkerung schaden und den Krieg nicht stoppen? Gravierende wirtschaftliche Folgen hat der Wirtschaftskrieg der Ampel-Regierung gegen Russland nämlich sehr wohl – für die Bürger wie die Unternehmen in Deutschland. Während Russlands Wirtschaft wächst, verharrt die deutsche in der Rezession, die Inflation bleibt hoch, Lebensmittel und Energie sind teuer. Die Verarmung der Bevölkerung und die Deindustrialisierung des Landes sind programmiert. Licht am Ende des Tunnels dieses sozialen Krieges von oben gegen unten gibt es nicht. Wenn vermeintlich „rationale Maßnahmen“ nicht greifen, müssen bei der Grünen wohl irrationale her. So verteidigt Baerbock ukrainische Drohnenangriffe auf Moskau als legitim, während sich selbst ihr Amtskollege in Washington hier eher bedeckt hält. Deutschland ist mittlerweile zweitgrößter Waffensteller der Ukraine nach den USA.
    Quelle: Sevim Dagdelen in unsere zeit

    dazu auch: Baerbock dreht und wendet das Völkerrecht – Die alte Weltordnung rettet sie damit nicht: Ich mach’ mir die Welt, wie sie mir gefällt
    Es vergeht kaum ein Tag, an dem die Weltreisende in Sachen Völkerrecht, Annalena Baerbock, nicht mit überraschenden Botschaften zu Krieg und Frieden aufwartet. Zwar konnte sie Australien wegen mehrfachdefekter Landeklappen des Regierungsfliegers nicht mit einem persönlichen Besuch behelligen. Dafür erfreute sie zumindest den erlesenen Zuhörerkreis des NATO-treuen Think-Tanks „Lowy Institute“ mit Sitz in Sydney am 22. August mit einer in gewohnt gestochenem Englisch gehaltenen Videobotschaft. Die frohe Kunde lautete: Das 16.500 Kilometer entfernte Deutschland wird sich an dem bevorstehenden Luftwaffenmanöver „Pitch black“ (pechschwarz) beteiligen. Deutschland wird auch über dem Indopazifik verteidigt. Denn, „wenn in Ihrer Region gegen das Völkerrecht verstoßen wird, dann kann es auch an jedem anderen Ort verletzt werden. Ihre Sicherheit ist auch für unsere Sicherheit von Bedeutung“, so die grüne Außenministerin. Die finstere Macht in der Region ist für Baerbock China. Sie ist in großer Sorge über den Verlust angestammter Einflusssphären des Westens: „Wir beobachten, wie sich zahlreiche Länder stärker China zuwenden. Und wir müssen ehrlich zugeben: Oft liegt das an einem Mangel an Alternativen. Das wollen wir ändern.“ Durch die Bundesluftwaffe – mag man ergänzen. Die Zeichen der Zeit sprechen gegen Baerbock. Ihre Werbetour, mit der die Länder des globalen Südens von den antirussischen Wirtschaftssanktionen der Wertegemeinschaft NATO und EU überzeugt werden sollten, trägt keine Früchte.
    Quelle: Ralf Hohmann in unsere zeit

    und: „Kulturwandel“ im Auswärtigen Amt: Baerbock will, dass deutsche Diplomaten mehr auf Social Media gegen Russland und China austeilen
    Quelle: NachDenkSeiten

  7. Diskussionspapier der „Ukraine-Initiative – Die Waffen nieder“: Rechtsoffenheit in der Friedensbewegung – Kampfbegriff oder reales Problem?
    Zentrum der Meinungsverschiedenheiten ist die Frage nach dem Umgang mit neuen und neuartigen Protestbewegungen. Das ist kein spezifisches Problem der deutschen Friedensbewegung. In den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg standen soziale Bewegungen, darunter auch die Friedensbewegung, meist von Anfang an unter der Hegemonie linker oder progressiver Kräfte. Diese Zeiten sind allerdings vorbei. Mit den gesellschaftlichen Umbrüchen und multiplen Krisen in fast allen Ländern des ‚demokratischen Kapitalismus‘ sind zwar viele neue Anlässe für Protest entstanden. Aber angesichts des Niedergangs und der Schwäche der gesellschaftlichen Linken ist dieser Protest politisch und ideologisch meist diffus, von Widersprüchen durchzogen und in seiner Zusammensetzung oft sehr heterogen.
    Typische Beispiele sind die Bewegung der Gelbwesten in Frankreich oder die Cinque Stelle in Italien (vor ihrer Formierung zur Partei), die Hunderttausende mobilisieren konnten. Die Linke wurde davon völlig überrascht, und einige hatten große Probleme, damit umzugehen. So behaupteten manche, die Gelbwesten seien von der extremen Rechten gesteuert oder gar antisemitisch.
    Wenn eine solche neuartige Bewegung auftritt, besteht angesichts ihrer Heterogenität und politischen Nicht-Determiniertheit in der Tat eine gewisse Offenheit – aber nach allen Seiten hin. Entscheidend ist in einer solchen Situation, welche Orientierung sich im weiteren Gang der Dinge durchsetzt. Politik ist nicht statisch, sondern prozesshaft. Wer von vorneherein glaubt, dass eine solche Bewegung vom Start weg sofort den Ansprüchen etablierter linker Organisationen genügen müsse, hat nicht verstanden, wie soziale Bewegung und politische Meinungsbildung an der Basis der Bevölkerung heute funktionieren.
    Quelle: Nie wieder Krieg
  8. Wo bleibt das Korrektiv? – Der Ukrainekrieg und das Versagen der Experten
    Im Ukrainekrieg spielen Experten-Analysen eine wichtige Rolle. Allerdings gibt es ein Missverständnis über deren Funktion. Sie werden nämlich nicht benötigt, um politisches Handeln zu legitimieren. Sie werden als Korrektiv gebraucht, damit wir wissen, was schiefläuft. […]
    Bei uns findet der Krieg aus der Perspektive des Generalstabes statt, wenn es auch nur wenige Experten im deutschsprachigen Raum gibt, die das wie der österreichische Oberst Markus Reisner praktisch umsetzen können. Ansonsten ist das ein Krieg der Medienkonsumenten, die nicht über den Kriegsverlauf, sondern vor allem über die politische Legitimation des Krieges und seine moralische Begründung diskutieren. In der Hinsicht unterscheiden sich nicht die Fachleute aus der sicherheitspolitischen Community vom politisch interessierten Bürger.
    Das hat historische Gründe, weil Sicherheitspolitik unter dem Einfluss der Friedensforschung ab den 1970er Jahren nicht mehr nur aus einer militärischen Perspektive betrachtet worden ist. Mit dem Ende des Kalten Krieges wurde Sicherheitspolitik in Deutschland endgültig unter der Prämisse der Abwesenheit des klassischen Krieges diskutiert. Er war nur noch als Bürgerkrieg denkbar, wie im früheren Jugoslawien in den 1990er Jahren, oder als asymmetrischer Krieg unter dem Einfluss der Anschläge vom 11. September 2001.
    Quelle: Frank Lübberding im Cicero
  9. Völkerrecht nach Belieben: Kosovo, Krim, Türkei – jetzt Niger
    Viele Schlagzeilen: «ECOWAS plant militärisches Eingreifen in Niger». Doch niemand informiert, ob das völkerrechtlich erlaubt wäre.
    Nach dem Militärputsch in Niger schweigen sich Politiker und Medien darüber aus, ob ein militärisches Eingreifen der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft völkerrechtlich abgestützt und legitim wäre. Vor allem französische Medien befürworten ein Eingreifen. Die USA sind besorgt wegen ihrer dortigen Militärbasis. Niger ist zudem der siebtgrösste Produzent von Uran.
    Offensichtlich wird das Völkerrecht à la carte beziehungsweise nach Belieben angerufen. Wenn die Türkei das Grenzgebiet in Syrien besetzt und de facto annektiert, kritisiert kaum jemand diese krasse Verletzung der UNO-Charta. Wenn Russland die Krim annektiert, wird ein Verstoss gegen das Völkerrecht sofort angezeigt.
    Die Öffentlichkeit darf erwarten, dass Medien über sämtliche Verletzungen der UNO-Charta informieren – unabhängig davon, wer sie begeht.
    Das jüngste Beispiel ist das 25-Millionen-Einwohner-Land Niger in der Sahelzone. Tagelang berichteten Medien von einem möglichen militärischen Eingreifen der ECOWAS-Staaten in Niger, um die dortigen Putschisten-Militärs zu stürzen und den gewählten Präsidenten wieder an die Macht zu bringen.
    Seit dem Zweiten Weltkrieg gilt aber laut UNO-Charta das Prinzip der Nicht-Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines anderen Landes. Die Nicht-Einmischung gilt als hohes völkerrechtliches Gebot und als wesentliche Voraussetzung für den Weltfrieden.
    Eine militärische Einmischung in ein anderes Land kann im Ausnahmefall – etwas vereinfacht formuliert – nur die UNO aus humanitären oder friedensbedrohenden Gründen beschliessen.
    Quelle: Infosperber
  10. „Land ohne Mut“: Warum Michael Esfelds Kritik der Corona-Politik unerwünscht ist
    Das Buch des Philosophieprofessors Michael Esfeld kann nicht auf die Frankfurter Buchmesse. Warum ist diese Kritik der Corona-Maßnahmen tatsächlich unzumutbar?
    Corona ist vorbei, die Aufarbeitung ebenso – eingestanden werden kleine Fehler, aber im Großen und Ganzen haben „wir“ alles gut gemacht, und eine Kommission zur Evaluierung der Pandemiepolitik hält der Bundestag auch nicht für nötig. Da stört ein Buch wie das von Michael Esfeld – renommierter Philosophieprofessor an der Universität Lausanne und Mitglied der Leopoldina.
    Denn es formuliert, geradezu philosophisch trocken, einen Einspruch und richtet einen Weckruf an die Zivilgesellschaft: Der „Trend“, der den Umgang mit dem Coronavirus bestimmt hat, ist nicht vorbei. Und dieser Trend ist gar nicht gut: Er führt in eine Gesellschaft, welche „die Menschenrechte, die ergebnisoffene wissenschaftliche Forschung und die Mechanismen der Gewaltenteilung des Rechtsstaates zur Begrenzung der Ausübung von Macht“ (S. 17) außer Kraft setzen kann – bedarfsweise, immer wieder und irgendwann vielleicht beständig.
    Esfeld nimmt auch den Laien auf eine verständlich geschriebene Entdeckungsreise „Zurück in die Zukunft“ (S. 18) der Philosophiegeschichte mit, in der er sowohl die Wurzeln akuter Übel als auch Saatgut für bessere Früchte sichtet.
    Quelle: Berliner Zeitung

    Anmerkung unserer Leserin A.F.: Einfach nur peinlich für die Frankfurter Buchmesse. Ich störe mich allerdings an dem Begriff „Fürsorgestaat“. Das klingt doch arg fürsorglich, tatsächlich handelt es sich um einen Maßnahmen- und autoritären Anordungsstaat, der sich das Etikett Fürsorge angeheftet hat.

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