Glaubt man einem aktuellen SPIEGEL-Bericht, dann zieht derzeit ein neuer Wind durch das Auswärtige Amt (AA). Außenministerin Baerbock fordere von ihren Botschaftern, dass diese „klare Kante“ in den Sozialen Medien zeigen, insbesondere gegen Russland und China. Als „Antreiber für die neue Kommunikationsstrategie“ habe diese sich einen langjährigen SPIEGEL-Journalisten in die Zentrale geholt. In diesem Zusammenhang verweist das AA als zu folgendem Vorbild allen Ernstes auf die Social-Media-Pöbeleien ukrainischer Diplomaten. Dazu passt, dass unter Baerbock der Allgemeinbildungstest sowie der psychologische Eignungstest für Bewerber zum höheren diplomatischen Dienst abgeschafft wurde. Undiplomatisches Auftreten und Verzicht auf Allgemeinbildung als Kernelement „wertebasierter, feministischer Außenpolitik“? Zumindest dem Blatt aus Hamburg gefällt’s. Von Florian Warweg.
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Am 27. August veröffentlichte DER SPIEGEL einen Artikel (hinter Bezahlschranke) unter der bezeichnenden Überschrift „Kulturwandel im Auswärtigen Amt – Baerbocks Diplomaten sollen jetzt undiplomatisch auftreten“.
Bezeichnend ist der Artikel nicht nur wegen des transportierten Inhalts, sondern vor allem wegen des angewandten Framings. Deutsche Diplomaten, die bereits im Sinne von Baerbock in den Sozialen Medien agieren, werden ausnahmslos gelobt, ebenso die Außenministerin selbst. Das liest sich dann beispielsweise so:
„Die deutsche Botschafterin in Peking, Patricia Flor, lässt geschickt verpackte Kritik am chinesischen Regime auf dem Kurznachrichtendienst Weibo posten (…). Mit Klartext fiel auch Emily Haber positiv auf, die bis vor Kurzem die Bundesrepublik in Washington vertrat (…). Eine klare Haltung zu zeigen passt auch zur wertebasierten Außenpolitik, die sich die Grüne auf die Fahnen geschrieben hat. Gerade in Zeiten schriller Töne aus Moskau und Peking hält Baerbock eine robuste Rhetorik für unerlässlich.“
Ganz anders das Framing bezüglich der bundesdeutschen Diplomaten, die sich mit ihren Äußerungen in den Sozialen Medien laut Wertung des Magazins aus Hamburg „noch immer zurückhalten“. Die werden in Folge „als ängstliche oder eher traditionell geprägte Botschafter“ bezeichnet.
Zur Umsetzung ihrer neuen, konfrontativen „Kommunikationsstrategie“ habe sich Baerbock, so der SPIEGEL, Anfang 2022 einen „Antreiber“ in die Zentrale geholt, den ehemaligen SPIEGEL-Redakteur Ralf Beste:
Jener von der Grünen-Außenministerin eingesetzte „Antreiber“ hat sich dann laut SPIEGEL-Informationen zusammen mit dem Beauftragen für Strategische Kommunikation des Auswärtigen Amts, Peter Ptassek, in den letzten Monaten bei Diplomaten verbündeter Länder über deren Öffentlichkeitsarbeit informiert. „Besonders viel“ habe man von „Diplomatenkollegen in Israel und der Ukraine“ gelernt. Wer etwa auf X-Twitter verfolgt, wie extrem unflätig und aggressiv regelmäßig ukrainische (aber auch israelische) Diplomaten agieren, erinnert sei nur an die zahlreichen verbalen Ausfälle des früheren ukrainischen Botschafters in Deutschland, Andrij Melnyk, dem kann bei dieser Aussage nur angst und bange werden um die sowieso bereits massiv geschädigte Reputation des Auswärtigen Dienstes der Bundesrepublik Deutschland.
Die negativen Folgen dieser neuen, angeblich „wertebasierten Kommunikation“ lassen sich beispielhaft auf dem afrikanischen Kontinent verfolgen:
So lobte Außenministerin Baerbock explizit einen Tweet der deutschen Botschaft in Südafrika, der da lautete:
„Was Russland in der Ukraine tut, ist das Abschlachten unschuldiger Kinder, Frauen und Männer zu seinem eigenen Vorteil (…).“
Schaut man sich die Kommentare unter dem Tweet an, fällt allerdings auf, dass Beifall fast ausschließlich von deutschen Profilen kam, Südafrikaner und Afrikaner anderer Länder kommentierten beinahe durchgehend kritisch. Zahlreiche Nutzer fragten die Deutsche Botschaft, wieso sich diese nicht ein einziges Mal zu den von NATO-Staaten geführten Angriffen gegen Irak, Libyen, Syrien, dem Saudi-Krieg im Jemen mit Hunderttausenden getöteten Zivilisten oder dem israelischen Besatzungsregime in Gaza und der Westbank geäußert hatte. Andere verwiesen auf die jahrzehntelange Unterstützung der Bundesrepublik für das Apartheid-Regime im Gegensatz zur Hilfe der Sowjetunion für den ANC unter Nelson Mandela und andere Befreiungsbewegungen im Kampf gegen Apartheid und Kolonialismus im südlichen Afrika.
Ein AA-Tweet, gelobt von Baerbock und verfasst ganz im Sinne der neuen „Kommunikationsstrategie“, der allerdings nur zur Befriedigung der eigenen gesellschaftlichen Blase in Deutschland diente, sich aber kontraproduktiv bei der wohl eigentlichen „Zielgruppe“ im Gastland und -kontinent zeigte.
Noch weit schädigender in seinen Auswirkungen war allerdings ein Tweet im ähnlichen Duktus direkt aus der Zentrale in Berlin. Anlässlich einer anstehenden Afrika-Reise des russischen Außenministers Sergei Lawrow im Frühjahr 2023 verkündete das AA auf dem offiziellen englischsprachigen Twitter-Account des Ministeriums:
„Der russische Außenminister Lawrow ist in Afrika, nicht um Leoparden zu sehen, sondern um unverblümt zu behaupten, dass die Partner der Ukraine “alles Russische zerstören wollen”. Hier ist ein Thread mit all seinen “Beweisen“. Es gibt keine.“
Dieser Twitter-Thread sorgte in ganz Afrika für einen Aufschrei der Empörung. Unter anderem fragte die Sprecherin der Afrikanischen Union, Ebba Kalondo, ob für das Auswärtige Amt der afrikanische Kontinent, seine Menschen und seine Tierwelt nur ein Witz seien. Andere hochrangige afrikanische Kommentatoren verwiesen auf den kolonialen Charakter des Tweets. Ein weiterer Nutzer schrieb unter den Tweet des Auswärtigen Amtes:
„Das Niveau im Ministerium hat sich offenbar der neuen Außenministerin angepasst.“
Selbst aus Washington kam Kritik. So erklärte die Direktorin des US-amerikanischen Afrika-Carnegie-Programms, Zainab Usman, Deutschland werde keine Freunde in Afrika gewinnen, wenn es „entsetzliche Klischees“ verbreite, um geopolitisch „gegen einen Gegner in einem europäischen Krieg“ zu punkten.
This is not a good look, @GermanyDiplo. Using terrible stereotypes of Africa (“Africa is a vast landscape of wild animals in the bush”) to score a geopolitical upper cut to an adversary in a European war will not win you any African friends. Tone deaf! Do better! https://t.co/YwOZopBg1M
— Zainab Usman (@MssZeeUsman) January 25, 2023
Und auch die meist staatstragend berichtende Deutsche Presse-Agentur (dpa) sah sich gezwungen zu titeln:
„Tweet des Auswärtigen Amtes mündet in diplomatischem Fiasko“
Angesichts der massiven Kritik ruderte das Auswärtige Amt zurück und entschuldigte sich offiziell. Doch die Sprecherin der Afrikanischen Union ließ diese Entschuldigung nicht gelten und gab der bundesdeutschen Diplomatie eine Empfehlung mit auf den Weg, die allerdings bis heute offensichtlich kein Gehör fand:
„Respektieren Sie uns, so wie wir Sie respektieren. Außenpolitik ist kein Witz und sollte auch nicht dazu benutzt werden, billige geopolitische Punkte zu machen, indem man einen ganzen Kontinent mit kolonialen Klischees zu irgendeinem Thema illustriert. Niemals.“
Don't apologise. Just be careful. And respect us as we respect you. Foreign policy is not a joke nor should it be used to score cheap geopolitical points by illustrating an entire Continent with colonial tropes on any issue. Ever.
— Ebba Kalondo (@EbbaKalondo) January 26, 2023
So viel zum bisherigen „Erfolg“ der von Baerbock forcierten „Klartext-Kommunikation“ im Sinne einer angeblich „wertebasierten, feministischen Außenpolitik“ – oder um die derzeitige Chefin des AA direkt zu zitieren:
„Das ist die Kommunikation für Außenpolitik im 21. Jahrhundert.”
In diesem Zusammenhang sei noch auf eine weitere Initiative der Grünen-Außenministerin verwiesen. Wie unter anderem der Tagesspiegel berichtet, hat das AA unter Baerbocks Leitung seit 2022 den Allgemeinbildungstest sowie den psychologischen Eignungstest bei Bewerbern für den höheren diplomatischen Dienst vorläufig abgeschafft. Hintergrund war unter anderem der Verweis, dass diese bisherigen Tests angeblich weibliche Bewerber benachteiligen würden. Ob Baerbock und ihren verantwortlichen Staatssekretären eigentlich bewusst ist, wie paternalistisch und in der Konsequenz frauenfeindlich diese Art der Begründung daherkommt?
Nach Informationen der NachDenkSeiten sollen das Auftreten, die genannten Initiativen und die Personalpolitik der aktuellen Außenministerin für massive Spannungen innerhalb der altgedienten Diplomaten im Auswärtigen Amt sorgen. Die NachDenkSeiten konnten bereits im März 2023 mit zwei gut vernetzten Diplomaten a.D. reden, die zu FDP-Zeiten in das Ministerium kamen. Laut diesen hat sich bei vielen Mitarbeitern ein enormes Maß an Frustration und Fremdscham angehäuft. Es gäbe zunehmendes Unverständnis über die Art und Weise der Außenkommunikation sowie hinsichtlich der Sanktionspolitik ohne jede Rücksichtnahme auf deutsche Interessen, insbesondere was die Lage des Mittelstandes anginge. Einer der befragten Diplomaten erklärte gegenüber den NachDenkSeiten:
„Wenn Baerbock und Habeck so weitermachen, führen die Deutschland in die Subperipherie. Wirtschaftlich wie diplomatisch…“
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