Leserbriefe zu „„Maulkorb für Kriegsgegner“ – Verfassungsbeschwerde gegen Neufassung von „Volksverhetzung“-Paragraf 130 eingereicht“
In diesem Beitrag diskutiert Florian Warweg die Verfassungsbeschwerde, die der Jurist Dr. Ralf Hohmann gemeinsam mit den zwei Vorsitzenden der DKP, Wera Richter und Patrik Köbele, gegen die Neufassung von § 130 des Strafgesetzbuches (Volksverhetzung) eingelegt hat. Kritisiert werde u.a. ein Verstoß gegen die grundgesetzlich gesicherte Meinungsfreiheit und „die Verfahrensweise der parlamentarischen Beschlussfassung als sogenanntes ´Omnibus-Gesetz´, also als Anhang eines anderen Gesetzes ohne inhaltlichen Bezug und ohne die sonst übliche parlamentarische Befassung, spätabends ´durchgepeitscht´ worden sei“. Die Abstimmung sei als letzter Tagesordnungspunkt um 22.15 Uhr angesetzt gewesen. Wir danken für die interessanten Leserbriefe. Hier folgt nun eine Auswahl, die für Sie von Christian Reimann zusammengestellt worden ist.
1. Leserbrief
Sehr aufschlussreicher Artikel – vielen Dank an Herrn Warweg – ich habe diesen Artikel ganz unten auf der Artikelseite innerhalb des folgenden Abschnitts verlinkt:
Prominente Wirtschaftstheorien dürfen (seit Klassik) als interessengeleitet verstanden werden, evtl. sogar als Vorläufer von Social Engineering, jedenfalls als Manufacturing Consent (vgl. Lippmann 1922, vgl. Chomsky 1988) bzw. Engineering of Consent (vgl. Bernays 1947) . Im Rahmen geplanter Einführung von Digitalem Zentralbankgeld (CBDC) mit später damit verbundenen Personal Carbon Budgets (PCA/PCB) und der potenziellen (anschließenden) Gefahr weit über PCAs hinausgehender Steuerung befürchten wir gefährliche Social-Engineering-Möglichkeiten. Dass der Handlungs- und Meinungsraum spürbar enger zu werden droht, ist u.A. hier und hier insbesondere seit Dezember 2022 in Deutschland zu bemerken.
Viele Grüße
Christoph G. Brandstetter
2. Leserbrief
Hallo Florian Warweg,
hallo NachDenkSeiten,
die Hinzufügung von Absatz 5 des Paragrafen 130 StGB bezeichne ich gerade einmal als Richtlinie, die allerdings je nach Auslegung eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren nach sich ziehen kann. Wenn man also öffentlich die Meinung vertritt, dass Russland keinen Angriffskrieg gegen die Ukraine, sondern einen Verteidigungskrieg führt, dann ist diese Aussage je nach Befinden eines Richters/Gerichts eventuell schon strafwürdig, da es den öffentlichen Frieden stört oder stören könnte.
Damit ist jede Auseinandersetzung zu diesem Thema beendet, sprich eine freie Meinungsäußerung und auch ein Meinungsaustausch können nicht stattfinden. Doch gerade Auseinandersetzungen zu diesem Thema (Krieg) ist nach meiner Ansicht unbedingt erforderlich. Es muss gewährleistet sein, dass öffentlich gerade über das Thema Krieg, insbesondere Ukraine-Krieg, öffentlich debattiert werden darf, ja sogar muss.
Ansonsten kann schon bald jede Meinungsäußerung zu einem Strafbestandteil führen.
Als Anmerkung füge ich hinzu, dass auch eine nicht tendenziöse Berichterstattung zu einer freien Meinungsbildung beiträgt.
Bezug: Schriftlicher Redebeitrag von Dr. Thorsten Lieb (FDP) zur Änderung von § 130 StGB:
„Mit der ergänzenden Regelung in § 130 StGB, die dem Gesetz angefügt ist, verdeutlichen wir auch noch einmal, dass wir das öffentliche Billigen, Leugnen und gröbliche Verharmlosen von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen in keinster Weise dulden. Dies wird nunmehr explizit unter Strafe gestellt – ein wichtiger Ausdruck in Kriegszeiten.“
„…ein wichtiger Ausdruck in Kriegszeiten.“ Mir ist nicht bewusst, dass wir, Deutschland, uns in Kriegszeiten befinden. Seit 1945 befinden wir uns nicht mehr in Kriegszeiten – erfreulicherweise. Doch schon die Bundesministerin des Auswärtigen hat schon einmal behauptet, wir befinden uns im Krieg.
Solche Aussagen sind irreführend. Es betrifft nicht den Strafbestandteil der Volksverhetzung, aber vielleicht einen anderen Strafbestandteil. So etwas wie „irreführende politische Aussagen“.
Sollte der wichtige Ausdruck in Kriegszeiten so gemeint sein, dass irgendwo auf der Welt ein Krieg stattfindet, wird es schwierig. Denn irgendwo auf der Welt findet immer ein Krieg statt.
Ist damit gemeint, dass Deutschland sich an einem Krieg mit militärischen und finanziellen Mitteln beteiligt, dann ist die Aussage zutreffend. Doch dann befinden wir uns ständig in Kriegszeiten.
Zurück zum Bezug: Wer ist eigentlich „wir“? Thorsten Lieb und die FDP, die Regierung der Bundesrepublik Deutschland, das deutsche Volk? Zu dem „wir“ gehöre ich dann nicht. Auch ich verurteile Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen. Doch ich verurteile auch die Einschränkung des Artikels 5, Absatz 1, des Grundgesetzes: „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten…“
Für Ihre Recherche und Bekanntgabe bedanke ich mich, Florian Warweg.
Gruß
Holger Wixfort
3. Leserbrief
Sehr geehrter Herr Warweg!
Zu dem Thema hat der Vorsitzende Richter am Bundesgerichtshof a.D. und Verfasser von Standardkommentaren zum Strafgesetzbuch Thomas Fischer im Spiegel eigentlich alles gesagt und ich frage mich, was daran so schwer zu verstehen ist.
Wenn ein Deutscher US-Kriegsverbrechen im Irak oder von Russland in der Ukraine leugnet, billigt oder verharmlost, ist das NICHT strafbar.
KERNSATZ:
“Die Gruppe oder der Bevölkerungsteil oder die Person, gegen die sich die geleugnete (usw.) Tat richtete, muss eine solche »nach Abs. 1« sein. Und von Absatz 1 sind nach ständiger Rechtsprechung nur Teile der inländischen Bevölkerung umfasst.”
Thomas Fischer:
“Innerhalb einiger Tage brach Unruhe in den Medien aus: unerhörte Geheimgesetzgebung, Ausweitung des Strafbarkeitsbereichs ins Unermessliche!
Ich würde mal sagen: Gemach, gemach! Das Gesetz hat nichts mit dem Krieg in der Ukraine zu tun und auch nichts mit dem Krieg im Jemen. Es handelt sich, wie der Rechtsausschuss des Bundestags richtig erläutert hat, um eine (zügige) »Klarstellung«, die wegen eines Vertragsverletzungsverfahrens der EU-Kommission gegen Deutschland notwendig war. Bisher ist das Leugnen und Verharmlosen nämlich nur in Bezug auf die Holocaust-Taten strafbar, ein Rahmenbeschluss der EU verlangt aber die umfassende Strafbarkeit des Leugnens, Billigens und Verharmlosens auch von anderen Völkermord- und Kriegsverbrechen.
Die Gruppe oder der Bevölkerungsteil oder die Person, gegen die sich die geleugnete (usw.) Tat richtete, muss eine solche »nach Abs. 1« sein. Und von Absatz 1 sind nach ständiger Rechtsprechung nur Teile der inländischen Bevölkerung umfasst.
Also: Wenn Huti die Verbrechen an Tutsi leugnen, ist das nicht nach dem deutschen Paragrafen 130 StGB strafbar. Auch nicht, wenn ein Deutscher russische Kriegsverbrechen in der Ukraine oder amerikanische Kriegsverbrechen im Irak leugnet oder grob verharmlost. Daran ändert auch nichts, dass der ebenfalls geänderte Paragraf 5 StGB auch Auslandstaten – unabhängig vom Recht des Tatorts – einbezieht, wenn der Täter Deutscher ist oder in Deutschland seinen Lebensmittelpunkt hat. Dadurch verändert sich der Schutzbereich nicht.”
von unserem Leser F.S.
Anmerkung Florian Warweg: Sehr geehrter Herr Schumacher,
der Verweis auf den Krieg in der Ukraine wurde explizit von den Regierungsvertretern zur Rechtfertigung der Gesetzesnovelle getätigt, diese sind im Artikel wie in der Verfassungsbeschwerde auch entsprechend zitiert und protokollarisch entsprechend festgehalten.
So sehr ich Herrn Fischer schätze und seine Expertise zweifelsfrei in diesem Kontext höher ist als die meinige, ändert das nichts daran, dass Vertreter der Regierungsparteien im Rechtsausschuss diese Verbindung zum Ukraine-Krieg offen so benannt haben.
4. Leserbrief
… das heißt also, dass die Bilderberger, die NATO und insbesondere der amerik. Präsident sich darüber freuen, dass es 2001, 2003 oder 1999 ein solches Gesetz in Deutschland gegeben hat. Es hätte sich niemand gegen einen Krieg in Afghanistan, dem Irak oder im Kosovo aussprechen können, ohne von solchen geistigen Totalausfällen wie Herrn Habeck oder Frau Baerbock zu Haft verurteilt zu werden. Wir können einfach den totalen Krieg ausrufen und niemand darf dagegen sein, weil das ja Wehrkraftzersetzung wäre? Alles Auslegungssache wird es dann heißen und wir sind „in Kriegszeiten“. Was wäre wohl, wenn es tatsächlich Krieg auf deutschem Boden gäbe? Werden dann wieder 17 Mio. Soldaten aktiviert wie im 3. Reich? Trägt Frau Baerbock dann die Grünen-Flagge und geht mit einer offenen Brust voran gen Osten? Also darf, wer die Amerikaner verhöhnt, weil sie 3000 Menschen für den Krieg gegen Terror geopfert und die NordStream Pipeline in die Luft gesprengt haben, damit rechnen, dass das Kriegsverharmlosung ist und sich auf eine Gefängnisstrafe freuen? Die Grünen sind doch schon Strafe genug. Die frz. Revolution an dieser Stelle anzuführen, ist eine Leichte Übertreibung, aber dass einem solche Bilder in den Kopf kommen bei einer Kriegstreiberei durch die ehemalige Friedenspartei spricht für mich Bände.
mit freundlichem Gruß
Markus Westbomke
5. Leserbrief
Hallo Nachdenkseiten,
wenn ich das neue Gesetz, wie hier beschrieben:
„„Maulkorb für Kriegsgegner“ – Verfassungsbeschwerde gegen Neufassung von „Volksverhetzung“-Paragraf 130 eingereicht“, richtig verstehe, könnte man nun auch die Verfasser von Leserbriefen hier:
Leserbriefe zu „Wer „Verhandlungen“ fordert, meint: Putin soll bekommen, was er will“
alle miteinander vor Gericht stellen und natürlich die Nachdenkseiten, die diese veröffentlicht haben.
Solche Veröffentlichungen von Leserbriefen können wohl demnächst nur noch nach strengster Zensur veröffentlicht werden (geschwärzt und noch mehr geschwärzt) und damit überflüssig werden.
In meiner Gegend gibt es einen Spruch, in etwa so: „Ich sage nichts, damit keiner nachher sagen kann, ich hätte dies oder jenes gesagt“.
Mit besten Grüßen,
J.
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