„Das wird Russland ruinieren“ – mit diesem denkwürdigen Satz läutete Außenministerin Baerbock im Februar letzten Jahres das erste Sanktionspaket der EU gegen Russland ein. Heute, eineinhalb Jahre später, zeigen die aktuellen Prognosen des IWF, das nicht etwa Russland, sondern Deutschland der eigentliche ökonomische Verlierer der eigenen Sanktionen ist. Für Leser der NachDenkSeiten kommt diese Nachricht nicht gerade überraschend. Wirtschaftsminister Habeck redet sich indes die Zahlen schön und hat dabei noch nicht einmal im Ansatz verstanden, warum die deutsche Volkswirtschaft schwächelt. Nun zeigt sich, dass unsere Entscheider vom neoliberalen Zeitgeist derart vernebelt sind, dass keine Besserung in Sicht ist. Ein Kommentar von Jens Berger.
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Deutschlands Volkswirtschaft schrumpft. Für das laufende Jahr prognostiziert der IWF Deutschland ein negatives Wachstum – was für ein schönes Wort – von 0,3 Prozent. Damit korrigierte der IWF seine ohnehin schon negative Prognose für Deutschland noch einmal um 0,2 Prozentpunkte nach unten. Deutschland ist damit die einzige entwickelte Volkswirtschaft, der vom IWF überhaupt ein Rückgang der Wirtschaftsleistung vorhergesagt wird. Sogar das kriselnde Großbritannien steht mit immerhin 0,4 Prozent Wachstum besser da.
Quelle: WELT
Ein Schlag ins Gesicht der deutschen Regierung wird vor allem die IWF-Prognose für Russland sein. Hier korrigierte der IWF seine Prognose um ganze 0,8 Prozentpunkte nach oben und sagt nun ein Wachstum von 1,5 Prozent voraus. Das ist durchaus bemerkenswert, da die meisten Ökonomen die auch im letzten Jahr vergleichsweise robuste russische Wirtschaftsentwicklung monokausal mit den hohen Weltmarktpreisen für Rohstoffe erklärt haben. 2023 haben die Preise jedoch deutlich nachgegeben und die westlichen Staaten hofften nun, dass ihre Sanktionen doch noch zeitverzögert Wirkung zeigen. Dem ist nicht so, wie der IWF nun schwarz auf weiß feststellt. Zeitverzögert wirken die Sanktionen jedoch auf Deutschland.
Warum ausgerechnet Deutschland von den Entwicklungen am härtesten betroffen ist, ist nun Gegenstand hitziger Debatten. Wirtschaftsminister Habeck, dessen Ministerium im Frühjahr noch von 0,4 Prozent Wachstum ausgegangen ist, sieht keinen Grund für eine „German Angst“ und zeigt dabei, dass er die Gründe für die deutsche Rezession nicht einmal im Ansatz verstanden hat. Zwar nennt er die steigenden Energiepreise – was auch nicht gerade besonders originell ist – als Grund, bezieht dies jedoch einseitig auf die Industrie und deren Exporte. Selbstverständlich haben die gestiegenen Energiepreise eine negative Auswirkung auf diesen Sektor. Für die konjunkturelle Gesamtentwicklung ist der Exportsektor jedoch nur ein – vergleichsweise kleiner – Teil.
Eine viel größere konjunkturelle Auswirkung dürfte die gebremste Binnennachfrage haben. Durch die höheren Energiepreise und die allgemeinen Preissteigerungen haben die Menschen hierzulande deutlich weniger Geld in der Tasche und können daher weniger ausgeben. Die Ausgaben der Privathaushalte sind auf der anderen Seite die Einnahmen der Unternehmen. Dieser Zusammenhang ist eigentlich doch nicht so schwer zu verstehen. Schaut man sich nun die Unternehmensseite an, gibt es dort einen doppelten Schock. Auf der einen Seite haben sich (Energie, Vorprodukte usw.) die Kosten erhöht und auf der anderen Seite sind die Einnahmen (wegbrechende Binnennachfrage, Rückgang der Exporte) zurückgegangen. Die negative Geschäftsentwicklung lässt freilich auch die Investitionen zurückgehen. Dies ist in Kombination der eigentliche Grund für die schlechte konjunkturelle Entwicklung. Die zu erkennen, ist nun wirklich keine Raketenwissenschaft und gerade von einem Wirtschaftsminister sollte man schon erwarten, dass er die Zusammenhänge kennt.
Doch Robert Habecks wirtschaftswissenschaftliche Expertise ist nun einmal überschaubar. Man muss davon ausgehen, dass er auch nur das nachplappert, was ihm seine Mitarbeiter und Berater einflüstern. Und in Deutschland hat man ja „gelernt“, dass Wirtschaft gleich Export ist und allein schon der Begriff „Binnennachfrage“ ist ohnehin verpönt. Man denkt nur noch angebotstheoretisch, die nachfragetheoretische Sicht ist seit dem Siegeszug des Neoliberalismus nicht mehr gefragt. Diese neoliberale Indoktrination ist nun schon so weit fortgeschritten, dass man den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht.
Doch nur wer das Problem erkennt, ist auch fähig, Lösungen zu finden. Die Lösung für das konjunkturelle Problem der deutschen Volkswirtschaft liegt dabei auf der Hand. Wenn das schrumpfende verfügbare Einkommen in Kombination mit steigenden Preisen die Ursache ist, ist ein steigendes verfügbares Einkommen in Kombination mit sinkenden Preisen die Lösung. Die EZB könnte die Zinsen senken, die Bundesregierung dafür sorgen, dass die Energiekosten wieder sinken. Doch was wird gemacht? Das genaue Gegenteil. Die EZB erhöht die Zinsen bei jeder ihrer Sitzungen, EU und Bundesregierung wollen über die Ausweitung des Emissionshandels auf die Bereiche Gebäude und Verkehr die Energiekosten abermals in die Höhe treiben. Auf dass die nächste IWF-Prognose Deutschland abermals die Rote Laterne verleiht.
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Titelbild: Screencap Tagesschau