Krieg ohne Friedensschluss: Vor 70 Jahren endete mit dem Waffenstillstandsabkommen von Panmunjom der dreijährige Koreakrieg

Krieg ohne Friedensschluss: Vor 70 Jahren endete mit dem Waffenstillstandsabkommen von Panmunjom der dreijährige Koreakrieg

Krieg ohne Friedensschluss: Vor 70 Jahren endete mit dem Waffenstillstandsabkommen von Panmunjom der dreijährige Koreakrieg

Rainer Werning
Ein Artikel von Rainer Werning

Nach Jahrzehnten japanischer Kolonialherrschaft über Korea (1910-45) waren die Koreaner bei Kriegsende Mitte August 1945 in freudvoller Erwartung, endlich wieder die Geschicke ihres Landes in Freiheit und Selbstbestimmung zu gestalten. Doch es waren die beiden Siegermächte des Zweiten Weltkrieges, die USA und die Sowjetunion, die fortan auf der Koreanischen Halbinsel das Sagen hatten. Entlang des künstlich als Trennlinie gezogenen 38. Breitengrads kontrollierte fortan die Rote Armee den nördlichen Landesteil, während US-Truppen im Süden mittels einer Militärregierung herrschten. Was als Bürgerkrieg begann, eskalierte rasch zu einem „heißen“ Konflikt mit internationaler Beteiligung. Während die USA Truppenverbände unter der Flagge der Vereinten Nationen zum Schutz ihres Vasallen Rhee Syngman befehligten, griffen chinesische Volksfreiwilligenverbände direkt in das Kriegsgeschehen zu Gunsten Kim Il-Sungs ein. Nach zähen Verhandlungsrunden zwischen den Protagonisten kam es schließlich am 27. Juli 1953 in dem unwirtlichen Ort Panmunjom zur Unterzeichnung eines Waffenstillstandsabkommens, das bis heute nicht in einen Friedensvertrag überführt werden konnte! Ein Rückblick von Rainer Werning.

Unterschrieben wurde das Waffenstillstandsabkommen in Präsenz zweier Militärs – von dem amerikanischen Generalleutnant William K. Harrison, jr. für das Kommando der Vereinten Nationen sowie General Nam Il für die Nordkoreanische Volksarmee und für ein chinesisches Freiwilligencorps. Als solches hatte die am 1. Oktober 1949 gegründete Volksrepublik China unter Mao Zedong ihre Interventionstruppen tituliert, um formell einen militärischen Konflikt mit den Vereinigten Staaten zu vermeiden. Erst später am Tag und getrennt signierten dann noch der US-General Mark W. Clark im Namen der Vereinten Nationen, Peng Teh-Huai, der Kommandant der chinesischen Truppen, sowie Marschall Kim Il-Sung als Oberkommandierender der Koreanischen Volksarmee das Abkommen. Der südkoreanische Präsident Rhee Syngman verweigerte seine Unterschrift unter das Panmunjomer Abkommen; er wollte bis zum „Sieg über den Kommunismus“ weiterkämpfen. Erst als Washington ihm umfangreiche Wirtschafts- und Finanzhilfen zusicherte, willigte Rhee – widerwillig zwar – ein, das Abkommen zu respektieren.

Verheerende Kriegsfolgen und Opferzahlen

„In der Zeit vom 25. Juni 1950 bis zum 27. Juli 1953 kamen nach konservativen westlichen Schätzungen über 4,6 Millionen Koreaner ums Leben, einschließlich drei Millionen Zivilisten im Norden und 500.000 Zivilisten im Süden der Halbinsel“, hieß es in dem am 23. Juni 2001 in New York verkündeten Urteil des Korea International War Crimes Tribunal unter dem Vorsitz des ehemaligen US-Justizministers Ramsey Clark.

Weiter hieß es in diesem Verdikt:

„Die Beweise für die US-Kriegsverbrechen, die diesem Tribunal präsentiert wurden, lieferten Augenzeugenberichte und Dokumente über Massaker an Tausenden Zivilisten, die von den US-amerikanischen Militärstreitkräften während des Krieges im Süden Koreas verübt wurden. Darüber hinaus gab es erdrückende Beweise der kriminellen, teils genozidmäßig betriebenen US-Politik im Norden Koreas, wo systematisch die meisten Häuser und Gebäude durch US-Artilleriefeuer und Luftangriffe in Schutt und Asche gelegt (…) und geächtete Waffen sowie biologische und chemische Kampfmittel im Krieg gegen seine Bevölkerung eingesetzt wurden (…)“

Bereits in den ersten Kriegstagen evakuierte die US-Armee ganze Dörfer im Süden Koreas. So erging es auch in den späten Julitagen des Jahres 1950 den Bewohnern von No Gun Ri. Dieser Ort, wenige Kilometer südlich der Stadt Taejon gelegen, und die angrenzenden Gebiete waren vor der Anlandung von US-Truppen am 7. September 1945 eine Hochburg des antijapanischen Widerstands gewesen. Soldaten des 7. US-Kavallerieregiments gruben sich am 26. Juli 1950 bei No Gun Ri auf einem mehrere Hundert Meter langen Frontabschnitt ein. Als sich am selben Tag ein Treck von 500 bis 600 Bewohnern umliegender Dörfer, die sich auf der Flucht vor anrückenden nordkoreanischen Einheiten befanden, der US-amerikanischen Frontlinie näherte, wurden die Flüchtlinge von der Straße vertrieben. Die GIs wollten diese unbedingt für US-Militärfahrzeuge freihalten, und sie zwangen die Menschen, auf einen angrenzenden Bahndamm auszuweichen. Als die Flüchtlinge dort rasteten, warfen plötzlich US-Kampfflugzeuge anstelle von Warnzetteln Bomben ab und feuerten MG-Salven auf den Konvoi. Etwa 100 Menschen kamen nach koreanischen Augenzeugenberichten allein nach mehrfachem Beschuss aus der Luft ums Leben. Die Überlebenden – hauptsächlich alte Männer, Frauen und Kinder – flüchteten sich in den Tunnel unter einer nahegelegenen Eisenbahnbrücke. Einige stapelten Leichen übereinander, um Schutzwälle zu errichten, während andere mit bloßen Händen Löcher in den Boden gruben, um vor dem anhaltenden Kugelhagel Deckung zu suchen.

Kriege im Krieg

Erst Mitte der 1990er-Jahre wandten sich 30 Überlebende und Hinterbliebene des No Gun Ri-Massakers mit einer Petition an das sogenannte Kompensationskomitee der südkoreanischen Regierung in Seoul. Zunächst bestritten sowohl südkoreanische als auch US-Militärbehörden kategorisch, dass es Vorfälle wie in No Gun Ri überhaupt gegeben hatte. Doch in den südkoreanischen Medien konnten sich die Opfer Gehör verschaffen, bis am 30. September 1999 die Nachrichtenagentur Associated Press ihren Bericht über No Gun Ri veröffentlichte und darin auch ein Dutzend US-Kriegsveteranen zu Wort kommen ließ. Nunmehr war das Pentagon gefordert, sich zu den Ereignissen in No Gun Ri zu äußern. Nach 15-monatiger Untersuchung kam der Generalinspekteur der US-Armee in seinem im Januar 2001 publizierten Abschlussbericht zu dem Ergebnis:

Was den Zivilisten in der Nähe von No Gun Ri im späten Juli 1950 widerfuhr, war eine tragische und zutiefst bedauernswerte Begleiterscheinung eines Krieges, der unvorbereiteten US-amerikanischen und südkoreanischen Streitkräften aufgezwungen worden war.“

Diese offizielle Darstellung Washingtons wurde allerdings durch ein Dokument widerlegt, das der Historiker Sahr Conway-Lanz 2006 im US-Nationalarchiv entdeckt hatte. Es handelte sich um ein Schreiben des damaligen US-Botschafters in Südkorea, John J. Muccio, vom 26. Juli 1950. Darin unterrichtete der Botschafter das U.S. State Department über eine „notwendige“ Entscheidung der 8. US-Armee in Korea, die in den USA zu negativen Reaktionen führen könnte. Adressat dieses Briefes von Muccio war Dean Rusk, der damals als stellvertretender Außenminister für Ostasien zuständig war und während des Vietnamkrieges selbst zum Chef des State Department avancierte. Muccio sprach von einem „sehr ernsten Problem“, das zunehmend „auch das Militär herausfordere“. Die durch Flüchtlingsströme verstopften Straßen und Zufahrtwege behinderten die eigenen Militärfahrzeuge. Außerdem befürchtete man, dass sich unter den Flüchtlingen nordkoreanische Agenten befänden.

„Flüchtlinge werden erschossen“

Sodann verwies Muccio auf ein tags zuvor (25. Juli) stattgefundenes Treffen zwischen ihm, dem Kommandeur der 8. US-Armee einschließlich deren Sicherheitsdienst, Mitarbeitern des südkoreanischen Innenministeriums und des Ministeriums für soziale Angelegenheiten sowie dem Direktor der Nationalpolizei. Kernpunkt dieses Treffens war die Order:

„Nähern sich Flüchtlinge nördlich der US-Linien, werden Warnschüsse abgefeuert. Rücken sie dennoch weiter vor, werden sie erschossen.“

Mittlerweile sind mindestens 60 solcher Massaker vor und hinter den Frontlinien des Krieges bekannt und dokumentiert. Was immer die kombinierten US- und UN-Truppen an Stellungen nicht halten konnten, wurde in die Luft gesprengt, um der gegnerischen Seite nichts in die Hände fallen zu lassen.

Als sogenannte Freiwilligenverbände des chinesischen Volkes ab dem 25. November 1950 zugunsten Nordkoreas in das Kriegsgeschehen eingriffen, schürte das erst recht eine antikommunistische Pogromstimmung in Südkoreas Regierung unter Präsident Rhee Syngman. Mehrere Zehntausend Menschen fielen Rhees Häschern zum Opfer. Das wiederum verstärkte Guerillaaktivitäten hinter den Frontlinien, die Mitte Januar 1951 ihren Höhepunkt erreichten. Das US-Oberkommando schätzte die Zahl der Aufständischen auf 30.000 bis 35.000 Personen. Um sie auszuschalten, erfanden die Militärstrategen die „Operation Rattentöter“. Dessen Kommando ward dem seinerzeit schärfsten antikommunistischen Haudegen und erstem Viersternegeneral Südkoreas, General Paik Sun-Yup, übertragen.

„Operation Rattentöter“

Ende Januar 1952 verkündete der Oberbefehlshaber in Korea, General Matthew B. Ridgway, der zwischenzeitlich den exzentrischen General Douglas MacArthur abgelöst hatte, den Erfolg dieser Operation:

„Nahezu 20.000 Freischärler – Banditen und organisierte Guerilleros – wurden getötet oder gefangen genommen. Damit war diese Irritation ein für alle Mal beendet.“

Doch noch bis Ende 1952 war die Guerilla im Südwesten Koreas, in den Chiri-Bergen, sehr aktiv. Für das Magazin Life verfasste die Fotografin Margaret Bourke-White im Dezember ein Feature mit dem Titel „Der grausame, geheime Krieg in Korea“. Frau Bourke-White interviewte Aufständische, unter ihnen auch couragierte Frauen:

„Einige der Aufständischen wechselten die Fronten und schlossen sich den Roten an. Tausende Nordkoreaner waren auch darunter, denen es glückte, sich von ihren Einheiten abzusetzen, als die UN-Truppen den Belagerungsring durchbrachen, der um die südliche Hafenstadt Busan gelegt worden war. Andere Aufständische kamen aus dem Norden, wo sie die Frontlinien der Alliierten überwanden. Insgesamt handelte es sich also um eine Truppe, die nie über zwei Jahre lang den um sie herumtobenden Krieg und die harschen Bedingungen in gebirgigem Terrain überlebt hätte, wäre sie nicht von der Bevölkerung versorgt und unterstützt worden.“

Keine Friedenssignale in Sicht

Auch sieben Dekaden nach dem Ende des Koreakrieges ist eine Friedensregelung auf der Koreanischen Halbinsel nicht in Sicht. Die Fronten zwischen den Protagonisten bleiben verhärtet – allen zwischenzeitlichen Annäherungen zum Trotz, was den französischen Publizisten Renaud Lambert in seinem jüngsten Essay „Südkoreanische Szenen“ in der deutschsprachigen Juliausgabe von Le Monde diplomatique zu der Feststellung verleitete:

„Ein weiteres Relikt aus dem Koreakrieg (1950-1953): Im Fall eines bewaffneten Konflikts untersteht die südkoreanische Armee dem US-Generalstab. Kein Wunder, dass oft gesagt wird, Südkorea sei weniger ein Land mit einem US-Stützpunkt in der Mitte, sondern eher ein US-Stützpunkt mit einem Land.“ (S. 8)

Titelbild: Joshua Davenport/shutterstock.com


Dr. Rainer Werning ist u.a. Co-Autor dieser beiden Bücher, die er zusammen mit dem deutsch-koreanischen Soziologen und Philosophen Prof. Dr. Song sowie der Koreanistik-Professorin Picht verfasste:

  • Du-Yul Song & Rainer Werning (2012): Korea: Von der Kolonie zum geteilten Land. Wien: Promedia Verlag
  • Rainer Werning & Helga Picht (2018): Brennpunkt Nordkorea: Wie gefährlich ist die Region? Berichte, Daten und Fakten. Berlin: edition berolina

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